12. Jahrhundert
Aufkommen des Zahnhammers. Im höfischen Leben wird der Met vom Wein abgelöst.
Der Met entwickelt sich nun zu einem Volksgetränk. Mitte des 12. Jahrhunderts
wird in Spanien bereits Papier erzeugt, doch ist eine Kontinuität nicht
nachweisbar. [Freilich ist das maurische Spanien damit gemeint!]
Erst im 12. und 13. Jahrhundert wird es in allen Gesellschaftsschichten üblich,
Brot zu den Mahlzeiten zu essen (statt Mehlbrei).
Ende 12. Jahrhundert: Entstehung des anonymen Epos "Mainet" (oder:
Karlot) in pikardischer Mundart.
Ende 12. Jahrhundert: Entstehung des anonymen französischen Epos "Aspremont"
(Karlsepik mit Einflüssen aus der Artusepik).
Ende 12. Jahrhundert: Entstehung des pikardischen Epos "La Déstruction
de Rome" (Die Zerstörung Roms), zugeschrieben Louis Le Roi oder
Gautier von Douai (Karlsepik über die Eroberung Roms Anno 864). Ebenfalls
diesen beiden Autoren zugeschrieben wird das wohl etwa gleichzeitige Epos
"Fierabras" (Fierebrac), eine Fortsetzung davon.
1100
In York wird ein Hospital errichtet.
Ca.: Blütezeit des keltischen (kymrischen) Schrifttums in Wales.
Ca.: Beginn des Kupferbergbaus in Schlesien.
Ca.: In Deutschland und Italien sind Fahnenwagen (Karraschen) üblich.
Ca.: Europa hat etwa 48 Mio. Einwohner.
Ca.: Der Mönch Frutilo von Michelsberg (im Bamberger Milieu) wertet die
"Erzählung des Volkes" (vulgaris fabulatio) und den "Vortrag
der Lieder" (modulatio cantilenarum) gegenüber seiner neuen kritischen
Geschichtsschreibung ab. Immerhin scheint aber die Heldensage noch als Geschichtsbewußtsein
im Gegensatz zur gelehrten kirchlichen Historiographie bestanden zu haben.
Ca.: Auf Gotland hört die Herstellung von Bildsteinen (bildstenar) auf.
Diese Steine, von denen ca. 450 ganz oder telweise erhalten sind, wurden etwa
ab dem Jahre 400 ausschließlich auf Gotland hergestellt. Es sind Fliesen
aus Kalkstein oder Sandstein, die auf einer Seite mit bemalten Ritzungen versehen
sind. Ihr Zweck ist unklar, sie treten oft auf oder bei Gräbern, aber
auch als Wegsteine auf. Sie trugen heidnische und später christliche
Darstellungen, Runeninschriften und Flechtbandornamente.
Ca.: Anlage einer Straße vom Allgäu nach Meersburg.
1102
Der Normanne Roger II. von Hauteville (später König von Sizilien,
Kalabrien und Apulien) muß eine im Vorjahr angefertigte Urkunde seiner
Mutter, der Gräfin Adelasia wiederholen, "weil sie auf Papier geschrieben
war". Es geht darin übrigens um die Übereignung einer Mühle,
welche von einem Araber angelegt worden war, an das Kloster San Filippo. In
diesem Gebiet ist die Konstruktion von Mühlen eine Domäne der Araber.
Guy von Rochefort kehrt "in Ruhm und Fülle" vom Kreuzzug heim.
Dies ist einer der sehr wenigen Hinweise darauf, daß Kreuzfahrer reich
heimkehren - zumindest in den frühen Kreuzzügen. Die anderen Hinweise
seien an dieser Stelle aufgeführt [weil die exakte Datierung gerade nicht
zur Verfügung steht]: Ein Ritter namens Grimald, der auf der Heimreise
an Cluny verbeikommt, wird dort confrater, macht ein Testament zugunsten der
Abtei und schenkt ihr eine Unze Gold. Hadwig von Chiny, die ihren Mann Dodo
von Cons-la-Grandville auf dem Kreuzzug begleitet hat, schenkt der Kirche
St. Hubert-en-Ardenne einen kompletten Satz Gewänder aus kostbarem Stoff
und einen Abendmahlskelch, welcher neun Unzen wiegt und mit Juwelen besetzt
ist.
Ca.: Rahier, ein Spielmann am Hofe König Heinrichs I. von England gründet
aus seinem angehäuften Vermögen in London das Hospital St. Bartholomäus.
1103
"Im Jahre der Fleischwerdung des Herrn 1103 setzte Kaiser Heinrich zu
Mainz einen Frieden ein und bekräftigte ihn eigenhändig, und die
Erzbischöfe und Bischöfe bekräftigten ihn eigenhändig.
Der Sohn des Königs schwur und die Großen des ganzen Reiches, Herzöge,
Markgrafen, Grafen und viele andere. Herzog Welf und Herzog Berthold und Herzog
Friedrich beschworen diesen Frieden bis Pfingsten und danach auf vier Jahre.
Sie schworen, sage ich, Frieden den Kirchen, Geistlichen, Mönchen und
Laien - Kaufleuten, Frauen (daß sie nicht mit Gewalt entführt werden
sollten) und Juden. - Dies ist der Schwur: Keiner soll in jemandes Haus feindlich
eindringen noch es durch Brand verwüsten. Keiner soll jemanden um Geldes
willen fangen noch verwunden noch durchbohren noch töten. Und wenn einer
das tut, der soll die Augen oder die Hand verlieren. Wenn einer ihn schützt,
der soll die gleiche Buße erleiden. Wenn er in eine Burg flieht, soll
sie drei Tage belagert und von den Schwurbrüdern zerstört werden.
Wenn einer dies Gericht flieht, soll, wenn er ein Lehen hat, sein Herr es
ihm nehmen; das Eigen sollen ihm seine Verwandten nehmen. Wenn einer einen
Diebstahl begangen hat im Werte von 5 Schillingen oder mehr, der soll die
Augen oder die Hand verlieren. Wenn er einen Diebstahl begangen hat im Werte
von weniger als 5 Schillingen, der soll die Haare verlieren und mit Ruten
fortgetrieben werden und das Gestohlene zurückgeben, und wenn er dreimal
einen solchen Diebstahl begangen hat oder Raub zum dritten Male, soll er die
Augen oder die Hand verlieren. Wenn dich auf der Straße dein Feind berennt,
magst du ihm schaden, wenn du ihm schaden kannst; wenn er in jemandes Haus
oder Hof flieht, soll er unverletzt bleiben. - Dieser Schwur dient den Freunden
des Königs als Schild, den Feinden aber nützt er keineswegs"(Constitutiones
et acta publica imperatorum et regum; MGH Const. 1, S. 125 f; ed. L. Weiland).
Es werden unter Schutz gestellt: Geistliche, Frauen, reisende Kaufleute inklusive
Juden, Bauern, Jäger und Fischer, auch Kirchen, Wohnhäuser, Mühlen,
Ackergeräte auf dem Felde und Königsstraßen. Dieses Gesetz
soll durch Landfriedensgerichte überwacht werden. Es stirbt der Mönch
Frutolf von Michelsberg, dessen Chronik von der Schöpfung bis 1099 reicht.
Seine Darstellung ist nüchtern und distanziert.
1104
Älteste bekannte Eisenmühle in Cardedeu (Katalonien). Markgraf Wiprecht
von Groitzsch bringt aus Franken, wo seine Mutter verheiratet ist, viele bauern
mit, "die den Gau [das Land zwischen Pleiße und Mulde] nach völliger
Rodung des Waldes besiedeln und künftig zu Erbrecht besitzen sollten".
Dies scheint das früheste Zeugnis der deutschen Ostkolonisation zu sein.
Guibert wird Abt von Nogent.
1105
Mit hinterhältigen Tricks gelingt es dem Thronfolger Heinrich V., seinen
Vater Heinrich IV. zum Thronverzicht zu bewegen (Weihnachten). Heinrich V.
wird unterstützt von Bayern und Sachsen sowie einigen Adligen aus Alemannien
und Ostfranken. All diese sind Reformfreunde.
