Zeittafel 800 bis 899

0-599 600-699 700-799 800-899 900-999

1000-1099 1100-1199 1200-1299 1300-1399 1400-1499 1500-1599

9. Jahrhundert
Anfang 9. Jahrhundert
Die Rodungen im Vogelsberg erreichen den Rand des Oberwaldes. Auf den Basaltplateaus der Hohen Rhön wird gerodet. Das Kloster Lorsch beginnt im Odenwald mit gelenkten Rodungen. Das Kloster Corvey und das Bistum Paderborn besiedeln die Waldgebiete südlich der Paderborner Hochfläche (Streifige Fluren). Entsiedlungsvorgänge; wahrscheinlich sind es neugegründete Siedlungen, die wieder aufgegeben werden. Friesen lassen sich an der Westküste Schleswigs nieder. Anfang 9. Jh.: Die Dreifelderwirtschaft ist verbreitet im westlichen Deutschland, der Nordschweiz und im Pariser Becken. (Pflügen und Säen im Frühjahr, Brachpflügen im Frühsommer und Pflügen und Säen im Herbst. Pflügen der Sommersaat: ca. 10. Februar bis Ende April; das Feld liegt im Folgejahr brach und wird dann Mitte Mai bis Ende Juni brachgepflügt. Im gleichen Jahr ab September (2 Woche?) bis Ende Oktober wird die Wintersaat gepflügt, die dann im 3. Jahr trägt. Im 4. Jahr wird wieder Sommersaat angebaut usw. Schon für 884 ist ein zweimaliges Herbstpflügen ("Rühren" und Pflügen zur Wintersaat) erwähnt, das sich aber erst im Laufe des Hochmittelalters durchsetzt.)

Seit dem 9. Jahrhundert ist die Sense in Gebrauch. Rasche Verbreitung des hölzernen Dreschflegels. Wassermühlen, obwohl selten und teuer, gehören zur Ausstattung der großen Domänen.

3. Viertel 9. Jahrhundert
Das Kloster Lorsch verfügt nach einem Katalog über etwa 1000 Schriften in ca. 450 Bänden. Ende 9. Jh.: Im Kasseler Raum werden Sachsen in offenbar regelhaften Siedlungsformen angesiedelt.
Aus dem 9. Jh. sind etwa 7000 erhaltene Handschriften bekannt.

9. und 10. Jahrhundert
Im württembergischen Altsiedelland entstehen noch Ausbausiedlungen mit Kurzhufen.

800
25. Dezember: Karl wird in Rom zum Kaiser gekrönt (nicht zuletzt, weil Byzanz gerade ohne Kaiser ist). [Wenn bisher von Kaisern die Rede war, so waren stets byzantinische Kaiser - die einzigen – damit gemeint. Fortan wird differenziert.]
Ca.: Entstehung von Emden, einer einstraßigen Wurtensiedlung aus Handwerker- und Händlerhäusern (zu klein für Bauernhäuser) nebst einer Holzkirche.
Ca.: Karl läßt Inventare anlegen, in denen für jeden einzelnen Hof des Königs oder der Kirche der Bestand an Vieh und Gerät aufgenommen wird. Einige davon sind zufällig in derselben sammelhandschrift erhalten, in der sich auch das "Capitulare de villis" befindet. Hier das Inventar eines Fronhofes: "Wir fanden [auf der Insel Stefanswert] einen Fronhof und einen Eigenhof, der mit den übrigen Gebäuden obengenannter Kirche gehört. Zu dem Fronhof gehören 740 Tagewerk Ackerland und Wiesen mit einer Ertragsfähigkeit von 610 Fuder Heu. An Getreide fanden wir nichts außer den dreißig Fudern, die wir den Pfründnern gegeben haben; diese,
72 an der Zahl, empfangen Unterhalt bis zum St. Johannesfest. Wir fanden
ferner dort 12 Scheffel Malz, 1 Pferd, 26 Zugochsen, 20 Kühe, l Bulle, 61 Färsen, 5 Kälber, 87 Schafe, 14 Lämmer, 17 Böcke, 58 Ziegen, 12 Zickel, 40 Schweine, 50 Ferkel, 63 Gänse, 50 Hühner, 17 Bienenstöcke; 20 Speckseiten, ebensoviel Würste, 27 Pfund Schmer, 1 geschlachteten und aufgehangenen Eber, 40 Käse, 1/2 Sekel Honig; 2 Sekel Butter; 5 Scheffel Salz, 3 Sekel Seife; eine Bettdecke mit 5 Federkissen, 3 eherne und 6 eiserne Kessel, 5 Kesselhaken, 1 eisernen Leuchter, 17 mit Eisen gebundene Zuber, 10 große und 17 kleine Sicheln, 7 breite Hacken, 7 Äxte, 10 Bockshäute, 26 Schaffelle, 1 Fischnetz. Es gibt daselbst eine Tuchmacherei, in der 24 Frauen arbeiten. Wir fanden in ihr 5 wollene Gewänder mit 4 Gürteln und 5 Hemden. Es gibt dort ferner eine Mühle, die jährlich 12 Scheffel abgibt. Es gehören zu demselben Hof 23 ausgegebene freie Hofstellen. 6 von ihnen zinsen jährlich jeweils 14 Scheffel Getreide, 4 Ferkel, Flachs im Werte einer Seige, 2 Hühner, 10 Eier, l Metze Leinsamen, 1 Metze Linsen; sie leisten jährlich 5 Wochen Frondienste, pflügen 3 Tagewerk, schneiden ein Fuder Heu auf der Herrschaftswiese und bringen es ein, leisten Botendienst. Von den übrigen haben 6 jährlich jeweils 2 Tagewerk zu ackern, zu säen und einzubringen, auf der Herrschaftswiese 3 Fuder Heu zu schneiden und einzufahren sowie 2 Wochen zu fronen. Je zwei geben einen Ochsen als Kriegssteuer, wenn sie nicht selbst ins Feld ziehen; jede leistet ungemessenen Reiterdienst. 5 Hofstellen geben jährlich 2 Ochsen und leisten ungemessenen Reiterdienst. Es gibt 4 Hofstellen, deren Inhaber im Jahr jeweils 9 Tagewerk ackern, säen und ernten, und auf der Herrschaftswiese 3 Fuder Heu schneiden und einbringen. Jährlich front jeder 6 Wochen, geht zur Weinfuhre, düngt ein Tagewerk Herrschaftsland und liefert 10 Fuder Brennholz. Ferner gibt es eine Hofstelle, deren Inhaber jährlich 9 Tagewerk ackert, sät und einfährt, auf den Herrschaftswiesen 3 Fuder Heu schneidet und einerntet, Botendienst leistet, 1 Vorspannpferd stellt und jährlich 5 Wochen front. 19 hörige Hofstellen sind ausgegeben. Jeder ihrer Inhaber gibt jährlich 1 Ferkel, 5 Hühner und 10 Eier, mästet 4 herrschaftliche Jungschweine, pflügt ein halbes Ackerwerk, front wöchentlich drei Tage, läuft Botendienst, stellt ein Vorspannpferd. Sein Weib fertigt 1 Hemd und 1 Chorrock, braut Malz und bäckt Brot. Es bleiben in dem Bistum noch sieben Fronhöfe, von denen hier ein Verzeichnis fehlt, doch in der Gesamtzahl ist alles enthalten: es besitzt das Bistum Augsburg insgesamt 1006 ausgegebene und 35 unbesetzte freie Hofstellen, 421 ausgegebene und 45 unbesetzte hörige Hofstellen, zusammen also 1427 ausgegebene und 80 unbesetzte Hofstellen." [Quellen zur Geschichte des deutschen Bauernstandes im Mittelalter. Ges. und hrsg. von Günther Franz. Darmstadt: WB 1967. (FSGA 31) S. 67-71.]
Ca.: Als Zuggeschirr ist das Kummet bekannt.
Ca.: Mönche bringen die Edelrose nach Mitteleuropa.
Ca.: Harun al Raschid läßt seine Kanzleien in Bagdad von Papyrus bzw.
Pergament zum Papier übergehen. Die Araber verwenden als Grundstoff für die Papiererzeugung Hadern aus Linnen oder Hanf. Sie haben ein besseres Stampfverfahren (als die Chinesen) sowie die Stärkeleimung erfunden.

801
Karl läßt die Statue Theoderichs d. Gr. von Ravenna nach Aachen überführen und läßt sie vor der Aula seines Palastes aufstellen.

