15. Jahrhundert
Frühes 15. Jahrhundert Neuerungen dieser Zeit sind die Saug- und Druckpumpe,
die Maschine zum Ausbohren von Holzröhren und die Schleifmaschine für
Edelsteine.
Zu Beginn des 15. Jahrhunderts entwickelt die burgundische Mode turbanähnliche
Kopfbedeckungen, indem der überlange Kapuzenzipfel der Gugel wulstartig
um den Kopf gewunden wird. In diese Zeit fällt auch die Blütezeit
der Zaddelung an der Kleidung, jenes gezackte oder girlandenförmige Ausschneiden
der Säume an Ärmeln, Schleppen, Kopfbedeckungen, Röcken und anderen
Stellen.
Erste Hälfte 15. Jahrhundert: An der Nordsee beginnt mit der "Heringszeit"
eine wirtschaftliche Blüte. Bei Helgoland sind nämlich beträchtliche
Heringsvorkommen ausgemacht worden. Diese gute Zeit dauert bis etwa 1600, bis
die Heringsschwärme ausbleiben. Ein Weistum aus der Rhön erklärt
ein Holzhaus für gut gebaut, wenn es von drei Männern mit Haken nicht
umgerissen werden kann. In Göttingen müssen die Wundärzte dem
Rat verwundete Bewohner melden.
Gegen Ende des 15. Jahrhunderts beginnen die waldarmen Niederlande mit dem Import
von Steinkohle aus Saar- und Ruhrgebiet. Eine bayerische Fürstenspiegelkompilation
führt die Eigenschaften des idealen Ritters auf. Dieses Ideal, oft fern
von der Realität, wird nichtsdestoweniger angestrebt, dient es doch der
Abgrenzung vom Bürgertum. "Ain warer ritter sol sein: großmütig
in widerwärtigkait, wol geporen nach dem plut, der freüntschafft milt
in gab, subtil in fürgeseczter ersamigkait und gutem wandel, vestt und
starck in wol geübter mändlichkait, ain liebhaber der warhaitt, ain
beschirmer aller gerechtigkait, wol geczirt in keuschkait, höchgelobt in
mässigkait. Dem ritter zugepürt: die heiligen mesß zu hören
mit andachtiger betrachtung der leiden Cristi, sein leiplich leben umb cristenlichen
gelawben verliesen, die kirchen und ir diener von ungerechter beswärnuß
ledigenn, wittuben und waysen in nöten beschirmen, all ungerecht krieg
wieren und fliehen, sich behüten von rawb und ungerechtem gut, meiden allen
unrechten solt, für den unschuldigen vechten, die ritterschaft nicht prauchen
dann umb ritterlich sach, dem römischen kayser und seinen fürsten
mit erlicher gehorsam untertänig sein, gemainen nücz unvermayligten
in seinen krefften zu lassenn, des künigs und reichs lehen nit entpfremden
und unstraflich in der werlt vor got und den menschen beleiben." Dagegen
stehen in spätmittelalterlicher Dichtung und Literatur immer wieder Klagen,
die den allgemeinen Verfall jener Lebensformen anprangern und den verhältnissen
der Vergangenheit nachtauern. Im 15. Jh. erfährt die Ausbreitung des Kultes
des hl. Quirinus von Neuß einen Höhepunkt. Er wird in der Diözese
Köln als Helfer bei Bein- und Fußleiden, Pocken, Geschwulsten und
Drüsenerkrankungen angerufen. Gegen Mitte des 15. Jahrhunderts ist der
Turban (gebildet aus dem um den Kopf gewundenen Kapuzenzipfel) die zeremonielle
Kopfbedeckung der Herzöge von Burgund und der Ritter des Ordens vom Goldenen
Vlies. Gegen Mitte des 15. Jhs. löst der Pelzbesatz an der Kleidung die
Zaddelung ab.
Ende des 15. Jhs. gibt es im Abendland an über 250 Orten Druckereien, mit
über 1100 Werkstätten.
1400
Vor 1400: Erlaß der "Dresdner Willkür", der Rechtssatzung
der Stadt Dresden. In Breslau muß ein Bürger, der einem Stadtvogt
unehrerbietig begegnet ist, zehn Mark und ein anderer wegen "Unbescheidenheit"
vor dem Rat 20 Mark zahlen. In Nürnberg besteht eine Waldsamenhandlung.
Die Stadt wird der bedeutendste Waldsamenlieferant in Europa. Nürnberger
Waldsäer werden bald in ganz Europa herangezogen. In Frankfurt hält
der Rat ab diesem Jahr Getreide auf Vorrat. Es stirbt Baldus de Ubaldis, einer
der bedeutendsten italienischen Kommentatoren des römischen Rechts. Durch
die Tätigkeit der Kommentatoren ist das römische Recht mit dem lombardischen
Feudalrecht und Elementen des Kirchenrechts vermischt worden. Dieses Konglomerat
wird als "ius commune" bezeichnet. Memmingen hat eine Mädchenschule.
Dem Schulmeister, der für ein Jahr ernannt wird, wird verboten, dort
auch Knaben zu unterrichten. In Heinsberg geben sich die Bogenschützen
eine Satzung. Gleiches tun die "Papageienschützen" zu Wismar.
Der Seeräuber Störtebeker wird von den Hamburgern, die eine eigene
Kriegsflotte aufgebaut haben, vor Helgoland gefangengenommen und noch im Oktober
in Hamburg auf dem Grasbrook enthauptet. In Frankfurt sind in den letzten
34 Jahren 135 Personen hingerichtet worden. Es wird wieder ein Jubeljahr ausgeschrieben.
Es stirbt Geoffrey Chaucer (60). In Amsterdam werden ab diesem Jahr die jährlich
wechselnden vier Bürgermeister vom Alten Rat gewählt, welcher aus
aktiven und ehemaligen Schöffen und ehemaligen Bürgermeistern besteht,
wodurch die Stadt vom Landesherrn relativ unabhängig wird.
20. August: Der unfähige König Wenzel (39) wird abgesetzt. Neuer
König wird der Wittelsbacher Ruprecht von der Pfalz (48; bis 1410).
Ca.: Der Elbe-Stecknitz-Kanal wird fertiggestellt. Es ist der erste deutsche
Kanalbau. Er überwindet mit mehreren Schleusen einen Höhenunterschied
von fast 5 Metern.
Ca.: Erst jetzt erhält Düsseldorf den großen Marktplatz.
Ca.: Die Stadt Basel erläßt ein Seuchengesetz: Es wird allen an
Beulen, Lungenschwindsucht, Epilepsie, Krätze, Antoniusfeuer, Milzbrand
und Aussatz befallenen Personen bei Strafe der Ausweisung verboten, ihren
Mitbürgern Nahrungsmittel anzubieten.
Ca.: In Deutschland sind etwa 2000 Studenten eingeschrieben.
Ca.: "Ackermann aus Böhmen" von Johann von Saaz.
Ca.: Frankfurt, Ulm und Augsburg haben je etwa 10000 Einwohner, Lübeck
25000, Stuttgart 4000, Aarau 1300.
Ca.: Schützenfest in München. Der erste Preis ist ein Widder.
Ca.: Gründung der Großen Ravensburger Handelsgesellschaft (bis
1530), dem größten deutschen Handelsunternehmen des 15. Jhs. Die
Gründer sind Mitglieder der Familien Humpis aus Ravensburg, Mötteli
aus Buchhorn und Muntprat aus Konstanz. Sie treiben europaweiten Handel auf
der Grundlage der Leinwand- und Barchentherstellung.
Ca.: In Köln wird die Strafe für Metzger, die falsche Gewichte benutzen
(bisher zwei Mark Silber) erhöht, zusätzlich wird eine einjährige
Verkaufssperre verhängt, wobei die Miete für die Fleischbank dennoch
weiter gezahlt werden muß. Die Fischhändler müssen zwischen
zwei und acht Schilling Buße zahlen, wenn sie zwischen ein und vier
Lot zuwenig gewogen haben.
Ca.: Sowohl unter niederen fahrenden Spielleuten als auch unter besser gestellten
Musikern begegnen "orgeler".
Ca.: Tätigkeit der Brüder van Limburg als Miniaturenmaler am Hofe
des Herzogs Johann von Berry.
Ca.: Die Verpflegungsordnung der Mendelschen Zwölfbrüderstiftung
zu Nürnberg bestimmt für jeden Spitalinsassen pro Jahr: 170 bis
180kg Roggenbrot, 52kg Fleisch, 100 Maß Bier, 16kg Butter und Schmalz,
11kg Käse sowie in nicht bestimmbarer Menge Mus, Kraut, Rüben, freitags
Milchgerichte, zur Fastenzeit Hering, Trockenfisch oder Feigen und z.B. Ostern
Lamm und Fladen. (Dies ist die Verpflegung ehemals selbständiger Handwerker.)
Ca.: In Wien stiftet jeder Einwohner durchschnittlich 30 Seelenmessen.
Ca.: Bern ist ein großer Umschlagplatz für Holzprodukte.
Ca.: 80% des Schweizer Fußvolks sind mit Hellebarden bewaffnet.
Ca.: In der Musik werden ab etwa 1400 selbständige, textlos notierte
Vor- und Zwischenspiele notiert.
Ca.: In Kreuzburg (Thüringen) ist in der Bekleidung der Reichen eine
bestimmte Spielart des Dupsings gebräuchlich: "ein silberner Gürtel,
da hiengen Glöcklein an, wenn eines ging, so schellte es um ihn her".
Der Dupsing ist eine schwerer Gürtel, der mit Ketten und Haken unnatürlich
tief an der Hüfte befestigt ist. Dieses reine Dekorations- oder Repräsentationsstück
ist (wie auch die Wattierung) von der Rüstung entlehnt. Und weiter: "Auch
hatten die Männer Hosen ohne Gesäß, banden sie an die Hemden".
Die bisher verhüllten Beinlinge geraten durch die kurzen Obergewänder
in den Blickpunkt, sind dieser Funktion aber funktionell noch nicht gewachsen.
Erst im Verlauf des 15. Jahrhunderts werden sie zu "einem paar hosen"
zusammengefügt. Getrennte Beinlinge bleiben zu langen Obergewändern
(bei der einfachen Bevölkerung) weiterhin in Gebrauch.
Ca.: Im Nürnberger Handwerk findet sich die Drehbank mit einfachem Schnurantrieb.
Ca.: Es entsteht das sog. "Große Neidhart-Spiel", in welchem
u.a. die Mode der geschwänzten Gugel verspottet wird: "Ir Kappenzipfel
ist lang und zersnitten, er wischet Ars wol da mitte".
Ca.: Eine Nürnberger Kleiderordnung gibt "den schneydern ain mass"
für die maximal zulässige Breite von Verbrämungen aus Seidenstoffen,
und "das gezaychet mess, das den kürsnern derhalben gemacht unnd
in der canntzley auffgeschlagen ist", soll das Ausmaß der Applikationen
"von rawher ware" regeln.
Ca.: Durch den Bau des Spoykanals wird Kleve zur Hafenstadt.
Ca.: Kranenburg erhält eine Stadtmauer und eine neue Stadtburg. Nach
1400: Es kommt in der Frauentracht die Mode auf, den Schleier so kurz zu tragen,
daß der Hals bloßliegt. Der Schleier bleibt fortan bedeutend,
bleibt aber in Material und Ausstattung unverändert, bis er im 16. Jahrhundert
von der Haube verdrängt wird.
Nach 1400: In England kommt der Hundeantrieb für das Drehen von Bratspießen
auf: Ein kleiner Hund (meist ein Terrier) in einem Laufrad dreht über
ein Band den Spieß.
1401
Judenverfolgung in Schaffhausen. Bischof Albrecht von Bamberg schreibt für
die Barchentweber in seinem Markt Kirchdorf an der Krems (Oberösterreich)
vor, daß wöchentlich am Mittwoch und Samstag die Beschaumeister
des Handwerks die Barchente prüfen sollen. Werden Zeug und Maße
für gut befunden, soll das Zeichen eines Löwen in Blei auf das Tuch
geschlagen werden. Barchente, die die erforderliche Qualität nicht erreichen,
sollen zerschnitten werden. Beschaumeister, die mangelhafte Barchente passieren
lassen, sollen der Strafe des Eidbrüchigen verfallen. In Bologna wird
ein Ausschuß eingesetzt, der alle Frauenkleider der Bürger zu begutachten
hat, um ein Luxusgesetz gegen aufwendige Kleidung durchzusetzen. Es werden
210 Kleider beschlagnahmt. In Brüssel wird mit dem Bau des Rathauses
begonnen. Der Seeräuber Godeke Michels wird über 70 Spießgesellen
auf dem Grasbrook zu Hamburg enthauptet.
1401/1402
Errichtung eines "Cour d'amours" am Hofe zu Paris.
Bis 1407: Der deutsche Schlosser Johann steht im Dienste der Herzogin von
Orleans (Schwägerin des französischen Königs) und fertigt für
sie kleine Uhren für einige Innenräume an.
1402
Hamburg besiegt vor Helgoland die Vitalienbrüder. Deren Anführer
Klaus Störtebecker wird hingerichtet. Bau des Züricher Rathauses
- ganz aus Holz mit Fenstern aus Tuch. Beispiel für ledige Mütter
beim Adel: Kaspar von Starkenberg (aus dem drittmächtigsten Hause in
Tirol) notiert bezüglich seiner unverheirateten Schwestern: "item
meiner swester Dorothea 1 Pfund, do sy aus den Kindpeten gieng und 18 vierer
um Senf. Item meiner jüngerenswestern 4 Pfund um air in die Kintpet."
St. Ulrich und Afra zu Augsburg erhält eine Uhr. Auch diese hat nur einen
Stundenzeiger. Der Rat von Utrecht erklärt: Wer sein Strohdach entfernen
läßt, erhält kostenlos Dachziegel. Der Rat von Biberach läßt
den Markt mit Kieselsteinen pflastern. Dabei werden die Hauseigentümer
aufgefordert, vor ihren Häusern gleichfalls zu pflastern.
Bis 1405: Konrad Kyeser, wahrscheinlich ein studierter Mediziner, wegen angeblicher
feiger Flucht in Nikopolis (1396) nach Böhmen verbannt, verfaßt
dort "Bellifortis". Dieses Werk enthält (nach dem Inhaltsverzeichnis):
Planetenbilder, Belagerungswaffen, Wassertechnik, Steiggeräte, Wurfmaschinen,
friedliche und kriegerische Verwendung des Feuers, Zauberrezepte, Raketen,
Flugdrachen, Pulvergeschütze, chemische Rezepte, Bäder, Hausmittel
etc. Neuer Herzog von Mailand wird Giovan Maria (bis 1412), ein Wahnsinniger,
welcher durch seine Hunde berühmt wird, die zur Menschenjagd abgerichtet
sind und von denen sogar die Namen überliefert sind.
1403
In Wien wird Klage geführt, viele Wirte seine "sündeheger"
und "sündemehrer", weil sie in ihren Gaststätten Dirnen
halten. Zu einem Turnier in Darmstadt, ausgeschrieben von einem Grafen zu
Katzenellenbogen anläßlich der Geburt seines Sohnes kommen 120
fränkische und 144 hessische Ritter mit dem geheimgehaltenen Vorsatz,
miteinander wegen alter Händel von einem vergangenen Turnier zu Wertheim
abzurechnen (es waren die Hessen von den Franken als "Stegreifritter"
und Straßenräuber bezeichnet worden, während die Hessen den
Franken vorgeworfen haben, sie würden den Adel durch Kaufmannschaft verunehren).
Als es die ersten Toten gibt, lassen die (12) Grieswärtel die Planken
und Bretterzäune abtragen, um die Flucht vom Kampfplatz zu erleichtern.
Bis die Kämpfer getrennt werden können, sind 9 Hessen und 17 Franken
tot. Im Südwesten wird der Rappenmünzbund (ein Münzverein)
begründet bzw. erhält seine endgültige Form. Dieser Zusammenschluß
von (schließlich) etwa 80 Städten und anderen Gebieten, darunter
Basel, Freiburg, Colmar und den kaiserlichen Gebieten im Elsaß schafft
einen "ewigen Pfennig", d.h. eine Münze, die von keinem Münzherrn
verrufen (entwertet) werden kann. Dieses System kann 150 Jahre lang stabil
gehalten werden. An Münzen gibt es zunächst den Pfennig oder Stäbler
(nach dem Baselstab, dem Bischofstab im Wappen von Basel) und den Rappen,
eine schwarze Silbermünze zu zwei Pfennig. (Später kommen noch der
Plappert, der Dicken und der Batzen hinzu.) Altendresden erhält Stadtrecht.
Seit diesem Jahr werden in Venedig Neuankömmlinge (wegen Pestverdacht)
während ihrer Quarantäne in eigenen Gebäuden untergebracht,
die man später "lazarettos" nennt. Grippeepidemie in Deutschland.
Bis 1427: In Salzburg nimmt unter Erzbischof Eberhard III., der sich erst
gegen die päpstlichen Kandidaten Berthold von Wehing durchsetzen muß,
die Fehdeführung des Adels überhand. Es kommt dort zu einem allgemeinen
Niedergang und inneren Wirren.
1404
48 Kürschnergesellen aus Böhmen und Tirol schließen sich in
Straßburg zu einer Gesellenbruderschaft zusammen. In diesem kapitalintensiven
Gewerbe ist die Hoffnung, Meister zu werden besonders gering. Schützenfest
in Kehlheim. Der erste Preis ist ein Mastochse. Die Synode von Langres verbietet
den Klerikern, zu hüpfen oder zu tanzen. Der Deutsche Orden versucht,
durch ein Ausfuhrverbot von polnischem Eibenholz (über preußische
Häfen) England zu treffen, weil aus diesem Holz dort Langbogen verfertigt
werden. Die medizinische Fakultät der Universität Wien befaßt
sich erstmals mit dem Apothekerwesen und arbeitet eine Apothekerordnung aus,
die ein Einschreiten gegen Kurpfuscher und andere unbefugt praktizierende
Personen ermöglicht, doch der Rat lehnt diesen Entwurf ab, weil ihr damit
weitgehend der Einfluß auf die steuerkräftigen Apotheker entzogen
würde. In Wien wird erstmals nördlich der Alpen eine Leiche seziert,
jedoch nur für die medizinische Fakultät, Apotheker und Chirurgen.
In Basel werden die Preise für Arzneimittel festgeschrieben. Steuern
einiger Städte in Pfund Heller pro Jahr: Ulm 700, Konstanz 600, Lindau
350, Kempten 225 und St. Gallen 140. Altendresden erhält ein Augustinerkloster.
Beispiel für die Denkweise französischer Ritter: Als die Franzosen
in diesem Jahr einen Einfall auf die englische Küste bei Dartmouth unternehmen,
will einer der Anführer, Guillaume du Châtel den Engländern
in die Flanke fallen, die durch einen Graben geschützt sind. Aber der
Sire de Jaille nennt die Verteidiger einen Trupp Bauern und es sei eine Schande,
ihnen aus dem Weg zu gehen und man solle sich nicht fürchten. Châtel
besinnt sich: "Das sei dem edlen Herzen eines Bretonen ferne, daß
er sich fürchte; nun werde ich, obschon ich eher den Tod als den Sieg
voraussehe, das unsichere Glück in die Schranken fordern." Er schwört,
daß er nicht um Gnade bitten werde und greift an. Die Truppe wird vernichtend
geschlagen und Châtel fällt. (Im Hundertjährigen Krieg sind
die Engländer im Vorteil, weil sie sich mehr von praktischen Erwägungen
als vom Idealismus leiten lassen.)
1405
Vor 1405 hat Bern eine Schlaguhr. In Straßburg wird versucht, die städtischen
Finanzen zu sanieren. Es wird verboten, etwas an Herolde, Pfeifer oder Trompeter
fremder Herren zu geben, außer wenn König oder Königin das
erste Mal in die Stadt kämen, dann könne der Rat beschließen,
den Fahrenden etwas zu schenken. In Straßburg gibt es seit diesem Jahr
"Horbmeister" ("Mistmeister"), die darauf zu achten haben,
daß ihre Knechte beim Fegen "ihre schellen ...klingeln" lassen,
daß zweimal wöchentlich in allen Gassen, deren Wasserläufe
in die Breusch münden, Horb und Unrat entfernt wird. Die Horbmeister
verkaufen den abgefahrenen Mist und Dung. In Coburg wurd ein volkssprachiges
Stadtbuch (stat buch) geführt. Konrad Kyeser von Eichstädt verfaßt
"Belli fortes", das älteste deutsche Feuerwerksbuch. Darin
beschreibt er einen Warmluftdrachen in Form einer schlangenartigen Tieres
aus Pergament, Leinen und Seide, in dessen Rachen eine Lampe brennt. Ferner
wird in elf Versen auch eine Höllenmaschine beschrieben. Das Land Appenzell
schließt einen Bund mit der Reichsstadt St. Gallen und löst sich
von der Herrschaft des Klosters St. Gallen. Bald schließen sich fast
alle ländlichen und städtischen Gemeinden des Rheintals und Vorarlbergs
dem "Bund ob dem See" an, dessen Verfassung derjenigen der Schweizer
Eidgenossenschaft ähnelt. Der Bund ist gegen die Feudalherrschaft gerichtet,
doch wird ihm kein langes Leben beschieden sein.
1406
Der Warenverkehr zur Frankfurter Frühjahrsmesse ist soweit zurückgegangen,
daß sie nur noch unregelmäßig stattfindet. Es stirbt Eustache
Deschamps (60). Er hat an seinem eigenen Besitz die Verwüstungen des
Hundertjährigen Krieges erlebt. Nur ein kleines Zitat aus dem umfangreichen
Werk: "So müssen die Unschuldigen vor Hunger umkommen, / Weil die
großen Wölfe sich jeden Tag den Bauch vollschlagen." Der Rathausturm
zu Augsburg erhält eine Uhr. Aus der Gewichtsordnung von Frankfurt: Auf
der Krämerwaage ist ein Zentner gleich 100 Pfund, auf der "smerwage"
hingegen 108 Pfund; die Krämer dürfen zum Wiegen nur ein Silberpfund
von 32 Lot verwenden. Gewichte bis fünf Pfund sollen grundsätzlich
aus Kupfer, Messing oder Eisen hergestellt werden, über fünf Pfund
können sie auch aus Blei oder Zinn sein. Wer falsche Gewichte benutzt,
muß eine Strafe von einer Mark Silber zahlen, wohingegen ein zu geringes
Fleischgewicht nur mit fünf Schilling Pfennig bestraft wird. Für
ein zu kleines Ellenmaß ist eine Buße von einer Mark Silber zu
zahlen. (Die Elle ist in Frankfurt 54,7 cm lang.)
1407
Im Toggenburgischen wird eine Bruderschaft der "farend lüt, Gyger
und Pfiffer" gestiftet; sie hat in der Heilig-Kreuz-Kirche zu Uznach
bei St. Gallen einen eigenen Altar. Schutzherr ist der Graf von Toggenburg.
Jedes einzelne Mitglied soll ein ehrbares und moralisch makelloses Leben führen.
In Stralsund verbrennt eine wütende Menge drei Geistliche ("Papenbrand
am Sunde") als Rache für Gewalttätigkeiten, die der Archidiakon
von Tribsees Cord Bonow auf Stralsunder Besitzungen verübt hat. In Köln
sind (nach dem Bürgermeistereid) hohe Strafen für die Übertretung
der Brotgewichtsvorschriften vorgesehen: Ist ein Brot im Wert von 4 Pfennig
um 1 Lot zu leicht, beträgt die Strafe 12 Pfennig; bei 2 Lot Gewichtsmangel
wird das gesamte Brot beschlagnahmt und durch den Bürgermeister an die
Armen verteilt. Malterbrot hat ein vorschriftsmäßiges Gewicht von
7 Pfund 8 Lot bis 7 Pfund 4 Lot und kostet im Schnitt 16 Pfennig; bei einem
Mindergewicht von 8 bis 10 Lot droht eine Strafe von 18 Mark Silber; bei über
10 Lot Gewichtsmangel wird die Bäckerei für ein Vierteljahr geschlossen.
Weiterhin wird zu Köln für Holzkohle ein Meßzwang eingeführt
(Strafe: Fünf Mark Silber). Aus der Ordnung der Kölner Sartuchweber:
Ein Sartuch (Barchent) muß nach der Bleiche 52 Ellen lang und mindestens
eine Kölner Elle breit sein. Für das beste Markenzeichen (drei Kronen,
das Kölner Wappen) muß es acht Pfund Baumwolle enthalten; für
7,5 Pfund Baumwolle gibt es noch zwei Kronen und darunter nur eine Krone.
Für die Marienkirche in Lübeck wird eine astronomische Kunstuhr
gebaut. Das Leibgedinge einer Frau in Freiburg i. Br. sieht eine Tagesration
von 450 bis 508 Gramm Brot vor.
Bis 1669: Wesel (Hansestadt) ist ein bedeutender Hafen des Herzogtums Kleve.
Gründung des fränkischen Münzvereins.
1408
Die Pariser Universität erklärt Papst Benedikt XIII. (zu Avignon,
alias Peter von Luna) seiner Würde verlustig. Der König bestätigt
für Frankreich die Gehorsamsaufkündigung. In Augsburg beträgt
der Anteil der Vermögenslosen nach den Steuerlisten 33,7% - niedrigster
Stand des 15. Jahrhunderts Braunschweig hat eine Schlaguhr. Erster erhaltener
Prüfungsbericht über die Qualität des Biers und den zulässigen
Gewinn der Brauer von Köln. Der Herzog von Burgund besitzt einen Ring,
von dessen Edelstein es heißt, er beginne zu schwitzen, wenn er in die
Nähe von Gift gebracht würde. Der "Bund ob dem See" (siehe
1405) wird von einem Adelsheer ("Gesellschaft mit St. Jörgenschild")
besiegt und bricht zusammen.
Bis 1416: Unruhen in Lübeck.
1409
Juni: Den Streit zwischen zwei konkurrierenden Päpsten "schlichtet"
ein Konzil zu Pisa, indem es einen dritten Papst wählt: Alexander V.
(vormals Bischof Pietro Filargis von Mailand). Zwei Figuren (!) der anderen
Päpste werden als Ketzer verbrannt. 4. September: Alexander V., der dritte
Papst schickt eine Bulle an den Franziskaner Ponce Fougeyron, seines Zeichens
Generalinquisitor für die Diözesen Genf, Aosta und Tarentaise, die
Dauphine, das Comtat Venaissin sowie Avignon. Sie beinhaltet, daß offenbar
in obigen Gebieten einige Christen zusammen mit Juden insgeheim neue Sekten
und verbotene Riten eingeführt hätten. Zudem würden dort Christen
und Juden Hexerei, Wahrsagerei, Dämonenbeschwörungen, magische Verwünschungen,
Aberglauben etc. praktizieren; konvertierte Juden würden rückfällig
und verbreiteten den Talmud, und schließlich würden Christen und
Juden versuchen, die Zinsleihe zu rechtfertigen. Einen Monat später wird
Fougeyron mit 300 Goldgulden in seiner Tätigkeit unterstützt. Gründung
der Universität Leipzig. Aus diesem Jahr hört man von dort auch,
daß vor dem Hallischen Tor die Dirnen durch Worte und Gebärden
werben. Der Rat von Freiburg verbietet "Straßenschlachten"
zwischen deutschen und französischen Kindern. Nach einer Ordnung in Basel
werden für Schürlitz (Basler Name für Barchent) je nach Qualität
drei Markenzeichen vergeben: Die beste erhält einen Ochsen, die nächste
einen Löwen und die dritte eine Traube. Ein Brand in Kalkar beschädigt
die romanische Kirche St. Nicolai. Die Brauordnung von Landshut weiß
um den "grossen presten (Mangel) der yetzo lang zeit gewesen ist in ier
stat von argem und posem pir" (wegen schlechtem Bier). Aus diesem Jahr
stammt der älteste erhaltene schottische Dudelsack. Mit wenigen Veränderungen
gleicht er dem heutigen Dudelsack der schottischen Highlands, der eine konische
Bohrung hat und eine Melodiepfeife mit doppeltem Rohrblatt und acht Fingerlöchern.
In Lüneburg werden Stadtbücher geführt, welche man hier (wie
auch in Braunschweig seit Mitte des 14. Jhs. und in Bremen seit Mitte des
15. Jahrhunderts "Gedenkbücher" heißen. In Valencia richtet
der Mönch Joffre nach maurischem Vorbild ein Asyl für Geisteskranke
ein. In Tirol wird als ritterlicher Verein der Elefantenbund gegründet.
1410
Toulon: "Einem alten Brauch der Stadt Toulon zufolge rüsten am Ostermontag
Seeleute und Einwohner unserer Stadt Boote zu einem Kampf auf dem Wasser,
der quintaines genannt wird. Dieser Kampf muß zwischen den beiden Parteien
ehrlich und ohne Trug ausgetragen werden; nach seiner Beendigung kommen alle
zu einem Trunk zusammen und feiern den Sieger mit Trompeten und anderen Instrumenten."
Dazu wird das Heck der teilnehmenden Barken verlängert, daß zwei
mit stumpfen Lanzen und Schilden bewaffnete Kämpfer darauf Platz finden.
Wer ins Wasser fällt, hat verloren. Fallen beide ins Wasser, schwimmen
sie aufeinander zu und küssen sich zweimal auf die Wange. In Göttingen
verbietet der Rat den Vogelfang, weil dadurch die Saaten zertrampelt würden.
In Basel tritt eine Spielmannsgruppe namens "Hoppertantz und sine gesellen"
auf. In Basel erhält der Ratspfeifer pro Woche 16 Groschen, ein Ratsknecht
hingegen nur 10 Groschen und ein Wachtmeister nur 4 Groschen. In Nürnberg
wird ein Mann für ein halbes Jahr der Stadt verwiesen, weil er Würfel
verliehen hat. Herzog Friedrich IV. von Tirol erbeutet am bischöflichen
Hof von Trient u.a. sechs Gabeln. Bei den Frankfurter Schreinern dürfen
nur vier ausgewählte Personen das Holz für das gesamte Handwerk
kaufen. In Hildesheim erwähnen die Stadtrechnungen "linlachen"
(Leinwand) für die Fenster der Ratsstube (als Kälteschutz mangels
Glas). Eine Grundherrschaft in Vilseck (Oberpfalz) garantiert ihren Bauern
die freie Entnahme der für den Neubau eines Bauernhauses nötigen
Holzmenge, "wenn ein not antriffet von brunst oder von alters wegen,
das ein haws umbfellet oder das ein haws erfawlt ist, also daz man das geswell
[die Grundbalken] mit einem fuss mag herawßgestossen." Es stirbt
Francesco di Marco Datini (75), ein Tuchgroßhändler aus Prato mit
Handelshäusern in Avignon, Florenz, Pisa, Genua, in Spanien und auf Mallorca.
Er vermacht sein Haus in Prato den Armen. Unter der Treppe dieses ehemaligen
Hauses wird man im Jahre 1870 seine Hinterlassenschaft finden: Etwa 500 Haupt-
und Geschäftsbücher, etwa 300 Gesellschaftsverträge, Versicherungspolicen,
Frachtbriefe, Wechsel und Schecks und dazu 140000 Briefe. Weimar erhält
Stadtrecht. Alexander V., der dritte Papst stirbt. Sein Nachfolger wird Balthasar
Cossa als Johannes XXIII. Der Deutsche Orden unterliegt den Polen bei Tannenberg.
König Ruprecht von der Pfalz (58) stirbt. König wird Sigismund (42),
der bereits König von Ungarn ist.
Ca.: Vermutlicher Bau der schweren Steinbüchse "Faule Magd".
Es handelt sich um ein Stabringgeschütz, d.h. das aus Stäben geschmiedete
Rohr ist mit (46) Ringen verstärkt. Zum Einsatz wurde diese Kanone auf
dem Erdboden in ein aus Balken gebildetes Widerlager gebettet (woraus sich
die Bezeichnung "Legstücke" ableitet). Eine Seitenausrichtung
ist nur durch Neuausrichtung der gesamten Bettung möglich. Technische
Daten: Kaliber: 345 mm; Rohrlänge: 2,33 m; Masse des Rohres: 1383 kg;
Geschoßgewicht: ca. 45 kg; Treibladung: ca. 6,5 kg.
1410/1411
In Basel, wo bisher nur gelegentlich, meist in Kriegszeiten, Pfeifer von der
Stadt bezahlt worden sind, setzen nun regelmäßige Ausgaben für
ihre Besoldung ein.
1411
In Schlettstadt wird jemand, der eine Dirne "übellich geslagen"
hat, der Stadt verwiesen. Eine Randbemerkung zum französischen Gesetz
von 1397 gegen das Fluchen: "All diese Flüche sind heutzutage, 1411,
überall im Land ganz allgemein im Schwange, ohne irgendwelche Bestrafung
zu finden." Besonders die Burgunder gelten als Erzflucher. Nach einer
Nachricht von Hans Vintler sind noch nicht einmal adlige Damen davor gefeit,
sich für repräsentative Kleidung ihre Nahrung vom Munde absparen
zu müssen: "Nu secht neur zue, wie rain uns schirt / die arme edel
(Adlige) in diesem lant. / so wil si haben ain gewant / von perlein und von
spangen, / darinn so wil si prangen / neben der hohen fürstin, / und
hat die weil ir chuchen inn / nicht als vil, das man / geziehen möcht
davon ain han / und will dannoch als edel sein, / und mues doch oft wasser
für wein / an irem tische trinken, / und manigen durren schinken / mues
si essen von dem kastraun. / das ist ir wildprät und kappaun." Weiter
findet sich hier die "widerwärtichait", daß Frauen Männerkleidung
tragen: "Doch vindt man manige also getan, / die do pruech und hosen
trait, / und sol dannoch sein ain mait, / aber es ist unweipleich, / wann
iedermann sol mit seim geleich / tragen, als das im püret an." Aus
diesem Jahr stammt die Darstellung einer Seilschwebebahn. Bis eine solche
aber tatsächlich einmal (zu Danzig) gebaut werden wird, werden noch 233
Jahre vergehen. Grippeepidemie in Deutschland.
Und 1450: In Köln werden die Maße für Ziegel festgesetzt:
Länge ein Fuß, Breite 1/2 Fuß, Höhe 1/4 Fuß.
1412
Am Marktplatz von Bremen wird als Zeichen der Stadtfreiheit der Roland errichtet.
Die Rolandsfiguren erscheinen seit dem 13. und 14. Jahrhunderts in zahlreichen
norddeutschen Städten, besonders in jenen mit Magdeburger Recht. Insgesamt
sind 42 Rolandsfiguren bekannt. An der Wasserleitung von Ausburg experimentiert
man mit neuen Materialien, aber die Röhren aus Eisen und Ton bewähren
sich nicht, und so wird wieder auf Holzröhren zurückgegriffen. In
Basel hält man Singvögel. Im Blenio-Tal (Tessin) wird den vier Söhnen
eines Priesters das Bürgerrecht nur deshalb verwehrt, weil seine langjährige
Konkubine und Mutter seiner Kinder mit einem anderen Mann verheiratet ist.
In Ungarn gibt es erste, schwach bleibende Versuche eines Städtebundes,
und zwar zwischen Leutschau, Preschau, Bartfeld und Kleinszeben. Es haben
aber bereits Ende des 14. Jhs, die sieben niederungarischen Bergstädte
städtebundähnliche gemeinsame Beratungen gepflegt. Dänemark
übernimmt (wieder) Flensburg.
1413
In Würzburg wird das Getränkemaß "Eimer" um vier
Maß verringert, um die Einnahmen aus der Getränkesteuer ("Ungeld")
zu erhöhen. Das es deswegen zu heftigen Protesten der Bürgerschaft
kommt, wird diese Änderung fünf Jahre später wieder abgeschafft.
In Bautzen beim dortigen Dorotheenspiel klettern undisziplinierte Zuschauer
auf ein Dach, um besser sehen zu können, wodurch ein Stück Mauer
zum Einsturz gebracht wird. Es gibt 33 Tote und zahlreiche Schwerverletzte.
[Nach der lateinischen Annalenhandschrift des Bautzener Domstifts. In: Bautzener
Geschichtsblätter 1, 1909, S. 10]
Kaiser Sigmund wird mit seinem Gefolge im Frauenhaus von Bern freigehalten.
Am 17. Mai schließt Petrus von Pontirono, Probst von Biasca im Tessin
(seit vor 1405 bis 1437) mit seiner Konkubine Katherina von Verzasca (aus
Iragna) einen regelrechten Ehevertrag - in Anwesenheit und mit Zustimmung
ihres Vaters. Sie erhält eine Aussteuer von 50 Lire und verpflichtet
sich, mit dem Probst wie eine Ehefrau zusammenzuleben, welcher wiederum ihre
Versorgung übernimmt. Aus dieser Verbindung gehen fünf Kinder hervor,
die alle gut versorgt werden.
1414
König Siegmund setzt seinen Herold Paul "Romreich" als Heroldskönig
für das ganze Reich ein, doch kann sich diese Institution nicht durchsetzen.
In Schlettstadt wird ein Kürschnerknecht irrtümlich gefangengesetzt,
der im Hurenhaus eine Frau geschlagen hat. Man hat nicht gewußt, daß
es sich dabei um dessen eigene Frau gehandelt hat. (Demnach: Seine Frau darf
man schlagen, eine Dirne nicht.) Eine Chronik berichtet, daß "huosten
durch alle lant" auftritt, "und sturbent vil lüte daran."
Möglicherweise eine Grippeepidemie. Satzung der "St.-Georgs-Schützengesellschaft
der Patrizier" zu Danzig.
Bis 1418: Konzil von Konstanz. Der Quartiermeister von Herzog Rudolf von Sachsen
ermittelt 700 "offene frouwen" (öffentliche Dirnen) und gibt
zu, die heimlichen seien gar nicht alle zu erfassen. Von einer dieser Frauen
heißt es, sie habe ein Vermögen von 800 Gulden erworben. In gewissen
Häusern sollen im Schnitt 30 Dirnen logiert haben, meist etwas abgelegen,
so etwa im "süßen Winkel" der Vorstadt Stadelhofen. Viele
hausten aber auch in Ställen oder gar in Weinfässern. Bis 1418 sollen
sich in Konstanz 1500 von ihnen aufgehalten haben, daneben auch 1700 Spielleute.