1106
Bischof und Graf von Worms errichten eine Innung (mitteldeutsche Bezeichnung
für "Zunft") von 23 Fischhändlern mit Erbrecht für
die Mitgliedschaft bzw. Zuwahlrecht durch den gemeinsamen Beschluß der
Städter. Erzbischof Friedrich von Hamburg gibt Holländern in der
Nähe von Bremen Land zum Trockenlegen. Das Kölner Patriziat (meist
reiche Kaufleute) bildet eine durch mündlichen Schwur verbundene Gemeinschaft.
Die Fläche von Köln ist von 120 aif 136 Hektar angewachsen. In Köln
ist die Judengemeinde wieder so konstituiert, daß ihr ein besonderes
Tor der Stadtbefestigung (das Judentor) zur Verteidigung überlassen wird.
Das sächsische Geschlecht der Billunger stirbt aus. Der abgesetzte Heinrich
IV. kann sich der Bewachung durch die Anhänger seines Sohnes entziehen
und sucht Hilfe, wobei seine eigenen Anhänger besonders in Niederlothringen,
Lüttich und Köln sitzen. 7. August: Heinrich IV. (56) stirbt in
Lüttich, bevor es zu einer Entscheidung kommt. König wird Heinrich
V. (20; bis 1125).
Bis 1113: In dieser Zeit wird der erste bekannte Ansiedlungsvertrag zwischen
Erzbischof Friedrich I. von Hamburg und einer Gruppe niederländischer
Siedler geschlossen, aber es wird kein genauer Ort genannt.
Bis 1124: Etwa in dieser Zeit entsteht das Rolandslied (Chanson de Roland),
dessen früheste bekannte Handschrift von 1170 (Oxford) datiert. Diese
fassung enthält ca. 4000 zehnsilbige Verse.
1107
Rechtsunsicherheit um die Rechte der Kreuzfahrer: Graf Hugo II. von Le Puiset,
welcher das Kreuz genommen hat, fühlt sich bedroht, weil Graf Rotrou
von Mortagne (der übrigens am ersten Kreuzzug teilgenommen hat) eine
Burg auf einem Gutshof Hugos hat schleifen lassen. Hugos Bischof Ivo von Chartres
überstellt den Fall an ein weltliches Gericht, obwohl er einer der führenden
Kirchenrechtler seiner Zeit ist. Es folgt eine Fehde und Hugo wendet sich
an den Papst, welcher den Streit schlichtet. Nach Ivo konnten sich die Kleriker
nicht einigen, was zu tun sei, weil "dieses Gesetz, welches die Güter
der Ritter schützt, die nach jerusalem gehen, neu war. Sie wußten
nicht, ob sich der Schutz nicht nur auf die Besitztümer der Kreuzfahrer
oder auch auf ihre Befestigungsanlagen erstreckte."
1108
Im Gebiet zwischen Pleiße und Mulde sind Rodungsdörfer des Hochstifts
Naumburg bezeugt.
1109
Brand in Xanten. Dabei brennt auch die ottonische Pfeilerbasilika ab. Es stirbt
Anselm von Canterbury, der "Vater der Scholastik".
1110
Gerhard aus Amalfi, der Meister der Amalfitaner erhebt diese Hospitalsgenossenschaft
zu einem selbständigen Orden, den Hospitalitern, die nicht mehr den Benediktinern,
sondern nur unmittelbar dem Papst unterstellt sind. Den Ordensgütern
wird der Zehnte erlassen. Das Strandrecht wird vom Laterankonzil verurteilt.
1111
Herzog Lothar von Sachsen belehnt nun Graf Adolf I. von Schauenburg mit Holstein,
Wagrien und Stormarn (darunter auch Hamburg). König Heinrich V. (25)
nimmt Papst Paschalis II. im Petersdom gefangen und erzwingt von ihm Investitur
und Kaiserkrönung (im nächsten Jahr widerrufen). Speyer wird Reichsstadt.
1112
Das Kölner Patriziat wird als Gemeinschaft vom Erzbischof anerkannt.
Diese Genossenschaft regiert von nun an durch eine aus ihren Reihen gebildete
Gruppe, die Richerzeche. Sie besitzt ein Siegel und ein Rathaus. Bei einem
Streit am Königshpf wird persönliche Unfreiheit als Folge des Strandrechts
(d.h. Verknechtung von Schiffbrüchigen) als unzeitgemäß betrachtet
und kann nicht mehr durchgesetzt werden. [Annales Stadenses 320f.] Die Bekämpfung
des Strandrechts, das ohnehin meist gegen Sachen (Schiffsladungen) angewandt
wird (durch Küstenbewohner bzw. deren - auch geistliche - Territorialherren),
zieht sich bis in die Neuzeit und ist praktisch nur schwer durchführbar.
Bernhard von Clairvaux, ein lokaler Adliger, tritt der Uisterzienserabtei
Molesme bei (mitsamt seinen Gefährten).
1113
Papst Paschalis II. bestätigt die Bruderschaft der Johanniter (Hospitaliter)
und alle Schenkungen an sie. Tracht: Schwarzer Mantel mit weißem Kreuz,
im Krieg ein roter Waffenrock. Die Ordensbrüder dürfen ihren eigenen
Vorsteher wählen. Verwendung von Steinkohle in Deutschland nachgewiesen.
Erzbischof Friedrich von Hamburg-Bremen sichert angesiedelten Holländern
urkundlich eine günstige Rechtsstellung. Sie erhalten Sumpfland an der
Niederweser zugewiesen, um es trockenzulegen und zu bebauen.
1114
Die Messen von Bar und Troyes (Champagne) existieren bereits seit längerer
Zeit. Matilde von Canossa begibt sich zum schwerkranken Abt Alberico des Klosters
San Benedetto di Polirone und erteilt ihm die Erlaubnis, seine Schweine in
den Wäldern des Fürstentums weiden zu lassen sowie das Recht, in
einigen dieser Waldgebiete Canossas Abgaben für die Weidung fremden Viehs
zu erheben. Auf sein Ersuchen werden die Knechte des Klosters auch von der
Pflicht befreit, Hilfe (aida) bei der Suche nach fremdem Vieh zu leisten.
"Die Männer des Klosters seien nicht mehr verpflichtet, beim Einfangen
der Tiere in den Wäldern zu helfen." Das bedeutet: Die Wälder
dieses großen Klosters reichen (107 Jahre nach seiner Gründung)
nicht mehr aus und es fehlt an Hirten. Mit dem Rückgang der Wald- und
Weidewirtschaft in Italien verschwindet allmählich auch der jahrhundertealte
Zusammenhalt (aida) unter den Hirten.
1115
Planmäßige Seezeichen an Nord- und Ostseeküste. Bernhard wird
erster Abt von Clairvaux (Clara vallis; Zisterzienser). In Laon bricht ein
Aufstand gegen den Bischof aus. Dieser versteckt sich in einem Faß,
wird jedoch entdeckt und niedergemetzelt. Dem Leichnam schneidet man den Finger
mit dem Bischofsring ab. Die Mainzer erzwingen in offenem Aufruhr bei Kaiser
Heinrich V. die Freilassung ihres gefangenen Erzbischofes Adalbert I. Die
Grafen von Scheyern verlegen ihren Sitz nach Wittelsbach und nennen sich fürderhin
die Wittelsbacher. Roger II. von Sizilien "erneuert und bestätigt
(...?) eine Urkunde seines Vaters, des Großgrafen Roger, von 1090...weil
sie auf Papier geschrieben war". Man kann mit dem leichten importierten
Baumwollpapier aus Kairuan noch nicht sachgemäß umgehen, weil man
an das robustere Pergament gewöhnt ist.
Ca.: Guibert von Nogent verfaßt seine Autobiographie.
1115/1116
Es stirbt der Bischof und Kirchenrechtsgelehrte Yvo von Chartres. Auf ihn
geht eine bis heute akzeptierte Definition der Dispens zurück: "eine
Milderung der Strenge des Gesetzes auf Zeit der Umstände oder des Nutzens
halber".