802
Byzanz hat wieder einen Kaiser (Nikephoros I.), welcher Karls Kaisertum nicht anerkennt. Karl läßt sich von allen Untertanen ab dem zwölften Lebensjahr Treue schwören.
Juli:
Eine arabische Gesandtschaft von Harun al-Rashid erreicht Aachen. Nebst anderen wertvollen Geschenken bringen sie auch einen leibhaftigen Elefanten mit. Dies ist seit der Römerzeit der erste Elefant, der die Alpen überquert hat. Er heißt Abul Abbas (nach dem Ahnherrn der Abbasiden) und sein Treiber ist der nordafrikanische Jude Isaak. Sie waren im letzten Jahr aufgebrochen und hatten in Vercelli (am Lago Maggiore) überwintert. Der Elefant wird nun bei Karls Reisen und Auftritten mitgeführt (bis 803 oder 804).

803
"In diesem Jahr geschah ein Erdbeben zu Aachen." [Xantener Annalen] "In diesem Winter ward im Palast [in Aachen] und in der Umgegend ein Erdbeben verspürt, auf das dann eine große Sterblichkeit folgte." [Reichsannalen]

804
Erste Erwähnung von Haithabu (dänisch: Hedeby, angelsächsisch: aet haethum, bedeutet "Siedlung auf der Heide"), gegründet gegen Ende des 8. Jhs. unter dem Einfluß des Dänenkönigs Göttrik an einer Bucht am Ende der Schlei (Schleswig-Holstein). Bei Karls Feldzug gegen die Friesen wird auch der Elefant mitgeführt (siehe 802), um den Feind einzuschüchtern, aber dummerweise ertrinkt das Tier beim Rheinübergang. Nach einem Bericht soll seine Leiche den Rhein hinunter getrieben sein; möglichweise ist er auch wegen falscher Haltung eingegangen. Aus einem Stoßzahn soll ein mächtiges Jagdhorn gefertigt worden sein. Bis der nächste Elefant ins Abendland kommt, werden noch über 400 Jahre vergehen. Die Nordalbinger von jenseits der Niederelbe werden von Karl unterworfen und in fränkische Gebiete deportiert. Ihr Stammland wird nun von den slawischen Abodriten (Obodriten) besiedelt, die auffränkischer Seite gegen die Sachsen gekämpft haben und die die Grenzwacht gegen die Dänen führen sollen. Dazu wird die Burg Itzehoe gegründet. Tod Alkuins. Er hat einmal geschrieben: "Besser ist es Gott zu gefallen als den Gauklern, für die Armen zu sorgen anstatt für die Spielleute."

805
Im Diedenhofener Capitulare wird Erfurt (Erphisfurt) als einer der wenigen erlaubten Grenzhandelsplatz mit den Slawen und Awaren erwähnt.

806
Frühe Burgen: In Halle (Halla) wird eine Burg errichtet (1484 überbaut. Quelle: Chronicon Moissiacense).

807
Eine Gesandtschaft von Harun al Raschid überbringt Karl eine kostbare Wasseruhr. "807 herrschte sehr große Sterblichkeit in Fulda." [Lambert von Hersfeld]

808
"In diesem Jahre war ein sehr weicher und ungesunder Winter." [Xantener Annalen] "Der äußerst milde Winter war damals sehr ungesund, und so zog der Kaiser als der Frühling anbrach nach Neumagen; hier brachte er die Fastenzeit zu und feierte auch das heilige Osterfest, dann kehrte er wieder nach Aachen zurück." [Reichsannalen] Karl verbietet seinen Untertanen den Kauf der neumodischen kurzen Friesenmäntel, weil sie nicht billiger seien als die langen fränkischen Mäntel, die weit mehr Stoff verbrauchten. Solche Mäntel werden als weiß, grau, gemustert oder saphirfarben beschrieben. Ihre Herkunft ist nicht völlig geklärt, doch schreibt man den Friesen (mit dem Zentrum Flandern) einen Anteil an der Produktion zu. Für bestimmte Mäntel werden Höchstpreise festgesetzt.
Bis 834: Irgendwann (vermutlich) in dieser Zeit wird bei dem bereits befestigten sächsischen Dorf Hamm nahe der derzeitigen Alstermündung durch Franken eine wallumzogene Burganlage (Hamburg) als Stützpunkt für die Missionierung des Nordens errichtet.

809
Karl ordnet in einem Kapitular an, daß an denjenigen Orten, an denen öffentliche Gerichte abgehalten werden, ein solches Dach errichtet werden soll, daß es möglich sei, im Sommer wie im Winter dort Gericht zu halten. Dies ist der erste Hinweis darauf, daß Gerichte nicht nur im Freien abgehalten werden.

810
"Sonne und Mond verfinsterten sich, die Sonne am 8. Juni und der Mond am 21. Juni. Und König Pippin, des Kaisers Sohn, starb, und der Elefant, welchen Aaron dem Kaiser geschickt hatte, verschied eines plötzlichen Todes, und es war in diesem Jahre eine große Sterblichkeit unter den Rindern und anderen Tieren, und ein sehr harter Winter." [Xantener Annalen]
König Godfred (Göttrik) von Dänemark erklärt, er werde nach Aachen marschieren und die Pfalz Karls des Großen niederbrennen. Mit 200 Schiffen landet er in Friesland, kassiert dort 100 Pfund Silber und bereitet wirklich einen Zug gegen Aachen vor, doch dann wird er ermordet. In Dänemark brechen Thronstreitigkeiten aus. Venedig, bisher zwischen Franken und Byzanz umstritten, wird praktisch unabhängig. Die Fränkischen Reichsannalen berichten von einer Rinderpest im ganzen Reich. Bald entsteht das Gerücht, Herzog Grimoald IV. von Benevent habe Leute gesandt, um mittels eines Pulvers das Vieh zu vergiften. Nach Agobard (siehe 816) sollen einige verhaftet und einige mit Brettern ertränkt worden sein und die Verhafteten sollen auch noch ihre Taten gestanden haben. [Diese Fälle von (illegaler) Lynchjustiz werden gerne als frühe Fälle von Hexenverfolgungen gewertet, doch sollte man dies differenziert sehen. Hier treten aber früh Vorstellungen von Giftpulvern auf, die bis mindestens ins 17. Jh. immer wieder aufgegriffen werden.]
Ca. (oder 820 oder in der 830ern): In Fulda entsteht die einzig überlieferte Handschrift des Hildebrandsliedes, abgeschrieben nach einer bairischen Vorlage, welche ihrerseits auf langobardische Vorbilder des 7. Jhs. zurückgeht. Überliefert als Schreibübung zweier Mönche.

812
Byzantinische Gesandte bringen Karl d. Gr. die Anerkennung seines Kaisertums nach Aachen. Als Gegenleistung räumen die Franken Istrien, Dalmatien, Liburnien und Venetien. Die fränkischen Besitzungen in Italien werden wieder für den venezianischen Handel geöffnet und Venedig zahlt der fränkischen Regierung in Pavia einen jährlichen Tribut von 36 Pfund Silber.
Ca.: Einführung des Mandelbaumes in Mitteleuropa.

813
Die Synode von Tours weist die Kleriker eindringlich an, "die Unverschämtheiten der Spielleute und ihrer häßlichen und widerlichen Vergnügungen...aus ihrem Sinn zu verbannen." Die Synode von Châlons im gleichen Jahre fügt noch hinzu, die Geistlichen mögen doch allen Gläubigen empfehlen, die Darbietungen der Spielleute zurückzuweisen. Auch auf dem Konzil zu Mainz wird der Beruf des Spielmanns verboten. Hier wird auch verfügt: "Wer eine Ehefrau hat, darf, wenn er gleichzeitig eine Konkubine hält, nicht am Abendmahl teilnehmen. Wer aber eine Konkubine an Stelle einer Ehefrau hat, dem soll das Abendmahl nicht verweigert werden, doch sei er mit der Verbindung zu einer einzigen Frau, als Ehefrau oder Konkubine, so wie es ihm beliebt, zufrieden." Die erst kürzlich durch Karl in Mainz auf römischen Pfeilern erbaute feste Holzbrücke brennt ab. (Mainz wird erst 1904 wieder eine feste Rheinbrücke haben; bis dahin wird eine Schiffsbrücke benutzt.) "...und es war ein sehr harter Winter." [Xantener Annalen]
Einsetzen der byzantinischen Geschichtswerke von Genesios (bis 886) und der Fortsetzung von Theophanes (Theophanes continuatus; reicht bis 961).

813/814
Bischof Frothar von Toul meldet für seine Diözese die Tötung von 240 Wölfen in einem Jahr.

814
28. Januar: Karl der Große stirbt. Sein Sohn und Nachfolger Ludwig (später "der Fromme" genannt), steht unter dem Einfluß geistlicher Berater.