Die Angaben über die Auftritte der letzteren schwanken zwischen 146 und
516 pro Tag. Es kommen 33 Kardinäle, 900 Bischöfe und 2000 Doktoren.
Aus Ulrich Richentals "Chronik des Konstanzer Konzils" ist eine
große Vielfalt von zur Verfügung stehenden Lebensmitteln zu ersehen:
An erste Stelle steht Weißbrot, gefolgt von Brezeln und Ringen, verschiedenen
Pasteten, gefüllt mit Hühnern und Fleisch, und Hafer für Mus
sowie Erbsen, Bohnen, Linsen und Gerste als Zumus. An Gemüse werden Zwiebeln,
Rüben und zwei Sorten Kraut erwähnt. Es gibt sechs Sorten Wein,
darunter Malvasier (aus dem griechishen Monemvasia), Reinfal (aus der Gegend
um Rivoglio in Istrien) und Elsässer. An Fleisch gibt es Schwein, Rind,
Lamm, Wildbret (Reh, Hirsch, Hase, Dachs, Otter und Biber) sowie Hühner.
An Fisch finden sich Hecht, Hausen, Karpfen, Schleie und gesalzene Meeresfische,
vor allem Stockfisch und Hering. Die Herzogin von Gloucester wird angeklagt,
sie habe Heinrich VI. von England durch einen Bilderzauber aus dem Weg räumen
wollen, um so ihrem Mann den Aufstieg zu ermöglichen.
1415
Während des Konzils wird auch der Kardinal von Neapel zu Grabe getragen,
wozu Ägidius Tschudi bemerkt: "...umb die Bahr sassend sine Diener...und
Ir jeder bekleidt mit schwartzem Tuch mit Mänteln und mit Kappen, nach
der Gewohnheit zu Rom, so man leid tragt." Hier ist Schwarz als Trauerfarbe
noch etwas ungewöhnliches. Johannes Hus wird in Konstanz verbrannt. Glücksspielverbot
in Göttingen. In Wien wird das Bordell in der Nähe des Tiefen Grabens,
das bisher herzogliches Lehen gewesen ist, für 240 Pfund Pfennig verkauft.
Satzung der Armbrustschützen zu Neuß. Oswald von Wolkenstein erwähnt
in einem späteren Lied, was er heuer zu Perpignan sieht: "Zwar lenger
schwantz kund ich nie schauen an leonen noch an phawben wann in demselben
land die frauen hinden an den röcken haben." Gemeint sind die langen
Schleppen an Frauengewändern, noch ehe sie anderswo in Mode kommen. In
Florenz versuchen Luxusgesetze, den Geflügelkonsum einzuschränken:
"Hiermit wird erklärt, daß man auf einem Teller mit Gebratenem
nicht mehr servieren darf als einen Kapaun mit einer Pastete, oder ein Gänseküken
mit einer Pastete, oder zwei Rebhühner oder Rothühner mit Pastete,
oder zwei Hähnchen und eine Taube, oder zwei Tauben und ein Hähnchen,
oder eine Ente mit zwei Tauben, oder zwei Hähnchen, nicht mehr, unter
Androhung jeweils derselben Geldbuße." [Statuten von Florenz, zit.
n. A. J. Grieco, Classes sociales S. 88]
1415/1418
Es entsteht das Gedicht "Des Teufels Netz", worin (u.a.) zu weit
ausgeschnittene Kleidung kritisiert wird: "Der mantel ist hindan offan,
das ir der rug (Rücken) ist blosz und wan (unzureichend bedeckt)".
1416
In Augsburg werden erstmals die Straßen gepflastert ("wegesteine
gesetztet", oder schon 1415). Der Rat von Köln verhängt gegen
Coyngin Wolf eine Haftstrafe, weil dieser sich geweigert hat, das aufgekaufte
Korn zum gemeinen Besten an die Stadt zu verkaufen. Der Humanist Poggio Aretino
erwähnt eine Spielwiese im eidgenössischen Baden. Auf einer hinter
der Vorstadt nah am Fluß gelegenen baumbestandenen Wiese kommt man nach
dem Abendessen zusammen und spielt: einige tanzen, andere singen, die meisten
spielen Ball. Der Wiener Bürger Ulreich der Wild verfügt in seinem
Testament, daß für ihn nach seinem Tod 500 Seelenmessen zu lesen
sind. Graf Amadeus VIII. von Savoyen wird zum Herzog erhoben. Bei der Belehnung
in Chambery stürzt die Tribüne ein. Erstmals werden durch den Franzosen
Prinsault die regeln der Heraldik schriftlich festgehalten. Ein Priester aus
dem Blenio-Tal (Tessin) hat fünf Kinder. (Diese drei derartigen Fälle
seit 1412 sind nur ausgewählte Beispiele. Daß Kleriker langjährige
Konkubinate unterhalten, ist im Spätmittelalter häufig belegt und
nicht etwa eine Tessiner Spezialität.) Es stirbt Herzog Johann von Berry.
Bis 1438: Die Aufzeichnungen im Schenkbuch der Nürnberger Patrizierin
Walpurg Kress berichten von 54 Übersiedlungen, meist durch Angehörige
der Oberschicht, wobei zehn in eigene Häuser ziehen, 15 zu Verwandten
und zwei in Mietshäuser, der Rest ist unklar.
1417
Seit diesem Jahr wandern die Zigeuner über Böhmen ins Reich ein.
Nach ihrer eigenen Herkunftslegende stammten sie "aus Ägypten",
woraus sie vertrieben worden seien, nachdem sie der heiligen Familie Zuflucht
gewährt hätten. Bis zum Ende des Jahrhunderts währt "Die
Goldene Zeit der Zigeuner". In Wismar wird bestimmt, daß jeder
einzelne Bürger sich an einem günstigen Kauf beteiligen dürfe.
Hintergrund ist das Bestreben, möglichst keine größeren Rohstoffmengen
in die Hand eines einzelnen Meisters gelangen zu lassen. Friedrich von Hohenzollern
zwingt durch Beschuß der Burg Plaue mit einer Kanone namens "Faule
Grete" den aufständischen Herren von Quitzow zur Aufgabe. Das Ende
der herkömmlichen Burgen zeichnet sich ab, und etliche werden bald modernisiert.
Die Entwicklung der Feuerwaffen ist jedoch nicht der einzige Grund für
den Niedergang des Burgenbaues, man denke auch an die Verarmung der Grundherren,
das Wachsen der Städte und das Aufkommen der Söldnerheere. Satzung
der Armbrustschützen zu Brilon. St. Stephan in Wien erhält durch
Meister Hans von Prag eine Uhr. Es ist eine Räderuhr mit Schlagwerk und
die Gewichte hängen an einem Flaschenzug. Der Burggraf von Nürnberg
wird mit der Markgrafschaft Brandenburg belohnt. Dabei "fingen all pfiffer
und prosoner an pfiffen und prosunen, so strencklich, das nieman sin aigen
wort wol hören mocht." Im gleichen Jahr gewährt König
Sigismund der Stadt Konstanz das Recht, eigene Trompeter anzustellen. In Zürich
wird angeordnet, daß Stadtgraben, Stadtbach und Limmat von "Erde,
Stein und "ander gemunder" frei bleiben müssen. Der Doppeladler
wird offizielles Reichswappen. Erik VII. stattet Kopenhagen mit königlichen
Handelsprivilegien aus. Papst Martin V. führt in der päpstlichen
Kanzlei wieder die Florentiner Jahresrechnung ein, nach der das Jahr am 25.
März (nach unserem Jahresanfang) beginnt. Diese Methode wird hier das
ganze 15. Jahrhunderts lang allein verwendet.
Bis 1422: Höhepunkt der Währungskrise in Frankreich.
1418
In Göttingen darf nur mit Erlaubnis des Rates gebettelt werden, weil
"hir vele ... pepen und leygen, gheystlik und wertlik, nonneke und nunnen,
inkomen to biddende." Erste bildliche Darstellung der Schaukel (Schocke).
Sie wird vom Handwerk der Drahtzieher benutzt. Tanzwut in Straßburg:
"Viel Hundert fingen zu Straßburg an / Zu tanzen und springen,
Frau und Mann, / Am offnen Markt, Gassen und Straßen / Tag und Nacht
ihrer viel nicht aßen, / Bis ihn das Wüten wieder gelag, / St.
Vits Tanz wird genannt die Plag." Gaultier Rallart, der chevalier du
guet von Paris (so etwas wie ein Polizeichef) pflegt nie eine Runde zu machen,
ohne sich von drei oder vier vorausziehenden Musikanten begleiten zu lassen,
welche lustig blasen, so daß das Volk vermeint, er warne gleichsam die
Gauner. Nach der Bauordnung von Frankfurt ist nur in weiten geräumigen
Gassen ein Überhang von einer dreiviertel Elle vor der Hausflucht gestattet;
es ist außerdem verboten, Schornsteine an Mauern und Wänden außen
am Haus hochzuführen. Hier werden runde, innen glasierte Schornsteine
erwähnt, während sie früher aus Holz oder Flechtwerk (mit Lehm
verkleidet) bestanden haben. Der Rat von Regensburg schenkt König Sigmund
Konfekt im Wert von zwei rheinischen Gulden. Das Luxusgut Konfekt ist als
wertvolles Geschenk begehrt und wird üblicherweise von Apothekern feilgeboten.
Aus Kaufbeuren ist für dieses Jahr bezeugt, daß der Rat ohne Klage
und ohne Wahrung bestimmter Formen durch Mehrheitsentscheid über einen
Verdächtigen befinden kann. Jean de Monstreuil, der Hauptvertreter des
Frühhumanismus in Frankreich, lebt ab. Die Genuesen entdecken im Atlantik
eine bewaldete Insel, die sie Legname ("Waldinsel") nennen, das
spätere Madeira. König Sigismund gründet den Drachenorden.
1418/1419
Die Juden werden aus Trier ausgewiesen.
1419
Anton Pohl baut eine astronomische Kunstuhr für das Rathaus von Olmütz.
In einem weltlichen Strafprozeß zu Luzern taucht erstmals der Begriff
"Hexerei" auf. (vgl. 1431) In Wismar wird (bei geringer Strafe)
verboten, bei Regen Unrat in die Straßenrinnen zu fegen. In Basel schreitet
der Rat gegen die aus Wohnungsnot resultierenden Häuserteilungen ein,
weil dies "wider gemeiner statt gezierde und ere" sei. In Göttingen
werden die Messerspiele verboten. Der Wiener Bürger Rudolf Angervelder
macht sein Testament. Er wird gefragt, "ob er icht durch seiner selen
willen schaffen wolt. Des vragt wir in wol du dem dritten mal. Des wolt er
nicht und swaig nur still." Weiter wird er gefragt, "ob er seiner
haus frawn icht schaffen wolt. Des wolt er nicht und sprach, sy hiet genug."
Daß jemand weder für seine Frau, noch für sein Seelenheil
sorgt, ist eine Ausnahmeerscheinung. Gründung der Universität Rostock.
Es stirbt Ex-König Wenzel (58). Erster Prager Fenstersturz: Erhebung
der Hussiten.
1420
Erste technische Beschreibung der Laterna magica. Der Italiener Joanes Fontana
entwirft einen raketengetriebenen Torpedo und einen Selbstfahrer mit Seilantrieb.
In Ulm wird das 1399 erlassene Verbot der vorkragenden Obergeschosse der Häuser
(Überhänge) widerrufen, weil sonst die Gebäude ihrer Zier beraubt
würden. In der Ulmer Hochzeitsordnung wird festgelegt, daß man
"nur drei Mähler haben dürfe, jedes zu acht Schüsseln,
und über jeder Schüssel nicht mehr als drei Personen", wobei
Geistliche aber nicht mitzählen. In Frankfurt stehen 142 Häuser
leer. Bern erhält eine zweite Wasserleitung. Der Sebalder Goldgulden,
die Stadtwährung von Nürnberg, wird von Kaiser Sigmund bestätigt.
In Wien stirbt der Augenarzt Konrad Odenbelder.
Bis 1420 umfaßt Düsseldorf die alten Orte Kaiserswerth, Bilk, Gerresheim,
Derendorf, Golzheim und Stockum. Neben den Lateinschulen haben sich sogenannte
Schreibschulen gebildet, in denen nur Deutsch unterrichtet wird. In einigen
Orten haben sie es schwer, sich neben den Lateinschulen durchzusetzen, in
anderen erhalten sie Genehmigungen, so etwa in einer Braunschweiger Ordnung:
"Weret ock, dat binnen Brunswick we were, dede schriver schole so holden
wolden, dar enschollen se de nicht ane hindern; doch se enschollen nemande
mere leren in der schriver schole wan schriven und lesen dat alfabet und dedesche
boke und breve." In Pilsen erwarten Anhänger von Jan Hus die Wiederkunft
Christi. Nachdem diese ausfällt, gründen sie in der Nähe das
biblische Tabor. Judenverfolgung in Steyr. Im Frieden von Perleberg endet
die langjährige Fehde zwischen Herzog Erich von Sachsen-Lauenburg-Ratzeburg
und den in Freundschaft verbundenen Städten Hamburg und Lübeck.
Die beiden Städte erhalten Bergedorf, die Vierlande, Geesthacht und Zollenspieker
zur gemeinsamen Verwaltung (bis 1867). Dithmarschen wird von Kaiser Sigmund
auf den Reichstag eingeladen. Folglich gilt für die Reichskanzlei Dithmarschen
als reichsunmittelbar und sein Status im Reich wird mit Reichsständen
und Reichsstädten gleichgesetzt.
1420/1421
In Basel wird für immense Kosten ein steinerner Abwasserkanal errichtet.
1421
In Heidelberg wird den Studenten erneut - und wieder ohne Erfolg - der Besuch
der Fechtschule verboten. In Frankreich wird die Florette geprägt, mit
0,25 Zwölftel Feinsilber zum irrsinnigen Kurs von 20 turonischen Denaren
die wahrscheinlich schlechteste Münze des Mittelalters. Amsterdam brennt
fast völlig ab.
21. März: Im Frankreich der Lancaster wird eine Steuer erhoben, die als
"Silbermark" bezeichnet wird, um "gutes Geld zu machen, das
dem Volke Nutzen bringt". Jede Stadt wird mit einem bestimmten Silbergewicht
taxiert: Troyes z.B. mit 500 Mark (122,375 kg); in Paris werden von jedem
Steuerpflichtigen zwischen zwei Unzen und 50 Mark gefordert. Es können
Steuern auch in "Ausschuß" oder Scheidemünzen bezahlt
werden. Die Inflation in Frankreich läßt das Livre (Pfund) zusammenbrechen.
Man sieht daher vor, daß die für die Hausmiete geleistete Arbeit
nicht unter einen Wert von sechs alten (vorinflationären) Livres fällt.
Dazu eine Verordnung aus Toulouse: "Es wurde beschlossen, daß während
der Zeit der Schwäche des Kurantgeldes der Edelmann Guilhem Pagèze
dem Bernard Capelle Arbeiten zu seinem Berufe gibt, d.h. Faden, um Tuch herzustellen.
Besagter Bernard stellt Tuch zu dem üblichen Preis her, den die anderen
Weber üblicherweise zur Zeit des alten Geldes erhielten, und dies bis
zum Betrag von 6 Livres tournois des besagten alten Geldes. Es wurde vereinbart,
daß, wenn das Geld an Wert gewinnt und den Stand des Jahres 1414 wieder
erreicht, Bernard für besagten Pagèze nicht mehr besagtes Tuch
herstellen, sondern nur zu den vorgesehenen Terminen die besagten Livres zahlen
muß." Brüssel erhält eine Selbstverwaltung, die in dieser
Form bis ins 18. Jahrhundert bestehen bleibt.
Bis 1456: Im Handlungsbuch des Danzigers Johann Piß ist die Verrechnung
von ausgetauschten Waren nach Geldwert bezeugt. Diese aus Geldmangel durchgeführte
Maßnahme wird als Beutung (butinge) bezeichnet. Es handelt sich eher
um bargeldlosen Verkehr als um Tauschhandel.
1422
In Frankfurt beschließt der Reichstag zur Finanzierung der Hussitenkriege
eine erste allgemeine Geldsteuer. In Salzburg erhält Peter der Bader
die Zusage, das Abwasser der Roßschwemme in sein Bad zu leiten. [Eine
Roßschwemme ist ein Bad für Pferde.]
In Frankfurt beschließt der Rat, daß beim Bau neuer Brunnen oder
bei Reparatur der alten die Anlieger nach Personenzahl der Haushalte beizusteuern
haben. Die Frühform der Eßgabel ist in wenigen Exemplaren auf Haushalte
der Oberschicht begrenzt. So findet sich im Nachlaß des Wiener Bürgers
Mert Wachsgiesser neben sieben silbernen Löffeln auch "ain silbrein
pirngepel" (Birnengabel). in Nürnberg sitzt ein "fryheitlin
von Spils wegen im loch", d.h. ein Freihart (Landstreicher, herrenloser
Kriegsknecht, organisierter Bettler, Gaukler, Berufsspieler, Falschspieler
usw.) sitzt im Gewölbe des Lochgefängnisses unter dem Rathaus ein.
So etwas ist kein Einzelfall. Bei einer Schlägerei im Heidelberger Frauenhaus
schlägt ein Student einem Bogenschützen die Hand ab, was zu einer
Racheaktion pfalzgräflicher Marstaller gegen Studenten und Universitätsangehörige
führt. In Steyr wird das Rathaus fertiggestellt. Die Portugiesen entdecken
Madeira. Der Maler Jan van Eyck steht (im Haag) im Dienste des Grafen von
Holland (derzeit Johann von Bayern).
1423
In Paris sind von 503 reichen Steuerpflichtigen 43 Geldwechsler, von den 20
reichsten allein 10. Oswald von Wolkenstein beginnt mit der "Handschrift
A" seines Werkes (fertig 1425, Nachträge bis 1440). Es stirbt Hugo
von Montfort (66). Seine Minnedichtungen sind von seinem Untergebenen Bürk
Mangolt vertont worden. Es scheint die Regel zu sein, daß die einfachen
Spielleute oft besser musizieren können als die höfischen Sänger
und Dichter. In Rom wird eine Frau als Hexe verbrannt, der man vorgeworfen
hat, in Katzengestalt ein Kleinkind gebissen zu haben. (nach Johann Hartliebs
"Buch aller verbotenen Kunst, Unglaube und Zauberei, 1456) Im "Roten
Kloster", einem Braunschweiger Bordell, wird "eyn wyff, de hed Kruseke
Dos, un is by elven jaren" erschlagen. Venedig: Der Doge Mocenigo stirbt.
In einer Rede vor einigen Senatoren an seinem Sterbebett macht der sterbende
Doge noch eine Art Inventur: Nach Abzahlung von 4 Millionen Dukaten einer
Kriegsanleihe beträgt die Staatsschuld noch 6 Millionen Dukaten. Der
Gesamtumlauf des Handels soll 10 Millionen betragen, die 4 Millionen abwerfen.
Venedig hat 3000 Navigli, 300 Navi und 45 Galeeren mit resp. 17000, 8000 und
11000 Seeleuten (über 200 pro Galeere), dazu noch 16000 Schiffszimmerleute.
Die Häuser Venedigs haben einen Schätzungswert von 7 Millionen und
bringen eine halbe Million an Mieten ein. Es gibt 1000 Adlige von 70 - 4000
Dukaten Einkommen. An anderer Stelle wird die Staatseinnahme im gleichen Jahr
auf 1100000 Dukaten geschätzt. Als erste italieniesche Stadt richtet
Venedig ein eigenes Spital für Pestkranke ein. Das Herzogtum Jülich
erwirbt durch Erbschaft das Gebiet von Berg.
1423/1426
In Basel erläßt der Rat Vorschriften über das Einsammeln,
Trocknen und Aufbewahren von pflanzlichen Drogen. Die Verabreichung von Ersatzmitteln
wird verboten.
1424
Die Juden werden aus Köln ausgewiesen und dürfen die Stadt bis ins
19. Jh. nicht mehr betreten. In der Säulenhalle des Friedhofs der Innocents
zu Paris wird eine Wandmalerei, einen Totentanz darstellend, angebracht. Diese
berühmteste aller Totentanzdarstellungen wird im 16. Jh. mit der Säulenhalle
abgetragen werden. Es ist jedoch ein Druck davon aus dem Jahre 1485 erhalten.
Über Weinkonsum: Die Vertrauten des Bischofs von Arles trinken pro Kopf
täglich zweieinhalb Liter. An dieser Stelle seien noch weitere undatierte
Beispiele mittelalterlichen Weinkonsums genannt: Die Ochsentreiber des Hospizes
von Aix bekommen 230 Liter im Jahr, der Klostergärtner von Saint-Victor
315 Liter, die Schüler des Studium papale in Trets 220 Liter, eine Witwe
aus Barjols 360 Liter. In Burgund können Gefängniswärter, die
Marktgendarmen von Châlons oder Fischer bis zu zweieinhalb Liter am
Tag bekommen. Die Reichskleinodien werden nach Nürnberg gebracht. Zu
diesem Anlaß holt man "die tieb von dem galgen". Eine Episode
aus Paris zur Münzvielfalt: Der Engländer Sander Russel hat im "Écu
de Bretagne", einer Taverne am Place Baudoyer, hinter dem "Maison
aux piliers", dem derzeitigen Rathaus, mit zwei Begleitern reichlich
gegessen und getrunken. Die Wirtin verlangt dafür zwei oder drei Sous
parisis, und die Engländer ziehen einen Écu d'or hervor mit der
Versicherung, dieser sei 26 Sous parisis wert und möchten das Restgeld
zurück. Die Wirtin ist der Ansicht, diese Münze sei höchstens
24 Sous wert. Russel lehnt diesen Kurs ab und schlägt vor, seine Münze
in der Stadt zu wechseln. Als die Wirtin sieht, daß er gehen will, möchte
sie die Münze behalten, bis Russel mit akzeptablem Geld zurückkehrt.
Der Engländer hat offenbar nur diese Münze, die ohne Verlust gewechselt
werden kann. Er bietet der Wirtin daher einen Rheinischen Gulden, eine Münze
der schlimmsten Sorte, wofür kein Wechsler etwas geben würde - er
könnte falsch sein. Die Wirtin will solches nicht akzeptieren. Zum Wechseln
eines Écus wird eine Stunde veranschlagt. Russel wird böse: "Zum
Teufel, können wir hier nicht herauskomen? Wir wollen doch zahlen!"
Russel wirft im Zorn zwei leere Gläser an die Wand und ein Sergeant will
ihn beruhigen. Man beschimpft sich. Der Sergeant bezeichnet sie als Diebe.
Russel zieht blank, es wird gefochten und am Ende bricht der Sergeant tot
auf der Treppe zusammen, nachdem er seinen Gürtel mit der Börse
verloren hat. In der Taverne wird Kleingeld aufgesammelt, aber die Geschichte
berichtet nicht, ob die Wirtin daraus die Zeche beglichen hat. Die Hussiten
überschreiten erstmals die Landesgrenze nach Schlesien und setzen sich
in einigen Städten fest, vo wo aus sie ihre gefürchteten Raubzüge
unternehmen. Ein Brand zerstört (erneut nach 1299) Burg und Kirche von
Weimar.
1425
Seit 1408 ist die Stadt Frankfurt in 46 meist kleinere Fehden verwickelt gewesen,
von denen nur eine einzige von der Stadt begonnen worden ist. Die Stadt versucht
weder, den Adel der Umgebung auszuschalten, noch in den Besitz des ganzen
Umlandes zu kommen. Vielmehr wird der verarmte Adel im Umland in ein kompliziertes
Netz von Abhängigkeiten und Verträgen eingebunden. So werden etwa
Adlige als Söldnerführer oder Unterhändler eingesetzt. Dabei
werden auch Adlige in Dienst genommen, die kurz zuvor noch Fehdegegner der
Stadt gewesen sind. Daneben wird anderen Adligen Geld gezahlt, nur damit sie
Frieden halten. Frankfurt hat außerdem in verschiedenen Burgen ein Öffnungsrecht
erworben, d.h. das Recht, eine Anzahl Söldner in die betreffende Burg
zu legen. Erste Erwähnung des Maibaumes. Auf dem Rathaus zu Magdeburg
wird eine Uhr eingebaut. Der "wiser" (Zeiger) zeigt auch halbe Stunden.
Es beginnt etwa der Übergang von der akustischen zur visuellen Wahrnehmung
der Uhr. Ein Wiener Testament erwähnt 60 Schüsseln und 100 Teller,
offenbar aus Holz, dagegen nur zwei Schüsseln aus Zinn. In Paris ist
das "Spiel der Sau und den vier Blinden" bezeugt: In einem abgezäunten
Bereich müssen vier Männer mit verbundenen Augen mit Knüppeln
ein Schwein totschlagen. Am Tage zuvor ziehen sie geharnischt durch die Stadt,
voran ein Sackpfeifer und ein Mann mit einer Fahne, auf welcher das Schwein
(oder Ferkel) abgebildet ist. Glücksspielverbot in Göttingen. Der
Rappenmünzbund (siehe 1403) führt den Plappert ein, einen Groschen
zu zwölf Stäblern (Basler Pfennigen). Der Maler Jan van Eyck steht
in Brüssel und Flandern im Dienste Herzog Philipps des Guten von Burgund.
Magdeburg erhält "umme des gemeinen besten willen" eine öffentliche
Bedürfnisanstalt. Es gibt (wann genau, ist hier nicht erwähnt) eine
solche auch in Hildesheim und in München allein acht.
Juni: In Görlitz muß sich ein Breslauer Metzger vom Magistrat bescheinigen
lassen, daß er seine Ochsen an Görlitzer und Bautzener Fleischer,
und nicht, wie man ihm übel nachsagt, an Hussiten verkauft hat. In England
entsteht "Treatyse of Fysshynge wyth an Angle" (Abhandlung über
das Fischen mit einer Angel). Autorin ist wahrscheinlich die Äbtissin
Juliana Berners. Das Buch erscheint erst 1496 als Teil des "Book of St.
Albans". Florentinische Galeeren erreichen Brügge.
Portugal beginnt mit der Kolonisierung von Madeira. Dort werden Weizen und
Gerste für das Mutterland angebaut (bis 1460), daneben Wein.
Ca.: Beginn eigener Münzprägung in Pleskau.
Ca.: Aus dem Eisenhut wird die Schallern (eine Helmform) entwickelt.
1426
Der Nördlinger Rat erläßt eine Sonderanweisung mit einer genauen
Aufzählung der zulässigen Kinderspiele, darunter das Murmelspiel,
das Reifenschlagen, das Kegeln etc. Der Rat von Braunschweig liefert dem Bischof
von Halberstadt aus nachbarlicher Freundschaft 1500 Backsteine zum Bau von
Schornsteinen. Die Stadt Wien erwirbt das Bordell in der Nähe des Tiefen
Grabens. Die Ordnung darin wird von einer Frauenmeisterin überwacht,
welche vom Hofmarschall eingesetzt wird. Die geschäftliche Leitung hat
eine Frauenwirtin inne. Die Kleiderordnung von Ulm belegt Übertretungen
mit der extrem hohen Strafe von 20 Gulden. Es wird den Frauen ein Hut aus
Marderfell oder ein Marderbalg um den Hals erlaubt. In Goslar wird bestimmt,
daß als Sägeholz für Dielen nur starke Bäume ausgewählt
werden sollen, wobei ein Stamm acht oder neun Schnittbretter ergeben muß.
Aus Mangel an solchen Bäumen wird das Maß bald auf sieben Bretter
reduziert. Dadurch soll das Fällen zu junger Bäume unterbunden werden,
damit der Wald sich erholen kann. Bei Aussig besiegen die Hussiten ein Reichsheer.
Es stirbt der Maler Hubert van Eyck.
1427
Das Reichskriegsgesetz verbietet u.a., Dirnen im Feldlager zu halten. In Erfurt
liefert der Rat, um Ziegeldächer zu fördern, jedem kostenlos die
Hälfte der nötigen Ziegel aus der städtischen Ziegelei. Der
"Bürger von Paris" verzeichnet für dieses Jahr eine Entwertung
des Geldes: "Weil sie das Wappen Frankreichs trugen, wurden die kleinen
Moutons d'or, die vorher 10 Sous wert waren, auf 12 Sous parisis heraufgesetzt.
Am darauffolgenden Tag, nachdem dies ausgerufen worden war, gab es weder Brot
noch Wein noch sonst etwas. Die Wechsler wollten weder Denare noch einen Scherf
geben. Und das Volk hatte nur dieses Geld, das nichts wert war. Als sie ihren
großen Verlust sahen, verfluchten manche insgeheim wie in aller Öffentlichkeit
ihr Schicksal und sagten über die Regierenden, was sie dachten. Viele
warfen ihr Geld über die Läden der Wechsler hinweg in den Fluß,
weil man nichts dafür haben konnte: für acht oder zehn Sous parisis
hätte man höchstens nur vier oder fünf gute Münzen bekommen.
In der Woche, als das neue Geld ausgerufen wurde, warf man aus Verzweiflung
mehr als fünfzig Florins oder ihren Gegenwert in Kleingeld in den Fluß."
Aus gleicher Quelle: In Paris erscheinen einige Zigeuner, die sich als Büßer
ausgeben, "ein Herzog und ein Graf und zehn Mann, alle zu Pferde",
wobei 120 weitere nicht eingelassen werden. Sie sagen, sie stammen aus Ägypten
und der Papst habe ihnen als Buße für ihren Abfall vom christlichen
Glauben auferlegt, sieben Jahre umherzuschweifen, ohne in einem Bett zu schlafen.
Früher seien sie 1200 gewesen, aber die anderen samt König und Königin
seien unterwegs gestorben. Als einzige Vergünstigung hätte der Papst
aber befohlen, daß jeder Bischof und Abt ihnen 10 Pfund Turnosen geben
solle. Die Pariser kommen in Scharen, um das fremde Volk zu betrachten, lassen
sich von den Frauen aus der Hand wahrsagen, die das Geld aus den Börsen
der Leute in die eigenen wandern lassen, "durch Magie oder auf andere
Art". In Göttingen wird Meister Hans Beckerer vom Rat auf drei Jahre
als Stadtarzt aufgenommen, jedoch unter der Bedingung, daß damit den
Scherern und Barbieren die Ausübung einer ärztlichen Praxis unmöglich
gemacht werden soll. In Göttingen wird der Besuch der Stadttürme
verboten, weil dort offenbar Glücksspiel betrieben worden ist. In Nijmegen
erhält der "Meister Peter trumpener" gegenüber den Pfeifern
den doppelten Sold. Möglicherweise erste Verwendung der Uhrfeder an Stelle
von Gewichten. Aus dem Testament des Wiener Händlers Otto Weiss: Er vermacht
neben Beteiligungen an Freunde und Verwandte folgende Güter und Objekte
als Mittel zur Vorsorge: den halben Ertrag aus einem Hausverkauf an das Wiener
Bürgerspital zur Ernährung der Armen und darüber hinaus 200
Pfund zur Abhaltung eines Jahrtages; 100 Pfund un einen Weingarten für
eine detailliert beschriebene ewige Messe in der Stephanskirche zu Wien; weitere
drei Jahrtage an verschiedenen Kirchen bzw. Klöstern, die mit insgesamt
vier Weingärten und 130 Pfund finanziert werden; zwei Weingärten
an zwei weitere Spitäler; 100 Pfund für grauen Loden an die Armen;
je 1000 Messen in vier Wiener Klöstern, die mit insgesamt 40 Pfund bestiftet
werden; 10 Pfund und neun Ellen schwarzen Loferer Tuches (aus Lovere bei Bergamo)
an seine Mutter, "daz si sein dabei gedenkch"; 20 Pfund an das Wiener
Pilgerhaus; an sieben kirchliche und klösterliche Institutionen zu verschiedenen
Zwecken zusammen 90 Pfund; sein gesamtes Silbergeschirr zum Heiltum der Stephanskirche;
32 Pfund, "daz man sand Dorothe haubt lobleich und herleich mach"
(wohl für ein Reliqiuar); Geld aus dem Verkauf von Pfeffer "zu hilff
dem lande und rettung kristenleichs gelaubens wider die ungelaubigen Hussen"
(d.h. zur Unterstützung der Hussitenkriege).
Ein Kataster in Florenz ergibt, daß 1% der Familien über ein Viertel
des Reichtums der Stadt verfügen. 14% besitzen gar nichts und 17% keine
Substanz, die besteuert werden könnte. Vom Gesamtvermögen besitzen
die Strozzi 2,6%, die Bardi 2,1%, die Medici 1,9% und die Alberti und Albizzi
je 1%. Verteilung: ca. 40% Immobilien (meist Grundbesitz), ca. 35% bewegliches
Kapital, ca. 25% in Staatsschuldscheinen (Monte). Innerhalb der Stadtgrenzen
leben 37144 Personen (ein knappes Jahrhundert zuvor noch um 120000). Die Oberschicht
besteht aus mindestens 40 Clans und über 300 Familien, doch nicht alle
gehören zu den Reichsten. Zweck dieses Katasters ist das Erheben direkter
Steuern, nachdem bisher die Einnahmen nur durch Einfuhrsteuern und Verbrauchsabgaben
sowie (in dreifacher Höhe der vorigen) durch Zwangsanleihen geflossen.
In Florenz stellen Frauen über 48 Jahre 11% der steuerpflichtigen Bevölkerung.
Aufständische Handwerker erobern in Stettin das Rathaus, was ihren Anführern
bereits im nächsten Jahr Verbannung oder Tod einbringen wird. Die Portugiesen
erreichen die Azoren. Ab diesem Jahr schließen einige schlesische Fürsten
einen Separatfrieden mit den Hussiten, um die Verwüstung ihres Landes
abzuwenden. In diesem Konflikt verschwimmt die Grenze von Ketzereinfällen,
Raubzügen und Fehden; die Chronisten sehen die Hussiten weniger als Ketzer
denn als böhmische Feinde Schlesiens. Einige schlesische Adelige wechseln
gleich mehrfach die Seiten, und wenn sie dafür hingerichtet werden, werden
sie als Verräter gevierteilt und nicht als Ketzer verbrannt. Hier ist
in Schlesien und der Lausitz bereits die Tendenz vorweggenommen, das Delikt
der Ketzerei aus dem Strafrecht zurückzudrängen, wie es in der Reformation
später im ganzen Reich üblich wird. Johann Schiltberger gelingt
nach 31 die Flucht aus türkisch-mongolischer Gefangenschaft. Er verfäßt
später darüber ein "Reisebuch". Wegen der Wirtschaftsblockade
im Rahmen des Hussitenkrieges kommt es zu einer Hungersnot in Böhmen.
Grippeepidemie in Deutschland.
1428
Für dieses Jahr vermeldet die um 1450 verfaßte Luzerner Chronik
des Johannes Fründ: "do wart offenbar in dem lande und bystöm
ze Wallis die boßheit, das mord und die ketzerye der hexssen und der
zubrern, beide, wiben und mannen, die da heissent sortileij ze latein, und
wurden des ersten funden in zweine tellren in Wallis, der heisset eins Enffis
und das ander heisset Urens, und wart da ira ettvil gericht und verbrönt.
darnach in demselben jar wart vil funden in demselben lande ze Wallis, sunderbar
des ersten under den Walchen und darnach under den Tüschen ... Und wert
das gerichte über dieselben lüte me denn 1 1/2 jar, und wurden in
dem lande ze Wallis mit gericht und mit urteil me den 100 Personen, es werint
man oder wip, verbrönnt. ... das ira in der gesellschafft wol 700 syen
gesin; dera sint me denn 200 verbrönnt worden in 1 1/2 jare; und richtet
und brennet man sy noch alle tag, wa man sy kan oder mag ergriffen. Und ist
in dien welschen landen und tellren nid Wallis und hinder Wallis und by Sant
Bernhartzberg ouch vil verbrönnt, der zal ich aber nit wol weiss."
Johann Aygel, der Leibarzt Herzog Albrechts V. von Österreich verfaßt
ein Pesttraktat, worin er den täglichen Genuß von sog. Priestersalz
gegen die Pest empfiehlt, einer Mischung aus gebranntem Salz und etlichen
aromatischen Arzneien. In Nürnberg ist nach dem Memorial des Endres Tucher
das Tragen von Mantel oder Rock aus Marderfell nur jenen verstattet, die das
32. Lebensjahr erreicht haben. Es dürfen solche Kleider auch nicht mehr
als drei Mark Silber kosten. In Braunschweig wird angeordnet, daß hinfort
alle zwei Wochen der Straßenschmutz durch die Stadtknechte abgefahren
werde. Diese Knechte werden Wasserfahrer genannt, weil sie den Unrat in die
Oker werfen (wie allgemein üblich). In Nordfrankreich und Flandern predigt
ein gewisser Bruder Thomas, der sich als Karmeliter ausgibt (und später
als Betrüger entlarvt werden wird) mit großer Wirkung gegen Prunk
und Putzsucht und tadelt Adel und Klerus. Während der Predigt soll er
(nach Monstrelet) unter Zusicherung von Ablaß kleine Jungen gegen angesehene
Damen, die burgundische Hauben (hennins, jene berühmten "Spitzhüte"
der "Burgfräuleins") tragen, gehetzt haben, bis sie damit aufgehört
und mit Beginenhauben erschienen sind. Aber: "Indessen hielten sie's
in der Weise der Schnecke, die ihre Fühler einzieht, wenn man ihr nahekommt,
und sie wieder ausstreckt, sobald sie nichts mehr hört. Denn, nachdem
besagter Priester das Land verlassen hatte, begannen sie in gar kurzer Frist
wie zuvor und taten allmählich wieder ihren alten Staat an, so groß
oder noch größer als sie gewohnt waren, ihn zu tragen." (Enguerrand
de Monstrelet, Chroniques IV) Noch ein Wort zur burgundischen Haube: Diese
Form ist bei den Frauen des deutschen Bürgertums (im Gegensatz zu anderen
Kopfbedeckungen der urgundischen Mode) nicht nennenswert in Erscheinung getreten.
Das Domkapitel von Notre Dame in Paris versucht vergeblich, den Scharen von
Bettlern den Aufenthalt in der Kirche zu verbieten. Erst später wird
es gelingen, sie wenigstens aus dem Chor ins Kirchenschiff abzudrängen.