1117
Der Abt von Maursmünster (Marmoutier) im Elsaß ersetzt das Scharwerk,
den kostenlosen Frondienst von drei Wochentagen, der auf karolingische Zeit
zurückgeht, durch einen Geldzins, wegen der "Saumseligkeit, Nutzlosigkeit,
Trägheit und Faulheit derer, die dienen."
1118
Nach dem Tode von Gerhard von Amalfi leitet Raymond von Le Puy nun den Orden
der Johanniter (Hospitaliter) und verwandelt ihn in einen Ritterorden (oder
1120). (Oder 1120): Hugo von Payns aus der Champagne gründet mit Gottfried
von Saint-Omer und sieben weiteren Rittern den Orden der Templer (Fratres
militiae Templi oder Pauperes commilitones Christi templique Salomonis). Sie
geloben Keuschheit, Gehorsam und Armut sowie Kampf gegen die Ungläubigen.
Neun Jahre lang sollen sie nur aus neun Rittern bestehen. Sie sollen sich
in dieser Zeit nicht an Kämpfen beteiligt haben und sich nur im Tempelgelände
zu Jerusalem aufgehalten haben.
1119
Zu Bologna wird die erste Universität Europas gegründet.
1120
Norbert von Xanten gründet in Prémontré den Orden der Prämonstratenser.
Freiburg im Breisgau wird "gegründet" (wobei allerdings die
Urkunde umstritten ist): "Kund sei allen, Zukünftigen wie Gegenwärtigen,
daß ich, Konrad, in meinem Ort Freiburg einen Markt errichtet habe im
Jahre 1120 nach der Geburt des Herrn. Mit den von überallher zusammengerufenen
angesehenen Kaufleuten habe ich in einer besonderen Vereinbarung beschlossen,
daß sie die Marktsiedlung beginnen und ausbauen sollen. Daher habe ich
jedem Kaufmann in der geplanten Marktsiedlung eine Hausstätte zugewiesen,
auf der er ein eigenes Haus erbauen kann, und habe verfügt, daß
mir und meinen Nachfolgern von jeder Hausstätte ein Schilling öffentlicher
Münze am Martinstage zu zahlen sei. Es sei daher jedermann kund, daß
ich auf ihre Bitten und Wünsche hin folgende Rechte bewilligt habe, die
- so schien es mir ratsam - in einer Urkunde zusammengeschrieben werden sollten,
damit man sie auf lange Zeit im Gedächtnis bewahre, so daß meine
Kaufleute und ihre Nachkommen mir und meinen Nachkommen gegenüber dieses
Privileg für alle Zeiten behaupten können.
1. Ich verspreche Frieden und sichere Reise in meinem Machtbereich und Herrschaftsgebiet
allen, die meinen Markt aufsuchen. Wenn einer von ihnen auf dieser Strecke
beraubt wird, werde ich, wenn er den Räuber namhaft macht, entweder dafür
sorgen, daß die Beute zurückgegeben wird, oder ich werde selbst
zahlen.
2. Wenn einer meiner Bürger stirbt, soll seine Frau mit den Kindern alles
besitzen und frei von allen Ansprüchen behalten, was ihr Mann hinterlassen
hat.
3. Allen Marktsiedlern verleihe ich, daß sie an den Rechten meines Volkes
und der Landsleute teilhaben sollen, soweit ich es vermag, daß sie insbesondere
frei von aller Banngewalt die Weiden, Wasserläufe, Gehölze und Wälder
nutzen können.
4. Allen Kaufleuten erlasse ich den Zoll.
5. Niemals werde ich meinen Bürgern einen neuen Vogt oder einen neuen
Priester ohne ihre Wahl setzen, sondern wen sie dazu wählen, den sollen
sie unter meiner Bestätigung haben.
6. Wenn sich zwischen meinen Bürgern ein Zwist oder Streit erhebt, soll
er nicht nach meinem oder ihres Vorstehers Belieben entschieden werden, sondern
soll gerichtlich entschieden werden, wie es Gewohnheit und Recht aller Kaufleute,
besonders aber derer von Köln ist.
7. Wenn jemand durch Mangel am Lebensnotwendigen dazu gezwungen ist, darf
er seinen Besitz verkaufen, wem er will. Der Käufer aber soll von der
Hausstätte den festgesetzten Zins entrichten. Damit meine Bürger
diesen Zusagen nicht etwa nur geringen Glauben schenken, habe ich mit zwölf
meiner namhaftesten Ministerialen durch Eid auf die Reliquien der Heiligen
dafür Sicherheit geleistet, daß ich und meine Nachfahren alles
Vorstehende stets erfüllen werden. Damit ich aber diesen Eid nicht um
irgendeiner Not willen breche, habe ich mit meiner Rechten dem freien Manne...
und den Vereidigten des Marktes wegen dieser Sache ein unverbrüchliches
Treugelöbnis gegeben. Amen." Es entsteht ein Markt und eine Ansiedlung
von Kaufleuten und anderen Siedlern, die zusammen mit den Vorbewohnern (burgenses)
einen Schwurverband bilden. Jeder Neuankömmling erhält gegen einen
Jahreszins von einem Schilling ein Hausgrundstück von 50 x 100 Fuß
zu Erbzinsrecht, Nutzungsrechte an der Allmende, Marktfrieden und Zollfreiheit,
und nicht zuletzt: "Wer aber über Jahr und Tag in der Stadt gewohnt
hat, ohne daß irgendein Herr ihn als seinen Leibeigenen gefordert hat,
der genießt von da an sicher und unangefochten die Freiheit." Freiburg
wird in seiner gesamten Länge von einer überall gleich breiten Handelsstraße
durchschnitten. Es gibt drei Hauptmärkte. Der zähringische Stadtplan
wird an anderen Orten nachgeahmt: Breisach, Worms, Dinkelsbühl, Lippstadt,
Lemgo. Dies ist das älteste Privileg für eine Stadtgründung.
Beispiel für Reliquienverehrung im Kloster Rastede (bei Oldenburg): "Der
erste Abt war bekanntlich Thetmarus (= Detmar). Er war ein heiliger und frommer
Mann und leitete dieses Kloster viele Jahre hindurch in geistlichen und weltlichen
Dingen umsichtig und ehrenhaft. Zu seiner Zeit machte ein Mönch namens
Sweder, ein kluger und tugendreicher Mann, eine Wallfahrt nach dem hl. Land
und kam im Jahre des Herrn 1121 am Freitag nach Christi Himmelfahrt (20. Mai)
zurück. Er brachte Reliquien der Gefährten des seligen Nicasius,
des Bischofs von Reims, mit, und zwar einen vollständigen Leichnam, mit
großer Ehrerbietung aus der Kirche dieses Bischofs. Diese Reliquien
ruhen noch heute bei uns; sie künden einige Zeit vorher durch Klopfen
an, wenn einer der Grafen von Oldenburg oder einer von unseren Brüdern
demnächst sterben muß. Ferner brachte er mit: Ein Stück vom
Gürtel des Bischofs Nicasius. Einen Zahn der seligen Jungfrau und Märtyrerin
Eutropia, einer Schwester des seligen Nicasius. Ein Stück von ihrem Schleier.
Einen Knochen des seligen Abtes Benedikt. Ein Stück vom Arm dieses unseres
Vaters. Ein Gebein von seiner Schwester, der heiligen Jungfrau Scholastica.
Ein Stück vom Haupte des heiligen Märtyrers Jocundus, der einer
von seinen Gefährten war. Reliquien der heiligen Märtyrer Crispinus
und Crispinianus. Einen Knochen des heiligen Märtyrers Hippolyt. Ein
Stück vom Gelenk des hl. Crispinus. Einen Splitter vom Stab des hl. Odelricus,
des Bischofs von Augsburg. Reliquien des Märtyrers Vincentius, des Bischofs
Remaclus, des Bischofs Hubertus, des Kölner Erzbischofs Herebert. Reliquien
der hl. Jungfrau Rosa, die eine der Elftausend Jungfrauen war. Reliquien der
hl. Jungfrau Odilia. Weiter ein Stück der Stola des hl. Remigius, des
Bischofs von Reims, ferner von seinem Mundtuch, von dem Bahrtuch, worin sein
Leichnam eingehüllt war, und von dem Altartuch, auf dem er die Messe
zelebrierte. Weiter vom Arm des hl. Sinnicius, des Erzbischofs und Apostels
der Remer (= Bewohner der Gegend um Reims)." [Rasteder Chronik]
1120/1125
Entwicklung der Gezeitenmühle.