816
Neuer Papst wird Stephan IV. (bis 817). Er wird ohne kaiserliche Bestätigung geweiht und ist bemüht, den Frieden mit Ludwig I. wiederherzustellen. Ludwig der Fromme wird in Reims durch Papst Stephan IV. zum Kaiser gekrönt. Aachener Kapitularien. Dazu der anonyme Biograph Ludwigs des Frommen: "Da endlich fingen Bischöfe und Geistliche an, den Gürtel, welcher mit goldenem Schwertgehänge und edelsteingeziertem Messer beschwert war, abzulegen, und köstliche Gewänder sowie Stiefel und Sporen kamen bei ihnen aus dem ebrauch." Bericht über Aberglauben aus dem bald nach 816 verfaßten Büchlein "Über Hagel und Donner" von Erzbischof Agobard von Lyon: "Hierzulande glauben fast alle Menschen, Adel und Volk, Stadt und Land, Alt und Jung, daß Hagel und Donner von Menschen gemacht werden können. Sie sagen nämlich, sobald sie Donner hören und Blitze sehen: 'Das ist Hebewetter.' Wenn man sie dann fragt, was Hebewetter sei, versichern die einen verschämt und mit etwas schlechtem Gewissen, die anderen aber so zuversichtlich, wie Unkundige gewöhnlich sind, der Sturm habe sich erhoben aufgrund der Zaubersprüche von Leuten, die Wettermacher heißen, und werde deshalb Hebewetter genannt. Ob das wahr ist, wie man im Volk glaubt, muß sich mit der Autorität der Heiligen Schrift beweisen lassen. Wenn es aber nicht wahr ist, wie wir ohne Schwanken glauben, muß mit größtem Nachdruck hervorgehoben werden, daß sich derjenige einer ganz großen Lüge schuldig macht, der Gottes Werk einem Menschen zuschreibt... Wir haben es ja gesehen und gehört, wie die meisten von solchem Wahnsinn gepackt, von solcher Dummheit besessen sind, daß sie glauben und sagen, es gebe ein Land namens Magonia. Aus dem kämen Schiffe in den Wolken gefahren; in ihnen würden die Früchte, die vom Hagel abgeschlagen werden und im Gewitter verkommen, nach diesem Land gebracht; die Luftschiffer gäben nämlich den Wettermachern eine Belohnung und bekämen dafür das Getreide und die sonstigen Früchte. Wir haben mehrere von denen gesehen, die von dieser abgrundtiefen Dummheit verblendet sind und das für möglich halten. In einer Versammlung führten sie vier gefesselte Menschen vor, drei Männer und eine Frau, die angeblich aus diesen Schiffen gefallen waren; die hatten sie einige Tage lang gefangen gehalten und führten sie schließlich, wie gesagt, der versammelten Menschenmenge in unserer Gegenwart vor, um sie steinigen zu lassen. Aber nach langem vernünftigen Zureden siegte doch die Wahrheit, und die Leute, die sie vorgeführt hatten, standen so verwirrt da wie nach dem Wort des Propheten (Jeremia 2, 26) ein Dieb, der ertappt wird." Es wird auch von Leuten berichtet, die gegen "kanonische Abgaben" vor Gewittern zu schützen vorgeben. Für das Mönchtum im ganzen Reich wird die Benediktinerregel (siehe Jahr 555) verpflichtend vorgeschrieben. Mönche dürfen nur zu zweit auf Reisen gehen. Und: "Kein Laie oder Weltkleriker darf im Kloster wohnen, wenn er nicht Mönch werden will."

817
Eine fränkische Kleiderordnung zeigt für die Patres der Klöster eine Fülle von Einzelteilen: Strümpfe, Unterhosen (!), pelzgefütterte Mäntel, Gamaschen, Fingerhandschuhe und Fäustlinge. Pelzmäntel, Umhänge und Kopfbedeckungen werden alle drei Jahre erneuert, wobei die abgetragenen Stücke an die Armen im Klosterhospital fallen sollen.

818
Irmingard, die erste Frau Ludwigs des Frommen stirbt.

818/819
Nach einer Verfügung (Ludwigs) wird bei einem Gegensatz zwischen Gewohnheitsrecht und Lex Salica im Zweifelsfall nicht nach geschriebenem Recht, sondern nach Brauch der Altvorderen verfahren. Ein Kapitular aus der gleichen Zeit bestimmt in Ergänzung bestehenden Volksrechtes, "daß jeder freie Mann das Recht haben soll, sein Vermögen zum Heil seiner Seele nach freiem Willen zu verschenken".

819
Ludwig der Fromme heiratet Judith, die Tochter des einflußreichen Grafen Welf. Der Aufstieg dieser alemannischen Adelsfamilie wird dadurch entscheidend gefördert.

820
Ein Verband aus 13 Drachenschiffen läuft von den dänischen Inseln aus; in Flandern werden sie zurückgeschlagen und können nur einige Rinder schlachten. Auch an der Seinemündung werden sie abgewehrt und verlieren fünf Tote. Anschließend umfahren sie die Bretagne und plündern - diesmal erfolgreich - das heutige Bouin. Dann verliert sich ihre Spur.
Ca.: Ludwig der Fromme läßt einige Triens prägen. Diese Goldmünzen, ein Drittel Sou wert, sind die letzten Prägungen ihrer Art und werden nie in Umlauf gebracht. Es geht wohl nur darum, das souveräne Recht der Goldprägung auszuüben, denn es gibt im Westen nicht genug Gold für solch eine Währung.
Bald nach 820 entstehen im Raum Basel bischöfliche Pastoralinstruktionen: "Kein Kleriker soll sich unterstehen, bei Gastmählern Unterhaltung zu treiben, d. h. mitzusingen oder selbst Gesang vorzutragen; er darf auch nicht, bei welcher Gelegenheit auch immer, als Spielmann, d.h. als Schauspieler oder im Vortrag scheußlicher Texte auftreten..."

821/822
"...und es war ein sehr harter Winter." [Xantener Annalen]
"Die Herbstsaat konnte wegen des anhaltenden Regenwetters in mehreren Gegenden nicht vorgenommen werden. Darauf folgte ein ungemein langer und strenger Winter, bei dem nicht allein die Bäche und mittleren Flüsse, sondern selbst die größten und bedeutendsten, der Rhein und die Donau, die Elbe und die Seine, sowie die andern dem Ozean zufließenden Ströme Galliens und Deutschlands mit einer so starken Eisdecke überzogen wurden, daß dreißig Tage oder noch länger Frachtwagen wie auf einer Brücke herüber und hinüber fahren konnten. Später verursachte dann der Eisgang den am Rhein gelegenen Orten nicht geringen Schaden." [Reichsannalen]
Das Kloster Reichenau verfügt nach Reginberts Verzeichnis über 415 Bücher.

822
"Im Lande der Thüringer fand man in der Nähe eines Flusses ein fünfzig Fuß langes, vierzehn Fuß breites und sechs Fuß hohes Erdstück ohne Menschenhände herausgehoben und fünfundzwanzig Fuß von dem Orte, von welchem es entnommen war, entfernt liegen. Ein ähnlicher Fall begab sich im östlichen Sachsen nicht weit von der Grenze der Soraben, an einem wüsten Ort in der Nähe des Sees, der Arnseo heißt, wo der Boden wie zu einem Damm sich aufblähte und während einer einzigen Nacht ohne menschliche Beihilfe in der Länge einer Leuga einen Wall bildete." [Reichsannalen]
Der arabische Musiker und Sänger Ziryab (789 in Mesopotamien geboren) wandert nach nach großen Erfolgen in seiner Heimat und in Nordafrika (auf der Flucht vor Neidern oder dergleichen) nach Andalusien aus. Dort empfängt ihn der junge Emir Abd ar-Rahman II. mit großer Achtung und verschafft ihm eine ansehnliche Pension, ein großes Haus und Ländereien in Spanien. Es heißt, es sei Ziryab gewesen, der an der Laute eine fünfte Saite angebracht und als erster ein Plektron zum Spielen benutzt habe. Er wird bald am Hofe tonangebend und findet an den Sitten der ihrem Ursprung nahegebliebenen arabisch-berberischen Hofgesellschaft einiges auszusetzen. Er lehrt die Rafinessen des Hofes von Bagdad: eine peinlich genaue Reihenfolge der Mahlzeiten (mit Zeitplan), Tischdecken aus weichem Leder, erlesene Weinbecher (!), daneben Körperpflege, Schminken, Zähneputzen, Frisieren, Anpassung von Kleidung und Farben an die Jahreszeiten, Raumausstattung und Schachspiel.

823
In Sachsen sollen durch vom Himmel herabfallende Steine (einen Meteoritenregen) 35 Dörfer in Brand gesteckt worden sein.

824
"Inzwischen war ein strenger und sehr langer Winter, in dem nicht allein viele Tiere, sondern auch manche Menschen erfroren. Am fünften März war in der zweiten Stunde der Nacht eine Mondfinsternis." [Reichsannalen]

825
Ludwig der Fromme definiert den Silberdenar: Von nun an sollen aus einem Pfund Silber (ca. 490 Gramm) 240 Münzen geprägt werden. Dicuils Geographie "De mensura orbis terrarum" entsteht am fränkischen Hof. Dungal lehrt in Pavia. Altsächsische Genesis.