In Göttingen werden Kartenspiele um Geld verboten. Die Strafen sind gestaffelt:
Wer eine Steuer von 50 Mark oder mehr zu zahlen hat, muß an der Stadtmauer
eine Rute hoch und lang mauern lassen; wer weniger Steuern zahlt, muß
die Hälfte davon mauern. In Frankfurt stehen 193 Häuser leer. Bei
Glatz besiegen die Hussiten ein Reichsheer. In der Stadt werden 40 "Verräter"
hingerichtet. Florenz: Es stirbt Giovanni Medici. Er hinterläßt
ein Vermögen von 179221 Goldgulden.
1429
Vereinzelte Erwähnung von "steynekolen" im saarländischen
Neumünster. Die Bäckerzunft von Wien erlaubt ihren Mitgliedern die
Ehe mit vormaligen Dirnen nicht. Bischof Ulrich II. Putsch von Brixen läßt
die Durchgangsstraßen von Brixen und Klausen pflastern; es war nämlich
besonders die Zollstadt Klausen "so schmutzig und in den Straßen
so mitgenommen, daß ein Wagen unmöglich einem anderen ausweichen
konnte." Auf dem Reichstag wird eine allgemeine Reichssteuer vorgeschlagen.
Die Städte sind dagegen, weil man von solch einer Neuerung noch niemals
gehört habe, und außerdem: "Darin auch ne zue besorgen si,
daz viel rede und sagen undir dem folke davon entsteen moge. Und darumb so
were iz auch gar hart inzubringen." (Reichstagsakten Bd. 9, S. 84) Es
wird die öffentliche Meinung durchaus ernst genommen, wenn auch dieses
Armument der Städte hier nur vorgeschoben sein mag. Der zweite Mauerring
von München wird ausgebaut - nicht zuletzt aus Angst vor den Hussiten.
Der Stadtschreiber von Bautzen wird gevierteilt. Die Vierteilung wird nicht
oft angewandt, und wenn, dann häufug für Verrat [vgl. 1433]. Die
Hussitenkriege bilden hier wohl den Hintergrund.
1430
Bau der ältesten erhaltenen Federuhr, doch wird vermutet, daß der
Federzug erst später eingebaut wurde. Konzil zu Basel. Papst Pius II.
wundert sich, dort so viele Glasfenster zu sehen. In Zürich wird der
erste Brunnquell mittels Teuchel in die Stadt geleitet und der erste Röhrenbrunnen
gebaut. Die Gäste des Bischofs von Arles verzehren 600kg Weizenmehl,
d.h. 1,6kg Brot pro Tag. Nürnberg hat nach dem "Grobenbuch"
22800 Einwohner. In Basel beschwert sich Magister Dieter (wohl der Stadtarzt),
daß in der Stadt Pfuscher und Personen ohne medizinisches Studium einer
ärztlichen Tätigkeit nachgingen. In Rothenburg wird ein "fuhrmann
von wirtzburg" ins Gefängnis geworfen, weil er über den Rat
"übel gerett" hat; er hatte nämlich gesagt, "er wolt
uff den rat scheissen." Musiker im Nebenberuf in Straßburg: "da
sind etteliche in vnser statt huselich vnd hebelich gesessen, die antwerck
könnent vnd tribent, vnd die sich dar zu pfifferwerck annement."
Über die Besoldung von städtischen Bediensteten: Getreu dem Grundsatz
der städtischen Selbstverwaltung des mittelalters - jedes Amt muß
sich selbst ernähren - bringt die Beamtenschaft einer Stadt mehr ein,
als sie kostet. In Nürnberg z.B. erhalten die Losungsschreiber (Steuerschreiber)
pro Jahr 84 Gulden und haben dazu ihre Nebeneinkünfte, denn die Dienste
von Amtleuten müssen diesen bezahlt werden. Der Losungsschreiber Madach
kommt heuer auf 265 rheinische Gulden. Sein Gehalt beträgt also ein Drittel
seines wirklichen Einkommens. Aus dem Burgfrieden der Ganerbenburg Eltz: "Were
von uns den andern... binnen dissen Burch...dot schlüge...derselbe sal
von Stont an das Huss rumen, und hie, noch sine Erben sollen sich nummer keins
Rechten an Schlosse Eltze vermessen." Hier sieht man, daß eine
Burg wahlweise als Burg, Haus oder Schloß bezeichnet werden kann. Brabant
fällt an Burgund, was de facto seit 1406 der Fall ist.
Ca.: Weimar erhält die niedere Gerichtsbarkeit. Hier wird nun das erste
Rathaus gebaut.
Ca.: Die Hundsgugel (eine Helmform) kommt außer Mode und wird vom Visierhelm
verdrängt.
Ca.: Erfindung des Luftgewehrs in Nürnberg.
1431
30. Mai: Jeanne d'Arc wird in Rouen von den Engländern verbrannt. In
Goslar wird am Stapelplatz vor den Toren eine Kontrolle eingerichtet, um die
Verwendung zu junger Bäume zu unterbinden. Bischof Ulrich II. Putsch
von Brixen zieht sich wegen einem Ausbruch der Pest drei Monate nach Bruneck
zurück. Kaiser Sigmund besucht das Frauenhaus von Ulm, wobei ihm der
Rat den Weg dorthin beleuchten läßt. (Das Frauenhaus ist nicht
ausschließlich nur ein Bordell, sondern auch ein Ort geselligen Beisammenseins.)
Bis 1437: Konzil von Basel. Der Begriff der "Hexerei" wird hier
quasi erfunden. Papst Eugen IV. versucht, das Konzil sogleich wieder aufzulösen,
kommt damit aber nicht durch. Das Konzil wird vom niederen Klerus beherrscht.
Es sollen sich zu dieser Zeit 1500 Dirnen in Basel aufgehalten haben. (Zum
Vergleich: In München gibt es 1972 etwa 5000, die für die Olympiade
um weitere 5000 - 6000 verstärkt werden.) Bei Taus besiegen die Hussiten
ein Reichsheer. In Breslau wird Nikolaus Zedlitz von Alzenau wegen Verrats
enthauptet, weil er die Burg Ottmachau gegen freien Abzug den Hussiten übergeben
hat, "das sy en mit sysnen gesellen abczihen lissen, und das ging mit
hindirlisten zu, das man em schult gab, das her das haws uorrotten dor hatte."
Ob er die Burg hätte halten können, bleibt unklar, doch hatten die
Schlesier einmal die Kirchenschätze der Umgebung sicher auf der Burg
gewähnt und sie werden über Jahre daran leiden, daß die Hussiten
von dieser Burg aus das Land unsicher machen und alle Anstrengungen zur Rückeroberung
scheitern. Ein Beispiel für Reiter(Ritter-)stolz: In der Schlacht von
Bullegneville muß man den Reitern mit der Todesstrafe drohen, damit
sie absitzen und sich ins (immer noch verachtete) Fußvolk einreihen.
[Es fällt im Rahmen dieses Textes auf, daß Fälle von Standeshochmut
bevorzugt aus Frankreich überliefert zu sein scheinen.]
1432
30. August: Oswald von Wolkenstein vollendet die "Handschrift B"
seines Werkes. In den zu Göttingen gehörenden Dörfern wird
das Würfelspiel verboten, weil die Glücksspieler aus der Stadt offenbar
dorthin ausgewichen sind. Ein Wiener Drogenverzeichnis erwähnt an Spezereien
(u.a.): Pfeffer, Safran, Ingwer, Nelken, Zimtrinde, Muskat, Weihrauch, Kümmel,
Zucker, Reis, Baumöl (Olivenöl), Feigen, Weinbeeren, Mandeln, Seife,
Wachs, Spießglas (Gips) und Konfekt, an Arzneimitteln: Schwefel, Alaun,
Kampfer, Kupfervitriol, Theriak, Mastix, Himmeltau u.a. Herzog Adolf von Jülich-Berg
stellt einen Meister Abelin aus Süddeutschland ein, dessen Kochkunst,
gemessen an seiner hohen Entlohnung, sehr renommiert sein muß. In Basel
werden (für das Konzil) drei zusätzliche Bordelle eingerichtet.
In Landau (Pfalz) ist an Schulgeld zu zahlen: für die jungen Kinder,
"die das abc und benedicite lernen": 16 Heller; für jene, die
den Donatus (Grundlagen der Grammatik) lernen: zwei Schilling und für
jene, die darüber sind und "temporalia, Cathonem, primam et secundam
partem oder anders lernent": zweieinhalb Schilling. An bestimmten Festtagen
kommen allgemeine Zahlungen dazu, ferner im Winter das Mitbringen von Holz
zum Heizen sowie Beleuchtung (wozu zwischen Martini und Weihnachten jeweils
sechs Schüler eine Woche lang abgestellt werden). Die Zahlungen und Unterstützungen
der Schüler stellen in starkem maß den Lebensunterhalt des Lehrers
dar, weshalb auch Geschenke und freiwillige Zusatzleistungen gestattet sind
(etwa Ostereier, Kirchweih- oder Opfergeld), doch darf der Lehrer die Schüler
nicht dazu drängen oder sie bei Nichterbringung benachteiligen. Auf Verlangen
der Eltern kann in der Lateinschule auch Deutsch unterrichtet werden. Beispiel
für schiefgelaufene Handelsverträge: Der Katalane Anthoni Berga
finanziert eine Sendung von 20 Krügen Honig in den Orient und erwartet
dafür Pfeffer und Baladi-Ingwer. Der seefahrende Kaufmann Johan de Vilasecha
bringt jedoch Maqui-Inwer mit, was nicht das gleiche ist, denn der Markt in
Barcelona ist mit Maqui-Ingwer gesättigt und der Preis bricht folglich
zusammen. Berga verweigert also die vereinbarte Teilung des Gewinns. Jan van
Eyck vollendet den mit seinem verstorbenen Bruder Hubert begonnenen Genter
Altar ("Anbetung des Lammes").
1433
Der Hildesheimer Rat gewährt den drei Ratspfeifern einen Zuschuß
zum Hauszins. Schützenfest in Nürnberg. Der erste Preis ist ein
mit rotem Tuch behangenes Pferd. Im Nürnberger Lochgefängnis sitzt
ein Freihart (siehe 1422) "wegen falscher Würfel" ein. Im Grunde
schreibt man dieses Betrugsdelikt allen Fahrenden zu. In Augsburg wird bestimmt,
daß zum Bierbrauen nur Hafer (!) verwendet werden soll. Konrad Bitschin
kritisiert, daß Mütter ihre Kinder anderen Frauen oder Ammen zum
Stillen geben: "Diese Sitte hat sich inzwischen bei sehr vielen Frauen
breitgemacht, die die Kinder, die sie geboren haben, nicht selbst stillen
wollen. Dies scheint einzig und allein ihrer Unenthaltsamkeit wegen eingeführt
worden zu sein; nur weil sie sich nicht mäßigen mögen, wollen
sie ihre Kinder nicht selbst stillen...Ferner ist vielleicht so zu erklären,
daß wir manchmal Kinder sehen, die mit den häßlichsten Krankheiten
und schimpflichsten Gebrechen behaftet sind, obgleich ihre Eltern gute und
ehrbare Menschen waren; was allein darin seinen Grund haben kann, daß
Mütter ihre Kinder lasterhaften und schamlosen Ammen übergeben haben,
von denen die Kinder offensichtlich die Laster mit der Nahrung eingesogen
haben." Wegen der hohen Getreidepreise kauft die Stadt Augsburg in den
benachbarten Klöstern Getreide auf Vorrat. Herzog Heinrich von Braunschweig
einigt sich mit den Prälaten und Rittern seines Landes, um die bäuerlichen
Leibeigenschaftsabgaben in der Herrschaft Braunschweig gemeinschaftlich einzuschränken.
Dies wird ausdrücklich damit begründet, daß das Braunschweiger
Land allzusehr unter einer bäuerlichen Abwanderungsbewegung gelitten
habe und dadurch schwere Wüstungs- und Entvölkerungserscheinungen
aufgetreten seien; die Bauern seien mit zu hohen Abgaben in Gestalt von Todfallgebühren
und Heiratsabgaben belastet gewesen und deshalb in bedrohlichem Ausmaße
in Nachbargebiete entflohen. Ralsko von Wartenberg verspricht dem Landvogt
Thimo von Kolditz die Burg Grafenstein gegen 440 Schock Geld, hintergeht ihn
jedoch, worauf die Zittauer acht Tote und 26 Gefangene beklage müssen.
Ralsko von Wartenberg wird in Zittau "noch sinem verdinem" gevierteilt
und zuvor strafverschärfend geschleift. Das Geschlecht der Wartenberger
gilt als verräterisch, weil es im Hussitenkrieg die Seiten gewechselt
hat. Genko von Wartenberg, der Oberburggraf von Prag, hatte als erster die
Partei der Hussiten ergriffen, wohl kaum aus religiösen Gründen.
Es hatten die Wartenberger besonders unter den Hussiteneinfällen zu leiden,
wovon man sich nicht nur befreite, sondern auch noch selbst einträgliche
Raubzüge unternehmen konnte. Nach der Hinrichtung Ralskos befehden seine
Verwandten zehn Jahre lang die Oberlausitz, Ortschaften werden geplündert
und niedergebrannt, Vieh gestohlen, Kaufleute überfallen etc. Papst Eugen
IV. erkennt das Konzil von Basel an, welches dennoch in Opposition und Radikalismus
verharrt. Sigismund, König von Deutschland, Ungarn und Böhmen, zieht
nach Italien, wo er über ein halbes Jahr lang in Siena wie in einem Schuldgefängnis
sitzt; nur mit Not kann er nach Rom gelangen und die Kaiserkrönung empfangen.
1434
In Augsburg schreibt der Rat den Juden (erneut) das Tragen eines speziellen
Judenabzeichens und eines modifizierten Judenhutes vor. Kaiser Sigismund bedankt
sich beim Berner Stadtmagistrat dafür, daß er ihm und seinem Gefolge
drei Tage lang das Frauenhaus unentgeltlich zur Verfügung gestellt habe.
Als er sich mehrere Wochen in Ulm aufhält, führt er sein Gefolge
durch die für ihn erleuchteten Straßen ins Frauenhaus. Guillebert
von Metz behauptet (wohl etwas übertrieben), in Paris gebe es 4000 Wirtshäuser.
Nachgewiesen sind für das 15. Jh. in Paris immerhin 195.
1435
Die Eichstätter Synodalstatuten versuchen, allen das Abendmahl zu verwehren,
"die ein verläumbt Leben führen als Guckler, Zauberer, öffentlich
Scholderer, öffentlich Loder und gelohnt sundlich Spilleut, gemeinen
Frauen und ihren Wirten." Die Juden werden aus Speyer ausgewiesen. Eine
Wiener Ordnung trifft genaue Bestimmungen über das Würfel- und Brettspiel,
das unter die Aufsicht eines Vertrauensmannes gestellt wird. Er hat die Einsätze
zu verwahren und die Gewinne zu verteilen. Die Wirte können gegen Geld
Brett, Würfel und Licht verleihen. In Köln wird eine Kalkpreistaxe
eingeführt, weil es im Kalkhandel zuvor Mißstände gegeben
hat (falsche Maße, Preisabsprachen und schlechte Qualitäten). Beim
ersten Aufenthalt von Kaiser Sigmund in Wien erhalten die Einwohnerinnen der
beiden Frauenhäuser vor dem Widmertor (vor der Stadt) zehn Ellen Samt
zum Einkleiden und zur Teilnahme am Empfang des Kaisers. In Bern wird Jacob
von Hillisheim auf fünf Jahre als Arzt aufgenommen. Er erhält einen
Jahressold von 20 rheinischen Gulden sowie ein Haus und genügend Holz.
Dabei wird eine Bestimmung erstmals formuliert, die in Bern für Jahrhunderte
Gültigkeit haben wird: Der Stadtarzt darf ohne Genehmigung des Schultheißen
oder seines Vertreters nicht länger als 24 Stunden von der Stadt abwesend
sein. In Tübingen wird mit dem Bau eines (zunächst zweistöckigen)
Rathauses begonnen. Auf Mallorca werden sämtliche Juden zwangsweise getauft.
1436
Eine Sturmflut zerstört den Ort Eidum (südwestlich von Westerland
auf Sylt). In Basel wird den Torwächtern verboten, ihre Zeit mit Kegelspielen
zu vertreiben, denn der Magistrat bezahle sie nicht zu ihrem Vergnügen.
Dabei wird abwechselnd mit Kugeln oder mit Scheiben nach drei Kegeln gezielt.
Magister Hans Würker wird zum Stadtarzt von Ulm bestellt, wobei ihm die
Besichtigung der Apotheken zur Pflicht gemacht wird. In Wien werden Leichen
seziert. Herzog Albrecht V. von österreich verbietet das Läuten
der Totenglocken von St. Stephan und St. Michael, welches wegen einem Pestausbruch
große Aufregung in der Bevölkerung ausgelöst hat. In Paris
wird der Gottesdienst in einer der meistbesuchten Kirchen 22 Tage lang ausgesetzt,
weil Bischof Jacques de Châtelier ("ein Mann, der sehr pomphaft,
begehrlich und weltlicher war, als sein Stand es erheischte") die Kirche
nicht eher neu weihen will, bis nicht eine bestimmte Summe von Pfennigen durch
zwei Bettler bezahlt ist. Diese hatten die Kirche in einem Streit durch eine
blutige Schramme entweiht und haben das Geld nicht. Als zweite italienische
Stadt (nach Venedig) erhält Ferrara ein Pestlazarett. Ein (wohl englischer)
königlicher Erlaß muß dem Gerücht Einhalt gebieten,
das Bier von Hamburger oder Bremer Brauart (nämlich mit Hopfen) sei giftig
- wie englische Alebrauer behauptet haben. Englisches Ale wird aus Gerste
ohne Hopfen gebraut und ist dickflüssig, nach Léo Moulin eine
Art "gestreckter Porridge". Rogier van der Weyden beginnt seine
Tätigkeit als Stadtmaler von Brüssel.
Bis 1438: Aufstand in Brügge.
Bis 1439: Pero Tafur, ein Edelmann aus Kastilien, besucht große Teile
Europas und hält sich u.a. auch in Basel auf. Er schreibt, diese Stadt
sei gut ummauert, die Häuser hätten vorspringende Obergeschosse
mit Glasfenstern auf der Schmalseite, ferner seien die Straßen mit Platten
belegt und gepflastert, zudem gäbe es viele Brunnen.
1437
Der Nürnberger Rat bezeichnet solche Dirnen, "die in der Stadt auf-
und niedergehen" als "Heimliche frauen und töchter". Anderswo
erscheinen sie als "eckensteherinnen" oder die, die "auf dem
graben gehen". Das Meraner Stadtrecht verbietet das Abladen von Fäkalien
und Unrat auf der Straße. In Brabant leben 32,8% der Bevölkerung
in den Städten (nach den Herdlisten). Für den Wald Lußhart
bei Bruchsal wird für dieses Jahr die Zahl von mindestens 43000 Schweinen
genannt, die dorthin zum Weiden getrieben werden. Für das Mastrecht muß
pro Schwein eine festgesetzte Gebühr, der Dehmen entrichtet werden. Ein
Inventar verzeichnet für Schloß Ochsenburg, derzeit im Besitz der
St. Pöltener Chorherren (Augustiner), verzeichnet für die "kamer"
des Probstes (also des Burgherrn) zwei Betten, zwei Hauptpölster, , ein
seidenes Kissen, ein Spannbett, einen wollenen Gulter und einen Gulter aus
blauer Leinwand, zwei Leintücher, zwei "lederlach" ("lederne
Leintücher"), einen "welhisschen sarrokch" (Mantel aus
welschem Stoff), einen "petsarrokch" ("Morgenmantel")
aus rupfener Leinwand, einen Stuhl mit genähtem Sitzkissen, ein Lederpolster,
Kamm und Bürste in einem Futteral, einen großen Spiegel, ein Feuerzeug,
ein "messeins fäustel", eine Sanduhr, ein alabasternes Salzfaß,
zwei Streitäxte und eine Handbüchse, ein Schwert, eine Truhe und
vor der Kammer eine Almer (Schränkchen oder Kästchen). In anderen
Räumen der Burg stehen Gießfaß und Becken als besonders erwähnenswert,
ein Spielbrett, ein eiserner Tischleuchter, zwei "Köpfe" (Trinkgefäße)
aus Fichtenholz, ein Wedel aus Pfauenfedern und eine Schlaguhr. Magdalena,
die Frau eines Tullner Korbknechts, wird "umb keczerey und zawberlich
sach" zum Feuertod verurteilt. Da sie jedoch schwanger ist und sich reuig
zeigt, wird ihr die Strafe erlassen. In Basel werden Drosseln, Tauben und
Lerchen gehalten. Vor einer Epidemie in Nürnberg fliehen angeblich 9000
aus der Stadt: "Es waren erber leut und arm leut, maide und knecht und
junge kint geflohen". Vielleicht ein lokaler Ausbruch der Pest. Nach
Endres Tucher versuchen sich die Zurückgebliebenen durch Tragen von Masken,
Räuchern und Medikamente zu schützen, etwa durch Streichen von Theriak
in die Nase. Nach schweren und anhaltenden Frösten erfrieren in fast
ganz Süddeutschland die Weinstöcke. Weil der Wein nun wesentlich
teurer wird, besinnt man sich wieder auf das Bier und neue Braustätten
entstehen. 9. Dezember: Kaiser Sigismund (69) stirbt. Seine Tochter heiratet
Albrecht von Habsburg, der nun König von Ungarn wird (bis 1439). Dieser
verfügt, vermutlich auf Rat des erzbischofs János Vitéz
von Esztergom die Einschaltung des niederen Adels in die Landespolitik. Entscheidende
Bschlüsse werden in Ungarn nicht mehr im königlichen Rat, sondern
in Reichstagen gefaßt. Dummerweise regiert er nur zwei Jahre.
1437/1438
Schwere Hungersnot in einer Zone von England und Flandern über Frankreich
und den größten Teil Deutschlands bis in die Schweiz hinein.
Bis 1440: Weitere Ausbrüche der Pest, besonders in Süddeutschland.
1438
Seit 1380 hat es in der Gegend um Cambrai zwölf Hungersnöte gegeben.
(Nach 1439 wird es nur noch eine geben.) In Augsburg wird den "heimlichen
Frauen" untersagt, seidenen Schürzen oder Paternoster aus Korallen
zu tragen und mit einer Magd auszugehen (letzteres besonders ein Vorrecht
der Frauen der Oberschicht). Als König Albrecht auf dem Rückweg
von seiner Krönung in Wien einzieht, gehen ihm sowohl die Bürgersfrauen
als auch die "gemeinen Frauen" der Stadt entgegen. Beide Delegationen
werden von der Stadt mit Wein bewirtet. Für den König werden Wein
und Konfekt bereitgestellt. Höhepunkt der im letzten Jahr begonnenen
Hungersnot. Dazu die Thüringische Chronik: "In diesem 1438ten Jahr
war große Teuerung in Thüringen und anderen Landen, also daß
die Leute Hungers starben und in Dörfern, Flecken und Straßen tot
niederfielen und lange Zeit unbegraben lagen...Und dieweil die Leute also
tot lange Zeit hin und wider unbegraben lagen, so ward die Luft davon vergiftet
und entstand auf solche Teuerung daraus ein ganz geschwinde Pestilenz und
ein grausam Sterben und starben noch viel mehr Leute daran denn vormals aus
Hungersnot gestorben, also daß manch Dorf, ja auch viel Städtlein
gar ausstarben und darinnen kein Mensch zu finden war." Klingenberger
Chronik (Nordostschweiz): "Es ging och vff dem Land so vbel vnd so hert
von der türe, dass vil lüt was, die in ainem halben jar nie kain
brot hatten, denn das si krut, reben (Rüben) vnd sölich ding sutten
vnd assent." Wegen der Teuerung wird im badischen Aargau das Brot rationiert:
Es gibt pro Person nur noch 650 Gramm pro Tag. In Konstanz findet ein bürgerlicher
Zweikampf statt: Hans Roth (oder Ratenberg) hat den Hans Riem beschuldigt,
ein Zauberer, Wettermacher und Giftmischer zu sein und seinen Schwager vergiftet
zu haben. Riem fordert den Rozh vors Landgericht, wo letzterer auch Zeugen
vorbringt. Es wird ein Gottesurteil durch Zweikampf für den letzten Juli
anberaumt. Als Zuschauer sind ausgeschlossen: Frauen, Kinder unter zwölf,
Geistliche und Bewaffnete; dennoch sollen angeblich "20000" herbeigeströmt
sein. Auf freiem Felde wird ein 120 Schritte weiter Kreis mit Sägemehl
ausgestreut; der Landgraf und das Gericht sehen zu. Beide werden kahlgeschoren
und in eigens angefertigte graue Röcke gekleidet und erhalten je einen
hohen Schild und ein Schwert (kein stumpfes Turnierschwert!). Jeder erhält
einen Sekundanten und der Kampf beginnt. Der Riem erschlägt schließlich
den Roth, nachdem er ihm schon einen Arm fast abgehauen hat. Roth wird an
derselben Stelle begraben. Eine Frau, die heimlich zugeschaut hat, gebiert
bald der Sage nach ein Kind, das nur einen Arm hat. In Valenciennes findet
1455 ein sehr ähnlicher Kampf statt; weiteres dazu siehe dort. Aus der
Reformbotschaft Kaiser Sigismunds: "Unsere Vorfahren sind nicht Toren
gewesen. Die Zünfte und Gilden sind zu dem Zwecke erfunden worden, daß
Jeder durch sie sein tägliches Brot verdiene und Niemand ins Handwerk
des Anderen übergreife. So wird die Welt ihr Elend los, und Jeder kann
seinen Unterhalt finden und Jeder seiner Nahrung sicher sein." Aeneas
Silvius Piccolomini lobt in einem Brief die Bürgerhäuser in Wien,
wobei ihm besondere Freude macht, daß siese "hoch gegiebelt"
seien; unschön scheint ihm aber zu sein, "daß die Dächer
mit Schindeln und nur wenige mit Ziegeln gedeckt sind". Schindeln sind
billiger als Ziegel; sie werden quasi zur Täuschung auch rot gefärbt.
Diese Praxis ist für Wien im 15. Jh. reich belegt. In Köln wird
eine Käsepreistaxe festgelegt. Nach einer Urkunde stiften Anton Thun
und seine Frau Dorothea für die Kirche von Gufidaun einen jährlichen
Zins von zwölf Pfund Berner "mit dem gedinge, das die chirchbräbst
- öl oder schmaltz oder ander ding darvmb chauffen, damit das sy die
obgen. chirchen vnd alter beleuchten." Kirchenampeln werden mit Öl
oder Schmalz genährt. Als Öl kann Baumöl, Leinöl, auch
Mohnöl dienen. Der Docht ist aus geschabten Lumpen. Die Brixener Synode
erwähnt häufig Beschwerden über "unschuldig" als
Aussätzige separierte Menschen (etwa um mißliebige Personen abzuschieben)
und fordert unter Androhung der Exkommunikation die alleinige Prüfung
Lepraverdächtiger durch Ärzte. Hungersnot in England - für
das bevölkerungsarme 15. Jh. eine Ausnahme. Papst Eugen IV. verlegt das
Konzil von Basel nach Ferrara, um sich der angestrebten Union mit der griechischen
Kirche zu widmen. Herzog Albrecht V. von Österreich (Habsburg; 41) wird
als Albrecht II. König. Er ist bereits seit dem Vorjahr König von
Ungarn.
1438/1439
Das der Stadt Göttingen gehörende "Lupanar" (Bordell)
erzielt Einnahmen von zwei Mark Silber. Pero Tafur, ein kastilianischer Edelmann,
bereist etliche Länder und trifft an der berühmten warmen Quelle
von Baden im Aargau eine Kölner Dame, "welche eine Wallfahrt zu
Gunsten ihres in der Türkei gefangenen Bruders machte. Ich unterhielt
mich oft damit, ihren Mägden Silbermünzen in das Bad zu werfen,
und sie mußten untertauchen, um sie mit dem Munde aus dem Grund des
Wassers heraufzuholen. Mann kann sich denken, was sie in die Höhe streckten,
wenn sie den Kopf unten hatten." Auf der Burg von Breslau beschreibt
er eine Art Fußbodenheizung: Man sitzt im Winter im Saal der Burg auf
Stühlen mit perforierter Sitzfläche und kann aus einer Öffnung
im Boden bei Bedarf Warmluft "zwischen den Beinen hindurch in den ganzen
Körper" strömen lassen. Dafür müssen in einem eigens
unter dem Saal angelegten Feuerraum Steine erhitzt werden.
Bis 1452: In der Herrschaft Heiligenkreuz zu Ulrichskirchen in Niederösterreich
wird bei einer Strafe von zwölf Pfennig verboten, Asche, "totenstro",
tote Katzen und ähnliches auf die Dorfgassen zu werfen. Die Steinbrecher
von München erhalten bei ihrer Arbeit in auswärts gelegenen Steinbrüchen
Roggen, Weizen, Gerste, Salz, Rind- und Schweinefleisch sowie Eier und Milch.
1439
Für die Pflege der fünf Richtschwerter, die die Stadt Frankfurt
besitzt, ist bis zu diesem Jahre ein Schwertfeger zuständig. In Köln
werden Übertretungen der Brauvorschriften mit zeitweiser Schließung
der Brauereien bestraft. Großer Brand in Emmerich. Pest in Basel. "In
Hundstagen in der größten Hitz nam dise Sucht so vil Menschen dahin,
daß man schier alle Stund ein Leich daher trug, das Sacrament und letzte
Oel nimmer ab der Gassen kam, auch gar nahe keinem Hause der ganzen Stadt
verschont fürgieng, es war alles voll Weinens, Traurens und Leidtragens.
Das Volk fiel dahin wie angehendes Winters die Blüten abzureisen pflegen,
und greif die Erbsucht dermaßen um sich, daß welcher irgend jetzen
auf der Gassen frisch und gesund gesehen, nach wenig Stunden vergraben lag.
Alle Kirchhöfe wurden ausgegraben, daß man bei der Pfarrkirchen
großen Gruben machet, die todten Körper aufeinander bringet. Im
großen Sterbent vergiengen alle Tag bei hundert Menschen... Solches
brachte dem Concilio großes Herzklopfen, bevorab da es ihm etliche fürnehme
Personen wegnahm, namlich Ludovicum Pontanum, den jungen hochbegabten gelehrten
Mann, welcher in 36 Stunden gesund und todt war. - Wenig so diese Sucht berühret,
entrunnen dem Tode. Aeneas Sylvius (Piccolomini), nachmolen Babst Pius der
andere (Pius II.) genannt, ob man ihn todt gesagt und schon die letzte Oelung
empfangen, stund allein wieder auf." [Wurstisens Chronik, 1580, nach
anonymen Überlieferungen] "Also was der sterbet so gross, das dero
von Basel wol uff tusent personen sich uffhubent und giengent mit zwölf
priestern gen Ainsidlen zu unser lieben froen. Die priester viengent an zu
Basel in der statt ze singend und sungent bis zu unser lieben froen...Sie
ruffent unser lieben froen an, das sy got bäte, das er sinen zorn gegen
inen abliesse, also ungestümentlich tätent sy mit sterben."(Konstanzer
Chronik) Nach den Hungerjahren (1437 bis 1439) wird in Köln der Bau des
großen Kornhauses bei St. Clara in Angriff genommen, wo 10000 bis 12000
Malter Getreide gelagert werden können. Das Konzil von Basel tagt immer
noch - und wieder in Basel. Es erklärt Papst Eugen IV. für abgesetzt
und setzt stattdessen Amadeus VIII. von Savoyen zum Gegenpapst Felix V. ein.
Die konziliare Bewegung ebbt ab.
27. Oktober: Albrecht II. (42), deutscher König und König von Ungarn
stirbt. In Ungarn erkennen die Stände das Erbrecht für seinen Sohn
Ladislaus an, aber ohne Erfolg.
Ca.: Es verbreitet sich eine anonyme Flugschrift "Reformation Kaiser
Sigmunds", worin gefordert wird, "Staat" und Kirche zu trennen,
das Kirchengut zugunsten des Reiches zu säkularisieren, den Adel nach
Verdienst um Reich um Reich und Kirche zu reorganisieren, die ständische
Unfreiheit zu beseitigen, die Armen gegen wirtschaftliche Schwankungen abzusichern
und Bürger und Adel zur Durchführung der Reform heranzuziehen.
1440
"Do was ein heftiger langer winter, der wert untz viertzehen tag nach
Ostern hinaus". [Nürnberger Chronik]
Antwerpen hat etwa 20000 Einwohner. Nürnberg verfügt über 40
öffentliche und 22 private Röhrenbrunnen. Bei der Zurschaustellung
der Aachener Reliquien stürzt ein Dach (nach anderen ein Gerüst)
mit Zuschauern ein. Es gibt 17 bis 19 Tote und 80 bis 100 Verletzte. Es werden
auch einige im Gedränge erdrückt. Der französische Bischof
Treguier droht in einem Synodalbeschluß den Fußballspielern mit
Kirchenbann: "Es wurde beschlossen, diese gefährlichen und schädlichen
Spiele wegen der Gefühlsaufwallungen, der Boshaftigkeit und Feindseligkeit
zu verbieten, die dieser scheinbar zur Erholung gedachte Zeitvertreib in den
Herzen entfacht und deshalb destruierenden Anlaß zu Haß und Hader
gibt. Mehrere kirchliche Würdenträger haben mich davon unterrichtet,
daß auf den unter ihrer Verwaltung stehenden Pfarreigründen seit
langem an Fest- und Wochentagen ein gefährliches Spiel mit einem großen
Ball getrieben wird, der allgemein mellat genannt wird. Dieses Spiel hat schon
viel Ärgernis verursacht und wird gewiß noch weiteren Anstoß
erregen, wenn wir nicht dagegen einschreiten." Schützenfest in Augsburg.
Der erste Preis: 40 Dukaten. In Hildesheim gibt es "16 nye bruwere"
(neue Bierbrauer). Frankfurt hat eine seßhafte Bevölkerung von
700 (ohne Juden und Kleriker), mit Dienstboten und gewerblichen Arbeiten sind
es 8700. In Olmütz wird ein volkssprachliches Stadtbuch geführt.
Gilles de Rais wird wegen Hexerei hingerichtet.
2. Februar: Herzog Friedrich V. von Steiermark wird einstimmig zum König
(Friedrich III.) gewählt. Markgraf Friedrich II. von Brandenburg gründet
den Schwanenorden. In Basel werden Papiermühlen eingerichtet.
Ca.: Nach Nikolaus von Kues ist die Mathematik die einzige sichere Wissenschaft.
Ca.: Aus Wien datiert eine der ersten (oder die erste?) wissenschaftlich brauchbare
Himmelskarte mit astronomisch exakter Definition nach Ptolemäus und Positionierung
der Sternbilder.
Ca.: In Erinnerung an die Pest von 1439 wird zu Basel an der Kirchhofmauer
des Predigerklosters der Baseler Totentanz angefertigt, auch genannt der "liebe
Tod von Basel".
Ca.: Schätzungen für die Bevölkerung Europas:
Gesamt: 37 Mio;
Iberische Halbinsel: 7 Mio;
Frankreich: 12 Mio;
Italien: 7,5 Mio;
Britische Inseln: 3 Mio;
Deutschland und Skandinavien: 7,5 Mio.
[J. C. Russel, Bevölkerung. In: Lexikon des Mittelalters 2, 1983, Sp.
14]
Und 1444: Auf dem Neuen Markt zu Wien ein kleinerer Laufbrunnen errichtet.
Bis 1445: In Tübingen werden die Stadtmauern erweitert. Außerdem
wird zwischen Ammer und Neckar ein Kanal gegraben.
1441
In Venedig protestieren die Hersteller von Spielkarten gegen den Import süddeutscher
Karten, welcher sie an den Rand des Ruins bringe. Darauf wird die Einfuhr
von gedruckten Bildern und Spielkarten verboten (offenbar für ganz Italien).
Jan van Eyck (ca. 51) stirbt. In Paris können auf dem Friedhof der Innocents,
dem berühmtesten und begehrtesten Friedhof der Stadt, vier Monate lang
weder Begräbnisse noch Prozessionen stattfinden, weil Bischof Denys de
Moulins mehr dafür verlangt, als die Kirche aufbringen kann. Dieser Bischof
wird geschildert als "ein Mann, der sehr wenig mitleidig war gegen wen
immer, so er nicht Geld oder sonst eine Gabe erhielt, die es lohnte; und als
wahr erzählte man, er habe mehr als fünfzig Prozesse bei Gericht;
denn ohne Prozeß war nichts von ihm zu erlangen." (Der Bürger
von Paris) Das Augustiner-Chorherrenstift von St. Pölten legt fest, daß
bei Versehgängen der Priester von vier singenden Schülern in Chorröcken
mit vier Laternen und brennenden Kerzen begleitet werden sollen. Falls jedoch
dieser Aufwand mit Zeitverzug verbunden wäre, hätte der Geistliche
ohne Begeleitung zum Kranken zu gehen. Spielleute in englischen Klöstern:
Die Spielleute von Lord Clinton erhalten vier Schillinge, nachdem sie an einem
Festtag in der Priorei Martoke musiziert haben, wohingegen die für das
Seelenamt bestellten Priester nur zwei Schillinge erhalten. Außerdem
dürfen die Spielleute im prachtvollen Gästezimmer des Klosters zusammen
mit dem Subprior speisen. In Wien werden Leichen seziert. In Köln werden
die Strafen für Verstöße gegen die Brauordnung gelockert:
Die zeitweise Schließung der Brauerei wird durch eine Strafe von fünf
Mark Silber ersetzt. Diese Strafe ist auch für den Ausschank schlechten
Bieres durch Brauer und Wirte vorgesehen. Der Rat von Nürnberg läßt
auf der Hallerwiese vor den Stadttoren eine Spielwiese mit Linden bepflanzen.
In Nürnberg heißen die Kloakenreiniger "Nachtmeister"
(weil die Leerung nachts stattfindet) oder "Pappenheimer". In Nürnberg
beginnt man, auf der Hallerwiese Linden zu pflanzen.