Ca.: Das Wort "riterschaft" taucht auf und bedeutet "Kriegsleute
zu Pferde".
Ca.: Theophilus Presbyter berichtet in der "Schedula diversarum artium"
eingehend über Stahl.
Bis 1130: Wahrscheinlich in dieser Zeit entsteht "De institutione novitiorum",
verfaßt von Hugo von St. Viktor. In dieser kleinen Schrift über
die Erziehung von Klosterschülern liegt der Akzent nicht auf der geistlichen
Ausbildung, sondern auf dem Zusammenhang zwischen innerer Einstellung und
äußerem Auftreten. Durch Wissen (scientia) gelangt man zur Zucht
(disciplina), durch Zucht zum Gutsein (bonitas) und dadurch wieder zur Seligkeit
(beatitudo), aber nur die ersten beiden Teile werden behandelt. "Es gibt
vornehmlich vier Bereiche, in denen disciplina bewahrt werden muß, nämlich
in der Kleidung, in der Gestik, in der Sprechweise und am Tisch, das heißt
beim Essen." Diese Schrift, die übrigens in 172 Handschriften überliefert
ist kann zur Erhellung der sich entwickelnden höfischen Kultur beitragen,
denn wesentliche Aspekte davon sind von Geistlichen formuliert worden. Ein
weiterer Auszug: "Die einen breiten ihre Kleider aus, um sich noch prächtiger
aufzuführen, und spannen sie noch weiter auseinander, soviel sie können.
Andere ziehen ohne Grund die Falten in eins zusammen; andere umhüllen
sich, indem sie die Kleidung herumschlingen; andere schnüren und schlitzen
sie, soviel sie können, und enthüllen alle Formen ihres Körpers,
um sie mit schamlosester Unsittlichkeit den Blicken der Betrachter darzubieten.
Andere offenbaren die Leichtfertigkeit ihres Geistes durch das Bewegen ihrer
Kleidung, indem sie die Gewänder unruhig hin und her schwingen. Andere
fegen beim Gehen die Erde mit bauschigen Schleppen." [Sp. 936] Fast alles,
was hier an der "Art des Tragens" als falsch und tadelnswert hingestellt
wird, gilt an den Höfen als Kennzeichen moderner Mode: ganz enge und
weit fließende Gewänder, reicher Faltenwurf, ganz kurze und überlange
Gewänder, Schleppen und Schmuckärmel.
1121
Nach 1121 wird in Münster ein neuer größerer Straßenmarkt
(Prinzipalmarkt) angelegt.
1122
Nach dem Empfang der Annobertus-Reliquien beginnt man in der Abteikirche von
Notre-Dame in Morienval mit der Erneuerung der Kirche. Die Außenmauer
der Apsis ist in zwei Schichten zerlegt, zwischen denen ein schmaler Zwischenraum
mit neuartigem Rippengewölbe liegt. Hier wird für den Chor mit dem
normannischen Rippengewölbe experimentiert. (Vorübungen zur Gotik)
Wormser Konkordat: Kaiser Heinrich V. verzichtet auf das Recht der Investitur,
erhält jedoch vom Papst das Recht, bei der Wahl der deutschen Bischöfe
persönlich anwesend zu sein und die Übertragung der weltlichen Besitz-
und Herrschaftsrechte des Bistums vor der Weihe durch ein Szepter vorzunehmen.
In Burgund und Italien ist er jedoch verpflichtet, die Regalien nach vollzogener
Weihe zu übertragen. Der Papst macht diese Zugeständnisse zwar Heinrich
persönlich, doch haben die deutschen Könige bis zum Beginn des 13.
Jhs. maßgeblichen Einfluß auf die Besetzung der Bischofsstühle
im Reich (vergleichbar bei den Königen von Frankreich und England). Petrus
Venerabilis läßt den Koran ins Lateinische übersetzen. Der
Übersetzungskommission gehören ein Moslem, ein Jude und ein Christ
an. Suger wird Abt von St.-Denis.
1123
Nach einer Halberstädter Urkunde sind an der Kolonisation neben Franken,
Sachsen und Lothringern auch Slawen beteiligt, die als Neusiedler die gleichen
Rechte wie die Deutschen erhalten. Es stirbt Marbod, ein angesehener Vertreter
der neuen "klassizistischen" Richtung der Dichtung. Er hat in seiner
Jungend gewagte Liebesbriefdichtungen veröffentlicht und später
ein "Liber lapidum" ("Buch von den Steinen") verfaßt,
einen Schulklassiker in reimlosen Hexametern.
1124
Für eine Kornmühle in Hamburg wird erstmals die Alster gestaut.
In stettin werden 900 Hausvorstände gezählt, was einer Einwohnerzahl
von etwa 5000 entspricht. Stettin ist derzeit die größte Stadt
der heidnischen Pomoranen (Fläche etwa 60000 m², zwei Häuser
auf 100 m²). Es gibt drei bis vier heidnische Tempel. Weitere Details
in den Viten Bischof Ottos von Bamberg, der hier missioniert. Heinrich V.
plant im Bunde mit Heinrich I. von England (seinem Schwiegervater) einen Kriegszug
gegen Frankreich, insbesondere gegen Reims, aber nachdem Ludwig VI. von Frankreich
reichliche Unterstützung im Lande erhält, wird das Unternehmen abgeblasen.
Trotz dieser Ausnahme sind die Beziehungen zwischen Frankreich und dem Reich
im Mittelalter normalerweise friedlich.
1125
Kaiser Heinrich V., der letzte Salier (39), stirbt kinderlos. Er hat zum Erben
den Staufer Friedrich von Schwaben, einen Neffen engesetzt. Dieser verhält
sich jedoch auf der Wahlversammlung so ungeschickt, daß Herzog Lothar
von Sachsen, ein Todfeind Heinrichs V., gewählt wird - ein Welfe (Lothar
III., ca 50 und ohne männliche Nachkommen). Es kommt zum Konflikt mit
den Staufern, weil Reichsgut und salisches Eigengut während der Salierzeit
unentwirrbar zusammengewachsen sind. Es beginnt der Kampf zwischen Welfen
und Staufern (dessen Bedeutung oft überschätzt wird).
Nach 1125: Es stirbt der Chronist Ekkehard von Aura. Er hat in mehreren Schüben
die Weltchronik Frutolfs von Michelsberg für die Zeit zwischen 1098/99
bis 1125 fortgeführt.
Bis 1140: Aus dieser Zeit datiert eine Urkunde, in welcher erstmals mit Sicherheit
die Dreifelderwirtschaft bezeugt ist.
1126
Es stirbt Wilhelm von Aquitanien (55), der als der erste bekannte Troubadour
gilt. In Artois bohren Karthäusermönche den ersten (nach Artois
benannten) artesischen Brunnen, indem sie einen Eisenstab durch Hämmern
in den Boden treiben und unter einer wasserundurchlässigen Bodenschicht
auf Wasser stoßen, das unter Druck steht und von selbst aus dem Bohrloch
fließt.
1127
Erste Erwähnung der Jakobsbrüder, auch Hospitaliter vom heiligen
Jakob genannt. Er widmet sich dem Pilgerschutz, der Krankenpflege und dem
Brückenbau. Dezember: Konrad, der Bruder Friedrichs von Schwaben, wird
zum Gegenkönig erhoben (bis 1135). 12. August: König Lothar III.
wird zu Würzburg von den Staufern Konrad und Friedrich belagert. Diese
veranstalten vor den Toren wie zum Hohne ein Reiterspiel, welches vielleicht
das erste deutsche Turnier genannt werden kann.