826
Ansgar, der "Apostel des Nordens" (801 bis 865) begleitet auf Befehl Ludwigs des Frommen den getauften Dänenkönig Harald, zwecks Mission.

827
Mit einer weiteren Welle von Arabern kommt bald der Anbau von Baumwolle nach Sizilien (daneben auch Rohrzucker, Maulbeerbäume und Palmen).

829
Auf der Pariser Reformsynode werden die "Possen", die "törichten Reden" und "widerlichen Vergnügungen" der Spielleute verurteilt. Zauberer und Hexen werden zu Werkzeugen des Teufels erklärt. Die Zinssatzung wird - wie auch später wiederholt - für wucherisch erklärt. Bei diesem Geschäft stellt der Gläubiger dem Schuldner einen Geldbetrag zur Verfügung und erhält dafür fruchttragende Güter (z.B. einen Acker, Weinberg oder eine Mühle) als Pfand. Solange die Schulden nicht zurückgezahlt werden, streicht der Gläubiger die Erträge als Zinsen ein. (Vgl. 1163) Reichstag zu Worms: Ludwig der Fromme überträgt seinem jüngsten Sohn Karl ("dem Kahlen" - weil bisher ohne Erbteil) ein eigenes Herrschaftsgebiet: die Kerngebiete von Lothars Anteil in Schwaben, Elsaß und Burgund. Lothar wird ausgebootet und nach Italien verbannt.

830
Mähren: Fürst Moimir gründet das Großmährische Reich. Lothar, Pippin und Ludwig, die Söhne Ludwigs des Frommen rebellieren gegen ihren Vater. Judith wandert ins Kloster. Bis 850: Vielleicht in dieser Zeit entsteht die Hersfelder Handschrift von Tacitus' "Germania", die einzige, die erhalten ist. (vgl. 1455)

831
Ansgar (Anschar, der "Apostel des Nordens") gründet das Bistum Hamburg, gestiftet von Ludwig dem Frommen. Er selbst wird gleich der erste Bischof. Später wird man ihn heiligsprechen.

832
Bis zu diesem Jahre ist in der kaiserlichen Kanzlei die Griechische Indiktion üblich. Die Indiktion ist eine der häufigsten Jahresbezeichnungen des Mittelalters. Es handelt sich um einen Zyklus von 15 Jahren (durch Justinian gesetzlich vorgeschrieben), wobei meist nur die Zahl des Jahres im Zyklus angegeben wird. Der erste Zyklus wird ab 3 v. Chr. gezählt. Gemäß der Griechischen Indiktion findet der Wechsel des Indiktionsjahres am 1. September statt. Ansgar gründet in Haithabu die erste Kirche Skandinaviens. Erste Erwähnung der Hammaburg (Hamburg). Hamburg wird in diesem Jahr zum Erzbistum erhoben. Die Xantener Annalen berichten zu diesem Jahr, wie auch schon für das Vorjahr, von einer Mondfinsternis. Die häufigen Sonnen- und Mondfinsternisse der Chroniken können freilich nicht alle realen astronomischen Erscheinungen entsprechen.

833
Auf dem "Lügenfeld" bei Colmar läuft Ludwigs Heer zu seinen Söhnen über. Das Kloster Corvey erhält das Marktrecht und das Münzprivileg.

834
Entstehung des Utrecht-Psalters. Darin ist erstmals ein rotierender kurbelgetriebener Schleifstein abgebildet (in China schon lange bekannt). Es ist gleichzeitig auch die erste Abbildung einer Kurbel im Westen. Die Dänen verwüsten weite Teile von Friesland, "dann zogen sie über Utrecht nach dem Handelsplatz Dorestad, wo sie alles verheerten, die Einwohner teils töteten, teils als Gefangene fortführten und einen Teil der Stadt durch Feuer zerstörten."

835
Februar: Die Xantener Annalen berichten wiederum von einer Mondfinsternis.
Beginn der Überfälle dänischer Wikinger in jährlich steigender Stärke. Sie verwüsten erneut Dorestad und zerstören das Kloster Noitmoutier, welches in diesem Jahr endgültig aufgegeben wird.

836
"Im Monat Februar bei Beginn der Nacht waren wunderbare Lichtstreifen von Osten nach Westen sichtbar. Wiederum brachen in diesem Jahr die Heiden über die Christen herein." [Xantener Annalen]
Die Dänen brennen Antwerpen nieder, ebenso Witla an der Maasmündung und treiben in Dorestad Tribut ein. Erzbischof Agobard von Lyon klagt: "Betrunken macht man die Histrionen, die schnödesten Mimen und nichtsnutzigsten Spielleute, während die Kranken der Kirche Hungers sterben."

837
Beginn starker Wikingeraktivität in Irland (bis 876); es entstehen semipermanente Stützpunkte. "Gewaltige Wirbelwinde brachen häufig los, und ein Kometstern wurde gesehen, der übermäßigen Glanz gen Osten aussandte, vor den Blicken der Menschen wie von drei Ellen Länge: und die Heiden verwüsteten Walicrum (Walchern) und führten viele Weiber von dort gefangen fort samt unermeßlichem Vermögen verschiedener Art." [Xantener Annalen]
17. Juni: Die Dänen überraschen die Küstenwachen von Walcheren, "töteten viele und plünderten eine noch größere Zahl der Bewohner völlig aus"; dann erschlagen sie den christianisierten dänischen Fürsten Hemming, verschleppen viele Frauen und treiben erneut in Dorestad Tribute ein.

838
"Der Winter war sehr regenreich und stürmisch, und im Monat Januar am 21. wurde Donner gehört, und ähnlich im Monat Februar am 16. wurde starker Donner gehört, und übermäßig verbrannte die Sonnenhitze die Erde; und in einigen Gegenden war eine Erderschütterung; und Feuer in Form eines Drachen wurde in der Luft erblickt. In demselben Jahr erhob sich ketzerische Bosheit. In demselben Jahr in der fünften Nacht vor dem Geburtstag des Herrn wurde das Krachen eines großen Donners gehört und ein Blitz gesehen, und auf viele Arten wuchs täglich Jammer und Elend der Menschen." [Xantener Annalen]
Verstärkung des fränkischen Küstenschutzes. Vor der Küste wird eine dänische Flotte durch Sturm vernichtet.

839
"Am 26. December erhub sich ein ungeheuerer Wirbelwind, so daß die Fluten des Meeres weit austraten über ihre Grenzen und Ufer, und kläglich einen unzähligen Haufen vom Menschengeschlecht in den herumliegenden Höfen und Weilern zugleich mit den Gebäuden wegrafften. Auch Flotten auf dem Meer wurden auseinandergerissen und eine Feuerflamme wurde über das ganze Meer hin gesehen. In demselben Jahre am 25. März erschienen wunderbare Lichtstreifen gegen Abend am Himmel, in Form eines runden Domes, welche den ganzen Umkreis des Himmels umzogen." [Xantener Annalen]
Die Dänen suchen erneut Walcheren heim. Ein Überfall auf Köln (bei Adam von Bremen) ist allerdings zweifelhaft. Früheste Verwendung von Pferden (statt Menschen - oder Ochsen?) beim Treideln (Ziehen von Schiffen flußaufwärts) nachgewiesen. Vielleicht gab es vorher kein geeignetes Zuggeschirr.

840
Vor 840 (in der 30er Jahren): In Fulda wird das "Hildebrandslied" aufgezeichnet. Es ist das einzige erhaltene Zeugnis germanischer Heldensage in der deutschen Literatur. (Oder schon früher) "Ähnliche Lichtstreifen erschienen zwei Nächte hindurch, wie die, welche im vorigen Jahr gesehen wurden. Und am 3. Mai, d. i. am dritten Tage der Litaneien, in der neunten Stunde war eine Sonnenfinsternis, und die Sterne sind deutlich am Himmel erblickt worden wie bei Nachtzeit." [Xantener Annalen]
Die Fuldaer Annalen nennen Dorestad ein Lehen der Wikinger. Letztere suchen kaum noch Friesland heim, das sich möglicherweise bis zum Ende des Jahrhunderts in ihrem Besitz befindet. Ludwig der Fromme stirbt. Sein ältester Sohn Lothar kehrt aus Italien zurück und versucht, Kaiser des ganzen Frankenreiches zu werden. Eine arabische Quelle berichtet von der Sichtung von Wikingerschiffen im Mittelmeer, die wie "dunkelrote Seevögel" aussehen.
Ca.: Der unter Hraban angelegte - leider nur in Fragmenten erhaltene - Buchkatalog des Klosters Fulda dürfte schätzungsweise etwa 400 Bände umfaßt haben. Vergleichszahlen von Schriften: Von Augustinus: Fulda 23, Reichenau 18, St. Gallen 34, Lorsch 98; von Hieronymus: Fulda 38, Reichenau 28, St. Gallen 36, Lorsch 50; von Alkuin: Fulda 7, Reichenau 6, St. Gallen 4.