1442
Die in Wien versammelten Kürschner Bayerns und Österreichs sprechen
den Gesellen jegliches Korporationsrecht ab. Vor den Toren von Goslar wird
ein Richtmaß für Holz angebracht, um Holzknechte und Handwerksmeister
darauf aufmerksam zu machen, daß wegen der Holzverknappung die Länge
der Dielen auf 23 Fuß (ca. 8 m) und die der Latten auf 22 Fuß
beschränkt ist. Aus der Augsburger Brotpreistaxe: Bei der Herstellung
von Semmelbrezeln beträgt das Gewicht der Brezel nur genau ein Drittel
des dafür nötigen Getreidegewichts, bei reinem Semmelbrot 43,5%
und bei Roggenbrot 80%. ["Semmel" bedeutet ursprünglich nicht
"Brötchen" sondern "Weizenmehl".] Das Berliner Stadtbuch
führt auch eine stadtbekannte Dirne auf: "Else med den langen tytten".
Beispiel für den spätmittelalterlichen Ochsengroßhandel: Konrad
von Weinsberg, der Reichserbkämmerer fährt als Gesandter des Kaisers
nach Ungarn, wobei er von dort die Gelegenheit wahrnimmt, Ochsen auszuführen
- mit finanzieller unterstützung seines Schwagers Georg von Hohenlohe
(Bischof von Passau und Verweser des Erzbistums Gran) sowie dreier Nürnberger
Tuchgroßhändler. Er kauft 284 ungarische Ochsen und treibt sie
in drei Monaten in das Gebiet von Mainz und Bingen. 239 kommen an; 25 hat
er in Nürnberg auf seine Rechnung verkauft, 17 mußten unterwegs
verbilligt verkauft werden und nur zwei mußten bei der Überquerung
des Inn notgeschlachtet werden. Solche Herden bestehen meist aus 200 bis 600
Ochsen und werden zu je 100 Stück von einem meist kleinadligen "Ochsen-Kapitän"
und fünf bis sechs ungarischen Haiduken (nach Kühnel: roh und halbnomadisch)
zusammengehalten. Der hohe Fleischverbrauch in den Städten (im Schnitt
100kg pro Kopf und Jahr) macht solche Einfuhren notwendig. Ausschluß
von Selbstmördern aus der Gemeinschaft der Toten an einem Beispiel aus
Nürnberg: "1442 ist Hans Träger, ein alter man und gewesener
knecht in der waag, der in seinem haus sich selbst erhängt, öffentlich
ausgeschleifft und verbrennet worden." Selbstmörder gelten bis weit
ins 18. Jh. hinein als ruchlos und ausgestoßen und erhalten kein christliches
Begräbnis. Der Nürnberger Apothekereid enthält Bestimmungen
zur Einhaltung der Ablauffrist von Arzneien und gegen Abtreibung. Die Apotheker
werden verpflichtet, Arzneien, bei denen "die zeyt, die von den lerern
darauf gesetzt" ist, also veraltet sind, nicht zu verkaufen. Es wird
ihnen ebenso aufgetragen, "kainerley vergifft oder ander ertzney, damit
man kindlein vertreibt...keinen menschen nicht raichen oder verkauffen."
Ärzte und Ratsherren müssen einmal pro Jahr die Apotheken beschauen.
Die Juden werden aus München vertrieben. In Mariazell gibt es Pilgerzeichen.
[Was denn Pilgerzeichen sind, wird zum Jahre 1466 erklärt.] Das älteste
erhaltene Original stammt aber aus dem Jahre 1520. Konkubinat in Venedig:
Eine gewisse Giacomella wird wegen ihres anstößigen Verhaltens
vor Gericht gezogen. Sie hat ihren Mann seit mindestens vier Jahren verlassen,
um mit einem Priester zusammenzuleben, von dem sie zwei Söhne hat. Friedrich
III. wird erst jetzt gekrönt. Er beginnt, im Südwesten Deutschlands
mit Hilfe von Zürich eigene Territorialpolitik zu betreiben.
1443
Auf der Frankfurter Messe wird ein Elefant vorgeführt. Mitten in Frankfurt
betreibt der Henker eine Verkaufsbude, wo er "Medizin" feilbietet.
In Frankfurt wird das Kegelspiel verboten. Seit diesem Jahr gilt am Oberrhein
der Bundschuh als Zeichen einer sozialen Erhebung. In Wien wird eine Taxe
für Arzneimittel festgelegt; sie gilt als eine der präzisesten.
Ein typisches mittelalterliches bürgerliches Streitverfahren - aus Frankfurt:
"Der Turmhüter auf dem Pfarrturm sprach den Juden Meyer an, daß,
nachdem er ihm Hühnergarn versetzt habe und es die Mäuse bei ihm
verbissen hätten, der Jude ihm dieses bezahlen sollte. Der Jude antwortete,
daß er das Hühnergarn wie alle anderen Pfänder verwahrt und
deshalb den Schaden nicht getan habe. Nach Ansprache und Antwort haben unsere
Herren mit Urteil gewiesen: Schwört der Jude mit seiner Hausfrau einen
jüdischen Eid, daß er das Hühnergarn wie die anderen Pfänder
verwahrt habe und den Schaden nicht getan habe, so sind sie ihm entgangen,
es sei denn, daß der Turmhüter, wozu er sich erboten hat, beweist,
daß sie den Schaden getan haben."
21. August: In Venedig wird den Männern verboten, sich als Frauen zu
verkleiden.
1443/1444
Eine umfangreiche Verlegung von Pflastersteinen in Würzburg wird allein
von 23 Bürgern, darunter auch geistliche Herren, finanziert.
Bis 1447: In dieser Zeit entsteht in Augsburg eine Sammelhandschrift für
Margarete von Savoyen (Cod. pal. germ. 314 der UB Heidelberg), welche den
frühesten deutschen Totentanztext enthält, nämlich den oberdeutschen
vierzeiligen Totentanz - ohne Bilder. Der Text scheint jedoch älter zu
sein, denn er hat dem Baseler Totentanz als Vorlage gedient und der Schreiber
verweist auf eine bebilderte Vorlage. Hier finden sich keine Verse des Todes,
sondern nur die monologischen Verse der Ständefiguren.
1444
Friedrich III. verläßt das Reich und hält sich die nächsten
27 Jahre in seinen Erblanden auf. In Mainz erlangen die Zünfte im Rat
das allgemeine Regiment. Ein Bayerischer Landfrieden verbietet den "Lotterpfaffen"
das Land. Der Henker von Bern enthauptet an einem einzigen Tag 72 Mann der
Zürcher Besatzung von Greifensee. In Wien liquidiert der Huntschlager
in diesem Jahr 866 Hunde. Der Wiener Glaser Steffen benötigt für
sechs Fenster des Pilgrimhauses 500 Butzenscheiben und erhält für
das Material, die Verbleiung und die Arbeitszeit 10 Pfund und 5 Pfennige.
Aeneas Silvius beschreibt die Wiener Neustadt. Er rühmt die "Gärten
voller Grün, eine höchst gesunde Luft, kühle Quellen, liebliche
Haine". Wegen Teuerung wird in München die Ausfuhr von Getreide
verboten. Die Krypto-Flagellanten, Reste der alten Geißlerbruderschaften,
bilden nun besonders im Thüringer Wald und im Harz eine zusammenhängende
Sekte. Zu dieser Zeit sollen in der Gegend um Sangershausen ihrer 300 verbrannt
worden sein. Sie folgen in der Öffentlichkeit den Geboten der Kirche,
die sie ablehnen und büßen dies im Geheimen durch Selbstgeißelungen.
Ludwig, der Dauphin von Frankreich, führt entlassene Truppen, Ecorcheurs
oder Armanaken genannt, auf Basler Gebiet. Im Herbst wird in Straßburg
wegen des Einfalls der Armanaken eine Volkszählung durchgeführt:
Dort halten sich 26198 Personen auf, darunter 5476 "lantlüte",
offenbar Flüchtlinge. Von den Bürgern verfügen fast 30% über
keine Getreidevorräte. Die bischöflich-passauische Burg Ebelsberg
bei Linz hat eine Küche, in welche direkt fließendes Brunnenwasser
eingeleitet wird (nach Ae. S. Piccolomini).
Bis 1462: Nach dem Geschäftsbuch des Ulmer Tuchgroßhändlers
Ott Ruland ist dessen größter Kunde als Abnehmer Aachener Tuche
ein Braunauer Metzger namens Niklas Ochsenfuß (der übrigens 1468
als Raubmörder gevierteilt werden wird). Gegenlieferung zu diesen Tuchen
sind Ochsen.
1445
Unruhen in Braunschweig. Eine Klage wegen Geruchsbelästigung in Wien:
Hans Velber klagt, daß das Secret (Klo) des Veit Schattauer "ein
tamphloch" habe, "daraus ruche im der unflat und pos gesmachen in
sein kamer". Es wird entschieden, daß Veit Schattauer eine Art
Rauchfang errichten müsse und daß beide Parteien für das Räumen
und Instandhalten des Secrets verpflichtet werden. In Wien erlaubt die Ordnung
der Kürschnergesellen das Brettspiel zur Kurzweil, ferner "in den
Kreis oder Ziegel schießen", jedoch nur um einen Helbling (einen
halben Pfennig). Das Würfelspiel um Geld wird ihnen verboten. Glücksspielverbot
in Göttingen. In Wien müssen die Tischler nach der Handwerksordnung
als Meisterstücke einen zusammenlegbaren Tisch, einen zwölfeckigen
festen Tisch mit Leisten und ein Spielbrett anfertigen. Durand Carol aus Barcelona
bezahlt 22 Dutzend schwarze Lammfelle mit 17 Marderfellen. Marderfelle als
Währung ("Ledergeld") sind in Nowgorod immer noch üblich
und werden auch in anderen europäischen Handelsstädten (Barcelona,
Venedig, Ragusa, Brügge) angenommen. Unter Landgraf Wilhelm III. von
Thüringen wird Weimar Residenzstadt. Christoffer II. von Bayern bestimmt
Kopenhagen zu seiner Residenzstadt und garantiert die Rechte des Magistrats.
Die Stadt hat etwa 10000 Einwohner. In einem Garten in Aix-en-Provence wird
angebaut: Weißkohl, Grünkohl, Spinat, Lauch, dicke Bohnen, Petersilie,
Kopfsalat, Knoblauch, Pastinak, Borretsch und vier Sorten Zwiebeln. Die Hersfelder
Handschrift von Tacitus' "Germania" (entstanden vielleicht zwischen
830 und 850), die einzig erhaltene davon, wird nach Italien gebracht und ist
seither stückweise verschollen. Herzog Gerhard von Jülich-Berg-Ravensberg
gründet den Hubertus-Ritterorden, eine Adelsgesellschaft, die wohl ein
niederrheinisches Gegengewicht zum burgundischen Ordern des Goldenen Vlieses
zu schaffen, in welchen die Jülicher Herzöge im Gegensatz zu ihren
klevischen Nachbarn nicht aufgenommen werden. Die Gesellschaft, deren Hauptsitz
die Christina-Kirche in Nideggen ist, erlebt unter Gerhard und seinem Sohn
(Wilhelm IV.) eine überregionale Blüte, verkümmert danach aber
völlig. Dinis Dias entdeckt die Mündung des Senegal.
2. August: In Meran stirbt Oswald von Wolkenstein.
1445 oder 1446: Johannes Gutenberg (eig. Gensfleisch) erfindet in Mainz den
Druck mit beweglichen Lettern.
1446
In Nordhausen werden zwölf Krypto-Flagellanten (geheime Geißler),
meist Frauen aus niederen Ständen, verbrannt, obwohl sie zum Widerruf
bereit waren. In Köln wird bei Verstößen gegen die Brauvorschriften
die zeitweise Schließung der Brauerei wiedereingeführt, weil die
seit 1441 dafür verhängten Geldstrafen offenbar wirkungslos gewesen
sind. Die Breslauer Synode verbietet unter schwerer kirchlicher Strafe das
Ausstreuen und Verbreiten von Wundern. Der erste greifbare Beleg von der Verehrung
der 14 Nothelfer sind die Visionen des fränkischen Hirten Hermann. Es
wird geglaubt, daß diese Heiligen jeden aus unmittelbar drohender Gefahr
retten könnten. Es herrscht an den höhreren städtischen Schulen
häufig (aber nicht grundsätzlich überall) Lateinzwang. Dazu
eine Wiener Ordnung: "Item das die schuler vertig werden in der latein
zu reden, so sol man in ider locatien (Unterrichtsgruppe) haben einen custos,
der anschreib die schüler, die deutsch reden oder sust unzuchtig sein,
die sullent darumb gestraft werden." Leonard Asenheimer, ein schlesischer
Feldhauptmann, wird (wohl in Breslau) enthauptet. Er soll seine Machtstellung
mißbraucht haben, um auf eigene Kosten Plünderungen in Schlesien
durchzuführen. Bald darauf wird von Kyppinberger ein Lied über die
Hinrichtung verfaßt, welches 21 Strophen mit je fünf Zeilen umfaßt
und im Augustinerstift zu Sagan erhalten ist.
1446/1447
In Heidelberg werden einige Frauen als Wettermacherinnen verbrannt.
1447
In Erfurt müssen die Doktoren der einzelnen Fakultäten Barette in
verschiedenen Farben tragen: Recht und Medizin rot, Artisten violett und Theologen
schwarz. In Straßburg werden die Muster für Ziegel "auf dem
Pfennigturm" aufbewahrt. Der Rat von Straßburg stellt fest, daß
auf den Trinkstuben und in den Wirtshäusern "gros spiele gewesen"
sind, die zu Streit und Verderbnis geführt haben. Für die Zukunft
wird jede Art von Würfelspiel verboten. Erlaubt sind Schach, Brettspiele
und Kartenspiele, letztere bis zu einem Schilling Pfennig. Die Strafe beträgt
drei Pfund Pfennig oder ein Monat Schuldturm. Peter von Ulm, der gleichnamige
Sohn eines angesehenen Chirurgen, wird in Bern als Stadtarzt aufgenommen und
erhält sogar Steuerfreiheit. Die Fenster der Stadtburg von Eggenburg
(in Niederösterreich) erhalten "sliem" (dünn gegerbte
Häute) als Kälteschutz (mangels Glas). In Memmingen wird ein durch
Muskelkraft bewegter Selbstfahrer erwähnt. Aus einem Wiener Mietvertrag:
"Wir sullen auch in vnd den iren mit pett vnd pettgwant vnd fewr vnd
kochen gewerttig sein, wir sullen auch alles das des notdurft ist in dem haws...,
auf vnser selbs müe vnd zerung wenden vnd pessern." Der "Bürger
von Paris" notiert, dieses Jahr "...war der Wein in Paris so teuer,
daß die armen Leute nur Bier, Met, Cidre, Birnenmost oder ähnliches
Gebräu tranken." Walldürn erhält Stadtprivilegien.
21. Juni: Der Große Rat von Genua macht die Zahlung in Goldmünzen
für alle gezogenen Wechsel (Kreditgeschäfte) und für die Begleichung
aller Auslandsgeschäfte obligatorisch. Dithmarschen gibt sich ein Landrecht.
Damit wird auch ein Obergericht über allen Kirchspielgerichten geschaffen
und eine politische Repräsentation für Außenpolitik und Wehrwesen
errichtet.
1448
In Würzburg beschließt der Rat, zwei Gassenmeister zu wählen,
die alle Schlote besichtigen sollen. Im Göttingen wird bei einem Streit
zwischen den Krämern und den Apothekern entschieden, daß die Apotheker
weiterhin Gewürze, Kramwaren und Papier (meist aus Italien importiert)
verkaufen dürfen. Bau des Rathauses von Walldürn. Es ist das älteste
heute noch erhaltene Rathaus in Deutschland. In Berlin sind in den letzten
46 (57) Jahren 101 (114) Personen hingerichtet worden: 51 (46) gehenkt, 14
(20) verbrannt, 13 (22) enthauptet, 11 (17) gerädert, 10 (9) lebendig
begraben. Florenz erhält als dritte italienische Stadt ein Pestlazarett.
1448 und 1449: Pestwelle in Italien.
Bis 1505: In Breslau werden zehn Personen wegen Kirchendiebstahl hingerichtet,
davon acht verbrannt, einer enthauptet und einer gehängt.
1449
Der Straßburger Rat versucht mit den Herren der Region ein Abkommen
zum Schutz der Singvögel zu schließen, weil an diesen ein "merklicher
Abgang" zu beobachten sei. In der Stadtbäckerei zu Nürnberg
werden aus 100 kg Roggen nur 77,3 kg Brot gewonnen. Dies deutet auf einen
geringen Ausmahlungsgrad des Korns von 62,5 % hin. In München ist das
Kochhandwerk fest geregelt, obwohl die Köche dort erst in 285 Jahren
eine Zunftordnung bekommen werden. In München haben verarmte Bürger
eine Wochenration an Fleisch von 1440 Gramm. Die Wiedereroberung der Normandie
läßt sich der französische König durch den Kaufmann Jacques
Coeur finanzieren. Das Konzil von Basel, zuletzt in Lausanne, geht auseinander.
Der Herzog von Burgund läßt in Brügge einen Totentanz aufführen.
In Kopenhagen findet die erste Königskrönung statt (Christian I.).
In Nürnberg leben 14309 Bürger und deren Angehörige, 3274 Knechte
und Mägde, 1976 Nichtbürger und 446 Geistliche und 120 Juden.
1449/1450
Aus Nürnberg: auf 1475 Knechte kommen 1855 Mägde (Frauenüberschuß).
Die Schweizer Söldner, die gegen Markgraf Albrecht Achilles von Brandenburg
angeheuert worden sind, erhalten pro Woche eine Ration von 2375 Gramm Fleisch
(um sie bei Laune zu halten). Die Kriegsgefangenen bekommen immerhin noch
712,5 Gramm.
Bis 1454: In weiten Teilen Europas geht die Pest wieder um.
1450
In Frankfurt werden Brillenmacher erwähnt. Auf der Frankfurter Messe
wird ein (Vogel) Strauß vorgeführt. In Lappenhaus wird ein Bauernturnier
ausgetragen: Helme aus Stroh, Krücken als Lanzen, Ackergäule und
Esel als Schlachtrösser. Nürnberg, das während des Krieges
mit Markgraf Albrecht Achilles in schwere Bedrängnis geraten ist, läßt
eine Volkszählung durchführen: Es gibt 30131 Personen in der Stadt,
davon 9912 Flüchtlinge (Bauern). Die Getreidevorräte betragen: 24000
Sümmer Korn, 4134 Sümmer Hafer, 1150 Sümmer Dinkel, 2597 Sümmer
Hirse und 600 Sümmer Gerste. [Ein Nürnberger Sümmer entspricht
knapp 300 Liter.] Die Versorgungslage ist demnach gut, obwohl es 1477 ortsansässige
Personen ohne Getreidevorräte gibt. Nach dem Rechnungsbuch der Herzogin
von Burgund, Isabella von Portugal, kommen jeden Tag folgende Speisen auf
den Tisch: vier Koteletts, sechs Schultern und sechs Teile vom Lamm, ein halbes
Kalb samt Gekröse, eine Rinderhaxe, ein Kapaun, 17 Hühner, fünf
Paar Tauben, ein Rebhuhnund 50 Eier (an Fasttagen 100 Eier). Obst, Gemüse
und Schweinefleisch aus den eigenen Ländereien kommen in den Rechnungen
nicht vor. Nach einer sagenhaften Begebenheit soll der Wein dieses Jahr in
Österreich so sauer geraten sein, daß man ihn auf die Straße
kippt. Dieser Wein wird Reifbeißer genannt, entweder, weil der Reif
die Trauben verdorben hat, oder weil der Wein durch seine Schärfe die
Dauben und Reife der Fässer beißt. Friedrich III. soll verboten
haben, den Wein wegzuschütten; man solle ihn stattdessen auf den Stephanskirchhof
bringen, um damit den Kalk für den Kirchenbau zu löschen. [Cuspinianus,
"Historia Austriae ex relatione seniorum", nach Grimm, Dt. Sagen
352] Die Verwendung von Wein zum Kalklöschen kommt noch an anderen Stellen
vor (vgl. 1166); so soll auch der Heidenturm zu Glatz auf diese Weise gebaut
sein, doch haben die drei bisher gefundenen Fälle alle sagenhaften Charakter.
Papst Nikolaus V. ruft ein Jubeljahr aus. Von nun an werden die Jubeljahre
alle 25 Jahre begangen. 18. September: In diesem Jubeljahr drängen sich
in Rom vor der Engelsburg Massen von Pilgern. Als ein Maultier scheut, bricht
eine Panik aus, in der 260 umgekommen sein sollen, teils erdrückt, teils
in den Tiber gedrängt. Nach anderen Angaben werden in Rom am Ponte Sant'Angelo
172 Menschen, 4 Pferde und ein Maulesel erdrückt. Piccolomini spricht
in einem Brief von fast 200 Toten. Die Römer sollen jedenfalls gut verdient
und die Preise sich in Grenzen gehalten haben. Meister Hans von Norten wird
zu Göttingen als Stadtarzt auf Lebenszeit verpflichtet. Er wird dabei
auch verhalten, an Kriegszügen teilzunehmen. Man sichert ihm auch eine
Altersversorgung zu. Mantua erhält ein Pestlazarett. Erstmals wird zu
diesem Zweck ein Gebäude neu errichtet.
Ca.: In Nürnberg gibt es Flugblätter mit Neuigkeiten.
Ca.: Besonders in Italien beginnt man, den Kindern Vornamen aus der Antike
zu geben.
Ca.: In Köln wird eine Kupfer- und Messingschmelze mit bis zu 100 Arbeitern
eingerichtet.
Ca.: Es erscheint "De re aedificatoria" von Leon Battista Alberti,
worin u.a. empfohlen wird, Abfälle ins Meer oder einen Fluß zu
leiten. Wo das nicht möglich sei, müsse man bis aufs Grundwasser
graben, welches man sich fließend vorstellt. Der Leib der Erde könne
das Abwasser verzehren und verdauen, ohne daß sich gefährliche
Dünste entwickelten.
Ca.: Im Badewesen unterscheidet man zwischen Schwitzbad (swaysspad) und Wasserbad
(wasserpad mit edlem chrawt).
Ca.: Der Zürcher Felix Hemmerlin läßt einen Adligen sagen:
"Nun weiß ich es recht. Der Bauer sticht den, der ihn salbt, und
salbt den, der ihn sticht. Daher hat auch der Weise gesagt: 'Wasche und kämme
den Hund - Hund ist und bleibt Hund.'"
Ca.: Die seit Anfang des 15. Jhs. aufgetretenen Schnauz- und Spitzbärte,
von Vertretern der alten Ordnung als heidnisch und barbarisch verteufelt,
treten wieder in den Hintergrund.
Ca.: Die Erfindung des Seigerverfahrens zur Herstellung von Reinkupfer führt
zu einer starken Produktionssteigerung.
Ca.: Steyr steht wirtschaftlich und kulturell auf dem Höhepunkt. Die
Stadt gilt nach Wien als vornehmste Stadt von Österreich und genießt
eine Vorrangstellung im ständoschen Landtag.
Ca.: Brüssel hat weit über 40000 Einwohner.
Ca.: In Polen herrscht seit dieser Zeit der 1. Januar allein als Jahresanfang.
Nach 1450: Die Gugel wird durch andere Kopfbedeckungen aus ihrer bisher vorrangigen
Position verdrängt.
Bis 1452: Kardinal Nikolaus von Kues reist als päpstlicher Legat durch
Deutschland und die Niederlande, um den "Jubelablaß" und einen
Kreuzzug gegen die Türken zu predigen sowie um Welt- und Ordensklerus
zu reformieren.
Bis 1460: In Wien finden vor St. Stephan und auf dem Graben Blumenmärkte
statt.
Bis 1480: Am burgundischen Hof wirkt der Chronist und Dichter Olivier de la
Marche.
1451
In Nürnberg und Bamberg wird den Juden das Tragen des Judenabzeichens
und des Judenhutes vorgeschrieben. Der Bischof von Lausanne erlaubt den Einwohnern
von Bern, einen Prozeß gegen Würmer und Mäuse zu führen.
Erst nachdem die Tiere dreimal geladen worden sind, dürfen sie auf Prozessionen
durch das betreffende Gebiet verflucht werden. In der niederösterreichischen
Klosterherrschaft Lilienfeld wird bestimmt, daß Hochzeiten einen Tag
lang an sechs Tischen gefeiert werden dürfen.
1451/1452
Durchschnittlicher Verbrauch an Fleisch pro Woche in Basel: 1187 Gramm.
1452
Als König Ladislaus in Wien einzieht, wird in zweitägiger Arbeit
der Unrat vom Fischmarkt beseitigt auf auf den Hohen Markt Laub gestreut.
In Straßbur werden Würfelspiel, Brettspiel und Kartenspiel in Wirtshäusern
untersagt. In Paris wird François Villon zum Magister promoviert. In
Frankfurt wird den Juden das Tragen des Judenabzeichens und des Judenhutes
vorgeschrieben. Johann von Gmünd wird Stadtarzt von Bern. Dabei wird
ihm die Aufsicht über die Apotheken übertragen. In spätmittelalterlichen
Bürgerhäusern werden Vögel gehalten, meist Stare, Sittiche
und Elstern. So schreibt z.B. eine Breslauer Kaufmannsfrau ihrem Gatten in
der Fremde: "wisset lieber man, das der sitik frum ist und kan mir jetzund
rueffen". Eine Geschichte aus Italien: Der Pfarrer von Bimio bittet in
einer Supplik um die Erlaubnis, eine Religiose absolvieren zu dürfen,
die von einem unverheirateten jungen Mann geschwängert worden ist. Sie
hat einen Jungen geboren, ihn eigenhändig getauft, daraufhin umgebracht
und innerhalb der Mauern ihres Klosters "aus Scham vor der Welt"
heimlich begraben. Der Name und das Kloster der Mutter werden, um das Beichtgeheimnis
zu wahren, in der Supplik nicht angegeben.
Bis 1455: Der Palisadenzaum um die Wiener Vorstädte wird erneuert. Für
Holz und Arbeitsaufwand werden 1751 Pfund Pfennig ausgegeben. Dabei befindet
sich zwischen den Pfählen mit Lehm abgedichtetes Rautengeflecht.
1453
29. Mai: Die Türken erobern Konstantinopel. Ende des Hundertjährigen
Krieges zwischen England und Frankreich. Bis auf Calais haben die Engländer
ihre Besitzungen in Frankreich verloren. In Nürnberg ist mit dem "tauben
Öttel" der erste namentlich bekannte Schornsteinfeger ("Schluffeger",
"Rauchlochfeger") belegt. Für die Säuberung von 37 Schloten
erhält er acht Pfund Pfennig. Auch in Bremen ist für dieses Jahr
ein Schlotfeger belegt. Der älteste erhaltene Zunftbrief aus Düsseldorf
stammt von den Schuhmachern. Wegen angeblicher Hostienschändung durch
eine Jüdin kommt es in Breslau, Schweidnitz, Jauer und anderen schlesischen
Städten zu Judenverfolgungen. Folter sorgt für "Geständnisse"
und weitere Verfolgungen. Die eingezogegen Güter fallen an den König
(Ladislaus), der ein ewiges Judenverbot für Breslau verfügt. Es
stirbt der fahrende Ritter und Turnierheld Jacques de Lalaing (63).
1454
Johannes de Capestrano (Kapistran) predigt in Deutschland einen Kreuzzug gegen
die Türken. In Nürnberg läßt er 3640 Schachbretter und
40000 Würfel auf dem Scheiterhaufen verbrennen. Nach einer Verordnung
von König Ladislaus muß jede Person ein offenes Licht bei sich
tragen (eine Laterne aus Eisenblech oder Hornblende). In Breslau spricht ein
Gericht wegen offensichtlich gewalttätiger Widersetzlichkeit und Schmähreden
gegen die Stadtdiener die Todesstrafe aus, die dann aber in lebenslängliche
Verbannung gemildert wird. Mai: König Ladislaus veranstaltet in Wien
neben dem "Scharlachrennen" (siehe 1382) auch noch einen Wettlauf
für Dirnen. Der Preis ist ein Stück Barchent. Zu allgemeinen Belustigung
müssen sie beim Laufen ihre Röcke hoch aufschürzen.
22. Oktober: Ausgabedatum des frühesten gesicherten Druckerzeugnisses,
eines Ablaßzettels gegen die Türken. Auf einem großen Hoffest
läßt Philipp der Gute von Burgund zu Lille ein Kreuzzugsgelübde
gegen die Türken ablegen ("le voeu du faisan"). Frauenüberschuß
in Basel: auf 1000 Männer kommen 1246 Frauen. Nach der Feuerordnung von
Wien soll ein Prämiensystem zum Löschdienst anspornen: Von den Fuhrleuten,
die in "laiten" Wasser herbeischaffen, erhält der erste am
Brandort 100 Pfennig, der zweite 60 und der dritte 30. Die französischen
Bergwerke sind in einem schlechten Zustand, weswegen man Spezialisten aus
dem Reich holt, so in diesem Jahr den Claux Simermant (wohl "Klaus Zimmermann"),
aus der Gegend von Basel, der sich auf das Nivellieren von Stollen versteht.
1455
In Würzburg werden alle "schlotmacher", die einen Schornstein
nicht innerhalb von vier Wochen erbauen, mit einer Strafe von zehn Pfund Pfennig
belegt. In Valenciennes findet ein Zweikampf zwischen zwei Bürgern statt,
was wohl angeblich seit 100 Jahren nicht mehr vorgekommen ist: Jacotin Plouvier
(der Kläger) gegen Mahuot. Es geht um die Aufrechterhaltung eines alten
Privilegs und der Kampf wird mit Keulen und Schilden ausgefochten. (Es gibt
davon u.a. eine brutal-realistische Schilderung von Chastellain.) Am Ende
bleibt Mahuot, der wohl kaum eine Chance hatte, mit gebrochenem Rücken
liegen und wird anschließend gehenkt. Bemerkenswert an dieser Geschichte
sind die Parallelen zu einem ähnlichen Kampf, der 1438 in Konstanz stattgefunden
hat (siehe dort). In beiden Fällen gibt es detaillierte Schilderungen
des Kampfes. Ähnlichkeiten: Das Vorhandensein von Sekundanten (in Valenciennes:
Fechtmeister); spezielle Kleidung (hier: Leder); der Landesherr und zahlreiche
Zuschauer sind anwesend; in Valenciennes ist zumindest einer der Kämpfer
kahlgeschoren (in Konstanz beide). Zu Valenciennes wird allerdings sehr rücksichtslos
gefochten (Sand in die Augen des Gegners werfen, Daumen ins Auge drücken,
dem Verlierer wird auf den Rücken gesprungen). In Köln wird eine
Kommission ernannt, welche bestimmte Straßen fürdie "gemeyn
frauwen" bestimmt. Dresden erhält Stapelrecht für den Elbhandel
und Niederlagerecht für Waren nach Böhmen. Auf der Synode von Brixen
verbietet Kardinal Nikolaus von Cues aus vernünftiger Einsicht und aus
Sorge üm die Wahrheit der Verkündigung den Geistlichen, aus der
"Legenda aurea" abergläubische Geschichten von den Heiligen
Blasius, Barbara, Katharina, Dorothea, Margaretha und anderen zu predigen.
Er schreitet auch energisch, aber vergeblich gegen die Verehrung der falschen
Wilsnacker Wunderhostien ein, weil diese in großem Umfang zu abergläubischen
Praktiken verwendet werden. Der Kölner Magister Hertwicus, der in Amsterdam
lehrt, wird nach Heidelberg berufen, um dort die "via antiqua" zu
lehren. Wie im Mittelalter üblich, folgen ihm viele seiner Studenten
dorthin. Spielmannsnamen: In der Wiener St.-Nikolaus-Bruderschaft der Spielleute
taucht ein Peter Froschmaull auf, vielleicht derselbe, der 1448 in Konstanz
besoldet worden ist. Das Rathaus von Brüssel wird vollendet. Ca da Mosto
erforscht den Senegalfluß und Gambia.
1455/1456
Zu Bourges wird Jeanne d'Arc posthum rehabilitiert. In Wien wird mit einem
Aufwand von 499 Pfund Pfennig ein steinernes Brunnenhaus auf dem Graben erbaut,
dessen vier Auslaufröhren in Löwenköpfen aus Messing enden.
Bekrönt ist das Haus mit einer Figur des heiligen Florian, woraus zu
schließen ist, daß der Brunnen auch zum Feuerlöschen dienen
soll.
Ca.: Johannes Gutenberg druckt in Mainz die "42zeilige Bibel". (Eig.
1452/1455)
1456
In München erscheint Johann Hartliebs "Buch aller verbotenen Kunst,
Unglaubens und Zauberei". Es erscheint der älteste gedruckte Kalender,
und zwar (posthum) von Magister Johannes de Gamundia (Mathematiker und Professor
der Universität Wien, gestorben 1442). Hier sind für jeden Monat
die Anzahl der Stunden pro Tag und Nacht angegeben. In Dordrecht wird den
Kindern das Reifenschlagen verboten. Nach einem Brand in der Wiener Neuenburger
Straße wird der Brandstifter seinerseits verbrannt. In Wien werden die
Rauchfänge städtischer Gebäude einer regelmäßigen
Kontrolle unterzogen. Der Kurfürst von Sachsen bescheinigt den Leinewebern
Zunftwürdigkeit "umb ihrer getreuer und ahnnehmender Dienst willen,
die sie uns in vergangenen leuffen in feltzugen und andern williglich und
rüstig gethan haben." Die Leineweber geraten immer wieder in Verruf,
weil sie besonders seit dem 15. Jh. vermehrt vom Land in die Städte ziehen
und in Konkurrenz mit dem städtischen Weberhandwerk treten. Die Zünfte
benutzen den Verruf, um sich dieser Konkurrenz zu entledigen, denn solche
"Unehrlichkeit" betrifft in erster Linie die Zunftfähigkeit
und die Bürgerrechte. Auch hier gibt es regionale Unterschiede: in manchen
Städten bilden die Leineweber eigene Zünfte und erlangen Bürgerrechte,
sind gelegentlich sogar im Rat vertreten. In Regensburg wird allen Krämern
und Händlern der Verkauf von Hüttenrauch (Arsenik) verboten. Dies
bleibt künftig den vereidigten Apothekern vorbehalten. Die Preise für
Arzneimittel werden nach Nürnberger Vorbild festgelegt. In Zürich
werden folgende Wettkämpfe ausgeschrieben: Laufen auf 400 und 10000 Schritt,
Weitsprung, Hochsprung, Steinwerfen, Ringen, Scheibenschießen auf 100
und 300 Schritt, Fechten mit Lanzen und Hellebarden. Beim Steinwerfen müssen
drei unterschiedlich schwere Steine auf drei verschieden weit entfernte Ziele
geworfen werden. Beim Einzug Philipps des Guten in Gent treten auch drei "Sirenen"
auf, die nahe der Brücke in der Leie schwimmen, "ganz nackt und
mit aufgelösten Haaren, so wie man sie malt". In Lüneburg verfaßt
Bürgermeister Hinrik Lange Aufzeichnungen (so etwas wie eine Stadtchronik),
um sein Verhalten im innerstädtischen Konflikt zu rechtfertigen. Universität
Greifswald gegründet. Schauergeschichten aus der Walachei: Vlad III.
Draculea ("Sohn des Drachen", nach seinem Vater Vlad II. Dracul)
wird Herrscher der ganzen Walachei (bis 1462). In den schrecklichen Kämpfen
gegen die Türken erhält er wegen seiner grausamen Gewohnheiten den
Beinamen Tzepes (Tepes, "der Pfähler"); er läßt
angeblich Gesandten die Hüte am Kopf festnageln, hunderte pfählen,
trinkt das Blut seiner Opfer, "beseitigt" die Armut, indem er die
Armen verbrennt, zwingt die Zigeuner zum Kriegsdienst, indem er sie vor die
Wahl stellt, gegen die Türken zu kämpfen oder sich selbst gegenseitig
zu verspeisen. Er ist das Vorbild für Stokers Dracula. Die Portugiesen
erreichen Guinea.
Bis 1460: Kaiser Friedrich III., der mit seinem Bruder Herzog Albrecht wegen
Erbstreitigkeiten in Fehde liegt und daher unter starkem Geldmangel leidet,
entzieht den Wiener Hausgenossen die Münzprägung und läßt
reichlich Pfennige und Kreuzer mit ständig geringerem Silbergehalt herstellen.
Herzog Albrecht, die bayerischen Herzöge und benachbarte Fürsten
schließen sich notgedrungen dieser Praxis an. Diese neuen, ständig
schlechter werdenden Pfennige heißen im Volksmund bald "Schinderlinge".
Es ist die erste große Inflation in Deutschland.
1457
Lange vor diesem Jahr existiert in Freiburg i. Br. eine Baumschule, nämlich
ein eingezäunter Eichelpflanzgarten, der auch gedüngt wird. In Hamburg
schärft der Rat den Bürgern, wie schon zuvor, nochmals ein, daß
die Verunreinigung von Elbe, Alster und Fleete mit drei Mark Silber bestraft
wird. In Köln betreut der Stadtarzt auch die Spitäler. Gründung
der Universität Freiburg. Karl VII. von Frankreich erlaubt den Einwohnern
von Roquefort durch eine Urkunde, eine Steuer auf den Käse zu erheben,
den die Schafzüchter der Umgebung in den Kellern der Stadt reifen lassen.
1458
Die Pfeiferbruderschaft zum Riegel, eine Genossenschaft von Spielleuten der
Konstanzer und der rechtsrheinischen Teile der Straßburger Diözese,
die bereits einige Zeit besteht, erhält einen Schutzbrief des Grafen
von Württemberg. Die Universität zu Leipzig verbietet den Studenten
Schnabelschuhe, auffallend kurze Röcke, an der Seite offene Mäntel,
seidene Ärmel sowie mehrfarbige oder ornamental verzierte Hosen. Ausgenommen
sind die höheren Stände. Glücksspielverbot in Straßburg.
Leipzig verfügt mittlerweile über drei überregionale Messen.