Nach 1127: Teile des Oderhaffs entstehen durch Überflutung.
1128
In Würzburg werden die Rechte und stadtherrlichen Abgaben der Schuhmacher
festgehalten, die ein consortium (Zunft) bilden. Großer Brand in Deutz.
Das Konzil von Troyes bestätigt auf Betreiben von Bernhard von Clairvaux
den Templerorden.
1129
In Avignon wird das früheste bekannte (bürgerliche) Konsulat eingerichtet
(eine Art Stadtrat).
1130
Der Erzbischof von Trier stellt die Juden in seiner Diözese vor die Wahl,
sich entweder taufen zu lassen oder auszuwandern. Als er kurz darauf stirbt,
werden die Juden beschuldigt, seinen Tod verursacht zu haben, indem sie eine
Wachsfigur des Bischofs "getauft" und über dem Feuer geschmolzen
hätten. Es stirbt Budri von Bourgueil, einer der besten Vertreter der
neuen "klassizistischen" Richtung in der Dichtung.
Ca.: In Köln werden "Schreinsbücher" geführt, eine
Art Grundbuch.
Ca.: Es erscheint "Liber peregrinationis" von Aymeric Picaud, einem
Kleriker aus dem Poitou. Diese Anleitung für Santjago-Pilger kann als
der erste europäische Reiseführer angesehen werden.
1131
In Beziers wird ein Konsulat (Stadtrat) eingerichtet. Die Kathedrale von Noyon
brennt ab.
1132
Der Zisterzienserorden erhält einen weiblichen Zweig. In Narbonne wird
ein Konsulat (Stadtrat) eingerichtet. Die Benediktinerabtei von St.-Germer-de-Fly
an der Grenze zwischen der französischen Krondomäne und der Normandie
gewinnen ihre Germarus-Reliqien zurück, worauf der Pilgerstrom anschwillt.
Der englische König stiftet Bauholz und bald wird eine neue Kirche errichtet,
wo bereits mit neuen Formen experimentiert wird. Der Erzbischof von Ravenna
erläßt dem Abt des Klosters von San Benedetto di Po den Zehnten
für alle Kirchen, die dem Bischofssitz von Reggio Emilia unterstehen.
Der Bischof von Reggio behält sich die kanonische Rechtsprechung und
Priesterweihe sowie einen bescheidenen Geldbetrag vor. Später wird der
Erlaß auf sämtliche Gebiete des Klosters ausgedehnt. Es gibt zu
dieser Zeit in Norditalien, wo viel neues Land urbar gemacht worden ist, Streit
um den Zehnten. Unbebautes Land ist rar und teuer zu pachten geworden, was
zusammen mit den geringen Erträgen von Neuland die Nutzung stark einschränkt.
Daher wird der zehnte durch Bauerngemeinschaften öfter verweigert. "Der
Leichnam des heiligen Godehard wird am 4. Mai unter großen Wundern aus
dem Grabe erhoben. Der König kam auf der Reise nach Rom zur Krönung
friedlich nach Augsburg; daselbst entstand durch Anstiften einiger Bürger
ein Streit mit den Leuten des Königs, und eine Feuersbrunst, welche in
Folge des Tumultes plötzlich ausbrach, verbrannte fast die ganze Stadt
und viele kamen teils durchs Schwert, teils im Feuer um. Ein Komet erschien
am 2. Oktober." [Annalen von Pöhlde]
1133
Lothar III. (ca. 58) wird von Innozenz II. zum Kaiser gekrönt. Steinerne
Brücke in Würzburg. Beispiel für die Tätigkeit von Vermittlern
in mittelalterlichen Konflikten: Pfalzgraf Otto von Wittelsbach schlichtet
eine Fehde zwischen dem Bischof von Regensburg und dem welfischen Herzog Heinrich
dem Stolzen, als sich beide Parteien bereits auf dem Schlachtfeld gegenüberstehen:
"Mittlerweile sieht sich der Pfalzgraf Otto, ein kluger Mann, der zu
beiden Seiten Zutritt hatte, den Aufmarsch der Heere an. Er meldet jenen,
daß unseres (das der Welfen) stärker sei, und setzt sie dadurch
in Schrecken. Darauf bedacht, wie man in Güte den Frieden herbeiführen
könne, ermahnt er zunächst den mit ihm verwandten Vogt Friedrich
(von Falkenstein), sich zu ergeben. Dieser fügt sich, von allen seinen
Leuten im Stich gelassen, dem Rate des Pfalzgrafen, geht in dessen Begleitung
in das Lager des Herzogs, wirft sich ihm zu Füßen und wird wieder
zu Gnaden angenommen. Als der Pfalzgraf dies erreicht hat, drängt er
unter Vorstellungen über das den Seinigen drohende Unglück auch
seinen Schwiegersohn Otto (von Wolfratshausen), sich zu ergeben und Genugtuung
zu leisten. Dieser folgt seinem, ihm auch von anderen erteilten Rat, zögert
nicht mit der Übergabe und liefert sich selbst mit seiner Burg in aller
Unterwürfigkeit dem Herzog aus. ... So ist auch der letzte Widerstand
in Bayern nach Gottes Fügung unterdrückt worden. Nicht lange danach
kommt es auch zwischen Herzog und Bischof zu einer Verständigung."
(Historia Welforum, Ed. Erich König, S. 40ff.) Dies ist im Mittelalter
durchaus kein untypischer Fall. Solche Vermittler sind normalerweise hochrangige
Personen, die zu beiden Konfliktparteien Beziehungen haben. Es soll hier stellvertretend
aufgezeigt werden, daß mittelalterliche Konflikte nicht einfach in barbarischer
Weise durch eskalierende Gewaltanwendung bestritten werden, sondern daß
auf persönlicher und vertraulicher Ebene durchaus um eine friedliche
Beilegung gerungen wird. Erst wenn solches mißlingt, kommt es zu den
(einschlägig und einseitig bekannten) Formen "mittelalterlicher"
Kriegsführung. (Vgl. 1001)
1135
Es stirbt König Heinrich I. von England. "Sein Leichnam wurde nach
Rouen gebracht und da begrub man seine Eingeweide, sein Gehirn und seine Augen.
Der übrige Körper wurde überall mit kleinen Messern geschnitten,
mit vielem Salze bestreut, in Rindshäute gehüllt und so, um den
üblen Geruch zu vermeiden, eingenäht. Aber letzterer war doch so
stark und überwältigend, daß er die Umstehenden krank machte.
Darum starb auch der Mann, welcher, durch eine große Belohnung gewonnen,
des Toten Haupt, um das stinkende Gehirn herauszunehmen, mit einem Beile gespalten
hatte, obwohl er sich den Kopf mit Leintüchern umwickelt, und hatte schlechte
Freude an dem Lohne. Das ist auch der letzte von vielen, die König Heinrich
umgebracht hat. Darauf wurde die königliche Leiche nach Caen von den
Dienstleuten getragen, und als man sie daselbst in der Kirche, in der sein
Vater beerdigt war, aufgestellt hatte, so floß doch, obschon der Körper
mit vielem Salze gefüllt und in viele Häute gepackt war, beständig
eine schwarze und gräßliche Flüssigkeit durch die Häute
hindurch und wurde in unter die Bahre gestellten Gefäßen von den
Dienern, die vor Ekel fast vergingen, aufgefangen und fortgeschüttet."
[Matthäus Parisiensis]
Oder 1136: Baubeginn einer steinernen Brücke in Regensburg. Für
ihren Bau und Unterhalt muß vom Kaiser persönlich die Berechtigung
erkauft werden (libertatem lapidei pontis). Erste Erwähnung von Düsseldorf
(Dusseldorp) in einer Kölner Schreinsurkunde. Es stirbt Hildebert von
Lavardin, der berühmteste Vertreter der neuen "klassizistischen"
Richtung in der Dichtung.
Bis 1142: Es wird erstmals ein besonderes Gerichtshaus erwähnt (für
Köln).