841
"In demselben Jahre, am Donnerstag den 28. Juli bei heller Sonne, zeigen sich drei Ringe am Himmel, ähnlich dem Bilde eines Bogens, der eine um den anderen; der kleinste aber die Sonne mitten in sich umgebend, welcher dennoch voller an Farbe als die übrigen gesehen wurde; der größte im Westen, dessen äußerster Teil die Sonne zu berühren schien; der mittlere im Norden, welcher die genannten zwei gleichmäßig umgab. Aber noch wurde der mittlere wie der größte viel schwächer als der kleinste gesehen. Und ein kleines Wölkchen im Osten und Norden glänzte in gleicher Ringform, fern von diesen an Einer Stelle. Vor der dritten Stunde des Tages wurden sie erblickt und blieben bis Nachmittag. In demselben Jahr war durch ganz Sachsen die Macht der Knechte weit hinausgewachsen über ihre Herren, und sie legten sich den Namen Stellingas bei und begingen viel Unrecht. Und die Edlen jenes Landes wurden von den Knechten sehr beschädigt und erniedrigt." [Xantener Annalen]
Dänische Wikinger brennen Rouen nieder. Lothar überläßt ganz Walcheren dem Dänenkönig Heriold und dessen Bruder Rorik, um sie als Bundesgenossen gegen seine Brüder Ludwig und Karl zu gewinnen.

842
Straßburger Eide: Ältestes Sprachdenkmal der althochdeutschen und altfranzösischen Sprache, in welchem Ludwig der Deutsche und Karl der Kahle ihr Bündnis bekräftigen, nachdem sie Lothar besiegt haben. [Es ist aber verfrüht, bereits von Deutschland und Frankreich zu sprechen.] Wikinger verwüsten Quentovic an der fränkischen Küste. Der Chronist Neithart berichtet von Mannschafts-Kampfspielen bei den Franken, vielleicht ein Vorläufer des Turniers. Es stirbt Abt Hrabanus Maurus von Fulda.

843
Juni: Eine Wikingerflotte aus "67 Wimpeln" greift Nantes an und metzelt die Bevölkerung nieder, die gerade das Johannisfest feiert. Im Vertrag von Verdun wird das Frankenreich geteilt. Karl erhält den Westen, Ludwig der Deutsche den Osten und Lothar Italien und einen Streifen in der Mitte. Jedes Teilreich bezeichnet sich fortan mit "Francia", der bisherigen Bezeichnung des Gesamtreiches. "Ludewich [ging] nach Sachsen, und die übermütig aufgeblasenen Knechte der Sachsen schlug er vornehm nieder und führte sie zu ihrer eigentlichen Natur zurück." [Xantener Annalen]

844
"Der Winter war bis zum Anfang des Februar sehr weich und durch eine gewisse Milde gemäßigt." [Annalen von St. Bertin]
Dänische Wikinger unternehmen Raubzüge nach Asturien und Portugal. Raubzüge der Wikinger an den Ufern der Garonne. Wie bereits im letzten Jahr leisten hier wahrscheinlich Angehörige des fränkischen Regionaladels Lotsendienste. Lupus von Ferrières, selbst ein Handschriftensammler, dem wir u.a. die Überlieferung von Ciceros "De re publica" verdanken und der zu Kopierzwecken einen eigenen Leihverkehr von Handschriften aufgebaut hat, sucht über Prüm die zwei in Fulda befindlichen Bände Suetons zu gewinnen.

845
Dänische Wikinger brennen Hamburg nieder. Angeblich sollen es 600 Schiffe gewesen sein. Der Erzbischofsstuhl geht bald nach Bremen. März: Ragnar Lodbrok fährt mit 120 Schiffen in die Seine, nimmt zuerst Rouen und dann Carolivenna (20 km vor St. Denis) ein und brennt schließlich Paris nieder. Die eigentlich überlegenen, aber demoralisierten fränkischen Truppen greifen ihn nicht an. Schließlich erkauft Karl der Kahle seinen Abzug mit 7000 Pfund Silber. Ragnar wird triumphal von König Horik empfangen, welcher allerdings einen Teil der Beute an Ludwig den Deutschen als Sühne für die Zerstörung Hamburgs nach Paderborn sendet. "Zweimal war im Gau von Worms eine Erderschütterung; zuerst in der Nacht, welche auf Palmarum folgt, die zweite in der heiligen Nacht der Auferstehung Christi." [Xantener Annalen]
"Der Winter war sehr hart. Die Nordomannen drangen im Monat März mit hundertundzwanzig Schiffen in die Sequana und gelangten, alles auf beiden Ufern verwüstend, ohne irgendwelchen Widerstand zu finden, bis Loticia der Parisier. Karl hatte die Absicht, ihnen zum Kampf entgegenziehen; da er aber voraussah, daß die Seinigen unmöglich den Sieg davon tragen könnten, wußte er dadurch, daß er mit den Feinden einen Vertrag abschloß und ihnen ein Geschenk von siebentausend Pfund Silber einhändigte, sie vom Weiterziehen abzuhalten und zur Rückkehr zu bewegen. (...) Der Nordmannenkönig Oricus entsandte sechshundert Schiffe auf der Elbe gegen Hludowich nach Germanien; die Sachsen eilten ihnen entgegen, lieferten ihnen eine Schlacht und trugen mit unseres Herrn Jesu Christi Hilfe den Sieg davon; auf dem Rückweg griffen die Nordmannen eine Stadt der Sclaven an und zerstörten dieselbe. Eine schwere Hungersnot verzehrte das untere Gallien, die immer mehr sich steigernd viele Tausende von Menschen fortraffte." [Annalen von St. Bertin]
845 - 850: Im Kommentar des Mönches Hildemar von Corbie zur Benediktinerregel wird ein Beispielfall erörtert, in dem ein Kloster 30 Pergamente kauft, ein Buch daraus macht und es für 60 Denare verkauft.

846
"Um diese Zeit wurde ein junger Mensch dabei betroffen, wie er mit einer Stute Unzucht trieb, und nach dem Urteil der Franken lebendig verbrannt. (...) Im Monat Mai dieses Jahres fiel ein solches Übermaß von Regengüssen bei der Stadt Alciodorum, daß die Flut, durch die Wände dringend, selbst die mit Wein gefüllten Fässer in die Icauna fortführte, ja was noch wunderbarer, daß ein Stück Weinland mit dem Erdreich, den Weinstöcken, den Bäumen, so wie es war, ganz und vollständig von einem Ufer der Icauna auf das andre versetzt wurde, so als ob es da immer seine natürliche Stelle gehabt hätte." [Annalen von St. Bertin] (In Wahrheit dürfte hier wohl der Fluß seinen Lauf geändert haben, wie das naturbelassene Flüsse zuweilen tun.)

847
Die Wikinger schließen Bordeaux ein. Konzil zu Mainz. Hrabanus Maurus wird Erzbischof von Mainz (bis 856). Er errechnet als Summe des für alle Pfarreien befohlenen Fürbittegebets für Ludwig den Deutschen samt Gattin und Sippe 3500 Messen und 1700 Psalter.

848
"Am 4. Februar gegen Abend blitzte es und wurde Donner gehört, und die Heiden, wie sie es gewohnt waren, schädigten die Christen. In demselben Jahre hielt König Ludewich eine Volksversammlung bei Mainz; und es wurde auf der Synode der Bischöfe eine Sektiererei vorgebracht von einigen Mönchen über die Vorherbestimmung des allmächtigen Gottes. Diese wurden überführt und vor allem Volk schmählich gegeißelt, und kehrten nach Gallien, von wo sie gekommen waren, zurück, und, Gott sei Dank! unverletzt blieb der Stand der Kirche." [Xantener Annalen]
Die Wikinger erobern Bordeaux und zerstören Saintes, Perigueux, Limoges und Tours.