Der Nürnberger Rat versucht vergeblich, die Sägemühlen zu verbieten,
soweit sie nicht schon von alters her bestünden, weil diese den Wald
gefährdeten. Ein Bedarfsplan an Tuchen für die Winterbekleidung
vom Hofe der Herzogin Sophia von Sachsen-Lauenburg (der Mutter Herzog Wilhelms
von Jülich-Berg) sieht für den Hofstaat insgesamt 180 Ellen Tuch
vor. Dabei erhalten die meisten Hofleute pro Person vier bis fünf Ellen
zugemessen, darunter ein Klostermann (Beichtvater?), der Kammerknecht Johann,
der Koch Konrad, der Stallknecht Klaus, der Kellner Heinrich, der Hofnarr
Hermann Geck, die beiden Lautenschläger und der Schreiber Christian zum
Pütz, welcher dies alles überliefert hat. Wenige bekommen sechs
Ellen Tuch, darunter der Kaplan der Herzogin und ihr Türwärter Godert
von Steinen; ebenso erhalten nur wenige sieben Ellen Stoff, nämlich der
Hofmeister, die Hofmeisterin und einige adlige damen, wohl die herzoglichen
"Staatsjungfrauen". Die Herzogin nimmt für sich selbst neun
Ellen und für ihren dreijährigen Sohn vier Ellen in Anspruch. Preis
und Art des Tuchs werden hier leider nicht genannt, doch ist aus anderen Rechnungen
bekannt, daß die herzogin graues Wolltuch für die Winterkleidung
gerne in Köln bei den Händlern Johann von Ochsenvrugge und Arnd
von Grevenbroich kauft (wofür sie 1460 mindestens 312 oberländische
Gulden bezahlt). Arnd von Grevenbroich wird auch 1465 die rote Sommerkleidung
für den Hof liefern. Ein anderer Tuchhändler aus Köln ist Goswin
von Straelen, bei dem die Herzogin sehr kostbare Stoffe kauft, nämlich
roten Damast (zehn Mark pro Elle), schwarzen Samt, schwarzen Taft, ein schwarzes
Tuch namens "flulbeil" und dasselbe in rot und karmesin gemustert,
wovon eine Elle 15 Mark kostet. Für sich selbst nimmt die Herzogin Seide
für zehn Mark pro Elle; für ihren kleinen Sohn genügt die Seide
für vier bis sechs Schilling pro Elle. Wonecke von Cube verfaßt
das Heilkräuterbuch "Hortus sanitatis". Aeneas Silvius Piccolomini
wird Papst: Pius II. Er hat wahrscheinlich mehrere Kinder, mindestens einen
Sohn. Der Kreuzer (seit 1271 in Tirol) wird in Österreich geprägt.
Er hält sich dort bis 1892.
1459
Die Augsburger Bettelordnung unterscheidet zwischen bedürftigen Armen
mit einem Almosenzeichen und fremden, arbeitsscheuen Bettlern ohne dieses
Abzeichen. Glücksspielverbot in Göttingen. Mit Adolf VIII. sterben
die Grafen von Schauenburg in der Hauptlinie aus. Hamburg, das zur Zeit etwa
15000 Einwohner hat, kommt offiziell an Dänemark (bis 1768). Bürgermeister
Detlev Bremer kann jedoch einen Huldigungseid vermeiden und die bisherigen
Privilegien sichern. So ist Hamburg als Teil des Landes Stormarn zwar eine
Stadt in Holstein, kann jedoch nach innen und außen fast unabhängig
handeln. Beginn einer Erzstiftsfehde in Mainz: Erzbischof Dieter II. von Isenburg
gegen den päpstlichen Gegenerzbischof Adolf von Nassau (bis 1463).
1459/1460
Als die "gemeinen frauen" des Frauenhauses von Krems den wöchentlichen
Zins von 24 Pfennig nicht mehr aufbringen können, werden sie durch Söldner
aus dem Haus vertrieben.
1460
Gründung der Universität von Freiburg i. Br., wobei vorgeschrieben
wird, "daß jeder Scholar einhergehe in der ehrbaren klerikalen
oder Gelehrtentracht, nicht in ungeziemender Weise nach Art der Reiter".
Gründung der Universität Basel. Auf dem Tafelbild "Bote des
bayerischen Herzogs beim Bischof Ulrich" vom Meister der Ulrichslegende
ist eine zweizinkige Gabel mit Horngriff dargestellt. (Der erste schriftliche
Beleg für den Gebrauch der Gabel stammt erst von 1486.) In Nördlingen
sind in den letzten 89 Jahren 411 Personen hingerichtet worden. Nach einem
Weistum von Galgenscheid werden Ausnahmen von Jagd- und Fischereiverboten
zugunsten schwangerer Frauen gemacht, sollte es diese nach Fisch oder Wild
gelüsten. Die Stadt Lienz in Osttirol verbietet grundsätzlich den
Fürkauf (den Aufkauf und die Hortung von Waren, bis die Preise auf einem
Höchststand sind). Der bambergische Hauptmann und Vicedom in Kärnten
wird angewiesen, den Untertanen Weideland für ihr Vieh abzustecken, um
eine weitere Waldverödung in den kanaltaler Wäldern durch "Kohlen,
Brennen, Schwenden und Reuten" zu unterbinden. Es erscheint die "Bündth-Ertznei"
(Wundarznei) des Heinrich von Pfolspeundt, eines Fraters des Deutschen Ordens.
Hier werden erstmals Schußwunden durch Feuerwaffen erwähnt. Pfolspeundt
versucht, frische Wunden durch Eiterung zu heilen, und zwar durch Eingießen
von Terpentinöl und Rosenöl. Ihm ist auch die schwierige Operation
der Rhinoplastik bekannt, bei der eine verlorene Nase aus dem Fleisch des
eigenen Gesichts oder Oberarms des Betroffenen ersetzt wird. (Entwickelt in
Italien Anfang des 15. Jhs.) Ein eigenes Kapitel ist der Anästhesie gewidmet:
Saft von Opium, Alraunblättern, Schierling, Giftlattich u.a. wird dem
Patienten in einem Schwamm unter die Nase gehalten. In Nürnberg ist ein
"Narrenhäuslein" (Irrenhaus) belegt. 14. April: Wegen der durch
die Münzverschlechterung ("Schinderlinge", siehe 1456) untragbaren
wirtschaftlichen Zustände und Klagen der Bevölkerung läßt
der Kaiser wieder vollwertige Pfennige prägen. Der Pfennig hat zuletzt
fast nur noch aus Kupfer bestanden und ein ungarischer Gulden war 3686 Pfennig
wert gewesen. (Zum Vergleich: Um 1400 war der ungarische Gulden 150 Pfennig
wert.) Am 28. April übernehmen die Wiener Hausgenossen wieder die Münzstätte
(die ihnen 1456 entzogen worden war) und schlagen gute Silberpfennige, von
denen 180 auf einen ungarischen Goldgulden kommen. Dies ist das Ende der ersten
großen Inflation in Deutschland. In Eger kritisiert ein Passionsspiel
Fürsten und Adel, weil diese die Juden beschützen. Solche Spiele
heizen öfters die Judenfeindschaft an. Auf Madeira wird der Getreideanbau
zugunsten des Zuckerrohrs aufgegeben. Dies geschieht auch auf den Azoren und
den portugiesischen Inseln im Golf von Guinea. Bald wird man Getreide einführen
müssen, obwohl auf Madeira nach dem Chronisten Gaspar Frutuoso angeblich
aus einem Scheffel Saatkorn 60 Scheffel Frucht geerntet werden sollen. In
England beginnen die Rosenkriege: York (weiße Rose) gegen Lancaster
(rote Rose).
Ca.: Die Räderuhr mit Hemmrad ist nachweisbar. Sie wird zunächst
mit Waaghemmung verwendet (was immer das ist).
Ca.: Der Palisadenzaun um die Vorstädte Wiens ist im wesentlichen fertig.
Ca.: Aus einer Gesundheitslehre aus Michelstadt (Odenwald), die sich auf die
Autoritäten der Schule von Salerno bezieht: Vom Baden nach dem Essen
wird abgeraten, weil dies die Fettleibigkeit fördere; auch vom Essen
nach dem Bade wird abgeraten, weil dies abmagern soll. Wenn man gute Augen
behalten wolle, solle man nach dem Geschlechtsverkehr und nach dem Baden nicht
schreiben. Starkes Trinken, heißes Bad und wenig Schlaf sollen Triefaugen
bewirken.
Bis 1480: Im Mansfelder Revier entstehen neun Kupferhütten.
1461
Aus den Prozeßakten der Burgherrin Ursula Reiferin von Altspaur (worum
auch immer es geht) heißt es, sie betätige sich in der Burgküche,
"ebenso finden wir sie mit ihrer Jungfrau im Krautacker beschäftigt".
In Göttingen werden Übertretungen der Kleiderordnung mit "Mauerstrafe"
geahndet (wie auch 1468 wieder): Trägt eine Frau ein verbotenes Kleidungsstück,
muß ihr Mann (oder Vater) eine halbe Rute Stadtmauer mit Steinen und
Kalk mauern. Dadurch kann die verfallene Mauer wenigstens teilweise ohne Aufwand
wiederhergestellt werden. In Wien wird verboten, Gerbereiabwasser auf Straßen
und Plätzen auszugießen. Dem vereidigten Arzt von Regensburg wird
nicht erlaubt, "selber Apotheker" zu sein, um die Interessen des
Apothekers Dominicus Mühlich zu schützen. "Vauderie d'Arras":
In Arras findet eine große Hexenverfolgung statt, aber die Prozesse
werden später für ungültig erklärt. Beim Einzug Ludwigs
XI. in Paris treten wieder "Sirenen" auf (vgl. 1457): "Und
dann gab es noch drei recht schöne Mädchen, die ganz nackte Sirenen
darstellten, und man sah an ihnen die schöne Brust, gerade, frei, rund
und hart, was sehr hübsch war; und sie sagten kleine Sprüchlein
und Schäferverse auf; und bei ihnen spielten mehrere tiefe Instrumente,
die gewaltige Melodien hervorbrachten." (Chron. scand. I)
1462
Dieses Jahr bringen einen warmen, trockenen Sommer und eine gute Ernte. In
einer Straßburger Verfügung wird festgestellt, daß sich die
bisherigen Verordnungen gegen bestimmte Kartenspiele (z.B. das "Lüsterlin"),
die in unflätiges Fluchen ausarten, als unwirksam herausgestellt haben,
"weil bei jeder Gelegenheit neue Namen für sie erdacht wurden, unter
denen sie mit der Begründung weiter gespielt wurden, daß sie dann
nicht mehr verboten wären..." In Augsburg wird dem Patrizier Ulrich
Dendrich, der städtische Gelder veruntreut hat verboten, einen Ehrentitel
zu führen, Zobel und Marder, Seide und Samt, Schmuck, Gold und Silber
zu tragen. Aus der Rochlitzer Steinmetzordnung: "Ein jeglicher Meyster
soll seine Hüdtten frey halten, als daß darinne kein Zweytracht
geschehe. Und soll die Hütten frey halten wie eine Gerichtsstadt...Es
soll auch kein Meister keinen Gesellen fördern, der den anderen beleugt
oder unrecht thut und sich mit offenbarlichen Frauen umbführt. Die, die
in den Herbergen oder in Häusern, da sie arbeiten, mit Frawen oder mit
Meyden unzüchtiglichen zusprechen oder Unzucht darinne treyben, der auch
nicht beichtet, den soll man verweisen, und vor einen Übeltheter halten...Do
mag ein meister ein gemeine Recht halten in seiner Hütten über seine
eigene Gesellen; und soll auch recht richten und nicht nach Hasse, nach Feindtschafft,
nach Freindschafft, bey seinem Eide." In Würzburg gibt es einen
Schlotfeger. Seit Mitte Juli wütet in Nürnberg die Pest; es soll
ein Viertel der Einwohner umgekommen sein; auch Augsburg leidet (bis 1465
immer wieder aufflackernd) an der Pest. Mobilität beim Adel: Der Graf
von Angoulême wechselt in der zweiten Hälfte dieses Jahres sechsmal
sein Domizil.
28. Oktober: Gegenerzbischof Adolf von Nassau erobert im StraßenkampfMainz.
Die Stadt verliert 350 Tote, wird geplündert und muß ein strenges
Strafgericht über sich ergehen lassen: Die städtischen Privilegien
werden eingezogen, Rat und Zünfte werden aufgelöst. Die meisten
überlebenden männlichen Bürger werden verbannt und zahlreiche
Gebäude beschlagnahmt. Die Stadt wird kurfürstlich mainzische Landstadt.
Der einzige Vorteil dabei ist, daß die städtischen Schulden für
nichtig erklärt werden. Während der Erzstiftsfehde in Mainz muß
Johannes Gutenberg, der zudem in wirtschaftlichen Schwierigkeiten steckt,
die Stadt verlassen, wodurch seine Druckertätigkeit beendet wird. Eine
Taufformel aus diesem Jahre ist das älteste erhaltene schriftliche Zeugnis
der albanischen Sprache.
1462/1463
Die Pest in München; es stirbt daran auch Herzog Johann IV. von Bayern.
1463
Die Gewerbeordnung von Schlettstadt trägt den Krämern auf, jede
Menge an Kerzen und Unschlitt zu verkaufen - bei empfindlicher Geldstrafe.
Diese Maßnahme richtet sich gegen den Fürkauf (Aufkauf und Hortung
von Waren, bis die Preise auf einem Höchststand sind). Glücksspielverbot
in Straßburg. König Matthias von Ungarn trifft in Brünn Georg
von Podiebrad, wobei über den katholischen und den hussitischen Glauben
gestritten wird. Man beschließt, den Glaubensstreit durch einen Ringkampf
zu entscheiden. Ein ungarischer und ein böhmischer Ritter stellen sich
zum Kampf, "deren jeder die Stärke seiner Arme und Beine glänzen
ließ, während beide von ihren Landsleuten eifrig angefeuert wurden...
dann hob der Ungar den gewaltigen Körper des Böhmen hoch - und einen
Augenblick später warf er ihn zu Boden. Sofort griff ein anderer böhmischer
Ritter in den Kampf ein..." (Bonfini) Es hätte beinahe eine Schlägerei
gegeben. Es scheinen überhaupt die Böhmen im späten Mittelalter
als Ringkämpfer gefürchtet zu sein (nebenbei bemerkt auch als Büchsenschützen).
In der Kleiderordnung von Leipzig kann sich der Rat sogar vorstellen, daß
die Frauen über den ruinösen Aufwand an Kleidung "ire hußnarung
vorsumen und vorlassen" oder gar in unziemliche Gesellschaft geraten.
An Stoffen werden nur Samt und Seide ausdrücklich verboten. Herden Dude,
der bedeutendste Fischgroßhändler von Köln hat in seinen beiden
Häusern in Mainz 300 Malter Roggen und 200 Malter Weizen lagern. Er liefert
neben Wein auch das Massengut Getreide als Rückfracht für die Heringslieferungen
ins Oberland. Das Berner Münster erwirbt das angebliche Haupt des hl.
Vinzenz, das sich in Köln befindet. Es wird durch Johannes Bäli
"mit listen da dannen genommen...der ouch lib und leben darumb wagen
musst." Nach einem halben Jahr beschweren sich die Kölner brieflich
über den Diebstahl, aber Bern verweigert einfach die Rückgabe. Die
Pest in Danzig. In Frankfurt stehen 369 Häuser leer - fast doppelt so
viele wie 1420 oder 1428. Eine Preisliste aus Grasse zeigt die Hierarchie
der Preise für Fisch: An der Spitze stehen Goldbrasse, Meerbrasse, Zahnbrasse,
Seewolf, Knurrhahn und Seebarbe, die das Zweieinhalbfache von Sardinen, 60%
mehr als Sardellen und 25% mehr als Lengfische kosten. Der Adel in Nordfrankreich
bevorzugt (nach den Kochbüchern) das Neunauge.
1464
Herzog Ludwig der Reiche von Bayern belehnt die Trompeter Andreas und Jacob
mit dem "spilgrafenampt wie dies von altem herkomen ist". Nachdem
aus dem Berner Münster eine silberne Monstanz gestohlen worden ist, erläßt
der Rat am 19. Juli ein Mandat mit allerlei disziplinierenden Verordnungen,
darunter auch eine Kleiderordnung: Verboten werden Schnabelschuhe, zu kurze
Männerkleider und lange Schleppen an Frauenkleidern. Die Adligen mißachten
dieses Verbot. Dresden wird ständige Residenz der Wettiner. Pietro Barbo
wird als Paul II. neuer Papst (bis 1471). Sigismund Goczkircher, ein in München
lebender Leibarzt des Herzogs von Bayern, läßt seine Küche
mit "cziegelstain" pflastern und einen gemauerten Rauchabzug über
dem Herd und "danach ein gwelb machen". In Köln wird die vor
14 Jahren eingerichtete Kupfer- und Mesingschmelze trotz Bittschreiben der
Messingschmelzer aus Gründen der Gesundheitsvorsorge geschlossen. In
Nürnberg werden auf der Insel Schütt "Narrenhäuschen"
gebaut, in denen Geisteskranke gefangengehalten und zur Schau gestellt werden.
Sie werden vom Heilig-Geist-Spital verköstigt. Ein charakteristisches
spätmittelalterliches Urteil für Totschlag: Hans Vils von Vilters
im Kanton St. Gallen wird vom Schiedsgericht eines Grafen und eines Abtes
dazu verurteilt, am Tatort ein steinernes Kreuz zu errichten, zehn Seelenmessen
für den Getöteten lesen zu lassen und drei Wallfahrten nach Einsiedeln
zu unternehmen. Nach Jahresfrist muß er zusätzlich nach Rom pilgern.
Dann erst kann er mit Sicherheit für sich wieder heimkehren, soll aber
die Freunde des Erschlagenen meiden und ihnen ein Jahr lang aus dem Weg gehen.
In Braunschweig sieht sich der Rat gezwungen, Münzen ändern zu lassen:
Der Groschen mit dem Buchstaben "b" und im Wert von drei Pfennig
wird mit dem Buchstaben "B" gekennzeichnet, weil Fälscher mit
einem scharfen Eisen den Buchstaben "h" des Halberstädter Groschens,
der nur eineinhalb Pfennig wert ist, zu einem "b" umgeändert
haben. Kaufleute in Lüttich und Köln schließen sich zusammen,
um ein Söldnerheer zu finanzieren. Dieses zerstört anschließend
die Raubritterburg Rheydt am Niederrhein, eine Wasserburg. Es versterben:
Nikolaus von Kues, Papst Pius II., Cosimo de' Medici und der Maler Rogier
van der Weyden (ca. 65). Von diesem Jahr an ist der sogenannte Hausbuchmeister
tätig, der zahlreiche Kaltnadelradierungen hinterlassen hat.
Bis 1470: Amtsaufzeichnungen des Nürnberger Stadtbaumeisters Endres Tucher.
Bis 1477: Bau des Holsteintores in Lübeck.
1465
In Hamburg wird der erste Seiltänzer erwähnt. Beispiel für
ein Weistum: Die Bauern von Markelsheim (bei Mergentheim) legen in Gegenwart
eines Notars fest: "Item sie sprechen auch zu recht, wann ein brobst
zum Newenmunster zu dreyen malen im jare selbs personlichen kommen, hubgericht
zu halten, so sol er das zu yedem male viertzehen zag den hubnern vorhin verkunden,
als das vor alter here ist kommen." In den Weistümern sind es stets
die Bauern, die ihrer Herrschaft das Recht weisen. Sie sind also nicht einfach
nur Untertanen und sie bestimmen mit, wenn auch in geringerem Maße.
Dem Probst gegenüber haben hier die Bauern die Gastungspflicht, die aber
genau festgelegt ist: der Probst " ol kommen, als von alter herkommen
ist, samzwolft mit dreytzehen pferden, einer hubschen frawen, mit einem habich
und zweyen fogelhunden. So sollen die hubner ein all des abends und morgens
ein ambisse fur in, und die mit ime da sein sollen, betzalen und ausrichtung
thun, als das von alter here ist kommen; bleibt aber der brobst personlichen
aussen und die hubner solch mall bestelt hetten zu bereyten, so sol ein amptmann
uff dem fronhoff solch mall betzalen und dafur behafft sein." Was ist
damit gemeint? - Es sollen nur eine Dirne und nur ein Habicht verköstigt
werden, d.h. weder ein großes Jagdgefolge noch eine höfische Festgesellschaft,
und wenn der Herr nicht kommt, soll das für ihn vorbereitete Essen von
seinem Amtmann bezahlt werden. Der Rat von Köln stellt den Fürkauf
(Aufkauf und die Hortung von Waren, bis die Preise auf einem Höchststand
sind) von Silber, Blei, Korn und Warenballen unter schwere Strafe. Die medizinische
Fakultät der Universität Wien versucht vergeblich, das Apothekerwesen
zu regeln (wie schon 1404). Ab diesem Jahr gibt es in Nowgorod Verbote, Tuche
anders als gegen Wachs und Pelze abzugeben. Hier gibt es Widerstände
gegen die Umstellung vom Tauschhandel zur Geldwirtschaft.
1466
Wegen hoher Getreidepreise wird in Oberbayern die Ausfuhr von Getreide verboten.
In Einsiedeln werden 130000 Pilgerzeichen zu je zwei Pfennig verkauft. Pilgerzeichen
sind eine Art Devotionalien, meist aus einer Blei-Zinn-Legierung verfertigt;
es sind flache, vielfach durchbrochene Reliefdarstellungen von Heiligen oder
Reliquien. Auf den Pilgerzeichen von Einsiedeln ist der Märtyrertod des
hl. Meinrad dargestellt. In Rom wird erstmals auch Juden die Teilnahme an
Wettläufen gestattet. Als diese mehrmals siegen, werden sie ausgepfiffen
und tätlich bedroht. Es stirbt der Chorherr Werner Waldenburg aus Zürich,
der erste Eidgenosse, der freiwillig und aus Interesse an der Natur auf Berge
gestiegen ist, obwohl Felix Hemmerli gespottet hat, "daß er sich
wie Luzifer frühmorgens erhoben habe, um auf die Berge zu steigen."
(S. Widmer) In Nürnberg bekommt der Bäcker Offener vom Rat die Erlaubnis,
seine (geisteskranke - oder nur aufsässige?) Frau in Ketten zu legen.
Der Rat ist für den Verleih von Ketten zuständig. Über die
Messen von Lyon: "Wenn man sagt, daß bei Gelegenheit der Messen
von Lyon viel Gold- und Silbergeld aus dem Reich geschafft wird, was vor den
Messen nicht geschah, und dies zum Schaden des Königs, so ist die Antwort
klar, denn das Gegenteil ist richtig. Vor diesen Messen schafften viele das
Geld aus dem Reich... Es ist wahr, daß durch diese Messen kein Gold-
oder Silbergeld anderer fremder Länder, also Währungen, die durch
diese Messen und ihre Befreiungen in Umlauf sind, in diesem Reich als Zahlungsmittel
während dieser Messen zu seinem rechten Preis angenommen werden... Auch
wenn ein Teil aus dem Königreich hinausgeht, so bleibt doch viel übrig.
Und durch besagte Messen bringen viele Leute den Messen große Mengen
gutes Geld, das aus Deutschland und anderswoher kommt und das man in der Münzstätte
des Königs in Lyon bearbeiten läßt." [ohne Quellenangabe]
Während der Messen sind Fremdwährungen zugelassen. Finanzprobleme
des Adels: Herzogin Sophia von Jülich-Berg kann durch eine Anleihe 5514
oberländische Gulden auftreiben - von den üblichen bergischen Amtleuten,
aus dem Herzogtum Jülich von Stadt und Amt Grevenbroich und den Schöffen
von Jülich, ferner von den Städten Deutz und Köln (von Köln
allein 2000 oberländische Gulden). Von diesem Geld erhalten fünf
hofeigene Gläubiger allein 5000 Gulden, darunter der Kanzler Dietrich
Lünning. Es werden ferner die Sommerkleidung des Vorjahres, ein Teil
der Winterkleidung von 1465/66, die Arztkosten für den zur Fastnacht
erkrankten Herzog Gerhard, das zu Ostern gespendete Opfergeld der Herzogin,
die Herbergskosten des nicht im Schloß wohnenden Hofpersonals, Reisekosten
von Hofbediensteten und andere Schulden der Hofhaltung damit bezahlt, sodaß
nichts übrigbleibt. Die Ausgaben betragen mit 5971 Gulden sogar 8% mehr,
als zur Verfügung steht, und Schreiber Christian zum Pütz muß
das Defizit von 547 oberländischen Gulden zunächst einmal aus eigener
Kasse ausgleichen. Auf Madeira muß Getreide importiert werden, weil
fast nur noch Zuckerrohr angebaut wird. Zur Kornkammer Madeiras werden die
Azoren. Im Frieden von Thorn kommt das Gebiet des Deutschen Ordens endgültig
unter polnische Herrschaft.
1467
In München findet die erste nachweisbare Lotterie statt (Glückshafen).
Nach einer Leipziger Ordnung für Weinschenken darf kein Weinschenk eine
"offenbare Frau" im Keller dulden oder bewirten, damit nicht zwischen
den Studenten und Handwerksknechten Streit und Mord geschehe. "Fahrende
Frauen" sollen nur außerhalb von Haus und Keller bewirtet werden.
Glücksspielverbot in Göttingen. Am burgundischen Hof geben die Damen
die Schleppen an den Kleidern auf und schmücken dafür deren unteren
Saum mit einem breiten Pelzbesatz. Es wird - leider ohne Ortsangabe - eine
Katze zum Tode verurteilt, die ein 14 Monate altes Kind "erwürgt"
haben soll. Hans Thalhoffer verfaßt, vermutlich in Schwaben, sein Fechtbuch,
eine der ältesten deutschen Handschriften über die Fechtkunst. In
Genua wird ein Pestspital erbaut. George Nevell, Erzbischof von York und Kanzler
von England verbraucht für das Fest seiner Amtseinsetzung die folgenden
Vorräte: 75 Zentner Weizen, 300 Fässer Bier, 100 Fässer Wein,
104 Ochsen, sechs wilde Bullen, 1000 Schafe 304 Kälber, 304 Mastferkel,
2000 Schweine, 400 Schwäne, 2000 Gänse, 2000 Hühner, 1000 Kapaune,
je 4000 Wildenten, Tauben und Kraniche, tausende von weiterem Geflügel
(Wachteln, Schnepfen, Kraniche, Reiher, Pfauen), 500 Rehe und Hirsche, zwölf
Tümmler und Seehunde, 4000 kalte und 1500 warme Wildpasteten, 4000 Schüsseln
mit Sülze, 4000 kalte Torten, 3000 kalte und 2000 heiße Puddings
und "reichlich" Gewürze. [Nach Richard Warners "Antiquitates
Culinariae", London 1791] Auch hier sollte man die Zahlenangaben nicht
allzu wörtlich nehmen.
Bis 1508: Unter Herzog Albrecht IV. dem Weisen erlebt München eine Blütezeit.
1468
Anfang des Jahres stirbt Gutenberg in Mainz. In Ulm findet eine Lotterie statt.
In Frankfurt wird das verbotene Kegelspiel wieder zugelassen, aber mit der
Auflage, daß der Höchsteinsatz nur ein Heller sein darf. In Leipzig
wird dem Bäcker Veitz das Bürgerrecht aberkannt und er aus der Stadt
verbannt, weil er das Brot zu klein gebacken hat. In Nürnberg werden
an neun verschiedenen Stellen insgesamt 168 Linden gepflanzt. Der Nürnberger
Nikolaus Muffel verfaßt ein Gedenkbuch, worin er vom eifrigen Sammeln
von Reliquien berichtet. Es bereite ihm Schmerz, daß er es in 33 Jahren
nicht geschafft hat, für jeden Tag des Jahres ein Stück zu besitzen,
weil er dann pro Tag einen Ablaß von 800 Jahren erhalten hätte.
Bis zu seinem Tod bringt er es auf 308 Reliquien. In Pisa wird Reis angebaut.
Der Reis ist wahrscheinlich über das maurische Spanien nach Italien gekommen.
Beim Einzug Karls des Kühnen in Lille zeigt man eine beleibte Venus,
eine magere Juno und eine bucklige Minerva mit goldenen Kronen auf den Häuptern.
Bis 1488: Bau der Frauenkirche zu München. Meister Heinrich von Straubing
läßt dazu aus den Bergen des Isarwinkels 1400 Flöße
mit je 14 bis 15 Bäumen herabkommen.
1469
Aus der Domkirche zu Breslau wird eine silberne Johannesfigur im Wert von
135 Gulden gestohlen. Obwohl man dem Dieb die Verbrennung wünscht, scheint
man ihn nicht gefaßt zu haben. Aus diesem Jahr ist ein Programm für
die italienischen Testacci erhalten. Es sind dies mit Glanz und Pomp abgehaltene
sportliche Veranstaltungen mit folgenden Disziplinen: Wettläufe für
junge Burschen, für Kinder, für Juden, für Greise über
60 (die dafür bezahlt werden), Stierrennen, Eselsrennen und Stangenklettern.
Eine Anordnung für die Frankfurter Schuhmachergesellen: "Wenn Gesellen
barfuß und ohne Hosen zur Messe oder woanders hin auf Anordnung der
Bruderschaft gehen, müssen sie Wachs geben, es sei dann, daß einer
keine Hosen oder Beinlinge hat." In Frankfurt bestimmt das Bürgermeisterbuch
zum sicheren Ablauf des Weltgerichtspiels: "Item die judden sollen dis
spiel in ihren husern bliben und yne eynen gonnen, der sie besließe."
D.h. aus Sicherheitsgründen wird das Tor zur Judengasse verschlossen,
die Juden werden also zu diesem religiösen Spiel wortwörtlich ausgeschlossen.
Inventar eines Patrizierhauses nach einer Erbteilungsurkunde [leider wieder
ohne Ortsangabe]: "4 Betten, 4 Tischlaken, 7 Handtücher, 1 Brunnengelte,
2 große und 7 kleine zinnerne Schüsseln, 3 Kannen, 2 messingene
Leuchter, 10 irdene Schüsseln, 7 Teller, 3 buchsbaumene Löffel,
1 großes und 6 kleine Gläser, 3 Kessel, 4 Töpfe, 2 Pfannen".
In Nürnberg hat der Schlotfeger Endres Dür von Nördlingen bereits
85 Schornsteine zu fegen. Der Rat von Memmingen: "Item ain rat will zwo
tütsch schulen hie haben vnd nit mer, nämlich aine, darfun man knaben,
und aine, darfun man töchter lere." Bauernunruhen im Hegau stehen
erstmals im Zeichen des Bundschuhs. Sigismund von Tirol verpfändet das
Elsaß an Karl den Kühnen von Burgund. In Straßburg läßt
eine Besichtigung der Bordelle erkennen, daß die "spontzierinen"
eine große Zahl von Häusern in vielen Gassen innehaben (vgl. 1471).
Im diesjährigen Verzeichnis aller stadtbekannten Dirnen finden sich auch
22 Frauen, "dise wellen nit offen huren sein", meist alleinstehende
oder gemeinsam zu zweit lebende Frauen, die offenbar die Prostitution als
Nebenerwerb ausüben.
1470
Tacitus' "Germania" wird erstmals gedruckt. Augsburg veranstaltet
für 2208 Gulden ein Schützenfest: "Im Jahre 1470 hatte der
Rath zu Augsburg ein sehr stattlich Stachelschießen angestellt und an
vierzig Orten Ladschreiben ausgeschickt, also daß umb unsers Patrons
St. Ulrichstags ohne die, so nicht schossen, sondern allein Kurzweil und Gesellschaft
halber dabey waren, 466 Schützen zusammen kommen, under welchen zween
Fürsten von Bayern, Otto Fürst von Hennenberg, drey Grafen von Montfort
und einer von Ötingen, 4 Ritter und sehr viel vom Adel gewesen, und der
von weitesten alher kommen, war ein Burger von Strigaw in Ungarn und aber
ein geborner Deutscher. Es wurden 40 Gewinneter auffgeworffen, darunter das
beste ein silberner Becher, 101 Gulden werth, Urban Schweitzer von Dünkelspühl
mit 12 Freischüssen gewonnen, also daß er mit keinem stechen dörffen.
Desgleichen wurden auch allerley kurzweilige Spiel und Kämpfe umb gewisse
Gaben angericht; under welchen Christoph, Herzog zu Bayern, das beste mit
lauffen und springen, und Wilhelm Zaunried ein Ritter mit dem Stein, das ist
daß man ein großen Stein mit einem Arm in die Wette geworfen,
das Gewinnet erhalten; und dann hatte man auch umb 45 Gulden zu rennen, welche
Wolfgang Herzogs zu Bayern Pferdt, so den andern weit vorgeloffen, gewonnen.
Letztlich wurde ein Glückshafen von 22 Gaben aufgericht, darein 36464
Zettel und auf jeden 8 Pfennig eingelegt worden, darauf Augustein Koch von
Gemünd das beste, nämlich 40 Gulden gewonnen, da es auch ohn allen
Betrug zugegangen. Alle diese Schützen wurden under Tags mit einem guten
Trunk under den Gezelten und in denen hierzu aufgeschlagenen Küchen auff
gemeiner Stadt Unkosten erquicket und lustig gemacht." 25. November:
Auf der Messe in Bern tragen die Adligen demonstrativ die 1464 verbotenen
Kleider, worauf der Schultheiß (aus dem Handwerkerstand) Anklage erhebt.
Die adligen Frauen protestieren gegen das Verbot langer Schwänze an der
Kleidung, mit dem Argument, daß sie nur zu besonderen Anlässen
aufwendige Kleider tragen wollen. Nur "müstent si sich nothalb mit
den swenzen an iren cleidern uszeichnen damit man si vor anderen erkennen
und den vorteil wissen möcht" (Berner hronik des Diebold Schilling)
Die Adligen werden zu Geldbußen und einem Monat Verbannung aus Bern
verurteilt. Nach Ablauf dieser Frist kehren sie nicht zurück. (Betrifft
den größten Teil des Berner Adels) Hoher Kleideraufwand in der
Oberschicht ist normalerweise auf festliche Anlässe beschränkt.
Herzog Ludwig der Reiche von Niederbayern erläßt in der Kleiderordnung
für Männer und Weiber zu Landshut" für Frauen wesentlich
umfangreichere Einschränkungen als für Männer. Nach seinem
Baumeisterbuch notiert Endres Tucher in Nürnberg in diesem Jahr die Existenz
von gepflasterten Rinnen und "reihen", engen Gängen zwischen
den Häuserrückseiten, die auch Abfälle aufnehmen und normalerweise
von den Anliegern, vereinzelt auch von der Stadt zu unterhalten sind. Tucher
läßt eine solche "reihen" im Judenviertel räumen:
"Die Reihen war in 18 jaren nit geräumt worden." Seine Aufgabe
ist es auch, dafür zu sorgen, daß keine Aborte in diese Reihen
geleitet werden. Auf Intervention einflußreicher Bürger erhält
er den Auftrag, vom "heimlichen Gemach" (Abort) eines Hauses einen
"dollen" zur Pegnitz zu bauen. Diese Ableitung wird unterirdisch
verlegt und mit Steinplatten abgedeckt, was hohe Kosten verursacht und wohl
nur den reicheren Vierteln vorbehalten ist. Im Haus der Wechselstube am Markt
muß er den Abort räumen lassen, welcher übergelaufen ist,
weil er seit Menschengedenken nicht mehr geleert worden war. Nachdem die Pappenheimer
(Nürnberger Grubenreiniger, geschworene Handwerker, ein anerkanntes Gewerbe)
bis zum Keller vorgedrungen sind, durchstoßen sie den Boden und finden
gerundetes Mauerwerk, bis oben mit "unlust" gefüllt. Daraus
werden etwa 300 Schaff herausgetragen, bis etwa 2 m unter Kellerbodenniveau
das Grundwasser erreicht ist: Wasser läuft nach, soviel auch geschöpft
wird. Daraufhin wird die Aktion abgeschlossen und Tucher notiert, dieser Kasten
sei ein alter Brunnen und läßt ihn mit einer freiliegenden Platte
verschließen. Fäkalien gelangen ins Grundwasser. In Nürnberg
werden 22 Vogelbeerbäume gepflanzt. Wegen hoher Getreidepreise wird in
Niederbayern die Ausfuhr von Getreide verboten. Eine Passauer Synode verbietet
u.a. das Segnen des Blasius-Wassers, weil dies bei einfältigen Menschen
Anlaß zu abergläubischen Meinungen gäbe. Beispiel für
einen Schandbrief: Erwin von Gleichen schreibt an Werner von Hanstein, dieser
sei "ein gelbwachsen, rotbertig, rot ritter, schalk und bösewicht,
der do treuebrüchig wirt an sime lide briefe und sigel, und wir werden
underricht, wie daz dich ein hure uß der metergaßen zu Erfurt
verwechselt habe in der wigin." Die spätere Schimpfartistik des
16. Jhs. ist dem Mittelalter fremd, nicht zuletzt, weil schwere Strafen auf
Verletzung des Leumunds stehen. Dazu gleich ein Beispiel aus Breslau aus diesem
Jahr: für Schmähung eines Kämmerers, dreimalige Mißachtung
einer Ratsvorladung oder "unvernünftige Worte" werden 100 Mark
Strafe verhängt. Dresden erhält eine neue Ratsordnung mit größeren
Rechten für die Handwerker. Kaiser Friedrich III. hält sich auf
der Burg zu Nürnberg auf. Der Ratsbaumeister Tucher läßt ihm
ein Bett bereiten: Über dem Strohsack zwei Federbetten, vier Leilachen,
ein Polster und zwei aufwendiger gearbeitete Kissen aus einem steifen Leinenzeug.
Mainz hat nur noch 6000 bis 7000 Einwohner (früher bis 25000).
Ca.: Martin Behaim fertigt seinen "Erdapfel" an, die älteste
erhaltene Darstellung der Welt in Kugelform.
Ca.: In Linconshire liegt die durchschnittliche Anzahl überlebender Kinder
pro Famile bei 2,5.