1136
Geoffrey von Monmouth schreibt die "Geschichte der Könige der Briten",
worin erstmals der Zauberer Merlin erwähnt wird. Petrus von Bruys, der
Anführer der Petrobusianer, welche u.a. die Kreuzverehrung ablehnen zündet
an einem Karfreitag vor der Kirche St. Gilles-du-Gard ein Feuer an, um dort
öffentlich Kreuze zu verbrennen. Am nächsten Tag wird er auf seinem
eigenen Scheiterhaufen verbrannt. Slawenaufstand im Spreegebiet. Wahrscheinlich
in diesem Jahr nehmen das Salzburger Domkapitel und die Benediktinerabtei
St. Peter einen Fachmann (Steinmetz oder Baumeister) namens Albert in Dienst,
um einen Stollen durch den Mönchsberg zu treiben, um so dem ständigen
Wassermangel Salzburgs abzuhelfen. Nach Unterbrechung durch einen Bergsturz
wird das Werk um 1143 fertiggestellt.
1137
Erste Erwähnung des Fußballspiels: Das "Chronicon Montis Sereini"
berichtet von einem Knaben, der durch einen Stoß beim Fußballspiel
umgekommen ist. Die Bürger von St. Omer in Flandern erwirken von ihrem
gräflichen Stadtherrn das Münzrecht. Die ersten städtischen
Münzen entstehen. Die Kathedrale von Le Mans brennt ab. (?, bis 1144)
Abt Suger von St.-Denis läßt die dortige Abteikirche umbauen und
neugestalten. Der offizielle Termin für ihre Grundsteinlegung ist zwar
der 14. Juli 1140, liegt aber vermutlich etwas früher. Um die Notwendigkeit
einer Erweiterung des Chores deutlich zu machen, beschreibt Suger einen Festtag:
"Oft war die Basilika an Festtagen so voll, daß die Menschenmengen
wieder aus den Türen hinausquollen. Es war nicht nur so, daß jene,
die hereinwollten, nicht hereinkamen, sondern daß die, die schon drinnen
waren, von den Vorderen zurückgedrängt wurden und notgedrungen wieder
hinausgehen mußten. So erstaunlich es auch ist, aber manchmal konnte
man ein derartiges Drängen der Massen nach hinten gegen jene beobachten,
die gerade eintraten, um die heiligen Reliquien - den Nagel und die Dornenkrone
des Heilands - zu ehren und zu küssen, daß niemand unter den Tausenden
von Menschen auch nur den geringsten Schritt tun konnte, so eng waren sie
aneinandergepreßt. Ihnen blieb nichts anderes übrig, als sich einer
regungslosen Marmorstatue gleich nicht vom Fleck zu rühren; der einzige
Ausweg: Schreien nach Leibeskräften. Die Frauen, die zwischen den Männern
wie in einer Presse eingequetscht waren, ergriff eine so große und unüberwindliche
Angst, daß ihre Gesichter blutleer wurden, als seien sie in Todesangst.
Sie schrien ganz fürchterlich, gerade so, als lägen sie in den Wehen.
Viele von ihnen wurden erbärmlich niedergetreten. Manchmal eilten ihnen
unerschrockene Männer aus Mitleid zu Hilfe und trugen sie auf dem Kopf,
um ihnen eine sichere Unterlage zu bieten. Viele flüchteten sich mit
ihrem letzten Atem in den Mönchsgarten. Mehr als einmal waren die Mönche,
die den Besuchern die Zeugnisse der Leiden Christi zeigten, des Ärgers
und der Zänkereien dermaßen überdrüssig, daß sie,
weil sie keinen anderen Ausweg mehr sahen, mitsamt den Reliquien aus den Fenstern
flüchteten." Die Baumaßnahmen beginnen mit der Wiederherstellung
der kaiserlichen Gedächtnisstiftungen zur Erinnerung an Karl den Kahlen,
der dort bestattet ist. Die Kirche ist weiterhin Grabstätte des französischen
Nationalheiligen Dionysius, des angeblich ersten Bischofs von Paris. Dieser
wird mit Dionysios Areopagites verwechselt, einem Schüler des Apostels
Paulus, welchem die Schriften des Pseudo-Dionysios zugeschrieben werden. Selbiger
hat die Lehren der himmlischen Hierarchien formuliert, dergemäß
sich der König als ein irdischer, jedoch göttlich legitimierter
Vertreter innerhalb dieser Hierarchie begreifen kann. Diese Kirche zeigt erstmals
gotische Stilformen. Diese Kunstform entsteht in der Provinz Francien zwischen
Compiègne und Bourges mit Paris als Zentrum. Beim Umbau dieser Kirche
werden erstmals burgundische Spitzbogen und normannische Rippengewölbe
vereinigt. Kaiser Lothar III. (62) stirbt.
Bis 1648: In Trier und dem Suffraganbistum Metz (dort bis 1581) datiert man
den Jahresanfang zum 25. März.
1138
Die erste Gerbermühle taucht bei Chelles in einer Neustadt auf. In Lüttich
ist ein jüdischer Arzt bezeugt. Ansonsten leben dort im Mittelalter keine
Juden, weil nämlich die Lütticher selbst im Geldhandel engagiert
sind. Alt-Lübeck wird verwüstet. Neuer König wird Konrad III.
(41; bis 1152).
1139
Auf dem 2. Laterankonzil wird die Armbrust für die christliche Kriegführung
als zu mörderisch verboten - außer gegen die Heiden. Gegenpapst
Anaklet II. wird verdammt. Den Teilnehmern an Turnieren wird wieder mit dem
Kirchenbann gedroht. Für Kleriker aller Weihegrade vom Subdiakon aufwärts
sowie für Regularkanoniker, Mönche und Konversen wird das Gebot
der Ehelosigkeit (Zölibat) definitiv festgelegt. Der Templerorden wird
ausschließlich dem Papst unterstellt und von allen Zehnten und Zöllen
befreit.
1140
Konrad III. erobert die welfische Burg Weinsberg und gewährt den dortigen
Frauen freien Abzug mit soviel, als sie auf der Schulter tragen können.
Diese tragen alsdann ihre Männer auf den Schultern heraus und der König
hat das Nachsehen, da sein Wort gilt. Dies ist freilich eine vielzitierte
Sage, die noch zu anderen Zeiten und an anderen Orten angesiedelt wird. Gratian
stellt eine Sammlung von kirchlichen Rechtsvorschriften zusammen (die bis
1917 Gültigkeit haben!). Danach ist z.B. bei unehelichen Kindern nicht
das Kind, sondern der Erzeuger für diesen Makel haftbar. "Priestersöhne
sollen nicht zum geistlichen Dienst zugelassen werden; das gilt für diejenigen,
welche die väterliche Unenthaltsamkeit nachahmen. Wenn sie aber gemäß
den kirchlichen Geboten leben, können sie nicht nur Priester, sondern
gar Päpste werden." Spätere Päpste und Konzilsbeschlüsse
werden diese Dekretalen noch ergänzen.
Ca.: Von den Gefahren des Burglebens: Als auf der Felsenburg Ravenstein bei
Geislingen ein Holzgeländer bricht, stürzen mehrere Ritter den Felsen
hinab zu Tode.
Bis 1148: Im Alten land am Südufer der Elbe sind niederländische
Siedler feststellbar.
1142
Es stirbt der Scholastker Peter Abaelard (63). Ein Ausspruch von ihm: "Man
vermag nicht zu glauben, was man nicht versteht." In seiner autobiographischen
Unglückschronik ("Historia calamitatum") berichtet er, wie
er seine Schülerin Heloise verführt hat. Deren Vormund hat ihn,
nachdem ihr ein Sohn geboren ward und beide heimlich geheiratet haben, überfallen
und entmannen lassen. Beide gehen ins Kloster. (Der Wahrheitsgehalt dieser
Geschichte ist mitunter angezweifelt worden.) Abaelard war ein früher
Repräsentant städtischen offenen Denkens - vielleicht ein früher
Versuch mittelalterlicher "Aufklärung". Naumburg an der Saale
wird Stadt. Ausgleich zwischen Staufern und Welfen auf dem Fürstentag
zu Frankfurt.