849
Es stirbt der Reichenauer Abt Walahfrid Strabo. In seinem "Vademecum" hat er ein altsächsisches Runen-Merkgedicht (Abecedarium Normannicum) aufgezeichnet. "In Gallien erfolgte in der Nacht nach dem 17. Februar, während die Geistlichen Gott ihre nächtlichen Gebete darbrachten, ein starker Erdstoß, ohne daß jedoch Gebäude einstürzten. Godesscalk, ein Gallier, Mönch im Kloster Orbacum im Sprengel von Suessiones und Presbyter, wegen seiner Kenntnisse aufgeblasen und gewissen abergläubischen Meinungen ergeben, war unter dem Schein der Frömmigkeit nach Italien gegangen, und hatte sich, von hier schimpflich verjagt, nach Dalmatien, Pannonien und Noreja begeben, indem er in vergifteten Reden und Schriften viele unserer Heilslehre ganz widersprechende Sätze, besonders über die Prädestination, aufstellte. In Gegenwart Hludowichs, Königs der Deutschen, durch das Konzil der Bischöfe entlarvt und überführt, wurde er gezwungen, nach der Metropole seiner Diözese, der Stadt Durocortorum der Remer, welcher der ehrwürdige Herr Ingmar vorsteht, zurückzukehren, um daselbst die seiner Untreue würdige Strafe zu empfangen. Und Karl, ein eifriger Pfleger der heiligen Kirche Gottes, berief eine Versammlung der heiligen Bischöfe der genannten Diözese, und ließ ihn vor dieselben führen; und er wurde öffentlich gepeitscht und gezwungen, die Bücher, welche seine Lehren enthielten, ins Feuer zu werfen." [Annalen von St. Bertin]

850
"Am 1. Januar, d. i. den Octaven des Herrn, an demselbigen Tage gegen Abend wurde großer Donner gehört und ein gewaltiger Blitz gesehen, und eine Überschwemmung der Gewässer schlug in diesem Winter das Menschengeschlecht. Und im folgenden Sommer verbrannte allzugroße Sonnenhitze die Erde." [Xantener Annalen]
"In diesem Jahre drückte schwere Hungersnot die Völker Germaniens, vornehmlich die um den Rhein wohnenden; denn ein Scheffel Getreide wurde in Mainz für zehn Sekel Silber verkauft. Es hielt sich aber zu der Zeit der Erzbischof Hraban [Hrabanus Maurus] auf einem Hof seines Sprengels namens Winkel auf, wo er Arme, die von verschiedenen Orten kamen, aufnahm und täglich mehr als 300 speiste, die abgerechnet, welche beständig bei ihm aßen. Es kam auch eine fast verhungerte Frau mit einem kleinen Kind zu ihm und wollte von ihm wieder belebt werden, doch ehe sie die Türschwelle überschritt, stürzte sie vor allzu großer Schwäche zusammen und hauchte den Geist aus. Und als der Knabe die Brust der toten Mutter, als wenn sie noch lebte, aus dem Kleid zog und zu saugen versuchte, brachte er viele, die es mit ansahen, dahin, zu seufzen und zu weinen." [Annales Fuldenses sive Annales Francorum orientalis. Zit. n. Rau III. S. 41/43]
Erzbischof Hrabanus Maurus von Mainz läßt während einer Hungersnot täglich mehr als 300 Arme speisen.
Ca.: Benedictus Levita stellt in Mainz oder im westfränkischen Raum eine Sammlung kanonischen Rechts zusammen, in welcher u.a. davor gewarnt wird, "daß man sich - wie es der Brauch sei - an einem heiligen Tage auf Plätzen und Straßen eitlen Erzählungen (fabulis) oder Rezitationen (locutionibus) oder Gesängen (cantationibus) oder Tänzen (saltationibus) hingebe."
Ca.: Ab dieser Zeit ist in der kaiserlichen Kanzlei und bei den französischen Capetingern die Bedanische Indiktion zur Jahreszählung gebräuchlich. (Erläuterung der Indiktion: siehe 832) Bei dieser wechseln die Jahre zum zum 24. September.

851
Die Wikinger brennen London und Canterbury nieder.

852
Reichstag zu Erfurt. Erzbischof Hincmar von Reims macht in einem Kapitular seine Kleriker darauf aufmerksam, daß sie beim Leichenschmaus weder Gelächter noch Gesang zulassen sollen. Ebenso ist zu verbieten: der Vortrag von Geschichten, Auftritte von Bärenführern und Gauklerinnen sowie das Zeigen von Teufelsmasken. "Das Eisen der Heiden wurde brennender; übermäßige Sonnenhitze; und Hungersnot folgte; und das Futter der Tiere mangelte; und die Weide für die Schweine war überreich." [Xantener Annalen]

853
"Große Hungersnot in Sachsen, so daß viele sich von Pferden nährten." [Xantener Annalen]
Die Wikinger brennen St. Martin in Tours, das Nationalheiligtum der Franken nieder.

854
Ludwig der Deutsche bezieht eine Pfalz im (hier erstmals erwähnten) Ulm ("Hulmam palatio regio").

855
Mittelfränkisches Reich: Lothar stirbt; im Norden herrscht nun Lothar II. ("Lothringen") und im Süden Ludwig II., der die Kaiserwürde annimmt, aber recht machtlos ist. Lothar bezeichnet seinen Reichsteil als "Francia".

856
"Der Winter war sehr hart und trocken; durch eine schwere Pest wurde eine große Anzahl von Menschen fortgerafft." [Annalen von St. Bertin]
"Eine große Plage, anschwellende Blasen, herrschte unter dem Volke, und raffte es in scheußlicher Fäulnis hin, dergestalt, daß die Glieder abgelöst vor dem Tode abfielen." [Xantener Annalen, zum Jahr 857]
Es stirbt Hrabanus Maurus, zuletzt Erzbischof von Mainz. Er hinterläßt u.a. eine Enzyklopädie in 22 Bänden ("De rerum naturis"). Mit Lothar II. findet in Frankfurt erstmals eine Königserhebung statt.

857
Erster Bericht über das epidemische Auftreten der Kriebelkrankheit (Antoniusfeuer), verursacht durch Mutterkorn, besonders in Westeuropa. Wikinger plündern zum zweitenmal Paris. Es verstirbt (wohl in Andalusien) der arabische Musiker und "Kulturapostel" Ziryab. (Vgl. 822)

858
"Am 1. Januar, als die Frühmesse gehalten war, ereignete sich bei Worms ein einmaliges Erdbeben, und bei Mainz ein dreizehnmaliges vor Tagesanbruch." [Xantener Annalen]

859
Dänische Wikinger aus der Bretagne dringen mit 62 Booten ins Mittelmeer ein und plündern dort drei Jahre lang. Ihr Anführer ist der Seekönig Hasting, der gerne seinen Sohn Björn Eisenseite als römischen Kaiser sähe. Sie verwüsten Algeciras, kurz auch an der Küste Marokkos, Mallorca und die Pityusen, dann setzen sie sich im Rhonedelta fest, von wo aus sie bis Valence fahren. Später plündern sie Pisa, Fiesole und Luna, das sie für Rom halten. Auf dem Rückweg geraten sie in der Biskaya in einen Sturm, den nur 17 Schiffe überstehen. Dennoch gehen sie in Pamplona an Land und nehmen dem Gouverneur 30000 Denare ab, bevor sie nach Nantes zurückfahren. Die Beute besteht u.a. aus maurischem Sattelzeug, arabischen Gewändern und dunkelhäutigen Sklaven. Fränkische Bauern, die sich gegen die Wikinger erhoben haben, werden von fränkischen (!) Kriegern niedergemacht. Offenbar wird hier mit den Wikingern kollaboriert.

860
"Der Winter war lang, und bei fortwährendem Schnee und Frost hart, und zog sich vom Monat November bis zum April hin." [Annalen von St. Bertin]
"In diesem Jahr war ein sehr langer Winter." [Xantener Annalen zum Jahr 861]
Norweger entdecken Island. Roskilde auf Seeland erstmals erwähnt.

861
Paris wird zum dritten Mal von Wikingern geplündert. Prüm erhält für seinen Hof Rommersheim Marktrecht und Münzprivileg; der Marktzoll ist dem Kloster zugewiesen. Nach 861 stirbt der arabische Astronom Al-Fargani, der ein elementares nichtmathematisches Lehrbuch der ptolemäischen Astronomie verfaßt hat, das weite Verbreitung (auch später in lateinischer Übersetzung) finden wird.

862
"In demselben Jahre war der Winter stürmisch, veränderlich und sehr regnerisch, fast ganz ohne Eis..." [Xantener Annalen zum Jahr 863]
Von diesem Jahr an fallen nomadisierende Gruppen von Ungarn in die Grenzgebiete des ostfränkischen Reiches ein.