1471
Der Rat von Bern lenkt im Twingherrenstreit ein und lockert die Kleiderordnung,
worauf die Adligen zurückkehren. Agostino Patrizzi wirft den deutschen
Bischöfen vor, sie unterhielten ohne Rücksicht auf die Würde
ihres Amtes wie die weltlichen Fürsten Musikanten, Taschenspieler und
Wahrsager an ihren Höfen. Während des großen Reichstages zu
Regensburg trifft der Rat alle möglichen Vorkehrungen: Es werden vier
Garküchen errichtet, selbst Spielhäuser werden geduldet und den
Frauenhäusern (Bordellen) werden größere Freiheiten eingeräumt.
Jede Dirne muß sich dem Profosen vorstellen und ihm einen Gulden und
ein Paar Handschuhe sowie seinem Steckenbuben sechs Batzen geben. Das entsprechende
Register verzeichnet 1500 Dirnen, und es wären dem Profosen "doch
für den ganzen Reichstag, soviel Fürsten, Grafen, Edelherren und
hohe Prälaten, diese gemeinen fahrenden Frauen und Jungfrauen, seine
armen Töchter, fast zu wenig geworden". Es wird auch für die
Anwesenheit des Kaisers verordnet, "in alle kamer prunczscherben"
(Nachttöpfe) aufzustellen, "in der keisers gemech weise verzinte
pecklein in der herren kamer verglast, sust weiss scherben zu jedem pet."
Es werden erhöhte Steuern und Abgaben erhoben. Vor den einreitenden Fürsten
laufen die "Freiharte" her und rufen: "Hie kommen die hochgeborn
fursten und herrn, die sechen essen und trinken gern, sie gen huren und buben
gnug, das ist unser und aller freiheiten fug." (Wunnebald Heidelbeck)
Hier wird erstmals auch die Bezeichnung "Reichstag" verwendet. In
diesem Jahr herrscht ein "guter, warmer, trukner, seliger sumer".
(Nürnberger Chronik) In Konstanz verbietet der Rat, Vögel (außer
Spatzen) zu schießen. Aus diesem Jahre stammt auch die älteste
erhaltene deutsche Anzeige für (gedruckte) Bücher: "Were yemant
hye, der zu kouffen begerte etlich teutsch und gedruckte bücher, der
nam hernach geschriben stat der kom in des schmidlins huss uf dem crucz zu
dem Ginthero genant Zainer von Reutlingen da findet er die und werdent im
gegeben umb ain gleich zimlich gelt: ain büchlein der siben teutschen
psalmen, vesper, vigili und selmess und vil der anderen gebeten des wirdigen
sacramentes, die Histori von dem leben aines kunigs uß tiria und sydonia,
gehaissen Appolonius, ain epistel gezogen uß francisco petrarcha und
ze teutsch gemachet, von ainer tugentreichen frowen, Griseldis gehaissen usw."
In Straßburg werden die Dirnen aufgefordert, binnen 14 Tagen in ihre
drei ursprünglichen Gassen und an die Stadtmauer zurück zu übersiedeln,
bei einer Strafe von fünf Schilling Pfennig. Es werden ihnen auch Mäntel
vorgeschrieben, die drei Finger breit über der Erde sein sollen und außerdem
weder mit Veh noch mit Seide gefüttert sein dürfen. Verboten sind
außerdem Kleider mit Veh oder goldenen Spangen, goldene Gürtel
oder solche aus Korallen oder Chalzedon im Wert von (über?) 50 Gulden.
Ringe dürfen höchstens einen Gulden wert sein. Untersagt wird ihnen
auch der Aufenthalt im Münster, bei Strafe von zwei Schilling Pfennig,
wozu ihnen Schleier und Mantel als Pfand abgenommen werden können. Die
Augsburger Bürgerstochter Clara Hätzerlin verfaßt ein Lehrgedicht
"Von tisch zucht". Antonius Campanus schreibt, daß in Würzburg
die Straßen schlammig seien und über der Stadt der Geruch gedüngter
Weinberge läge. Aus der Hutmacherordnung von St. Pölten: "Item
wenn ainem maister ain junger (Lehrling) hinlauft und so mag er ee ain andern
aufnehmen; lauft derselb auch nach dem selben jar hin, so sol er kainen aufnemen,
uncz das die zeit aus ist alslang er gedingt hat." Aus diesem Jahr sind
aus Amiens die Statuten einer Bruderschaft der Spielleute überliefert,
welche vermutlich schon länger besteht. Es gibt allgemeine religiöse
Bestimmungen, besonders zum Begräbniskult, sowie die Verpflichtung zu
Wettbewerben in Gesang, Instrumentenspiel und Schauspiel. In Breslau wird
ein fünfzehnfacher Kirchenräuber namens Franz Weißack mit
Zangen gerissen und verbrannt. Er soll u.a. Hostien gestohlen, verzehrt und
verstreut sowie Weihwasser getrunken haben. Trotz der Schwere der angedrohten
Bestrafung (seit der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts in Schlesien
Verbrennung statt Räderung - im 17. Jahrhundert wird dann auch wieder
gerädert werden...) gehört Kirchendiebstahl zu den häufigsten
Verbrechen. Nach einem dürren Sommer gibt es ein Massensterben (Pest?)
in Meinigen. In Frankfurt, Ulm, Braunschweig und einigen anderen Orten grassiert
erneut die Pest. In acht Pfarreien in der Gegend von Vence (Frankreich) zählt
man über 25000 Schafe und 1100 Stück Hornvieh, d.h. über 100
Stück Vieh pro Familie. Die viehzucht entwickelt sich im Spätmittelalter
rapide, wegen Bevölkerungsrückgang, Arbeitskräftemangel, der
Zunahme von freien Flächen sowie wachsender Fleischnachfrage der Städte.
Zu Roermond verstirbt Dionysius der Kartäuser (van Ryckel), von einigen
der letzte Scholastiker genannt. Der Franziskaner Francesco della Rovere,
Professor an etlichen italienischen Universitäten, wird als Sixtus IV.
neuer Papst. Er lebt zwar zölibatär, begünstigt aber die Kinder
seiner Geschwister in bis dahin beispielloser Weise. Um die burgundische Herrschaft
zu festigen, sammelt Peter von Hagenbach, der gewalttätige und rücksichtslose
Landvogt Karls des Kühnen von Burgund in dessen österreichischen
Erblanden am Oberrhein Kriegsvolk. An Söldnern sammeln sich Schweizer
(trotz Reislaufverbot in der Schweiz), Elsässer und Oberdeutsche. Das
Fußvolk wird nach Schweizer Art mit Langspießen bewaffnet, mit
denen zunächst aber nur die Schweizer selbst umgehen können. In
einem Aufstand am Oberrhein erheben sich die Breisacher und vertreiben die
Burgunder. Hagenbach wird vom Konstanzer Bund gefangen und enthauptet.
Bis 1475: An deutschen Universitäten nehmen 6712 Studenten das Studium
auf. In 40 Jahren wird sich diese Zahl bereits fast verdoppelt haben.
1472
In Frankfurt werden Brillenmacher erwähnt. In Augsburg ist der Anteil
der Vemögenslosen auf 60,5% gestiegen. In Augsburg erscheint "Dez
guldin spil" des Dominikaners Ingold. Darin werden Spiele als Heilmittel
gegen die sieben Todsünden empfohlen: Würfeln gegen Geiz, Dame gegen
Gefräßigkeit, Schach gegen Hochmut, Karten gegen Unkeuschheit,
Tanzen gegen Trägheit etc. Aus diesem Jahr haben wir die Gewichte von
Steinen für das sportliche Steinwerfen: 15, 30 und 50 Pfund. Schützenfest
in Zürich, erstmals ausschließlich für Feuerwaffen. Aus den
Aufzeichnungen des Nürnberger Baumeisters Endres Tucher: Ein Bürger
namens Gabler in der Wechsel, der nahe dem Schönen Brunnen sein "heimliches
Gemach" besitzt, muß feststellen, daß dieses "an der
roren im keller durchprach und ausging" - kein Nachtmeister (Kloakenreiniger)
kann sich daran erinnern, dort jemals geräumt zu haben. Ferner muß
Tucher auf der Veste den Brunnen reinigen lassen, weil eine Katze hineingefallen
ist. Dies erfordert einen Maurer, fünf Gesellen und drei Pferde und kostet
16 Pfund Pfennig. In Nördlingen entrüstet sich der Rat über
die Anwesenheit von Geistlichen im Frauenhaus in den Abendstunden, nicht weil
diese dorthin gehen, sondern weil diese Zeit doch für die Bürger
reserviert sein soll. Im Frauenhaus zu Leipzig kommt es zu Schlägereien
zwischen Studenten und anderen Besuchern. In Breslau werden zwei Bürgerssöhne
gehenkt, weil sie versucht haben, Gefangene zu befreien. Das Kloster von Unserer
Lieben Frau in Breslau läßt eine neue Kapelle mit einer Darstellung
vom Jüngsten Gericht ausmalen. In die Schar der zur Hölle Verurteilten
reiht der Maler auch den im Vorjahr verstorbenen (hussitischen) Böhmenkönig
Georg von Podiebrad ein. Dessen Sohn Heinrich droht daraufhin, die Kirche
und ihre Dörfer niederzubrennen, wenn sein Vater nicht übermalt
werde. Das Kloster beugt sich und ändert das Gemälde. In der Küche
der bischöflichen Residenz zu Trient finden sich unter dem kuchengeschir"
allein an Kesseln: "vier groß kessel, zwen mittel kessel, VII klein
kesslen, ein läuetschen" (Kessel zum Kochen oder Waschen) sowie
"ein kleinß kesselein on ein hanthab". Gründung der Universität
Ingolstadt.
1473
In Ravensburg besitzen zehn Männer 13% des Gesamtvermögens der Stadt.
Das Richtbuch der Stadt Zürich enthält eine Vielzahl von Übertretungen
der Kleiderordnung. Vor allem werden Schuhmacher wegen Herstellung zu enger
Schuhspitzen mit je zwei Mark Silber bestraft. Der Rat von Leipzig schreibt
den "wilden Frauen" (Dirnen) vor, ein großes gelbes Tuch an
ihrer Kleidung anzubringen. Die Juden werden aus Mainz ausgewiesen und dürfen
erst in 100 Jahren dort wieder eine Gemeinde bilden. In Frankfurt wird das
Glücksspiel teilweise verboten. In Straßburg wird das Verbot des
Würfelspiels erneuert. Ebenfalls verboten ist das Schießen "in
die wanne mit Pfennigen". Erlaubt sind Schach, Brettspiel, "bescheidenlich
karten...walen und kegeln". Ulrich Ellenbog von Feldkirch, ein gelehrter
Arzt, verfaßt ein siebenseitiges Merkblatt "Von den gifftigen besen
tempffen und reuchen", in Anlehnung an die "Practica" seines
Lehrers in Pavia, Giovanni Matteo de Gradibus. Diese Schrift wird wahrscheinlich
zum Gebrauch und Nutzen gewisser Augsburger Handwerker (etwa der Goldschmiede)
verfaßt. Es ist die erste Darstellung von Berufskrankheiten, auch wenn
eine unmittelbare Wirkung sich nicht nachweisen läßt. Es finden
sich darin Ratschläge zur Vorbeugung von Vergiftung durch Kohlenmonoxid,
Blei- und Quecksilberdämpfe. (Vermutliche) Kinderschändung: Ein
wahrscheinlich noch nicht zehnjähriges unehelich geborenes Mädchen
armer Abkunft wird von einem 22jährigen Kurien-Kleriker namens Johannes
Ditmar vergewaltigt. Dafür muß eigentlich die Todesstrafe verhängt
werden, aber Papst Sixtus IV. - in der Vorbereitung des Heiligen Jahres 1475
auf der Suche nach Geld für den Bau des Ponte Sisto - läßt
eine "Steuer" von 100 Dukaten von den deutschen Kurialen erheben
und den Vergewaltiger zur Zahlung einer Mitgift von 100 Dukaten verurteilen.
Ob er das Mädchen wirklich heiratet, wie er im Prozeß erklärt,
ist fraglich. Es stirbt Herzogin Sophia von Jülich-Berg. Sie hat (kurz
zuvor) acht Pfeifer, zwei Trompeter, zwei bis vier Lautenschläger, einen
Sänger, den Herold Hermann Brüninghausen und zwei Narren beschäftigt.
(Unter ihrem Sohn kommt noch ein Tambourin und ein Bongener (wohl ein Pauker)
hinzu, ohne daß sich die Gesamtzahl der Spielleute verändert.)
Sie verpflichtet in ihrem Testament ihren Sohn u.a. zur Schuldentilgung. Braunschweig
erhält ein Pestspital. In Buda entsteht das erste gedruckte ungarische
Buch, eine lateinische Chronik der Stadt. Drucker ist Andreas Heß. Lyon
erhält eine Druckerei (wahrscheinlich die erste in Frankreich).
1474
Streikverbot für Textilarbeiter in Utrecht. Es haben dort nämlich
die Walker versucht, Lohnerhöhungen durchzusetzen. Der Rat von Freiburg
i. Ue. beschließt, daß keinem Spielmann mehr, mit Ausnahme dem
des Herzogs von Savoyen und des Herzogs von Österreich, eine Gabe gewährt
werden soll. Im Troß Karls des Kühnen vor Neuss befinden sich auch
4000 Dirnen, die zu Schanzarbeiten eingesetzt werden. (Das eigentliche Heer
umfaßt 30000 Mann.) Nach einer Ulmer Chronik werden deutsche "Spielkarten
in kleine Fässer verpackt nach Italien, Sizilien, ja selbst nach jenseits
des Mittelmeeres als Tauschware für Gewürze und andere Waren"
exportiert. Aus einer Beschreibung von Zürich (linkes Limmat-Ufer): "...undir
den Lynden stehin tissche dor uffe legen schachzabel spil und bredtspil...
Do sint ouch boßkugeln und ander spil. Uff den bergk und undir den lynden
gehit das eddile volgk und ouch die burgere und schissen do mit den armbrosten
czum czele..." Dort finden auch sportliche Veranstaltungen und Lotterien
statt. In Breslau werden "andere fenster von papir und permynt [Pergament]
ader plostere [Haut der Blase]" erwähnt. Diese Materialien dienen
als Kälteschutz, denn Fensterglas ist außerhalb von Kirchen rar.
In Basel wird ein elfjähriger Hahn [-werden Hähne so alt?-] zum
Tode verurteilt, weil er im Bunde mit dem Teufel ein Ei gelegt haben soll.
Er wird am 4. August enthauptet und samt Ei auf dem Marktplatz verbrannt.
Ein päpstliches Breve fordert für die Besetzung eines Sitzes im
Kölner Domkapitel den Nachweis von sage und schreibe 16 adligen Ahnengenerationen.
In Mailand sind 15000 Menschen in der Seiden- und Samtproduktion beschäftigt.
Seit 1471 hat die päpstliche Kanzlei etwa 56000 Schriftstücke ausgegeben,
Kaiser Friedrich III. zum Vergleich nur etwa 5000.
1475/1475
Das Basler Aufgebot wird versorgt mit: Gerste, Hafer, Hafermehl, Erbsen, Zugemüse,
Butter, Käse, Speck, Schweine-, Rind- und Ziegenfleisch, Fisch, Zwiebeln,
gesottenem Wein, Branntwein (!), Essig, Senf, Konfekt, Gewürze sowie
bestimmte Weizenarten zum Backen von Brot. Trinkwein fehlt nur deshalb, weil
er unterwegs zugekauft wird. Dabei handelt es sich um Massenverpflegung!
Bis 1480: In Halle verfaßt Ratsmeister Marcus Spittendorf Aufzeichnungen
(so etwas wie eine Stadtchronik), um sein Verhalten in einem innerstädtischen
Konflikt zu rechtfertigen.
1475
Köln wird reichsrechtlich als freie Stadt anerkannt, was de facto schon
lange der Fall ist. In Wien liquidiert der Huntschlager in diesem Jahr 510
Hunde. Am Frankfurter Brückenturm wird eine Darstellung angebracht, die
angebliche Ritualmorde durch Juden zeigt.
März: Als Königin Dorothea von Dänemark auf dem Weg nach Rom
in Augsburg Station macht, erhält sie dort als kostbarstes Geschenk 24
Schachteln Konfekt. In Rom erscheint das erste gedruckte Kochbuch überhaupt:
"De honesta voluptate et valetudine" von Bartolomeo Sacchi di Piadena.
In folgenden deutschen Städten gibt es Druckereien: Mainz, Bamberg, Straßburg,
Köln, Basel, Augsburg, Speyer, Lübeck, Nürnberg, Erfurt und
Ulm. Italien hat Druckereien in Rom, Venedig, Neapel, Bologna, Mailand, Florenz,
Mantua, Padua, Vicenza und Trient. Hanns Paur fertigt ein "Verlobungsbild"
an, welches der künftigen Hausfrau ein Sortiment von Küchengerät
zuordnet: Stielpfanne, Hängekessel, irdener Deckeltopf, dreibeiniger
Kugeltopf, Sieb, Schürgabel, Pfannenring, Blasebalg, Bratrost, Bratspieß,
Hackmesser, Mörser, Herdbesen, Salzfaß und Streugefäß.
In Ulm wird die erste deutsche Übersetzung des Vegetius (aus dem 4. Jahrhundert)
gedruckt: "Des durchleichtigen, wolgebornen Grauen Flavii Vegecii Renati
kurcze red von der Ritterschafft zu dem großmechtigsten Kaiser Theodosio,
seiner biecher vierer" von Ludwig Hohenwang von Thal Elchingen. Todesfälle:
Der Maler Dirk Bouts (65). Stiftung der Großen Ravensburger Handelsgesellschaft.
Hier verbinden sich Geschäftssinn und Frömmigkeit: Man gibt einen
Schnitzaltar in Auftrag, für den fünf Patrone gewählt werden,
darunter Antonius von Padua, weil er bei den Abrechnungen gute Dienste leisten
soll, speziell, wenn das Gedächtnis versagt; ferner der hl. Bernadin,
weil er (1444) in Aquila (Abruzzen) gestorben ist, wo die Gesellschaft intensiv
Safranhandel betreibt. Nach dem Tode des Nürnberger Blechschmiedes Konrad
Eschenloer führt seine Witwe, die selbst aus der Eisenbranche kommt,
sein Geschäft weiter. Mit 53 Zentnern Blech zieht sie auf die Frankfurter
Messe. Auch die Große Ravensburger Handelsgesellschaft zählt zu
ihren Kunden. das ökonomische und politische System der Hanse beginnt
sich aufzulösen. Aus diesem Jahre sind aus Passau vier Eichgefäße
erhalten, die auf dem alten bayerischen Hohlmaß fußen: ein "Viertel"
= 2,05 Liter, ein "Kanndl" = 1,05 Liter, ein "Seidl" =
0,52 Liter und ein "Pfiff" = 0,27 Liter. Diese Eichmaße sind
allerdings nur noch fünf Jahre lang gültig. In Krems geben die Einnahmen
des Stadtrichters Auskunft über die Strafen bei Verwendung von "unrecht
ellen": zwei rheinische Gulden, und bei "unrecht Gwicht": einen
halben bis einen rheinischen Gulden. Gründung der ersten Rosenkranzbruderschaft
durch den Kölner Prior Jakob Sprenger, von dem man noch hören wird.
Papst Paul II. ruft ein Heiliges Jahr aus, indem er den bisher üblichen
Fünfzigjahreszyklus auf 25 Jahre verkürzt. Dieses Heilige Jahr zieht
allerdings wesentlich weniger Pilger an, obwohl allein im April 2,1 Millionen
Liter Wein für 65000 Kammergulden importiert werden, davon rund ein Viertel
durch den päpstlichen Hof. Karl der Kühne von Burgund zieht triumphal
in Nancy ein.
1474/1476
Es stirbt der Augsburger Kaufmann Burkhard Zink. In seiner Chronik findet
sich u.a., daß bei schweren Schneefällen Waldvögel in die
Häuser der Menschen flüchten und gefüttert werden. Zink hat
in 35 Jahren zehnmal die Wohnung gewechselt und hat meist in Miete gewohnt,
obwohl er zwei Häuser besitzt. Sterzing hat 99 Feuerstätten.
1476
Eine Nördlinger Kleiderordnung verspricht einem Denunzianten, welcher
dem Rat oder den "ainingern" Übertretungen meldet, die Hälfte
der Strafgebühr. Eine päpstliche Bulle sanktioniert die Rechtmäßigkeit,
den Ablaß den Seelen der Verstorbenen "per modum suffragii"
zuzuwenden.
März: Die Stadt Bern bittet per Brief die Reichsstädte Konstanz,
Ravensburg und Lindau um Unterstützung durch Hakenbüchsenschützen.
Es sind diese oberdeutschen Knechte allerdings ein wenig verläßliches
Kriegsvolk. Sie ziehen auch mit Herzog Reinhard von Lothringen gegen Burgund
und laufen bei Pont-à-Mousson vor dem Feind davon. Dieser ganze Feldzug
schließlich endet mit einem Aufstand der Knechte gegen den Herzog. Dieser
verlegt sich fürderhin auf Schweizer Söldner. Anfang Mai: Im fränkischen
Niklashausen behauptet ein ländlicher Musikant namens Hans Behem, die
Heilige Maria sei ihm erschienen und beginnt dort zu predigen. Dies zieht
Tausende an.
Ende Juni: Amtsträger des Mainzer Erzbischofs und des Würzburger
Bischofs beschließen, daß gegen die illegale Predigt von Hans
Behem, des "Pfeifers von Niklashausen" eingeschritten werden müsse,
und am 2. Juli schicken sie Notare und andere Beauftragte nach Niklashausen,
die aufschreiben sollen, was dieser predige. Diese Aufzeichnungen sind erhalten:
"Erstens untersteht er sich, ununterbrochen vor dem Volk zu predigen
und zu sagen, was nun folgt: Daß ihm die Jungfrau Maria, die Mutter
Gottes, erschienen sei und ihm den Zorn Gottes über das menschliche Geschlecht
und insbesondere gegen die Priesterschaft offenbart haben soll. Daß
Gott deshalb seine Strafe habe verhängen wollen. Wein und Korn sollten
am Kreuztag (3. Mai) erfroren sein. Das habe er durch sein Gebet abgewendet.
Daß im Taubertal ebenso große, vollkommene Gnade und noch mehr
als in Rom oder irgendwo sein will. Welcher Mensch ins Taubertal kommt, der
erhält alle vollkommene Gnade. Wenn er sterbe, fahre er vom Mund zum
Himmel auf. Welcher Mensch nicht in der Kirche (von Niklashausen) gelangen
kann, da sie so klein ist, erlange dennoch die Gnade. Er solle dafür
seine Treue zum Pfand setzen. Und wäre eine Seele in der Hölle,
so wolle er sie an der Hand herausführen. Daß der Kaiser ein Bösewicht
sei. Und mit dem Papst ist es nichts. Der Kaiser gebe einem Fürsten,
Grafen und Ritter und Knecht, geistlichem und weltlichem, Zoll und Belastungen
über die kleinen Leute - 'Oh weh, ihr armen Teufel!' Die geistlichen
haben viele Pfründen. Das soll nicht sein. Sie sollen nicht mehr haben
als von einem zum anderen Mal. Sie werden erschlagen, und in kurzer Zeit wird
es dazu kommen, daß der Priester die Glatze mit der Hand bedecken möchte.
Er täte das gern, damit man ihn nicht erkennt. Daß die Fische in
dem Wasser und das Wild auf dem Felde allgemein (zur Verfügung stehen)
sollen. Daß die Fürsten, geistliche und weltliche, auch Grafen
und Ritter, so viel haben. Hätten das die gemeinen Leute, so hätten
wir gleich alle genug, was nun geschehen muß. Es kommt dahin, daß
die Fürsten und Herren noch für Tagelohn arbeiten müssen. Vom
Papst hält er wenig, ebenso vom Kaiser. Denn wäre der Papst fromm
und fände man ihn bei seinem Ende so, ebenso den Kaiser, so fahren sie
unmittelbar zum Himmel. Findet man sie aber böse, so fahren sie unmittelbar
in die Hölle. So daß er nichts vom Fegefeuer hält. Er will
die Juden eher bessern als geistliche und Schriftgelehrte. Und wenn ihm ein
Priester schon Glauben schenke: wenn er wieder nach Hause kommt, bedrängen
ihn zwei oder drei und schreien ihm die Ohren voll, so daß es viel böser
wird als vorher. Die Priester sagen, ich sei ein Ketzer, und sie wollen mich
verbrennen. Wüßten sie, was ein Ketzer sei, würden sie erkennen,
daß sie Ketzer seien und ich nicht. Verbrennen sie mich jedoch: Weh
ihnen! Sie werden wohl merken, was sie getan haben, und das wird Schaden für
sie bringen. Zu Holzkirchen hat einer unter dem Volk vor ihm gekniet. Den
hat er absolviert und danach nach Niklashausen an den Pfarrer verwiesen. Die
Mutter Gottes wolle zu Niklashausen mehr verehrt werden als irgendwo sonst.
Er sagt, der Bann sei nichts. Und die Priester scheiden die Ehe, was niemand
als Gott tun kann. Das alles und noch mehr haben öffentliche Schreiber
und Zeugen gehört und aufgeschrieben." In der Nacht auf den 12.
Juli wird Hans Behem gefangengenommen und am 19. Juli als Ketzer hingerichtet.
Schlacht von Murten. (Karl der Kühne von Burgund unterliegt gegen die
Schweizer) Nur noch 40% des Schweizer Fußvolks sind mit Hellebarden
bewaffnet. Der Anteil nimmt weiter ab. In der Armee Karls des Kühnen
von Burgund erscheint als Waffe der Roßschinder (Guisarme, Roncone,
Bill, Italienische Halbarte), eigentlich eine spezielle Stoßwaffe mit
geschliffenen Gertelhaken, die speziell dafür konstruiert ist, die Beinsehnen
der Pferde abzuscheren bzw. die Pferde durch Stich und Schnitt kampfunfähig
zu machen. Als Reaktion auf seine Niederlagen hat Karl der Kühne nach
französischem Vorbild eine Heeresreform eingeleitet. Es werden schwerbewaffnete
Reitereinheiten aufgestellt, die "compagnies d'ordonnance", deren
jede aus 100 "lances" besteht, Gruppen aus vier bis sechs Mann (ein
schwergepanzerter Ritter und einige Fußkämpfer, die auf dem Marsch
ebenfalls beritten sind, dazu ein "Couleuvrinier", d.h. ein Handbüchsenschütze).
Es werden Langspieße nach Schweizer Vorbild eingesetzt und das Zusammenwirken
der verschiedenen Waffen nach eigenen "Reglements" geübt. Dieser
Versuch, das mittelalterliche Heerwesen zu reformieren, schlägt fehl.
Letztlich sind wieder die schwergerüsteten Ritter die Hauptwaffe und
das Fußvolk hat nur eine Hilfsfunktion. Nach dem Sieg bei Grandson über
die Burgunder erbeuten die Schweizer 400 Kisten gefüllt mit Gold- und
Silberstoffen und mit kostbaren Kleidern, von denen 100 gestickte goldene
Röcke allein den Herzog gehört haben, sowie 400 seidene Zelte, darunter
das mit Samt, Gold und Perlen besetzte herzogliche Zelt. Im Rechnungsbuch
des Nürnbergers Hans Praun findet sich eine der ersten Nachrichten über
über eine mechanische Uhr im Haushalt: Er bezahlt heuer einem Schlosser,
dem Meister Ludbig <sic!> einen Gulden für ein "weckerlein
oder örlein". In Hamburg wird gestattet, daß jeder Bürger
sechs und die Bäcker zehn Schweine halten dürfen. Wie man sich als
Bischof durchsetzt: Bischof Rudolph von Breslau belegt alle Amtleute von Glogau
mit dem Bann, weil diese Stadt einer Bischofsdelegation den Einlaß verwehrt
hat. Der Bischof läßt sich mit 16 Dukaten versöhnen. Gründung
der Universität Mainz. In Lyon wird das erste Buch in französischer
Sprache gedruckt.
Ca.: Die Äbtissin von Ribnitz, eine Tochter des Herzogs von Mecklenburg,
schreibt an ihren Vater um die Sendung von von "2 tunne (Fässer)
Buotzöwckes bers, wende hyr ys gans boze per myt uns [weil es hier bei
uns nur ganz schlechtes Bier gibt], we moghen des nycht drynken."
1477
In der Hanse sind 38 Städte (Höhepunkt). Beispiel für Lotterien
auf spätmittelalterlichen Festen: Bei einem Schützenfest in Erfurt
zieht ein "Glückstopf" Fürsten und Ritter, Bürger
und Bauern, Bettler und Bettlerinnen an. In Speyer wird eine aus Nürnberg
stammende Dirne wegen lesbischer Betätigungen ertränkt.
15. Januar: Karl der Kühne von Burgund fällt bei Nancy gegen die
Truppen der Schweizer, Elsässer, Tiroler und Lothringer unter Herzog
Reinhard (René) II. von Lothringen. Angeblich sollen 10000 gefallen
sein. König Ludwig XI. von Frankreich zieht Burgund wieder an die französische
Krone und besetzt die Freigrafschaft, Picardie, Artois und Hennegau. Graf
Eberhard im Barte von Württemberg gründet die Universität Tübingen.
Am 14. September werden die ersten etwa 300 Studenten in den Fakultäten
Theologie, Jura und Medizin immatrikuliert. Am 9. Oktober bestätigt Kaiser
Friedrich III. den sog. Freiheitsbrief, der die Unabhängigkeit der Forschung
zusichert. Aus Werkzeichnungen von Pater Paulus Alemannus geht hervor, daß
die Uhrfeder bereits bekannt ist (vgl. 1427). Ortolf schreibt das erste deutsche
Apothekerbuch. In der Kestenburg beträgt das Deputat einer Hausfrau oder
Magd 894 Gramm Brot pro Tag. Dimensionen der Heringsfischerei: Die 174 Fischkutter
von Dieppe bringen dieses Jahr zwischen vier und fünf Millionen Heringe
an Land, davon allein am 15. November über 300000. Der Palisadenzaun
um die Wiener Vorstädte wird erneuert. Dafür wird Holz im Wert von
72 Pfund 3 Schilling 24 Pfennig aufgekauft. In Dresden werden die ersten eigenen
Münzen geprägt. Die Kosmographie des Ptolemäus (gest. nach
161) wird erstmals gedruckt. Die Türken lassen das abgeschlagene Haupt
des walachischen Fürsten Vlad III. Draculea in Honig konserviert zum
Sultan schicken. Sein Körper wird im Kloster Snagov bei Bukarest beigesetzt.
Das Grab wird im 20. Jh. geöffnet und leer gefunden. Auf Vlad III. geht
die Sage von Dracula zurück.
1478
In Nürnberg entsteht die erste Bettelordnung. Ein Gerichtsprotokoll [von
wo?] hält fest, daß eine Ehefrau auf ihrem Mann einen Holzschuh
entzweigeschlagen habe, ein Drucker von seiner Frau geschlagen und aus dem
Bett geworfen worden sei und einem dritten "ist sein lieb frouw in das
antlit gefallen und hat im die backen zerrissen". In Lübeck wird
eine Tafel am Rathaus angebracht, auf welcher verzeichnet ist, welche Kleidung
den Dirnen erlaubt und welche verboten ist. Wer nicht lesen kann, soll es
sich vorlesen lassen. Eine Randglosse dieser Kleiderordnungen (von Bürgermeister
Henrich Brömbse): "wart wenig geholden". Jakob Fugger verläßt
den Minoritenorden, wo er eine Zeitlang eine Domherrenpfründe hatte und
hilft in Venedig seinen Brüdern, wo er die Geschäftswelt kennenlernt.
In Breslau soll ein Beutelschneider und Falschspieler gehängt werden,
aber auf der Leiter entfällt er dem Henker. Die Zuschauer, auch die Stadtdiener,
fordern ihn zur Flucht auf, und er kann tatsächlich entkommen. Ein Stadtdiener
muß dies mit Gefängnis, Entlassung und Stadtverweisung büßen.
Goldrausch in Andalusien: In den Häfen verbreiten sich derzeit sagenhafte
Gerüchte über die Reichtümer der Goldküste. In diesem
Jahr brechen allein in Sevilla und den anderen andalusischen Häfen 35
Karavellen nach dort auf. Es heißt, man könne von einer Reise 10000
Goldpesos (20000 aragonesische Gulden) mitbringen. [nach Hernando del Pulgar]
Auf Madeira reicht die Ernte nur noch für zwei Monate aus, weil fast
nur noch Zuckerrohr angebaut wird. In Mantua wird ein Pestspital errichtet.
Ca: In Augsburg wird bei Anton Sorg die "Historia ducis Bavarie Ernesti"
gedruckt. Als Beibindung findet sich dort Johann Schiltbergers "Reisebuch"
über dessen 31jährige Gefangenschaft bei Türken und Mongolen.
Gerade die Reisebeschreibungen schöpfen allerdings über weite Strecken
aus älteren Vorlagen - wie etwa Mandeville - und besitzen somit zwar
nur bedingt authentischen Informationswert, werfen aber dafür ein bezeichnendes
Licht auf gängige Stereotypen über Asien und seine Bewohner. (UB
Graz Sig. II 9.643) Es sind vier Manuskripte davon erhalten: (i) in Donaueschingen
in der Fürstenberg-Bibliothek, Nr. 481; (2) UB Heidelberg, 216; (3) in
Nürnberg, Stadtbibliothek, 34; (4) in St Gallen, Klosterbibliothek, 628
(alle aus dem I5. Jh., das letzte nur in Bruchstücken). Das Werk erschien
zuerst um 1460 in Augsburg, vier weitere Ausgaben erschienen im 15. Jahrhundert
und sechs im 16. Jahrhundert.
1478/1479
Durchschnittlicher Verbrauch an Fleisch pro Woche in Basel: 1341 Gramm.
1478/1481
Mit dem Bau der Martinsburg wird Mainz kurfürstliche Residenz mit herrschaftlicher
Verwaltung unter einem kurfürstlichen Vizedom.
Bis 1510: Johann Geiler von Kaysersberg predigt in Straßburg. Ein Satz
von ihm: "Mit Geld wuchern heißt nicht arbeiten, sondern andere
schinden im Müßiggang."
1479
15. März: Nach der Nürnberger Reformation kann ein Vater seinen
Sohn enterben, "so der sun ein katzenritter were oder desgleichen sich
unterstanden het, mit andern tieren zepeißen und zefechten." [Katzenritter
fechten Schaukämpfe mit Tieren aus.] In Brelau wird jemand enthauptet,
der versucht hat, Gefangene zu befreien. Dort werden im gleichen Jahr auch
drei Stadtdiener ausgewiesen, weil sie öfters verhaftete Dirnen aus dem
Gefängnis gelassen und ihnen so gegen Provision neue Kunden und Diebstähle
ermöglicht haben. Die gleichen drei sind erst kurz zuvor nach einjähriger
Verbannung wieder eingestellt worden (offenbar kein sehr begehrter Posten).
Sie hatten im Jahr zuvor mit fünf weiteren die Flucht eines Falschspielers
vom Richtplatz nicht verhindert. In Bayern wird es verboten, bei Hochzeitsfeierlichkeiten
Fische oder Krebse oder welschen Wein zu servieren. Aus der Bausatzung von
Nürnberg: bei einem Neubau aus Stein darf ein Haus eine Höhe von
50 Schuh (15,2 m) und ein Haus aus Holz (Fachwerk) eine solche von 40 Schuh
(12,6 m) vom Boden bis unters Dach haben. Mehr ist nicht erlaubt. Ein Haus
darf normalerweise vier Stockwerke haben, sind es mehr, darf die Maximalhöhe
nicht überschritten werden. Bei der Anlage eines Abtritts muß der
Abstand zum Nachbargrundstück mindestens 3 Schuh betragen. Albrecht von
Bonstetten beschreibt Zürich: "...die hüser sind us quadraten,
grossen steinen bis in die höhe gebuwen, vast hoch". Der Rat von
Ulm wendet sich an den Papst, um das Glücksspiel auch in den Klöstern
und Häusern der Geistlichkeit zu unterbinden. Der Konstanzer Generalvikar
soll diesbezüglich intervenieren. Christian I. gründet die Universtät
Kopenhagen. In der Schlacht von Guingrate setzt Maximilian erstmals einen
Gevierthaufen ein, ohne über eine nennenswerte Zahl an Schweizer Söldnern
zu verfügen. Er sichert das Spießviereck nach hussitischem Vorbild
durch vorgezogene schwere Troßwagen ab. Die Grafen von Katzenelnbogen
sterben aus.
Bis 1482: Bau der Bursa in Tübingen, einem Gebäude, in welchem Studienanfänger
der Universität Unterkunft finden sollen.
1480
In Zürich hat Bürgermeister Hans Waldmann die Beute aus den Burgunderkriegen
für den Stadtausbau nutzbar gemacht. So finden wir, daß "die
Gebäude aus gevierten Steinen aufgeführt und von außerordentlicher
Höhe sind. Die Zimmer sind mit Holz gefüttert; man trifft Sommer-
und Winterzimmer, Säle, Säulengänge, Ruhbette, alles mit bewundernswürdiger
Verzierung. Die Straßen sind schön, nicht breit, aber mit gebackenen
Steinen glatt gepflastert." Der Bischof von Basel gewährt nach langem
Zögern den Mitgliedern des Rappoltsteiner Pfeiferkönigreiches das
Recht, in der Kirche zu Alt-Thann einmal im Jahr zu Pfingsten das Abendmahl
zu empfangen, wenn sie 15 Tage vorher und nachher ihr "schändliches
Gewerbe" nicht ausüben. Die Pfeifer nehmen diese harte Einschränkung
in Kauf, obwohl ihnen dadurch Einnahmen der pfingstlichen Festivitäten
entgehen. Memminger Chronik: "Galt ein Malter Roggen umb Michaelis 1
Pfund 7 b." Ein Hochwasser des Rheins richtet großen Schaden am
Getreide an. Aus der Gesundheitslehre des Nürnberger Stadtarztes Doktor
Johannes Lochner: "Item ir sult nicht schlaffen als palt noch dem essen
vnderhalb in eynner sthund oder II, bis ir eynn wenigk abgedeut habt."