Ca.: Im Kloster Rastede (bei Oldenburg) wird nach dem Tode von Abt Simon der
Ire Siward, vormals Bischof von Uppsala (aber dort von den Heiden vertrieben)
zum neuen Abt gewählt. Interessant ist hier die Auflistung seiner Besitztümer:
"Nunmehr wählte der Konvent jenen Abt Siward, da er ein gottesfürchtiger
und frommer Mann war, einmütig zum Abt. Alles, was er mit seinen bischöflichen
Amtshandlungen verdient hatte, vermachte er diesem Kloster mitsamt den nachfolgend
aufgezählten Kleinodien, und zwar: vier Meßgewänder und sechs
Stolen mit Fransen, davon zwei silberdurchwirkte, nebst einem Gürtel.
Zwei Taschentücher für Subdiakone, ein größeres und ein
kleineres. Sechs weiße Linnengewänder oder Alben mit Gürteln.
Einen Silberkelch mit silbernem Saugröhrchen. Zwei Bischofsmützen
und vier Handschuhe. Drei Dalmatiken (Obergewänder), vier Unterkleider.
Vier Chormäntel. Zwei Bischofsmäntel (Pallien) und ein seidenes
Handtuch. Fünf Kreuze, davon zwei von Elfenbein, zwei von Silber und
eines von Kupfer. Zwei Marmorsteine und ein ...[Lücke im Text]... von
Silber. Zwei kupferne Leuchter und zwei von Kristall und Kupfer. Drei Altarhandtücher
und acht Hostientüchlein samt Behältern. Ferner schenkte er Bücher,
und zwar: Amtsbücher für Bischöfe. Ein Meßbuch und ein
Morgengesangbuch in einem Band und ein liturgisches Gesangbuch. Ein Gebetbuch.
Auszüge aus dem Kirchenrecht. Die vier Evangelien einzeln. Ein Kräuterbuch
und ein Steinbuch in einem Band. Ein Edelstein der Seele. Ein Dogmenhandbuch.
Ein Beichthandbuch. Ein Taufhandbuch. Eine Chronik. Isidors Buch vom höchsten
Gut. Die Regel des hl. Benedikt und das Märtyrerbuch in einem Band. Die
Ordnung des Gottesdienstes, ein Beichtbuch und ein Naturkundebuch in einem
Band. Das Leben der hl. Maria von Ägypten. Die Werke des Arator, Juvencus,
Sedulius und Prosperus in einem Band. Sechs Bücher der Heilkunde. Ein
Buch über den Streit der Laster und Tugenden. Plato (Timäos?). Ferner
Prosperus, eine Verslehre und Theodulus. Cato und die Hymnen des Prudentius
in einem Band. Prudentius, Horaz und Boethius. Außerdem noch ein Buch
über die Bedeutung der Kirchengewänder." [Rasteder Chronik]
Bis 1155: In Arles entsteht ein Konsulat aus zwölf Konsuln. Vier sind
Ritter, vier vertreten den Ort (Bürger), zwei den Markt und zwei den
Vorort Borriano.
1143
Graf Adolf II. von Holstein gründet Lübeck neu, indem er das slawische
Kastell neu befestigt (oder schon 1142). Erstes Auftreten der Katharer (Albigenser)
- in Köln - bezeugt. Sie nennen sich "pauperes Christi" und
betreiben, besitzlos wandernd, Gebet, Fasten und Handarbeit. "Hier in
der Nähe von Köln sind kürzlich einige Häretiker entdeckt
worden (...) Zwei von ihnen - ein Mann, den sie ihren Bischof nannten, und
sein Assistent - (...) verteidigten ihre Ketzerei mit den Worten Christi und
des Apostel Paulus. (...) In dieser Zeit wurden diese Leute gegen unseren
Willen vom Volk (...) ergriffen, ins Feuer geworfen und verbrannt...Das ist
die häretische Lehre dieser Menschen: Sie sagen, daß nur sie die
Kirche seien, da nur sie Christus wirklich nachfolgten. Sie fahren fort, daß
sie die wahren Nachfolger des apostolischen Lebens seien und nach nichts suchten,
was die Welt bieten könne. 'Ihr aber', so sagen sie zu uns, 'fügt
Haus zu Haus, Feld zu Feld und sucht die Dinge, die von dieser Welt sind.'
Über sich selbst sagen sie: 'Wir, die Armen Christi, (...) werden verfolgt
wie die Apostel und die Märtyrer, obwohl wir ein äußerst strenges
und heiliges Leben führen (...) Wie erdulden dies, weil wir nicht von
dieser Welt sind. Aber ihr, die ihr diese Welt liebt, lebt auch im Frieden
mit ihr, weil ihr von dieser Welt seid. Falsche Apostel, verunreinigt ihr
das Wort Christi (...)' Ihre Nahrungsvorschriften verbieten den Genuß
jeder Art von Milch und von allem, was daraus hergestellt ist, und auch von
allem, was aus Zeugung hervorgegangen ist. (...) Ihre Sakramente halten sie
geheim (...) Sie konsekrieren ihr Essen und Trinken durch das Vaterunser und
verwandeln es dadurch in Leib und Blut Christi (...) Sie taufen und sind getauft
im Feuer und im Geist (...) Wer von ihnen die Taufe empfangen hat, den nennen
sie 'Erwählten', und sagen, daß er die Macht habe, andere zu taufen,
die es wert sind, und den Leib und das Blut Christi bei Tisch zu konsekrieren.
Durch die Handauflegung wird man in den Rang eines, den sie 'auditor' nennen,
in die Reihen der 'Gläubigen' aufgenommen. So erhält man die Erlaubnis,
an allen Predigten teilzunehmen, bis sie ihn für hinreichend erprobt
halten, um aus ihm einen 'Erwählten' zu machen. Diejenigen von ihnen,
die in den Schoß der Kirche zurückgekehrt sind, haben uns auch
erzählt, daß eine große Zahl ihrer Anhänger über
die ganze Welt verstreut sei, unter denen sich auch viele unserer Kleriker
und Mönche befänden. Die Verbrannten haben uns während des
Verhörs auch berichtet, daß sich diese Häresie von den Tagen
der Märtyrer bis heute verborgen gehalten und in Griechenland und in
gewissen anderen Ländern fortbestanden habe (...) Diese Apostolischen
des Satans haben Frauen unter sich, die Enthaltsamkeit gelobt haben, wie sie
sagen: Witwen, Jungfrauen und ihre Ehefrauen, einige von ihnen als Erwählte,
andere als Gläubige." (Brief von Everwin, Probst der Prämonstratenserabtei
von Steinfeld an Bernhard von Clairvaux) In Saint-Gilles wird ein Konsulat
(Stadtrat) eingerichtet.
Bis 1146: Otto von Freising verfaßt seine Chronik (er selbst nennt es
das "Buch von den zwei Reichen"). Dazu Wattenbach: "Otto verfaßte
dieses Werk zuerst in der Zeit vor dem Kreuzzug Konrads, als die Zerrüttung
des Reiches durch die lange dauernden und entscheidungslosen Parteikämpfe
aufs äußerste gestiegen war, als alles von Krieg und Fehden, von
Raub und Brand erfüllt war. Dabei fühlte sich Otto auch in seiner
Betrachtung der Geschichte beengt durch seine doppelte Stellung, einerseits
als Mönch und Bischof, andererseits als Fürst des Reiches und erster
Rat des Königs. Auf allen Seiten sah er nur gutes und böses unheilbar
vermengt und den Untergang der Welt nahe bevorstehend: nur die Frömmigkeit
und die Gebete der Mönche, meinte er, gewähren noch ein Gegengewicht
gegen die Schlechtigkeit der Menschen. Diese Auffassung beherrscht das ganze
Werk, und die philosophisch-theologische Behandlung des Stoffes ist durchaus
als die Hauptsache zu betrachten, nicht die historische Forschung, wenn auch
uns der letzte Teil des Werkes nicht unwichtige Nachrichten darbietet, und
Otto keineswegs ohne historische Kritik verfuhr. So erwähnten wir schon,
daß er die Lügenhaftigkeit der Leidensgeschichte des Erzbischofs
Thiemo von Salzburg nachgewiesen hat; ebenso widerlegte er die Fabeln im Leben
des Pabstes Silvester (VI, 1) und verhehlt nicht seine Bedenken gegen die
berüchtigte Schenkung Konstantins (IV, 3). Auffallend aber ist seine
Unsicherheit in Bezug auf die wichtigsten staatsrechtlichen Fragen der Zeit.