863
Erzbischof Hincmar von Reims beantwortet in einem Werk namens "De divortio Lotharii Regis et Tetbergae Reg." 30 Fragen und bejaht z.B., daß es Hexen gebe, die Liebe oder Haß zwischen Ehegatten oder Impotenz stiften können und leitet diese Macht vom Teufel ab. Er erklärt das Nestelknüpfen, wenn geistliche Mittel nicht gegen dessen Folgen helfen, für einen gültigen Scheidungsgrund. [Die Ehescheidung ist noch eine ganze Weile lang üblich!] "Bei der ungeheuren Anschwellung der Gewässer kamen die schon oft genannten Heiden, überall die Kirchen zerstörend, das Bett des Rheinflusses herauf bis Sancten und plünderten den so berühmten Ort. Und zum übergroßen Schmerz aller die es hörten und sahen, verbrannten sie die Kirche des heiligen Victor, ein wundersames Bauwerk; alles was sie innerhalb und außerhalb des Heiligthums fanden, raubten sie. Doch der Klerus und fast das ganze Volk entkam. Aber nachher ganz von Tollheit ergriffen, schickten sie den Schatz selber des Heiligtums dahin zurück. Den heiligen Leib Victors nun brachte der Praepositus der Brüder, welcher ein Pferd bestiegen und die Kiste vor sich gesetzt hatte, mit einem einzigen Presbyter nachts nach Köln unter großer Gefahr, nur durch die Verdienste des Heiligen. Zu derselben Zeit aber war daselbst Gunthar Lenker und Bischof, der Neffe nämlich des jüngeren Hildiwin. Die Räuber nun suchten nach vollbrachter Schandthat nicht weit von dem Kloster eine kleine Insel auf, bauten eine Befestigung und wohnten daselbst eine Zeit lang. Aber ein Teil von ihnen stieg das Flußbette hinauf, verbrannte einen großen königlichen Hof, und es wurden dabei aus ihnen ungefähr hundert Menschen niedergehauen, so daß eins ihrer Schiffe daselbst leer zurückblieb. Die Übrigen nun bestiegen alsbald die Schiffe und kehrten bestürzt zu den Ihrigen zurück. Nun rüstete Lothar Schiffe und gedachte sie anzugreifen; aber die Seinigen stimmten ihm nicht bei." [Xantener Annalen zum Jahr 864]

863/864
Das Testament des Markgrafen Eberhard von Friaul gibt Aufschlußüber seine Bibliothek: Es sind etwa 50 Handschriften (reicht an den Bestand eines kleinen Klosters heran), darunter: liturgische Werke, praktische Predigtsammlungen, eine Sammlung von Volksrechten, Augustinus "Gottesstaat", die Weltgeschichte des Orosius, Bücher zur fränkischen Geschichte und zur Papstgeschichte, Isidors "Buch der Etymolgien" ("Das Lexikon des frühen Mittelalters") allein dreimal, Heiligenlegenden, Alkuins Tugendlehre, theologische Kommentare, den spätantiken Reise- und Abenteuerroman des Apollonius, zwei Bibeln, ein Evangelium, zwei Gebrauchspsalter (einer mit Kommentar) und zwei Prunkpsalter (einer goldverziert).

864
Auf einem Reichstag verbietet Karl der Kahle den Franken bei Todesstrafe, den Wikingern Pferde und Waffen zu verkaufen. Wikinger zerstören Dorestad.

865
"Im Monat Januar ereignete sich eine Mondfinsternis." [Xantener Annalen zum Jahr 866]
Karl der Kahle wertet den Silberdenar ab: Aus einem Pfund Silber (ca. 490 Gramm) werden nun nicht mehr wie bisher 240 Münzen geprägt, sondern deren 264. Man rechnet aber weiterhin das Pfund zu 240 Denaren. Dies bewirkt eine Trennung des Gewichtspfundes vom rechnerischen Pfund. In einem langobardischen Urteil wird (für Mailand) erstmals eine Gerichtslaube (laubia) erwähnt.

868
"Im Monat Februar wurde bei dunklem Regengewölk in der Luft mehrfach Donner gehört, und am 15. Februar, d. i. in der heiligen Nacht Septuagesimae, wurde ein Kometstern im Norden und Westen erblickt, welchem sogleich ein ungeheurer Sturm und unermeßliche Ueberschwemmung gefolgt ist; bei der viele Unvorsichtige umkamen. Und hernach zur Sommerszeit folgte in vielen Provinzen eine heftige Hungersnot; vornehmlich in Burgund und Gallien, wo eine große Menge Menschen bitteren Todes starb, so daß Menschen sollen Menschenleiber gegessen haben. Aber auch Hundefleisch sollen einige gegessen haben." [Xantener Annalen]

869
In Meaux (Ile de France) ist ein Lied auf den heiligen Faro bezeugt, in dessen Kontext ein Reigen von Frauen beschrieben wird, die zugleich zum Tanze singen.

870
Winter: Der Norweger Ingolf erreicht Island und siedelt sich dort an (nach dem Landnamabok). Gründung des Kanonissenstiftes Gerresheim durch einen fränkischen Adligen namens Gerrich (heute im Stadtgebiet von Düsseldorf).

872
Tod von Abt Grimald von St. Gallen. Zusammen mit Hartmuot hat er die Zahl der Bücher des Klosters von 284 auf 428 Bände vermehrt.

873
"Zu derselben Winterszeit entstand unverhofft eine Überschwemmung durch Schneeschmelze, zumeist an den Ufern des Rheinflusses. Durch das Anschwellen vieler Gewässer ging eine Menge Menschen nebst Gebäuden und unzähligen Feldfrüchten zugrunde." [Xantener Annalen]
"Eine so große Menge von Heuschrecken verbreitete sich über Deutschland, Gallien und besonders über Spanien hin, daß es der ägyptischen Plage zu vergleichen war." [Annalen von St. Bertin]
"Eine unermeßliche Menge von Heuschrecken, die im Monat August von Osten her erschien, verwüstete fast ganz Gallien. Sie waren größer als andere Heuschrecken und hatten sechs Flügelruder. In wunderbarer Weise flogen sie wie Abteilungen eines Lagers in getrennten Scharen durch die Lüfte oder, wenn sie sich zur Erde niederließen, schlugen sie so ihr Lager auf. Die Führer gingen mit wenigen dem Heere um eine Tagereise voraus, als wollten sie für Plätze sorgen, die der Menge angemessen wären. Um die neunte Stunde saßen sie danieder, wo zuvor ihre Führer angelangt waren und bewegten sich von dem eingenommenen Orte nicht eher fort, als bis die Sonne im Untergehen begriffen war; dann brachen sie nach ihren Rotten auf, so daß man an diesen kleinen Geschöpfen die Mannszucht des Krieges wahrnahm. Sie nährten sich von den Saaten, die von ihnen so abgefressen wurden, als wären sie von einem ungeheuern Sturme vernichtet. Die Länge einer Tagereise erstreckte sich bei ihnen auf 4 oder 5000 Schritt. Sie gelangten aber, indem sie so die Oberfläche der Erde bedeckten, bis zum britannischen Meere, in welches sie nach Gottes Willen durch eine heftige Windsbraut hineingetrieben, auf die hohe See fortgerissen und versenkt wurden. Durch die Ebbe aber und die Zurückströmung des Ozeans ausgeworfen, erfüllten sie die Seegestade und bildeten eine so große Masse, daß sie in berghohen Haufen zusammengeschichtet lagen; durch ihren Gestank und ihre Fäulnis wurde die Luft verpestet und es erzeugte sich daraus für die Umwohnenden eine furchtbare Seuche, an der viele den Tod fanden." [Regino von Prüm]
"Hernach aber, in der Mitte des Monats August, erhub sich die alte Plage der Ägypter, d. i. ein unzählbarer Schwarm Heuschrecken, nach Art der Bienen, welche aus dem Korb hervorkommen, ganz neu von Osten her durch unsere Länder, welche in der Luft fliegend einen seinen Ton wie kleine Vögelchen von sich gaben. Und wenn sie sich erhoben, konnte man kaum den Himmel wie durch ein Sieb sehen. An sehr vielen Orten nun zogen die Hirten der Kirchen und der ganze Klerus ihnen mit heiligen Gefäßen und Kreuzen entgegen, unter Anrufung von Gottes Erbarmen, daß er diese Plage von ihnen abwendete. Doch nicht überall, sondern stellenweise, richteten sie Schaden an. Desgleichen bedeckte am ersten November bis Sexagesima Schnee die ganze Erdoberfläche, und mit verschiedenen Plagen schlug der Herr beständig sein Volk und suchte heim mit der Rute ihre Ungerechtigkeit und mit Schlägen ihre Missetat." [Xantener Annalen]
Ein schwäbischer Grundbesitzer schenkt dem Kloster St. Gallen Ackerland zum Nutzen der "domus peregrinorum", damit er dort bis an sein Lebensende quasi als Dauergast leben kann und ernährt und bekleidet werde, nämlich jährlich ein Leinenkleid und ein Wollkleid und alle drei Jahre einen Mantel und Schuhe empfängt.

874
"Der Winter war lang und streng und es fiel solche Menge Schnees, wie niemand sich erinnern konnte gesehen zu haben. (...) Der lange Sommer bewirkte große Dürre des Heus und Mangel an Getreide." [Annalen von St. Bertin]

875
Ca.: Am englischen Hof werden Kerzenuhren zur Zeitmessung benutzt (dicke Kerzen mit Skala, vermutlich eine chinesische Erfindung).