In Passau werden neue Eichmaße eingeführt, die sich nicht mehr
an dem alten bayerischen Hohlmaß, sondern an dem etwas größeren
österreichischen Normmaß orientieren: ein "Kanndl" 1,2
Liter, ein "Seidl" = 0,6 Liter und ein "Pfiff" = 0,3 Liter.
Die Stadtgeschichte von Bologna verlegt die Einführung des regelmäßigen
calcio (Fußballspiels) auf dieses Jahr. Derjenige Spieler, der zehn
Tore (caccie) erzielt, erhält 20 Dukaten. In den Rechnungsbüchern
König Ludwigs XI. von Frankreich wird ein Vorläufer des Billardspiels
erwähnt - allerdings wird es noch im Freien gespielt. Ein Inntaler Meister
fertigt einen Nachttopf mit der Darstellung der "Geburt Mariens"
an. Es erscheint Caxtons "Description of Britain", die auf älteren
Quellen beruht. Darin wird u.a. die Ernährung der Waliser beschrieben:
"Sie begnügen sich mit einer sehr einfachen Küche. Sie essen
warmes oder kaltes Gerstenbrot und große, runde und dünne Haferkuchen...Weizenbrot
essen sie kaum und kochen nur selten im Ofen. Sie haben eine Art Grütze
als Suppe, in die sie Lauch, Butter, Milch und große Stücke Käse
mischen. Dieses Gericht schlingen sie gierig in sich hinein, so daß
sie gezwungen sind, große Mengen an Met oder starkem Bier zu sich zu
nehmen." Caxton berichtet später auch von den Schotten, daß
sie "mehr Fleisch, Fisch, Obst und Milch als die Engländer essen."
Auf dem Reichstag wird eine allgemeine Reichssteuer vorgeschlagen. Der Bischof
von Freising argumentiert mit der öffentlichen Meinung: "Item der
gemein mann hatt sorg, wo man solchen anslag furneme, es wurde ewiger trybutt
darauß als zu Frankreich ist geschehen, muß man mit vleis furkumen,
damit solich sorg auß den lewten kome." Die Provence fällt
an die französische Krone.
1480 und 1490: Auf der Leipziger Messe führen Gaukler aus Litauen "Drachen"
vor. Um was für Tiere es sich handelt, ist nicht bekannt.
Ca.: In Knittlingen wird Johann Georg Faust (?) geboren.
Ca.: Wandel der Bekleidung: Die enge Bekleidung wird in fast allen Schichten
aufgegeben. Zunächst werden bei beiden Geschlechtern die engen Ärmel
an Achseln und Ellbogen aufgeschlitzt ("zerhauen"), ebenso die Beinlinge
der Männer an Oberschenkeln und später auch an den Knien. Darunter
wird das Futter sichtbar. Die Schnabelschuhe werden durch breite Kuhmaulschuhe
ersetzt. Es wird nun die Horizontale betont. Der Mantelrock (die Schaube)
findet allgemeine Verbreitung. Es wird viel Pelzwerk verwendet. Insgesamt
verbürgerlicht die Mode. Gleichzeitig kommt die Farbe Schwarz für
Kleidung auf, die bisher nur von Bürgern verwendet worden ist. Im deutschen
Raum kommt das Barett als charakteristische Kopfbedeckung auf, zunächst
bei Adel und Patriziat.
Ca.: Anfang der 80er Jahre führt während einer Mißernteperiode
der Inquisitor Heinrich Cramer ("Institoris", Autor des Hexenhammers)
in Oberschwaben eine erste größere Hexenverfolgung durch (evl.
bis 1483), doch stößt er auf Widerstand. Aus einem Nürnberger
Kalender (gedruckt bei Hans Folz) satirische Anweisung für den Aderlaß
im Mai: "Und wirt gut lassen an dem hintern stoln des linken holczschuchs
do der Tiltap die stigen abviel mit fir schüsseln eingesalczner hundsfuß
und am tag darnach fast gut am hintern ars paken pei dem schlapfenster."
1481
In Venedig erscheint die erste Ausgabe des Heldenepos "Morgante Maggiore"
(Der Große Morgante, Karlsepik) von Luigi Pulci (1432 - 1484). Pulci
steht den Medici nahe. Bei Anton Sorg in Augsburg erscheint das "Buch
des Landfahrers Marco Polo". Entwicklung der Schwabacher Schrift, abgeleitet
aus der fränkischen Bastarda. Sie ist im deutschsprachigen Raum bis in
die 1560er Jahre die wichtigste Schrift, insonderheit zu Holzschnitten. Zu
einem Turnier in Heidelberg wird keiner zugelassen, der in einer Stadt gebürgert
hat, "er habe denn zuvor sein Bürgerrecht aufgesagt". Patrizier
und Stadtadel sind üblicherweise von Turnieren ausgeschlossen. In Frankfurt
werden das Leimsieden und die Anlage von Gerbergruben innerhalb der Stadt
verboten. Amsterdam erhält eine steinerne Stadtmauer. Memminger Chronik:
"War ein gar nasses Jahr und galt ein Malter Roggen auff Michaelis 2
Pfund." In Köln bestellt der Rat bei Abt und Konvent von Erbach
3000 bis 4000 Malter Getreide. In Notjahren liefern Rheingau und Elsaß
Getreide. Es stirbt der Augustiner Gottschalk von Osnabrück. Er hat u.a.
Frauen, die sich "gekaufte glänzende Haare von einer toten Frau"
(also künstliche Haarteile) aufstecken, als käuflich gebrandmarkt.
Kaiser friedrich verleiht Salzburg den "Großen Ratsbrief".
Die Stadt hat damit ähnliche Rechte wie die Reichsstädte.
1481/1482
Teuerung in Köln. Das Brauen von Weizenbier wird verboten und dessen
Ausfuhr kontrolliert. Ein Aufstand der zünftischen Mittelschicht in Köln
scheitert.
1482
In Oberschwaben herrscht schon das dritte Jahr Teuerung nach Mißernten.
Memminger Chronik: "War sehr theur, galt ein Malter Roggen nach Weyhnachten
3 1/2 Pfund...Die Theurung nahm überhand und galt ein Malter Roggen 6
Pfund, der Kern 7 Pfund. Nach der Ernd schlug es wieder ab...Es war in diesem
Jahr ein Sterbend hier und flohe viel Volcks hinauß. So wuchsen den
Leuten Würm im Kopff, daran ihrer viel sturben." In Nürnberg
läßt der Rat "dem armen volck zu gut" Brot backen. Pro
Woche werden 100 Sümmer Korn zur Verfügung gestellt und daraus 4000
Laib Brot gebacken, die pro Stück um 6 Pfennig verkauft werden (25% billiger
als üblich). In München sieht sich der Rat genötigt, aus dem
städtischen Getreidekasten Korn an die Armen zu verteilen. Nach der Landesordnung
in Sachsen essen dort die Werkleute zu jeder einzelnen der täglichen
Speisen Brot. Dies wird in anderen Gegenden erst im 18. oder gar im 19. Jahrhundert
erst üblich. Der Straßburger Rat verbietet den Wirten, "Buhlerinnen"
zu halten. Der Rat von Nürnberg läßt auf der hallerwiese,
einer Spielwiese vor der Stadt fünf Röhrenbrunnen anlegen.
1482/1483
Durchschnittlicher Verbrauch an Fleisch pro Woche in Basel: 1002 Gramm.
Bis 1489: Bau einer steinernen Brücke über den Neckar in Tübingen.
1483
In Florenz erscheint eine komplette Ausgabe von Pulcis "Il Morgante Maggiore".
29. September: In Nürnberg stellt der Rat das Backen von Brot für
die Armen ein. Innerhalb eines Jahres sind aus 3233 Sümmer Korn 330040
Laib Brot gebacken worden, wobei pro Person höchstens zwei Brotlaibe
verkauft werden durften. Der Andrang ist so groß gewesen, "das
etlich erdrückt wurden" [Fortsetzung der Tucherschen Chronik] Es
soll heuer in Nürnberg auch wiedereinmal die Pest ausgebrochen sein,
ebenso in Frankfurt und Aachen. In Eisleben wird Martin Luther geboren. Graf
Werner von Zimmern läßt 1000 Seelenmessen für sich lesen.
In Schlettstadt entsteht die erste bedeutende Bundschuhbewegung. Sie wendet
sich gegen die geistlichen Gerichte. Aus einer Verordnung des Erasmus von
Erbach im Odenwald: "Alle Tagelöhner, die gedungen sind, sowie die
Fronleute sollen gemeinlich, als auch die Knechte und Mägde, jeden Tag
erhalten zweimal Fleisch und Zukost und einen halben Krug Wein, ausgenommen
die Fasttage, da sollen sie Fische haben oder sonst nahrhafte Speisen. Auch
soll man einen jeden, der in der Woche gearbeitet, den Sonn- oder Feiertag
gütlich tun nach der Meß und Predigt. Sie sollen haben Brot und
Fleisch genugsam und einen halben Krug Wein." Der Zehenthof der bayerischen
Herzöge in Heilbronn benötigt während der Weinlese zur Verköstigung
des Gesindes: Weiß- und Mischkornbrot, Gerste, Hafer, Hafermehl, Erbsen,
Grieß, Hirse, Salz, Schweine- und Butterschmalz, gesottenes und gebratenes
Fleisch, Käse, Milch, Kraut, Rüben, Eier, Fisch, Äpfel, Kochbirnen,
Zwiebeln und Gewürz. Der in Aachen wegen verbotenem Glücksspiel
eingekerkerte Thijs Kammentzans wird auf Bitten seiner Freunde zwar freigelassen,
aber als Abschreckung auf einer Wange gebrandmarkt. Bei einem Prozeß
in Hamburg wird zwischen drei Arten der Prostitution unterschieden: Straßen-,
Mühlen- und Bäderprostitution. Am württembergischen Hof spielen
drei Sackpfeifer des Herzogs von Bayern gleichzeitig auf. Die Sackpfeife,
ursprünglich von allen sozialen Schichten geschätzt, sinkt später
zu einem bäuerlichen Instrument ab.
1484
Neuer Papst wird Giovanni Baptista Cibo als Innozenz VIII. (bis 1492). Er
hat mehrere Jahre am Hof von Aragon zugebracht und mehrere Kinder (mindestens
aber zwei). Zu ihm reist der Inquisitor Heinrich Cramer (Institoris) und veranlaßt
ihn zur Herausgabe einer speziell auf Oberdeutschland zugeschnittenen Hexenbulle
"Summis desiderantes". Seit diesem Papst werden auch die Kinder
von Päpsten offen legitimiert. Memminger Chronik: "Dieses war das
gute Jahr genennet, weil alles so wohl gewachsen und wohlfeil ward."
(Ende der Krise in Schwaben) Im Nürnberger Rechtsbuch wird das bisher
geltendes Stadtrecht erstmals gedruckt. Nach diesem Gesetz müssen "synlose
und verschwenter irer habe genauso wie Kinder und Witwen einen Vormund bekommen".
Erzherzog Sigmund von Tirol läßt aus den reichen Silbervorkommen
seiner Schwazer Gruben in der Münzstätte Hall in Tirol den "Guldengroschen"
(Groschen im Wert eines Guldens) prägen. Zunächst werden Stücke
im Wert eines halben Guldens (15,85 Gramm) geschlagen. Diese Münze gilt
als erster "Taler". Antonius Sorg zu Augsburg druckt die älteste
Fassung (Volksbuch-Fassung) des Prosa-Tristan, eine Adaption der Eilhart-Fassung.
Ab diesem Jahr wird in Frankfurt häufig "Juttchen die Puppenmalerin"
genannt. Im Wareninventar des Nürnbergers Hans Tucher IX. erscheinen
255 Dutzend Taschensonnenuhren, die in der Genfer Filiale gelagert sind. Diese
Uhren sind im 15. Jh. sehr beliebt und werden in Nürnberg und Augsburg
hergestellt. Das Marktbuch von Ybbsitz in Niederösterreich gestattet
bei entsprechender Aufsicht Glücksspiele nur zur Zeit des Jahrmarktes
und bei Anwesenheit des Grundherrn (des Seitenstettner Abtes). Über das
Schulwesen: Der spätere Humanist Johannes Butzbach berichtet in seiner
späteren "Chronika eines fahrenden Schülers" zu diesem
Jahre: "Und als ich das sechste Jahr erreicht hatte, schickte sie (die
erziehende Tante) mich, um die Anfangsgründe des Wissens zu erlernen,
in die Schule, wenngleich ich bis dahin kaum die Muttersprache recht beherrschte...Anfangs
machte sie mir mit Backwerk, zumal mit Brezeln, Freude an der Schule...Sobald
aber das Zuckerwerk, die Feigen, Rosinen und Mandeln, womit man in den ersten
Tagen die Schulanfänger anzulocken und pfleglich zu behandeln sucht,
bis sie den Nutzen des Schulbesuchs begreifen,...aufhörten, da schien
mir alle Lust am Lernen vergangen zu sein und nicht länger mit Schmeicheleien,
sondern mit Furcht beigebracht werden zu müssen." In Dresden geht
die hohe Gerichtsbarkeit an den Rat über.
1485
Der Inquisitor Heinrich Cramer (Institoris) will auf der Rückreise aus
Rom in Tirol eine Hexenverfolgung vom Zaun brechen. Bischof Georg Golser von
Brixen erklärt ihn für verrückt. Berthold von Henneberg, der
Erzbischof von Mainz gibt das erste Zensuredikt heraus, weil gewisse Leute
"aus eitler Ruhmsucht oder Geldgier" die Kunst des Buchdrucks mißbrauchten,
diese kehrten eine Gottesgabe, die der Menschen Leben bereichern soll, "auf
verderbliche und verleumderische Weise ins Gegenteil". Er ordnet die
Überwachung sämtlicher Übersetzungen ins Deutsche durch Professoren
der Mainzer und Erfurter Universitäten an. Schützenfest in St. Gallen.
Es nehmen daran 208 Armbrustschützen und 445 Gewehrschützen teil.
Von einem gleichzeitigen Schützenfest in München sind Schützenbriefe
(Einladungen als Einblattdrucke) erhalten. In München beträgt die
Schußweite 360 Fuß. In Nürnberg erscheint Peter Wagners "Kuchenmaistrey",
das erste deutsche und zweite jemals gedruckte Kochbuch. Es erscheint Johann
von Cubes "Hortus sanitatis, gart der gesuntheit", das erste deutschsprachige
Heilkräuterbuch (vgl. 1458). Es erscheint in Paris bei Guyot Marchant
eine Holzschnittfolge, welche ein recht genaues Bild von dem Totentanz ("Danse
macabre") auf den Arkaden des Friedhofes des Franziskanerklosters Aux
SS. Innocents wiedergibt. Es ist die einzige erhaltene Darstellung, da der
Totentanz im Jahre 1529 zerstört werden wird. Üblicherweise werden
beim Totentanz 40 Berufe und Würden mit dem "Tod" ("Le
mort" - nicht "La mort") dargestellt, wobei letzterer aber
nicht als der personifizierte Tod, sondern als der betreffende Tote (gleichsam
als Verdopplung der dargestellten Person) zu sehen ist, und dies auch noch
nicht als Gerippe, sondern noch nicht völlig entfleischt. Wegen des großes
Erfolges dieses Werks muß Marchant im nächsten Jahr eine zweite
erweiterte Auflage herausbringen. Zu Orléans hält Olivier Maillard
die Fastenpredigten ab, die solchen Zulauf erhalten, daß viele Menschen
auf die Dächer klettern und der Dachdecker hinterher 64 Tage für
Reparaturen in Rechnung stellt. Nürnberg hat angestellte Stadtpfeifer.
Die Nürnberger Hochzeitsordnung normiert fast jede Handlung, die im Rahmen
der Festlichkeiten möglich erscheint: Anzahl der Pferde der Hochzeitslader,
Festlegung der Personen, die zum Tragen von Kränzen berechtigt sind oder
Festsetzung der Modalitäten beim Reichen von Eierkuchen am Tage nach
der Hochzeit. Als Beispiel folgt hier die Reglementierung der Speisen beim
Hochzeitsmahl: "Man soll auch zu ainicher hochzeyt weder rephun, haselhun,
norrhannen, bytckhannen, pfaben noch koppawnen, weder gesotten noch gebraten,
auch weder hyrschin noch rehin praten nit geben, noch ainicherlay hochzeyt
kraut, aussgenomen auff ainen yeden tisch mag man ainen gepraten koppaun geben.
Und ob das were, das yemand auff denselben tag nit flaysch esse, denselben
personen möcht man ain essen oder zway von vischen beschaydenlich geben,
on geverde...Item nab soll auch zu ainer yeden hochzeyt kaynen anndern wein
zu trincken geben denn francken wein, reinischen wein oder anndern wein inn
demselben unngelt, es werde dann, das ainich geste hie wern, die auff derselben
hochzeyt essen und den von rats wegen wein geschennckt wurde. Denselben schenckwein
möcht man auff der hochzeyt wol trincken und geben, ungeverlich."
(Dies ist - neben einem Beispiel deutscher Pingeligkeit - ein Anti-Luxus-Gebot.)
In Kärnten gelten gebratene Krammetsvögel als "kostspieliges
Geflügel" und standesgemäße Speise des niederen Adels
bzw. seiner Gäste. Nach einem Ausbruch der Pest in Venedig richtet der
Doge einen "Magistrato della sanita" (Gesundheitsbehörde) ein,
eine Behörde mit weitreichenden Aufgaben und Kompetenzen von der Lebensmittelüberwachung
bis zur Armenfürsorge und Kontrolle der Prostituierten. Sie darf Leibesstrafen
verhängen, zeitweise gar die Todesstrafe und bis 1563 ist gegen ihre
Entscheidungen noch nicht einmal eine Berufung möglich. In London erscheint
Thomas Malorys "Morte D'Arthur". Sein Drucker und Verleger William
Caxton will im Vorwort die Existenz von König Arthur belegen: "...there
can no man resonably gaynsaye but there was a kyng of thys land named Arthur...of
record remayne in wytnesse of hym in Wales, in the toune of Camelot, the grete
stones and mervayllous werkys of yron lyeng under the grounde, and ryal vautes,
which dyvers now lyvyng hath seen." Einen Ort namens Camelot gibt es
allerdings nicht. Malory behauptet "Camelott otherwyse called Wynchester",
woraus Caxton, der es noch im Vorwort nach Wales verlegt hat, macht: "Camelot
that is wynchester" (Winchester in Südengland). Hungersnot auf Madeira.
Mit der Leipziger Teilung der Wettiner Besitzungen wird Dresden Residenz der
albertinischen Linie. Die Hofhaltung fördert Handwerk und Handel. Die
ernestinische Linie des Hauses Sachsen, welche die Kurwürde besitzt,
erhebt Weimar (neben Wittenberg) zur Residenz. In England enden die Rosenkriege.
Maximilian zieht in Gent ein - zu Fuß an der Spitze seiner Truppen mit
geschultertem Spieß.
Bis 1490: König Matthias Corvinus von Ungarn besetzt Wien.
Ca.: Ab Mitte der 1480er Jahre wird der Begriff "Landsknecht" (oder
"lansquenete") vor allem bei burgundischen Chronisten verwendet.
Damit sind Fußknechte aus dem oberdeutschen Raum gemeint, die mit Langspießen,
Hellebarden und Handbüchsen bewaffnet sind. Sie fechten im Gevierthaufen
und benutzen keine Schilde. Die oberdeutschen Knechte sind früher nur
zusammen mit den Schweizer Reisläufern genannt worden und gewinnen nun
ein eigenes Profil.
Bis 1487: Paolo Santonino, Kanzler des Patriarchen von Aquileia, reist durch
Kärnten und Osttirol. Sein Reisebericht liefert zahlreiche Details besonders
von Gastmählern für seine Reisegruppe. Er notiert z.B. mit Staunen
das Daunenbett als spezifisches Kennzeichen auch des bäuerlichen Wohnens
in der Region, was er auf die zahlreichen Gänse zurückführt.
Nach 1485 erscheint "Der doten dantz mit figuren clage und antwort schon
von allen staten der werlt", auch oberdeutscher achtzeiliger Totentanz
oder jüngerer Totentanz genannt. Drucker ist vermutlich Heinrich Knoblochtzer.
In diesem Totentanz wird das musikalische und tänzerische Element stark
betont.
1486
Maximilian I. (27) wird zu Lebzeiten seines Vaters (Friedrich III., 71) zum
deutschen König gewählt. Beide zusammen ziehen dieses Jahr in Brüssel
ein. Dort kommt es bald zu Auseinandersetzungen zwischen Landsknechten und
Bürgern. Die Deutschen sind offenbar mit der Versorgung durch die Stadt
unzufrieden und ziehen als Gevierthaufen vor das Rathaus, wo einige Wagen
mit Weinfässern stehen, die der Rat dem Kaiser geschenkt hat. Sie stellen
ihre Spieße beiseite und beginnen ein wüstes Zechgelage, bis die
Fässer leer sind. Ihr geordneter Aufzug zeigt, daß sie über
eigene Organisations- und Selbstverwaltungsformen verfügen müssen.
Im Gegensatz zu den Schweizern entwickeln die Landsknechte den Brauch des
Zutrinkens, wobei der Angesprochene mit doppelter Menge Bescheid geben muß,
was bald zu wüster Trunkenheit und Raufhändeln führt. In Speyer
will ein Baderknecht seine Freundin für einige Tage ins Frauenhaus vermieten,
wofür er erst vier und dann zwei Florin verlangt. Erzherzog Sigmund von
Tirol läßt silberne "Guldengroschen" (oder "Guldiner")
im Sollgewicht einer Unze (31,83 Gramm) prägen - das Äquivalent
eines Guldens. (Seit 1484 gibt es sie bereits im Wert eines halben Guldens.)
Diese großen Silbermünzen sind zunächst im zahlungsverkehr
noch sehr ungewohnt und dienen meist Repräsentationszwecken. Sie haben
einen Feingehalt von 15 Lot (937,5/1000). In Süddeutschland wird diese
Münze bald vielfach nachgeahmt. Der aus Bergamo stammende Janetto de
Tassis (Taxis) wird von Maximilian zum "Obrist Postmeister" ernannt.
Friedrich III. (der Weise) wird Kurfürst von Sachsen. Kaiserlicher Reichslandfrieden.
Heinrich Cramer ("Institoris") muß seine Hexenverfolgung in
Tirol aufgrund der Widerstände der Innsbrucker Bürger, der Tiroler
Landstände und des Bischofs von Brixen abbrechen. Die Zunft der Wollmeister
zu Genua richtet Schulen für die Söhne der Handwerker ein. Im Rechenunterricht
wird Wert auf praktische Beispiele gelegt; bei den Aufgaben sind Unterschiede
von Münzen, Maßen und Gewichten zu berücksichtigen. König
Matthias Corvinus von Ungarn schreibt dem Magistrat von Wien, dieser möge
doch den Termin des geplanten Pferderennens um das scharlachrote Tuch verschieben,
da er ebenfalls daran teilzunehmen gedenke. Die früheste Nachricht von
der Benutzung einer Gabel stammt aus dem Inventar des Klosters Michelsberg
bei Bamberg. Damit wird Fisch und Fleisch aufgehoben. Die frühen Gabeln
sind durchweg zweizinkig. Wegen einer Beschwerde der philosophischen Fakultät
der Universität Köln werden die Dirnen aus der Schmier- und der
Marzellenstraße vertrieben, weil die Meister der sieben freien Künste
sich bei Tag und Nacht durch das "sündhafte, unehrliche und schändliche
Treiben der Dirnen" in Lehre und Studium gestört fühlen. In
Köln bestellt der Rat bei Abt und Konvent von Erbach 1000 mainzische
Malter Getreide. In München begleichen die Apotheker ihre Steuerschulden
mit Konfekt. Das Kloster Michelsberg legt auf brachliegendem Ackerland Fischteiche
an. Eine Hauptmahlzeit für einen Bischof auf der Burg Finkenstein in
Kärnten während der Fastenzeit (Reihenfolge der Gänge): Mandelmus
mit Kügelchen aus Weißbrot; frische Fische gesotten; Kraut mit
gebratenen Forellen; in Wein gekochte Krebse, zu einem Mus verarbeitet und
mit Gewürznelken bestreut; Feigen in Wein (Reinfal) gekocht, mit schwimmenden
Mandelkernen darin; gekochter Reis mit Mandelmilch, mit Mandelkernen besteckt;
Forellen in Wein gesotten; Krebse in Wein gekocht; Schmalzgebäck mit
Weinbeeren im Teig, mit Staubzucker bestreut; verschiedene Arten von Birnen,
dazu Äpfel und Nüsse. (Nach Santonini, welcher dazu bemerkt, daß
ihm das Fasten hier leicht gefallen sei) Nach dem Humanisten Antonius Bonfinis
liegen in Wien am Niederen Werd, einer Donauinsel, Spielplätze, wo sich
junge Menschen zum Reigenspielen und zu Picknicks zusammenfinden. Viele städte
haben außerhalb liegende Spielwiesen (vor allem für Ballspiele),
weil in den Städten kein Platz ist - außer auf dem Friedhof.
1487
Bei der Bestallung des Henkers zu Straßburg wird diesem als Teil seiner
Besoldung zugestanden, im Torhaus Glücksspiele zu veranstalten. Wegen
der Anwesenheit fremder Knechte sei diese Konzession im Sommer ertragreicher
als im Winter. Mit diesen Knechten ist das sog. Elsaßlaufen gemeint,
das Einströmen von arbeitssuchenden Tagelöhnern aus entfernten Regionen.
In Straßburg wird erstmals der "Hexenhammer" des Heinrich
Cramer (Institoris) gedruckt. Er führt dazu die Autorität seines
weniger umstrittenen Ordensbruders Jacob Sprenger ins Feld sowie eine gefälschte
Approbation der Kölner Universität. Es gibt zwar teilweise durchaus
positive Resonanzen darauf, doch die Gesetzgebung ignoriert das Werk zunächst
völlig. Papst Innozenz VIII. erläßt die erste von vielen päpstlichen
Bullen, die bei Androhung von Exkommunikation die Vorzensur von Druckwerken
befehlen. Herzog Albrecht IV. von Bayern veranlaßt ein Reinheitsgebot
für Bier, auf welches die Brauer von München vereidigt werden: Es
dürfen zur Herstellung von Bier nur Wasser, Gerste und Hopfen verwendet
werden. Die Rheinische Ritterschaft veranstaltet zu Worms am Sonntag nach
Lichtmeß ein Turnier. Nach diesem Turnier schwindet der Einfluß
der Turniergesellschaften in Turnierfragen zugunsten der Territorialfürsten.
Das Turnier wandelt sich im 15. Jh. ohnehin von einer Kampfübung zu einem
Mittel höfischer Repräsentation und Unterhaltung. In diesem Jahr
setzen auch die Aufzeichnungen des Turnierbuches von Johann dem Beständigen
ein (bis 1566).
Ende Mai: Kaiser Friedrich III. (72) weilt in Nürnberg, wo er ein Kinderfest
veranstalten läßt. In Nürnberg sollen etwa 4000 Jungen und
Mädchen auf eine "deutsche Schule" gehen. Die vier Lateinschulen
der Stadt haben noch einmal 800 Schüler. In Frankfurt hält der Rat
die Waagmeister an, darauf zu achten, daß die Käufer von Butter
nicht betrogen werden durch Wässerung des Butterfasses, eine falsche
Buttermischung oder zu hohen Gewichtsabzug für das Holz des Butterfasses.
In Lübeck wird das Eichmaß für ein Stübchen Wein und
ein Halbstübchen Bier festgelegt. Die Eichgefäße sind erhalten.
In der Reichsstadt Hall kommt es zu einer heftigen Auseinandersetzung zwischen
dem adligen Egen von Münkheim und der Stadt wegen des Verbots von Misthaufen
auf der Straße. Egen erklärt, er könne auf Pferde und Vieh
nicht verzichten, aber noch weniger den Mist in seinem Haus behalten. In der
Kölner Pfarre St. Columba sind 80,4% der Häuser vermietet. Franceschetto,
der Sohn von Papst Innozenz VIII. heiratet Maddalena, eine Tochter von Lorenzo
"il Magnifico" de Medici.
1487/1488
Unruhen in Braunschweig: Es gibt nächtliche Umläufe und Zusammenrottungen
vor Pfaffenhöfen und den Häusern mißliebiger Ratsherren. (Und
später:) Der blinde Dichter Francesco Bello el Cieco aus Ferrara (1440
- 1494) verfaßt das "Libro d'arme et d'amore nomato Il Mambriano",
dem ein Zweig der Karlsepik nahesteht.
Bis 1518: Auf den ungenützten Böden des Bischofs von Meißen
werden Fischteiche angelegt.
1488
In Zürich dürfen Ehefrauen nur dann beschlagene Gürtel tragen,
wenn deren Wert nicht 12 Gulden übersteigt und der Mann über ein
Vermögen von 1000 Gulden verfügt. Eine Bettelordnung in Frankfurt
bestimmt, daß dort nur Ortsansässige betteln dürfen.
In Wien wird ein Mistrichter bestellt, welcher Böhmisch und Ungarisch
spricht (weil in Wien aus den östlichen Nachbarländern Vieh importiert
wird). Dieser ist für die Reinlichkeit auf den Marktplätzen zuständig
und muß u.a. kontrollieren, daß der aus der Stadt geschaffte Mist
nicht unmittelbar vor den Toren oder im Stadtgraben abgelagert wird. Bei einem
Osterspiel in Hettstedt sollen die Söhne einer mehrfach vorbestraften
Frau als Teufel mitgemacht, bewußt im Publikum Verwirrung gestiftet
und im Schutz ihrer Maskerade an 14 Stellen der Stadt Feuer gelegt haben.
Was an dieser Geschichte dran ist, kann nicht mehr festgestellt werden, weil
sie erst etwa 100 Jahre später überliefert ist. [Nach Cyriacus Spangenberg,
Mansfeldische Chronica, Der vierte Teil; Ed. C. Rühlemann 1913, S. 265f.]
In Straßburg wird anläßlich eines Passionsspiels dekretiert,
"das nyemans, er sy geistlich oder weltlich, man oder frowe, alt oder
junge, uff das gerüste, daruff man die spile machet, kommen sol, dann
allein die zum spile gehörent und darzu geordent sint. Und dieselben
och ungeirret lossen, sonder menglich sol stille swigen und zuhtiglich zusehen
und dehein unzuhte geschrey oder unfure machen..." Es kommt bei religiösen
Spielen allgemein immer wieder zu Eingriffen des Publikums ins Spiel, wenn
etwa bei allzu realistischen Marterszenen einzelne Zuschauer den Gemarterten
zu Hilfe eilen oder die Peiniger angreifen wollen (natürlich nicht auf
Straßburg begrenzt). In München dürfen hölzerne Kreuzfenster
nur dann verkauft werden, wenn sie beschaut und gestempelt worden sind. Diese
Holzfenster ahmen die im zweiten Drittel des 15. Jhs. aufgekommenen steinernen
Kreuzfenster nach. Die Fenster können durch diese Neuerung größer
werden. Die Apothekerordnung von München schärft den Apothekern
ein, bei der Herstellung von Präparaten, welche Opiate oder Laxantien
enthalten, alle Einzelstoffe vorher dem Arzt zu zeigen. Gifte und Mittel zur
Abtreibung dürfen nur auf Anordnung und mit Wissen eines Arztes zum Kauf
angeboten werden. Ausdrücklich verboten ist die Zusammenarbeit mit einem
Arzt, um Gewinn zu erzielen sowie der Verkauf von Arzneien zu einem höheren
Preis, als in der Taxe festgelegt ist. Bei den Unruhen in Braunschweig, wo
zuletzt die Aufständischen auf dem Hagenmarkt tanzen und singen "Nun
kommt unser Karren in Gang!", stellt sich der Kürschner Ludeken
Hollant an die Spitze der Protestbewegung und bildet eine neue Ratsobrigkeit.
Die öffentliche Meinung, die zuvor den Umsturz befürwortet hatte,
schlägt bald um, und schon nach einem halben Jahr muß der neue
Rat "Horcher" (Spitzel) aussenden, "und wenn Bürger und
Bürgerskinder hastig leichthin ein unliebsames Wort sprachen, so hatten
sie es schwerlich zu entgelten. Hohe Geldstrafen sind zunächst erfolgreich:
"Und damit stopften sie den Leuten den Mund: that ihn noch einer von
ungefähr auf, dann sah er erst um sich, ob auch kein Horcher dabei war."
Vorsichtshalber verbietet der neue Rat auch gleich noch Tänze und Reigen
(vgl. 1490). Drei Männer stehlen in Einsiedeln Reliquien für Zürich,
die nur durch die Intervention Herzog Albrechts VI. von Österreich wieder
zurückgegeben werden. In Zürich wird bestimmt, daß Hochzeiten
nicht länger als einen Tag dauern dürfen. Eingeladen werden sollen
nur nahe Verwandte und Mitglieder der Zunft, welcher der die Ehe Schließende
angehört. Für jeden darüber hinaus eingeladenen Gast sei eine
Buße von zwei Mark Silber zu entrichten. Nahe Verwandte dürfen
Geschenke bis zum Wert von einem Gulden machen, sonstige Gäste bis zu
fünf Schilling. Nur die Eltern der Brautleute dürfen beliebig viel
schenken. In Nürnberg läßt der Rat 15 Häuser für
zuziehende Weber errichten (also für Angehörige der unteren Mittelschicht).
Die Grundfläche beträgt etwa acht mal sieben Meter (45 Quadratmeter,
Höhe 2,65 Meter); es gibt eine Stube, eine Küche mit Herd und eine
nicht heizbare Kammer. Die anscheinend kostendeckende Jahresmiete beträgt
zwei bis zweieinhalb Gulden. (Zum Vergleich: Arme zahlen ein bis eineinhalb,
Reiche bis zu 20 Gulden pro Jahr.) 150 Messerer wandern aus Steyr, einem Zentrum
der Klingenherstellung ab. In Esslingen schließen sich Adel und Städte
Schwabens zum Schwäbischen Bund zur Abwehr der Übergriffe mächtiger
Nachbarn, insbesondere Bayerns zusammen. Es treten u.a. bei: Graf Eberhard
V. von Württemberg (43), Herzog Sigmund von Tirol (61) und Markgraf Christoph
I. von Baden (35). Maximilian I. (29) wird in Brügge durch aufständische
Bürger gefangengenommen, auf Druck von Kaiser und Fürsten jedoch
wieder freigelassen. Während seiner Gefangenschaft hat man auf dem Markt
vor seinen Augen verdächtige Magistratspersonen gefoltert. Andererseits
muß der Maler Gerard David die Gitterstäbe oder Fensterläden
des Brothauses in Brügge, wo Maximilian einsitzt, mit Malereien verzieren.
Ca.: Der Meistersinger Hans Folz zählt Spielkarten, Würfel und Spielbrett
zum erläßlichen Hausrat.
1489
Vor 1489 wird in einem Gugginger Weistum bestimmt, daß "niemand
unflat auf die gassen soll schitten noch in kain weg, daß noch kain
unflat bei kainem prun auswaschen noch kain unsaubers vich dazu treiben"
solle. Städtische Revolution in Zürich mit Bauernunruhen im Umland;
der Bürgermeister Hans Waldmann wird hingerichtet. Die Passauer Grundherrschaft
verordnet für St. Andrä vor dem Hagental, daß kein Fleischhauer
"wampen" geschlachteter Tiere im Bach auswaschen dürfe; dafür
seien jetzt "rinnen" vorgesehen. In Frankfurt wird zu Ehren von
König Maximilian ein großes Bankett veranstaltet, wobei die "jungen
Gesellen" aus Hof und Oberschicht bis in die Nacht auch mit den "schönen
Frauen" (Dirnen) tanzen - zum nicht geringen Vergnügen des Königs.
Als daraufhin Markgraf Friedrich von Brandenburg ebenfalls ein Fest zu Ehren
des Königs, doch unter Ausschluß von Dirnen veranstalten will,
lehnt der Frankfurter Rat diese sittenstrenge Neuerung ab: sie sei "von
alters her nicht Brauch gewesen". In Frankfurt werden zwei Bettlermeister
ernannt (später heißen sie Bettelvögte), die wie die Richter
Stäbe tragen. Die Namen der einheimischen Bettler werden in einem Buch
festgehalten. Sie müssen jedes halbe Jahr ihre Bettelerlaubnis (nur auf
der Straße) erneuern. Verletzungen etc. müssen bei Strafe von einem
Jahr Verbannung bedeckt werden. In Heilbronn wird verordnet, daß Aas
durch Einbringen in Flüsse beseitigt werden soll. Im allgemeinen vertraut
man auf die reinigende Kraft des Wassers, welches lösliche Abfälle
"verzehren" soll. Eine Bauordnung in München verbietet die
Errichtung von Altanen (stockwerksweise übereinandergebauten hölzernen
Hofgalerien), weil sie feuergefährlich seien, Feuchtigkeit ansammelten,
zu Diebstählen Anlaß gäben und unerwünschten Einblick
in die Nachbarschaft gäben. Weiterhin wird das Ableiten von Ofen- und
Herdrauch auf die Straße verboten, jedoch nur für Holzfeuer. Holzkohlenfeuer
sind dagegen unbedenklich, "do es nit schaden bringt". Beim Bau
neuer Abtritte dürfen die zugehörigen Gruben nicht durch Letten
gegraben werden, damit angrenzende Brunnen weder beschädigt noch verunreinigt
werden. Es müssen Kloaken, Mist- oder Sickergruben einen Mindestabstand
von eineinhalb Schuh zum Nachbargrundstück haben und mit Holz ausgeschlagen
sein. Kaiser Maximilian wird auf einer Wallfahrt nach Amsterdam von einer
Krankheit geheilt und verleiht der Stadt dafür das Recht, die Kaiserkrone
im Stadtwappen zu führen. In Konstanz erscheint Ulrich Molitors "Von
Hexen und Unholden", worin der Hexenflug als unglaubwürdige Phantasievorstellung
entlarvt wird. Hermann von Bömmelburg, seit 1478 (bis 1504) Abt des Klosters
Corvey (ein Kleriker also) verheiratet seine Tochter (!) Ilseken mit Hans
Logeren, einem wohlbetuchten Bürger von Höxter und überträgt
ihr Einkünfte in Höhe von 100 Gulden aus zwei seiner Herrschaft
unterstehenden Meierhöfen. (Zehn Jahre später werden diese in ein
Leibgedinge für seinen Schwiegersohn umgewandelt.) Der Konvent des Benediktinerklosters
Corvey besteht nur noch aus vier Mönchen. Friedrich V. von Schaunberg
wird Erzbischof von Salzburg (bis 1494). Seine Konkubine beherrscht das Erzstift
und vergibt alle Ämter.