876
Tod Ludwigs des Deutschen. Neuer König des Ostfrankenreiches wird Ludwig III. (d. J.). Regino von Prüm nennt Frankfurt "principalis sedes regni orientalis". Ca.: Die Bibliothek des Grafen Ekkehard von Autun besteht u.a. aus: meist pastoralen Schriften, u.a. von Papst Gregor, Heiligenlegenden, historischen Schriften zur Franken- und Langobardengeschichte, Volksrechten der Franken, Burgunder und Romanen, einer Sammlung zum Kirchenrecht, einem Isidor, einem Vegetius, einem landwirtschaftlichen und einem medizinischen Traktat, einer Bibel, einem Evangelium mit Kommentar, einem Psalter und einem "Büchlein mit Gebeten und Psalmen". Er besitzt auch ein althochdeutsches Evangelium.

877
Tod Karls II. des Kahlen; ihm folgt sein Sohn Ludwig der Stammler. Im Kapitulare von Quierzy wird festgesetzt, daß dem tauglichen Erben das Lehen des Vaters neu verliehen wird.

878
In Barcelona glaubt man, die Reliquien der Hl. Eulalia wiederaufgefunden zu haben.

879
Tod Ludwigs des Stammlers; das Westfrankenreich löst sich auf. Boso von Vienne, vormals in westfränkischen Diensten, läßt sich zum "rex Provinciae" erheben (oder 877?). Dieses Königtum Niederburgund (Arelat) wird von ost- und westfränkischer Seite als Usurpation betrachtet.

880
Lothringen kommt nach dem Vertrag von Ribémont zum Ostfrankenreich. Die Mauern von Mainz werden wieder instandgesetzt. Wikinger plündern Kaiserswerth.

881
Karl III. der Dicke gewinnt Norditalien, wird von Papst Johannes VIII. zum Kaiser gekrönt (bis 887). Die Wikinger plündern Maastricht, Lüttich, Jülich, Neuß, Köln und Bonn. Für Köln ist es für die nächsten 1064 Jahre (bis 1945) die letzte Eroberung.

881/882
Entstehung des Ludwigsliedes.

882
6. Januar: Die Wikinger plündern erstmals die Abtei Prüm in der Eifel. Januar: Ludwig der Deutsche stirbt, ebenso Hinkmar von Reims. April: Die Wikinger plündern Trier und kehren anschließend nach Elsloo zu ihren Schiffen zurück. In Reims treiben sie Tribut ein. Ein fränkisches Heer (mit Alemannen, Sachsen, Bayern, Thüringern, Langobarden und Friesen) unter Kaiser Karl dem Dicken schließt sie in Elsloo ein. Obwohl die Franken auf Kampf brennen, verhandelt Karl mit Wikingerkönig Gottfried und erkauft dessen Abzug und Taufe für 2080 (oder 2412) Pfund Silber und Gold sowie Friesland als Lehen. Er zieht dann ins Rheindelta ab, während sein Bruder Siegfried sich an der unteren Schelde verschanzt, nachdem er geschworen hat, das Frankenreich nie mehr zu betreten. Es stirbt Erzbischof Hinkmar von Reims

883
Ein gewisser Graf Rihwin läßt seine Frau wegen Ehebruchs umbringen, was großes Aufsehen erregt und daher ein Ausnahmefall zu sein scheint. (Bei Regino von Prüm, S. 266f nachzulesen)
Ca.: Notker Balbulus verfaßt die "Gesta Karoli".

884
Wikinger plündern Kaiserswerth.

885
24. November: "700" Wikingerschiffe erscheinen vor Paris, die die Seine dreieinhalb Kilometer weit bedecken und "40000" Mann absetzen, die bislang größte Wikingerstreitmacht auf fränkischem Boden. Bischof Geuzlin und Graf Odo verschanzen sich in Paris und halten der Belagerung stand. Die Kanzlei Karls III. zählt nun die Herrscherjahre nicht nur wie bisher für Italien und Ostfranken, sondern auch noch zusätzlich für Westfranken getrennt (in Italia, in Francia, in Gallia). "Francia" bezeichnet hier das Ostreich. Es stirbt der arabische Astronom und Philosoph Albumasar (Dschafar abu-Masar, 80), der Hauptvertreter der arabischen Astrologie, welche ihrerseits aus dem hellenistischen Sternenglauben hervorgegangen ist und die einige Jahrhunderte später in Südeuropa in Übung kommen wird.

886
Karl der Dicke erkauft wiederum den Abzug der Wikinger: die Belagerer von Paris dürfen sogar an der Rhone überwintern (da die Beziehungen Karls zu Burgund ohnehin unterkühlt sind).

887
Karl III. (der Dicke) wird zur Abdankung gezwungen. Arnulf von Kärnten wird ostfränkischer König (bis 899). Dies findet in Frankfurt statt.

888
Januar: Karl der Dicke stirbt.Hochburgund wird unter dem Welfen Rudolf I. ein selbständiges Königreich (Burgundia superior).
Ca.: Am Hofe Harald Haarfagrs entstehen Skalden-Lobgedichte: Thiodolfs "Ynglinga tal" und Thorbjorns "Haralds-mal".

891
Arnulf von Kärnten schließt ein Heer der Wikinger bei Löwen an der Dyle (Brabant) ein und treibt es in den Fluß. Gegen die Wikinger, die sich in ein hastig errichtetes Lager zurückgezogen haben, läßt er seine Reiter abgesessen vorgehen. Wido von Spoleto, der seinen Konkurrenten Markgraf Berengar von Friaul überwunden und sich zum König vin Italien hat wählen lassen, erzwingt vom Papst die Kaiserkrönung (im Folgejahr auch für seinen Sohn Lambert. Erzbischof Fulco von Reims findet in "libris teutonicis" (in deutschen Büchern) die Ermanarichsage.

892
Epidemien und eine große Dürre lassen es dem Großen Heer der Wikinger im Frankenreich zu unbequem werden. Sie gehen nach England zurück, doch bleiben auch etliche zurück, besonders an der unteren Seine.

893
Erzbischof und Erzkanzler Fulco von Reims warnt in einem Brief König Arnulf vor Härte gegenüber seinem unterlegenen Konkurrenten Karl dem Einfältigen - mit Verweis auf die Sage vom "Sippenfeind" Ermanarich: "Es wird auch in deutschen Büchern von einem König namens Hermenricus berichtet, der auf die gottlosen Ratschläge eines Ratgebers hin sein gesamtes Geschlecht (progenies) zum Tode verurteilte."

895
Die Synode von Worms verbietet u.a., Laien in Kirchen zu begraben. Es soll nämlich zu Genua ein gewisser Valentinus in einer Kirche beerdigt worden sein und daraufhin von zwei Teufeln mit Stricken wieder hinausgeschafft worden sein. Die Synode von Tribur erkennt als Ehescheidungsgrund nur noch Unzucht (fornicatio) an, wobei eine Wiederverheiratung verboten wird. Im Verlauf des 9. Jhs. sind die noch im 8. Jh. zahlreichen anerkannten Scheidungsgründe allmählich zurückgedrängt worden. Am Ende dieser Entwicklung wird nur noch zu nahe Verwandtschaft als Scheidungsgrund übrigbleiben. Dieselbe Synode verwehrt bei unerlaubten Ehen den Partnern, an einem Tisch und unter einem Dach zu leben. Nachdem Kaiser Wido gestorben ist, zieht Arnulf von Kärnten über die Alpen und erlangt von Papst Formosus die Kaiserkrone. Und 896: Landnahme der Ungarn im Karpatenbecken.

896
Dänische Wikinger lassen sich an der Seinemündung nieder.

896/897
Papst Formosus stirbt und sein Nachfolger Stephan VI. hält nach Arnulfs Abzug eine "Synode des Schreckens" ab (auch "Leichensynode" genannt): Die verwesende Leiche des Formosus wird aus der Gruft geholt und mit päpstlichen Gewändern auf den Thron gesetzt, schließlich angeklagt, verurteilt, durch die Straßen geschleift und entweder außerhalb des Begräbnisplatzes der Päpste bestattet oder aber in den Tiber geworfen.

897
Juli: In Rom wird bei einem Volksaufstand der Anhänger des Formosus Papst Stephan VI. abgesetzt und im August im Kerker erdrosselt. Als Papst folgt Romanus.

898
"Ein Stern von wunderbarer Größe erschien; man meinte, daß es ein Komet war. Denn er sandte große Strahlen abwärts aus und stieg in vielen Nächten durch den Tierkreis herauf. Er zeigte an, daß das Volk der Ungarn viele Länder verwüsten werde." [Annalen von Pöhlde]
Bis 968: Raubzüge der Ungarn nach West- und Südeuropa. Die Ungarn selbst bezeichnen sie gern als "Abenteuerzüge".

899
Tod Arnulfs von Kärnten in Regensburg. Erste urkundliche Erwähnung des Ortes Weimar: "Wimare", "Wehmare" (d.h. geweihte Stätte), auch "Wimares" oder "Wymar". (In der älteren Literatur galt hier eine Urkunde des Jahres 975).
Ca: Die Papierherstellung kommt nach Kairo.