1490
Eine Beschreibung Wiens von Bonfini: "Die Stadt liegt in einem Halbmond
an der Donau, die Stadtmauer hat wohl 5000 Schritte und doppelte Wälle.
Wie ein Palast liegt die eigentliche Stadt inmitten ihrer Vorstädte,
deren mehrere an Schönheit und Größe mit ihr wetteifern. Jede
Wohnung hat ihr Sehenswertes, ihr Denkwürdiges. Fast jedes Haus hat seinen
Hinterhof und seinen Vorhof, weite Säle, aber auch gute Winterstuben.
Die Gastzimmer sind gar schön getäfelt, herrlich eingerichtet und
haben Öfen. In alle Fenster sind Gläser eingelassen, viele sehr
schön bemalt, durch Eisenstäbe gegen Diebe geschützt. Unter
der Erde sind weite Weinkeller und Gewölbe; diese sind den Apotheken,
Warenniederlagen, Kramläden und Mietwohnungen für Fremde und Einheimische
gewidmet. In den Sälen und Sommerstuben hält man so viele Vögel,
daß der, der durch die Straßen geht, wohl wähnen möchte,
er sei inmitten eines grünen, luftigen Waldes. Auf den Gassen und Marktplätzen
wogt das lebendigste Treiben. Vor dem letzten Kriege wurden ohne Kinder und
unerwachsene Jugend 50000 Seelen und 7000 Studenten gezählt. Ungeheuer
ist der Zusammenfluß der Kaufleute, auch hier wird ungeheuer viel Geld
verdient. Wiens ganzes Gebiet ist nur ein großer, herrlicher Garten,
mit schönen Rebhügeln und Obstgärten bekrönt, mit den
lieblichsten Landhäusern geschmückt." Nach einer Gedenktafel
in der Münchener Residenz hat in diesem Jahr Herzog Christoph angeblich
einen Steinblock von 364 Pfund Gewicht gehoben "und weit geworfen ohngeferdt".
Bischof Rudolf von Würzburg erläßt eine detaillierte Kleiderordnung
für Dirnen. Luxuskleider sind bei einer Strafe von zehn rheinischen Gulden
und dem Verlust der Kleidung verboten. Aus der Schneiderordnung von Meißen:
"...ein itzlicher, der bei uns meister sein oder werden will, der eine
neterinne (Näherin) zu einem weibe het, soll forthin keine lermait oder
sust ein ander mait neben ir setzen und halden." In St. Gallen erhält
ein Trompeter jährlich 18 Gulden, die beiden Amtsbürgermeister nur
10 Gulden. Das Regime des Ludeken Hollant in Braunschweig kommt herunter (vgl.
1488). Nachdem wegen eines Vermummungsverbots (plus dem Verbot der Tänze
und Reigen) der letztjährige Karneval "nicht anders heißen
als trübsinnig" mußte, regt sich der Widerstand nicht nur
in geheimen Verschwörerzirkeln, sondern auch auf offener Straße.
Man beschimpft ihn, den Kürschner, als "Hollant kurmau" - Verarbeiter
von Katzenfellen. Vergeblich bedroht er diejenigen mit harten Strafen, Stadtverweisungen
und Gildeausschluß diejenigen, die ihn an den Pranger wünschen,
indem sie ihm "kak, kak!" zurufen (Kak oder Kaak = Pranger, Schandpfahl)
Schließlich muß Hollant in diesem Jahr die Stadt verlassen. Die
Kölner Chronik nennt 90 Reichsstädte. Moderne Zusammenstellungen
rechnen mit 105.
Herbst: Mehrere Städte des Schwäbischen Bundes sprechen sich dagegen
aus, bezüglich ihrer Zahlungen an den Bund nach der Höhe ihrer Stadtsteuer
eingestuft zu werden, da sich dies nicht mit der wirtschaftlichen Realität
decke. Herzog Sigismund von Tirol (63) überträgt seine Lande Maximilian
I. (31). Die ungarische Besetzung Wiens endet mit dem Tod von König Matthias
Corvinus. Man munkelt von Giftmord. Seit diesem Jahr gibt es eine Kurierpostverbindung
zwischen Innsbruck und Mechelen. (Hintergrund: Seit 1482 herrschen die Habsburger
in den Niederlanden. Vgl. 1520).
Bis 1494: Albrecht Dürer ist in Colmar, Basel und Straßburg tätig.
Bis 1520: Das Hauptwerk des arabischen Alchimisten Geber erscheint unter dem
Titel "Summa perfectionis magisterii in sua natura" in Latein. Die
Grundidee der um das Jahr 900 entstandenen Schriften ist die Hypothese, daß
alle Metalle zusammengesetzter Natur bzw. in ihrer Substanz verwandelbare
Stoffe sind. Bis zur ersten deutschen Ausgabe werden noch fast 200 Jahre vergehen
(Danzig 1682).
1491
In Speyer wird ein berufsmäßiger Falschspieler verhaftet. Er konnte
"mit siegelmetzen, mit karten, mit den bogeln, mit den geschliffen worffeln"
spielen. Wegen Falschspielerei werden im Spätmittelalter aber auch angesehene
Bürger und Zunftmeister belangt. In Speyer wird weiterhin auch eine Dirne
verhaftet, die mehrere Diebstähle gesteht: "zu Tuwingen eyn rock,
ist des rectors gewest, hatt sie unde ander frawen im gemeynen huss verdruncken
für zwei fl." Diese Frau ist auch im Straubinger Frauenhaus gewesen
und hat zwischen Straubing, Tübingen, Ungolstadt und Mainz viele Orte
durchwandert, und sie "hat keyn oren mer gehabt." Johann Froben
(31) gründet in Basel eine eigene Druckerei. Ortolfs Apothekerbuch von
1477 wird erstmals gedruckt. Ein nasser und kalter Sommer löst einen
schweren Getreidemangel aus: Im Kurkölnischen, in Berg, Westfalen, Friesland,
Geldern, Kleve und Jülich backt man Brot aus Gerste, Erbsen, Bohnen und
Kleie. In Köln läßt der Rat durch eine Kommission die Getreidevorräte
der Stadt feststellen: 2993 Malter Gerste, 888 Malter Weizen und 689 Malter
Roggen. Die Besitzer werden aufgefordert, ihre Vorräte an die Bäcker
zu verkaufen, weil die Hungernden sich vor den Backhäusern drängen.
Der Rat muß Korn an die Bäcker abgeben und einige von ihnen in
den Turm sperren, weil sie zu nasses und ungesundes Brot gebacken haben. Die
Bauern des Fürstabtes von Kempten beschweren sich beim Schwäbischen
Bund über eine neue Steuer. Nachdem der Schwäbische Bund den Bauernbund
durch Drohungen aufgelöst hat, wenden sich die Bauern vergeblich an den
Kaiser. Als Doktor Bartholomäus Steber den Rat von Wien um eine Leiche
für die Anatomie ersucht, erhält er die eines Delinquenten, welcher
sich als scheintot erweist und bei der Sektion wieder aufwacht. Man schenkt
ihm die Freiheit. In Hallau bei Schaffhausen ist die kleine Kapelle St. Mauritius
zu eng geworden. Am Berghang soll eine größere Kirche gebaut werden,
wobei man auf ein alemannisches Gräberfeld stößt. Die Gebeine
und Beigaben werden für diejenigen des hl. Mauritius und der thebäischen
Legion gehalten, die hier den Märtyrertod gefunden haben sollen. Durch
drei Jahre wird Hallau zu einem großen Wallfahrtsort. Ein großer
Brand zerstört die Hälfte von Dresden. Es wird eine neue Bauordnung
eingeführt, welche vorschreibt, Eckhäuser und Häuserfronten
bis zum ersten Stock in Stein auszuführen, sowie die Dächer mit
Ziegeln zu decken. Es ist ab jetzt allgemein erlaubt, an Fastentagen Eier,
Milch und Milchprodukte zu essen. Übertretungen des alten Verbots sind
aber schon lange an der Tagesordnung gewesen, auch in Klöstern.
Oder 1492: Als irgendwo eine übermütige Hochzeitsgesellschaft einen
Bundschuh am Wirtshaus anbringt, eilt sogleich der Amtmann herbei, um klarzustellen,
"was es ein so großes Ding wäre, einen Bundschuh aufzuwerfen
und was es auf sich trüge."
1492
Veit Stoß (47) schafft das Grabmal von König Kasimir IV. von Polen
im Dom zu Krakau. In Florenz erscheint Piero della Francescas Untersuchung
über die Perspektive. Leonardo da Vinci (40) fertigt eine Zeichnung einer
Flugmaschine an. In Nürnberg fertigt Martin Behaim den ersten Globus
an - noch ohne Amerika oder gar Australien. Später sagt Luther, daß
die Behauptung, die Erde sei eine Kugel, eine höchst lächerliche
und kindische Phantasie sei. Auf Betreiben des Großinquisitors Torquemada
werden die Juden aus Spanien ausgewiesen. Erster Beleg, daß das Billardspiel
in geschlossenen Räumen gespielt wird (wahrscheinlich in Frankreich):
Jemand soll grünes Tuch gekauft haben, um damit einen Tisch zu überziehen,
auf dem er Billard spielen will. (Frühform: Quadratisch, ein Tor, ein
Kegel, drei Löcher und schräge Stäbe). In Ulm verbietet der
Rat, zwischen dem 22. Februar und dem 25. Juli bei Strafe von einmonatiger
Stadtverweisung Vögel (außer Spatzen) zu jagen.
Ulm: "Im 1492. jar hat sich das Minster anfahen sencken, daß man
gefircht hat, er wer umfallen. Ain mal an aim Suntag waren die leut an der
predig, da fielen zwen stain herab auß dem gewelb, da flohen die leyt
uß der kirchen, dan sie mainten, der thurn welte umfallen, aber die
stain heten niemans troffen." [Sebastian Fischer] Der begonnene Turm
des Münsters wird daraufhin nicht weitergebaut. In Köln gebietet
der Rat, daß jeder sich in Zukunft vorsehen solle, welche Art von Ochsen
er kaufe. Es ist nämlich vorgekommen, daß polnische, ungarische,
dänische, russische oder eiderstedtische Ochsen für gemästete
friesische Ochsen ausgegeben worden sind oder auch Pflugochsen verkauft worden
sind. Die medizinische Fakultät der Universität Wien versucht vergeblich,
das Apothekerwesen zu regeln (wie schon 1404 und 1465).
2. Februar: Schlägereien zwischen Klerikern in Paris: Dort erträgt
man es nur widerstrebend, daß die Kirche von Paris nur Suffragen des
Erzbistums Sens ist. An diesem Tag nun zelebriert der Erzbischof von Sens
in Notre Dame in Gegenwart des Königs die Messe. Während der König
die Kirche noch nicht verlassen hat, zieht sich der Erzbischof, das Volk segnend,
zurück, wobei ihm das Priesterkreuz vorangetragen wird. Zwei der Domherren
drängen sich mit zahlreichen Kirchendienern vor, beschädigen das
Kreuz, verrenken die Hand des Trägers und verursachen einen Tumult, bei
dem den Bedienten des Erzbischofs die Haare ausgerauft werden. Der Erzbischof
versucht zu schlichten, "ohne ihm ein Wort zu sagen, kamen sie auf ihn
zu; Lhuillier (der Dekan des Domkapitels) stößt ihm den Ellbogen
in den Magen, die anderen zerrissen den Priesterhut und dessen Schnüre."
Der andere Domherr verfolgt den Erzbischof, "mehrere Schmähungen
ausrufend, ihm den Finger ins Gesicht streckend und ihn derart am Arm packend,
daß er ihm das Chorhemd zerriß; und wenn der Erzbischof nicht
die Hand vorgehalten hätte, hätte er ihm ins Gesicht geschlagen."
Es kommt darüber zu einem Prozeß, der 13 Jahre dauert. [Zitate
nach den Prozeßakten]
17. Juni: Es essen in der Residenz des Bischofs von Trient, Ulrich III. von
Frundsberg, Giorgio Contarini, Graf von Zapho und Paolo Pisano, die Gesandten
Venedigs, mit dem Bischof zu Abend. Es werden elf Gänge aufgetragen:
Gekochtes und gebratenes Fleisch mit Fisch aller Art und Salat; Weichseln
und Kirschen; ein mit Brot gefüllter Kapaun in einer gelben Sauce; Eier
auf hölzernen Spießen; Hasen- und Wildschweinfleisch in schwarzer
Sauce; eine Art Brezel in Öl gekocht; Weichselmus; Fische und gekochtes
Fleisch; trockner Braten; eine Mixtur aus Milch und Eiern; Konfekt. Michael
Behaim, Ratsherr und Bauherr von Nürnberg, läßt seinen Brunnen
fegen, wofür er allein für die Badknechte 70 Pfennig zahlen muß.
In Breslau gibt es einen Gehäusepranger, d.h. einen Käfig auf einer
Säule, worin Übeltäter öffentlich zur Schande ausgestellt
werden. Eine Landshuter Ordnung: Der Schulmeister "soll auch fleiss haben,
dass die schüler in der schule, zu chor und auf der gassen latein reden."
Zuwiderhandlungen werden bestraft. Neuer Papst wird Rodrigo Borja (Borgia)
als Alexander VI. (bis 1503), der skandalösteste Papst der Kirchengeschichte.
Gasparo von Verona schreibt über ihn: "Wo er nur herrliche Frauen
erblickt, regt er sie in wunderbarer Weise zur Liebe auf, und er zieht sie
an sich, stärker als ein Magnet das Eisen anzieht." Er hat bis Ende
seiner Amtszeit (nicht etwa nur von früher) zehn Kinder.
3. August: Christoph Kolumbus bricht mit drei Schiffen nach Westen auf, um
den Seeweg nach Indien zu suchen. Angeblich hat er über 100 Sanduhren
dabei.
11. Oktober: Kolumbus' kleine Flotte entdeckt eine Insel der Bahamas.
28. Oktober: Kolumbus entdeckt Kuba, das er für Japan hält.
6. November: Im Bordbuch des Kolumbus wird erstmals der Tabak erwähnt.
7. November: Zu Ensisheim im Elsaß geht ein Meteorit von angeblich über
drei Zentner Gewicht nieder. In der Kirche ist ein Stück davon aufbewahrt,
mit folgendem Bericht: "Anno Domini 1492 uff Mittwochen, nächst
vor Martini den siebenten Tag Novembris, geschah ein seltsam Wunderzeichen.
Denn zwischen der ersten und zwölften Stund zu Mittagszeit kam ain großer
Donnerklopff und ain lang getös, welches man weit und breit hörete,
und fiel ain Stein von den Lüfften herab bei Ensisheim in ihren Bann,
der wog zweihundertundsechzig Pfund und war der Klopff anderswo viel größer
denn allhier. Da man den Stein fand, da lag er bei Mannestief in der Erden,
welches Jedermann dafür hält, daß es Gottes Wille war, daß
er gefunden würde..." Der Schulmeister Johann Birk verfaßt
zu Kempten die "Historia Karoli Magni et de fundatione monasterii in
Campidona", vorgeblich 832 verfaßt. In dieser Fälschung wird
z.B. ein Kanzler Ludwigs des Frommen, Gotfridus de civitate Marsilia erfunden.
1493
Bauernverschwörung unter dem Zeichen des Bundschuhs im Elsaß. Auch
im Bistum Speyer gibt es eine Bundschuhbewegung. Hier will man alle Landesherrschaft
abschaffen, alle geistlichen Güter aufteilen und alle Abgaben aufheben.
Neu daran ist die Begründung mit göttlichem Recht. Auf ihren Fahnen
steht "Nichts denn die Gerechtigkeit Gottes!". Anführer ist
Joß Fritz aus einem Dorf bei Bruchsal. Bevor er losschlagen kann, wird
der Aufstand verraten. Ulrich von Frundsberg, der Bischof von Trient hinterläßt
u.a. "drey beslagen loffelen, ainen perlenmuotter, den anderen serpentin,
den dritten von ainer schneggen." In Nürnberg erscheint die Weltchronik
von Hartmann Schedel (53). In Venedig findet erstmals ein Wettrudern der Marktfrauen
statt. Savonarola predigt in Florenz. (Inhalt etwa: Die ganze Welt ist verderbt,
einschließlich Kirche, Fürsten, Gelehrte, Gesetze und Bräuche).
13. Januar: Auf Haiti gibt es erstmals ein Gefecht zwischen Spaniern und Indianern
(7 gegen ca. 55).
4. März: Kolumbus kehrt nach Spanien zurück. Von seinen 100 mitgeführten
Sanduhren soll er eine einzige - beschädigt - zurückgebracht haben.
8. Juni: Dem Kaiser Friedrich III. wird wegen Altersbrand der linke Fuß
amputiert. Es ist einer der seltenen Fälle, wo eine ärztliche Behandlung
genauer beschrieben wird: Zwei Ärzte beraten, drei Ärzte halten
den Kaiser, zwei weitere sägen ihm den Fuß ab. Die Operation wird
im Beisein zahlreicher Adliger, Ritter und Knechte durchgeführt und gelingt.
Nach sechs Wochen beginnt die Wunde zu verheilen, nach weiteren vier Wochen
ist die Heilung praktisch abgeschlossen. Es soll dem Kaiser aber nichts nützen...
25. September: Kolumbus bricht (mit 17 Schiffen) zu seiner zweiten Reise auf.
Dezember: Kaiser Friedrich III. (78) stirbt an einem Schlaganfall. Er hat
es für nötig erachtet, 30000 Seelenmessen zu stiften.
5. Dezember: Leichenbegängnis Friedrichs III. in Wien (nach Jakob Unrest):
"In Sannd Steffanskirchen in dem mittern gwellb ist der khor und kirchen
durchab all umbhanngen in der hoch mit swartzen tuechern gewesen und ob den
tuechern haben geprunnen funffhundertunddreyundachtzig kertzen. Bey dem fronaltar,
der mitten in der kirchen stat, do man das seelambt aufgesungen, do hat man
gemacht ein gestuel. Und ob dem alltar pey der pahr ist gestannden ein capellen
auf vier sewlen durchsichtig und auf der capellen haben geprunnen dreyhundert
und 46 kertzen, von wachs gemacht. Die kapellen was umbhangen mit swartzen
tuechern, das kayserliche wappen an dy capellen und an dy tuecher gehangen.
Und umb die capellen sind gestanden achtundviertzig prueder in swartzen rocken
und in klagkappen und hat ein jeder ain prinnen windliecht in der hand gehabt.
Und auf der par, daruber dan die capellen gestanden, ist gelegen ain weisser
thammaschk (Damast) mit ainem praiten gulden kreutz und auf dem thammaschk
ist gewesen ein schwartzer samitt, auch mit einem , auch mit einem gulden
krewtz, und auf dem sammat ist gelegen ein kayserlich swert, kran, zepter
und apfell und der orden von gullden vleis. neben der par ist gestannden des
kaysers herolld, genant Romrich, in einem gantz gulden rock." (Es hat
sich Schwarz als Trauerfarbe im Spätmittelalter noch nicht allgemein
durchgesetzt, wird aber bereits von der Oberschicht verwendet. Trauergemeinden
sind auch noch vielfarbig). Maximilian tritt die Nachfolge an.
1494
Der Rat von Ulm ordnet an, daß Fäkalien und Schweinemist nicht
auf Wiesen und Feldern auszubringen, sondern in die Donau zu schütten
seien. (Dies klingt beim notorischen Düngermangel des Mittelalters sehr
weltfremd.) Eine Warnung vor Hausierern: "Item Hut dich vor Kremern die
dich zu hawß suchen denn du kaufst nichts guts, eß sej Silberr
krom Wurtz oder anderer Gattung...dann der gemein man will betrogen sein..."
Nach einer Inschrift auf einer Tafel in der Kirche St. Sebald (in Nürnberg?)
besitzt Ulrich Grundherr eine "tragbare" Uhr, die sogar schon in
Viertelstunden schlägt. Dies ist aber noch keine Taschenuhr. Aus Avignon
ist ein Fall bekannt, bei dem ein tüchtiger Gastwirt von einem anderen
Wirt aus Geschäftsneid angezeigt wird, von der Lepra befallen zu sein.
Angesehene Ärzte aus Avignon und die medizinische Fakultät von Montpellier
entscheiden zugunsten des Verdächtigten.
Todesfälle: Der Maler Hans Memling (64). Einzug Philipps des Schönen
in Antwerpen: "Diejenige Tribüne aber, auf die die Leute am interessiertesten
hinschauten, bezog sich auf die Geschichte der drei Göttinnen, die man
nackt sah und durch lebendige Frauen dargestellt." (Molinet V., S. 15).
Die 36 Hammerwerke am Hochrhein schließen zum Hammerbund, einer zunftartigen
Vereinigung zusammen. Hammerwerke verarbeiten mittels Wasserkraft Roheisen
zu schmiedbaren Halbfabrikaten. Jedem Hammerwerk wird eine festgelegte Menge
Roheisen zugesprochen. Zusammen produzieren sie 62 Tonnen Eisen pro Jahr.
1494/1495
Es erscheint in Italien erstmals das umfangreiche Werk "Orlando Innamorato"
(Der verliebte Roland) von Matteo Maria Boiardo, dem Grafen von Scandiano
(späte Karlsepik). Sebastian Brant (36) veröffentlicht das "Narrenschiff".
1495
In Nördlingen wird ein gewisser Sixt Wiedemann bestraft, weil er, der
in einer Fronleichnamsprozession den hl. Petrus spielen sollte, während
der Prozession Karten gespielt hat. Inwieweit Normverletzungen bei religiösen
Aufführungen toleriert werden, wechselt mit Zeit und Ort. Beispiel für
die Zahl der Arbeitstage von Handwerkern: Nach Rechnungen wird in Xanten in
53 Wochen an 270 Tagen gearbeitet. (Vgl. 1356) Basel hat 8800 Einwohner. Nach
einem Lilienfelder Banntaiding ist ein Ehemann, der seine Frau auf frischer
Tat mit einem Ehebrecher erwischt, befugt, selbst zu richten. Bringt er die
Sache jedoch vor Gericht, so soll geurteilt werden, daß man Frau und
Ehebrecher zusammenbinde, beide in eine Grube werfe (Mann oben) und mit einem
Schlegel einen Stock durch beide schlage. [Eine andere Frage ist, ob solche
Strafen auch tatsächlich verhängt wurden.] Als in Würzburg
ein Henker unaufgefordert auf der Hochzeit eines Baderknechts erscheint -
er ist der Nachbar der Braut gewesen -, klagt das ganze Baderhandwerk der
Stadt vor dem Rat, um dem Knecht das Handwerk verbieten zu lassen. Dies mißlingt
zwar, doch muß der Knecht zur Wiederherstellung seiner Ehre eine empfindliche
Geldbuße zahlen. Die Landesordnung von Württemberg gebietet, das
Erdgeschoß der Häuser aus Stein zu errichten, um Holz zu sparen.
Es scheint, daß der Übergang vom Holzbau zum Steinbau nicht nur
auf mediterranen Einfluß, sondern auch auf Holzmangel zurückgeht.
Steyr bekommt den Blutbann verliehen (wie auch 1523 wieder). Mitte Mai: Das
Hauptkontingent Karls VIII. von Frankreich zieht sich aus Neapel zurück.
Bei diesen Truppen ist eine Krankheit ausgebrochen, die von den Italienern
mit den Invasionstruppen in Zusammenhang gebracht und "mal francioso"
genannt wird, während die Franzosen sie als "mal de Naples"
bezeichnen. Diese "Franzosenkrankheit" (auch: die Bösen Blattern)
ist 1493 mit Kolumbus nach Barcelona und dann über Aragon nach Südfrankreich
gekommen. Mitte des 16. Jahrhunderts wird sie als Syphilis bezeichnet. Die
Krankheit ist in der Regel nicht tödlich und besteht aus einem durch
zwei Erreger hervorgerufenen Komplex aus Frambösie und Syphilis. In Rom
erkranken binnen zwei Monaten 17 Mitglieder der päpstlichen Familie daran,
auch Cesare Borgia. Maximilian I. läßt in Wien vor dem Stubentor
ein Hospital (angeblich für Syphilitiker - was etwas verfrüht scheint)
errichten. Auf dem Reichstag zu Worms beginnt die Reichsreform mit vier Gesetzen:
Ewiger Landfrieden, Kammergericht als oberstes Reichsgericht, "Gemeiner
Pfennig" als allgemeine Reichssteuer auf "vier Jar lang und nit
lenger" und "Handhabung des Friedens und Rechts", eine Verpflichtung
Maximilians und der Reichsstände auf Einhaltung der Reformgesetze. Diese
Reform scheitert an der stillschweigenden Beibehaltung der territorialen Sonderrechte.
Das Kammergericht kann wegen Widerstands von Sachsen und Brandenburg seine
Autorität nicht über die Fürsten ausdehnen. Die Fehde wird
als Mittel im Rechtsstreit abgeschafft (was nicht heißt, daß es
keine Fehden mehr gibt). Die Grafschaft Württemberg wird vom Kaiser zum
"Unteilbaren Herzogtum" erhoben. Residenz ist Stuttgart, zweite
Residenz ist Tübingen. Maximilian erteilt Reutlingen das Privileg, allen
Totschlägeren, die ihre Tat ohne Vorsatz ausgeführt haben, Asyl
zu gewähren. Bis zur Aufhebung im Jahre 1804 nutzen fast 2500 Totschläger
dieses Privileg, das als "Reutlinger Asyl" in der Rechtsgeschichte
bekannt wird. Das Einzugsgebiet dieses Asyls reicht weit über die Grenzen
der Stadt hinaus und macht Reutlingen zum größten Totschlägerasyl
in Süddeutschland. Celle erhält ein Pestspital. Der Humanist Robert
Gaguin läßt sein Kompendium der französischen Geschichte drucken.
Im Anhang befindet sich auch ein Brief von Erasmus, der sich hier erstmals
gedruckt sieht. Es erscheint "De Aetna" von Kardinal Pietro Bembo.
Hier wird erstmals eine Schriftart verwendet, die später "Bembo"
genannt wird (eine Form der Renaissance-Antiqua). Emanuel I. wird König
von Portugal (bis 1521). Unter seiner Herrschaft importiert das Land über
Antwerpen Kanonen, Munition und 5200 Tonnen Kupfer.
1496
Bei der Reliquienzeigung in Aachen werden an einem einzigen Tag vor den Toren
142000 Pilger gezählt. Einige werden im Gedränge erdrückt.
Gegen die große Hitze wird von den Dächern herab Wasser auf die
Massen gegossen. Bei Bonn kentert am 16. Juli eine Rheinfähre wegen Überfüllung.
70 Aachenpilger ertrinken, nur sechs oder sieben können sich retten.
In Portugal werden die Juden bei Strafe der Vertreibung zur Taufe gezwungen.
11. Juni: Kolumbus kehrt von seiner zweiten Reise zurück. In Nürnberg
ergeht das Gesetz, "allen padern bei einer poen zehen gulden zu gepieten
das sie darob und vor sein, damit die menschen, die an der newen krankhait
malum Frantzosen, beflekt und krank sein, in irn paden nicht gepadet."
Nach dem Tagebuch des Frankfurter Patriziers Job Rohrbach läßt
dessen Familie ihre Mietshäuser renovieren, ausgenommen "das hinderst
zinshuß im geslin [Gäßlein] das also unrein ward gehalten
durch die darin wohnend, das man darumb nit moch [vermag] dasselbig huß
mit estrich beschlagen." Nach einem Ratserlaß aus Überlingen
kann man dort ein Teufelsgewand, das übers Jahr für Prozessionen
benutzt wird (und sich im Besitz der Heiligenpflege der Pfarrkirche St. Nikolaus
befindet) während der Fastnachtszeit für profane Nutzung ausleihen.
"Vastnacht ordnung (...) Item ewer der ist, der das teufel häs von
sannt Niclaspfleger entlehnt hab oder das innhett den pflegern zugehörig,
der soll inen das widerumb anntwurtten. (...?) Wo aber ainer ein teufelshäs
vber sein eigen costen gemacht hatte, der mag desselb haben, doch das er gutwillig
seye, das in Crutzganng [für die Prozession] gott zu lob darlyhen."
[Überlinger Ratsprotokolle 1496 - 1518. Ad 1499 p 171, N 2681] Es sollen
also auch umgekehrt private Teufelskostüme für die Prozessionen
zur Verfügung gestellt werden. Schreckmasken und Dämonenkostüme
sind bei den meist jugendlichen Mirwirkenden der geistlichen Spiele mit Abstand
am beliebtesten und werden bei jeder Gelegenheit auch außerhalb des
liturgischen Rahmens - besonders zur Fastnacht - getragen. Es erscheint die
Naturgeschichte (Naturalis Historia) von Plinius d. Ä. (gest. Anno 79)
zu Venedig im Druck. Diese Enzyklopädie des gesamten Wissens der Antike
zitiert über 400 griechische und römische Quellen.
1497
Im Lindauer Reichsabschied heißt es, "dass der gemain Pawersmann
und arbaitend Leut in Stetten oder auf dem Land kain Tuch anmachen oder tragen
sollen, des die Ele über ainen halben gulden kostet; auch sollen sie
kainerley Gold, Perlen, Samat, Seiden, noch gestückelt claider tragen,
noch ihren Weibern noch Kindern zu tragen gestatten". Aus einer Vorschrift
des Mainzer Erzbischofs Berthold von Henneberg für seine Güter im
Rheingau: "Jeder Tagwerker, er arbeite auf dem Felde oder sonstwo, erhält
morgens eine Suppe samt Brot, mittags eine starke Suppe, reichlich Fleisch
und Gemüse und einen halben Krug gemeinen Weins; abends Fleisch und Brot
oder eine starke Suppe und Brot." Der Rat der Reichsstadt Hall verbietet
dem Binder Jakob Reichlin, "pruntz und ander unsawberkeit aus dem haws
in das gässlein zu schütten". (Die verbreitete Vorstellung,
das Auskippen von Nachttöpfen auf die Straße sei in der mittelalterlichen
Stadt an der Tagesordnung gewesen, scheint wohl nicht recht zuzutreffen. Dieser
Einzelfall, der sich ausdrücklich an eine bestimmte Person wendet, gehört
zu den ganz wenigen mir bisher bekannten Quellen zu diesem unerquicklichen
aber wohl gerade darum populären Bild). In Antwerpen entsteht die erste
Zuckerraffinerie. Savonarola wird exkommuniziert. Es erscheint die erste deutsche
Ausgabe von Tacitus' "Germania". Die Heilbronner Chronik berichtet
zu diesem Jahr ein beliebtes Sagenmotiv: Man will in einem Teich (dem Kaiserwoog
zu Lautern) einen Hecht von 350 Pfund gefangen haben, bei welchem sich ein
goldener Ring befunden haben soll mit der Aufschrift: "Ich bin der Fisch,
den in diesen Teich Friedrich II., der Weltbeherrscher, mit eigenen Händen
gesetzt hat den 5. Oct. 1230". [Ähnliche Sagen gibt es u.a. auch
um einen Hirsch, der dann gleich noch auf Caesar zurückgeführt wird.]
Die Stadt St. Veit an der Glan brennt ab. Kaiser Maximilian gestattet, daß
2000 Stämme Holz aus den landesfürstlichen und herrschaftlichen
Wäldern in der Umgebung gefällt werden dürfen, um Stadtbefestigung
und notwendige Gebäude wiederaufbauen zu können. In Schwäbisch
Gmünd stürzen die beiden Türme der Marienpfarrkirche ein.
1498
Die Kleiderordnung von Freiburg i. Br. gestattet den Doktoren, Schauben von
roter Farbe zu tragen. Diese werden durch die ursprünglich dem Adel vorbehaltene
rote Farbe gesellschaftlich aufgewertet. Geiler von Kaiserberg beanstandet
in einer Predigt, daß sich Frauen Birette mit Ohrenklappen aufsetzen.
Im steirischen Benediktinerstift St. Lambrecht besitzt ein Konventuale an
Kleidung: eine Schaube aus Harras mit Fuchspelz, eine andere mit Schafspelz
gefüttert, zwei Röcke, eine alte und eine neue Kutte, ein Schlafrock,
eine wollene Pfait (Hemd), vier Skapuliere, ein Brustpelz, ein Leibrock, zwei
"parhosen und kniehößlein", vier leinenen Pfaiten, zwei
Badepfaiten, ein Reitmantel sowie Gugel und Kappen. In Hamburg wird den Kisten-
und Leuchtenmachern verboten, samstags nach 17 Uhr zu arbeiten. In Köln
werden die Bezirksmeister angewiesen, jeweils in ihrem Bezirk alle Bewohner
aufzusuchen und zu verlangen, daß alle Flaschen, Töpfe und Kannen
auf das Rathaus gebracht werden, damit sie geeicht werden können. Die
Verwendung ungeeichter Gefäße soll künftig mit fünf Mark
Silber und dem Verlust des Gefäßes bestraft werden. Vor den Toren
Nürnbergs (an der Pegnitz) wird ein Pestspital gegründet. Viele
Pestspitäler sind außerhalb von Pestzeiten geschlossen und stehen
leer (eine Verlockung für Obdachlose). Vertreibung der Juden aus Salzburg.
20. Mai: Vasco da Gama erreicht Indien. Bei seiner Rückkehr bringt er
eine Ladung Pfeffer, Nelken, Zimt und Muskat mit, was ihm sechsmal soviel
einbringt, wie sein ganzes Unternehmen gekostet hat. Seine zweite Fahrt wird
ihm das Fünfzigfache der Kosten einbringen.
22. Mai: Savonarola wird in Florenz gehängt und verbrannt.
30. Mai: Kolumbus bricht zu seiner dritten Reise auf (mit 8 Schiffen). Der
Reichstagsbeschluß von Freiburg erklärt die Zigeuner für vogelfrei.
In Florenz erscheint das erste gesetzliche Arzneibuch. Wiederaufbau der Kirche
St. Peter und Paul zu Weimar im gotischen Stil. Dürers (27) "Apokalypse"
(sein erster Holzschnittzyklus).
Ca.: Leonardo da Vinci fertigt zahlreiche technische und wissenschaftliche
Zeichnungen an.
1499
In einem Brief an die Reichsstadt Memmingen beklagt Maximilian den Mangel
an brauchbarem Schuhwerk bei seinem Kriegsvolk und fordert daher den Rat auf,
allen Schuhmachern der Stadt zu befehlen, eiligst Schuhe in großer Zahl
herzustellen und diese auf dem Lagermarkt um Bargeld zu verkaufen. In Köln
kommt ein "Aventurer" mit einem Elefanten an, mit dem er unterwegs
nach England ist. In Frankfurt beschließt der Rat eine Aktion zur Rattenbekämpfung.
Durch einen Anschlag an der Kirchentür werden alle Bewohner dazu aufgerufen,
Ratten zu töten und diese einem städtischen Beauftragten auf der
Mainbrücke zu übergeben, welcher pro Ratte einen Heller zahlt. Um
Betrug zu vermeiden, wird jeder Ratte der Schwanz abgeschnitten und die Kadaver
in den Main geworfen. Diese Aktion wird durch das Strafgeld des Juden Gumprecht
für ein sexuelles Delikt an einer Christin (50 Gulden) finanziert. So
wie an den Lateinschulen oft Deutsch verboten ist, so kann auch in den Schreibschulen
Latein verboten sein: In der deutschen Schule zu Konstanz wird den "tütschschribern"
(Lehrern) angeordnet, "daz sy kein kind, knaben, die zu in gesetzt werden,
kain latin noch latinisch buch in iren hüssern nit leren sond, wen das
aller burger und lüten kind, die latin und tütsch lernen wend, das
tün sond in der schul (Lateinschule)". Als Nürnberger Arbeiter
einen Brunnen an der Stadtmauer anlegen, werden sie von markgräflichen
Boten verhöhnt: "was sie aldo für einen scheyßbrunnen"
bauten! Es kommt zur Schlägerei, die auch für politischen Wirbel
sorgt. In Nürnberg läßt der Rat einem Safranfälscher
beide Augen ausstechen. Ein Schneider aus Frankfurt ist als Trompeter bekannt.
Die erneuerte Kreuzkirche zu Dresden wird eingeweiht. In Steyr gibt es ab
sofort freie Bürgermeisterwahlen. In Köln wird die "Cronica
van der hilliger stat van Coellen" (genannt die "Koelhoffsche Chronik")
gedruckt. Der anonyme Verfasser rechtfertigt die "schlichte deutsche
Sprache" damit, daß man nur wenige deutsche Chroniken "bei
dem gemeinen Mann" finde. Auch in dieser Stadtchronik wird die Stadtchronistik
mit der Weltchronistik verknüpft - zum Lobe Kölns. Ritter Arnold
von Harff aus dem Herzogtum Jülich und Berg verfaßt einen Bericht
über eine dreijährige Pilgerfahrt in den Vorderen Orient, Italien,
Frankreich und Spanien. In Florenz beobachtet er einen Knaben in einem Laufrad,
der 100 Spulen zum Spinnen von Seide antreibt. Am Nil entdeckt er, daß
ägyptische Kaufleute Häute von Krokodilen trocknen lassen, um diese
in Europa als Häute von Lindwürmern anzubieten, "dat geloegen
ist". Er beschreibt die Gewinnung von Zucker aus Zuckerrohr und findet
eine Erklärung für das große Angebot von billigem Hühnerfleisch
in Kairo: Hühnerbrutanstalten, die es auch in Granada gibt. In einen
Ofen mit Kachelröhren werden Eier gelegt und mit Mist versiegelt. Durch
ein Kamelmistfeuer und Sonnenwärme schlüpfen die Küken in drei
Wochen.
22. September: Im Frieden von Basel muß das Reich seine Forderungen
(betreffend die Reichsordnung von 1495) an die Schweiz fallenlassen, nachdem
der "Schwabenkrieg" verlorengegangen ist. Damit ist die Schweiz
praktisch aus dem Reich ausgeschieden.