Sein Bericht über das Wormser Konkordat von 1122 ist durchaus ungenau,
und er scheint die Ansicht zu teilen, daß nach einem besonderen Vorrecht
im römischen Reiche die Wahl der Fürsten allein, ohne Rücksicht
auf Verwandtschaft, über die Nachfolge entscheide. Es ist das ein einzelnes
Beispiel unter vielen von den schädlichen Folgen der grenzenlosen Nachlässigkeit,
mit welcher man das Reichsrecht der Vergessenheit anheim fallen ließ,
und auch die wichtigsten Beschlüsse und Gesetze in keiner authentischen
Sammlung aufbewahrte, während die Kirche nicht nur ihre Rechte, sondern
auch ihre Ansprüche in den Sammlungen des kanonischen Rechtes jedem ihrer
Mitglieder als unabänderliche Basis ihrer Stellung stets gegenwärtig
erhielt." [Geschichtsquellen II]
Bis 1216: Die päpstliche Kanzlei verwendet nun allein den Jahresanfang
nach Florentiner Rechnung (25. März nach unserem Jahresanfang).
1144
Robert von Chester übersetzt einen arabischen alchimistischen Traktat
ins Lateinische und macht das christliche Europa damit erstmals mit der Alchimie
bekannt.
1144/1145
Die Katharer treten in der Diözese Lüttich auf. Der örtliche
Klerus berichtet solches an Papst Lucius II., dabei bemerkend, daß bereits
ganz Frankreich von dieser Häresie erfaßt sei.
Bis 1147: Bernhard von Clairvaux erwähnt die Verbreitung der Katharer
auch im Süden Frankreichs.
1145
Arnold von Brescia übt in Rom eine Art republikanischer Diktatur aus
(bis 1155), vor der Papst Eugen III. sich nach Viterbo zurückzieht. Im
päpstlichen Gefolge befindet sich der deutsche Chronist Otto von Freising,
der erstmals den Priester Johannes erwähnt. Die erste antiketzerische
päpstliche Mission führt in das Gebiet von Toulouse und Albi. 1.
Dezember: Papst Eugen III. verkündet in der Bulle "Quantum praedecessores"
den Zweiten Kreuzzug. Der Aufruf richtet sich speziell an König Ludwig
VII. von Frankreich. "In diesem Jahre brachen die Menschen - zunächst
in Chartes - auf, um mit ihren Schultern Karren voller Steine, Holz, Nahrung
und andere Dinge für das Werk der Kirche herbeizuschaffen, deren Türme
damals gerade im Bau waren." [Robert von Torigny]
1146
Die steinerne Brücke in Regensburg wird fertiggestellt. Sie hat 16 Pfeiler
und eine Länge von 305 m (oder 336 m). Sie wird von drei Brückentürmen
gesichert. Die Tempelritter übernehmen als ihr Zeichen das achtspitzige
rote Kreuz (Tatzenkreuz). Griechische Arbeiter bringen die Seidenherstellung
nach Palermo, von wo sich sie sich nach Italien verbreitet. Ludwig VII. von
Frankreich soll eine Steuer zur Kreuzzugsfinanzierung erhoben haben, aber
dies ist nicht schlüssig belegt.
1147
Februar: Auf seinem Reichstag in Regensburg beginnt Kaiser Konrad, sein Kreuzheer
zu sammeln. Sie brechen im Mai auf, die Franzosen unter Ludwig VII. im Juni.
Letzterer ernennt Suger von St.-Denis für die Zeit seiner Abwesenheit
zum Reichsverwalter. Suger wird seit dieser Zeit "Vater des Vaterlandes"
genannt. Ein "Kreuzzug" gegen die Wenden schlägt fehl; die
Wenden erheben sich (vorher oder nachher?). Spätestens jetzt haben sich
die Katharer bis zum Perigord verbreitet. In einer Urkunde des Herzogs von
der Steiermark erscheinen Spielleut als Zeugen. Nach einer südfranzösischen
Quelle erhält ein Kloster sieben große aufgeblasene Bälle
("VII maximos ballones") als Spende, mit denen Fußball (soule)
gespielt wird.
1149
Aus diesem Jahr stammt die Stiftungsurkunde der Bruderschaft der Bettziechenweber
(Bettücherweber) zu Köln. Ratibor von Pommern läßt sich
taufen und unterstützt in der Folgezeit die deutsche Besiedlung Pommerns.
1150
Bis 1250: In dieser Zeit werden im Burgenbau häufig Buckelquader verwendet.
Heinrich der Löwe "gründet" Braunschweig. Ein Dorf dieses
Namens existiert bereits. Soest wird Stadt (dessen Stadtrecht wird Grundlage
des Lübischen) und später führend im Osthandel.
Ca.: Es kommen auf: Ritterliche Wappen, Wappensiegel, Städtesiegel.
Ca.: In Deutschland kommen Familiennamen auf.
Ca.: Im Reich gibt es etwa 200 Städte.
Ca.: Gründung der Universität Paris.
Ca.: Sachsen werden in Siebenbürgen angesiedelt.
Ca.: Handwerk der Goldschläger in Nürnberg erwähnt.
Ca.: Die Kunst des Ziegelbrennens kommt, vermittelt durch Kreuzfahrer, nach
Deutschland.
Ca.: In den Abgabenbüchern des Klosters Reichenbach werden erstmals Tübinger
Pfennige erwähnt. Diese in Tübingen geprägten Münzen sind
im ganzen Herrschaftsbereich der Grafen von Tübingen verbreitet, bis
sie Ende des 13. Jhs. zunehmend vom Heller verdrängt werden.
Ca.: Die Frankfurter Herbstmesse soll zu dieser Zeit bereits jährlich
zu Mariä Himmelfahrt (15. August) stattfinden.
Ca.: Der Chronist des Klosters Muri beschreibt erstmals die halbnomadische
Kultur der Almhirten - als eine Besonderheit. Existenzgrundlage ist hier noch
die Schafzucht (Rinderhaltung scheint erst im 14. Jh. zu dominieren.).
Ca.: Alanus ab Insulis verfaßt eine "Klage der Natur über
den Menschen (De planctu naturae), wonach sich der Mensch von allen Kreaturen
nicht an die Regeln des Schöpfers hält.
Ca.: Es entsteht das "Alexanderlied" des Pfaffen Lamprecht. Hier
erscheint in der deutschen Literatur erstmals ein antiker Stoff. Alexander
erscheint hier als kämpferischer Held, jedoch noch nicht als höfischer
Ritter.
Ca.: König Geza II. von Ungarn gründet zur Unterhaltung eines Pilgerhospitals
in Jerusalem den Orden der Stephaniter (Cruciferi Sancti Regis Stefani de
Strigonio). Dieser erste ungarische Orden (der in Vergessenheit gerät
und erst 1968 wiederentdeckt wird) wird 1187 vom Papst anerkannt, befolgt
die Augustinerregel und betreibt ein Hospital in Strigonium (Esztergom, Gran)
und in Jerusalem (später in Akkon). Der Orden wird etwa 1440 in einem
Bürgerkrieg untergehen. Die Technik der Papierherstellung wird durch
die Araber nach Spanien gebracht.
Nach 1150/1160 werden in Münster im Rahmen der Stadterweiterung die Wehranlagen
der Domburg niedergelegt.
1151
Die Zunft der Bettzeugweber entsteht in Köln. In den alemannischen und
fränkischen Gebieten entsteht die Allmende, Gemeinschaftseigentum an
Wald und Weideland. Hungersnot in Deutschland (oder Teilen davon). In den
katalanischen Pyrenäen sind 14 Schmieden mit einer Mühle ausgestattet.
Wie man zu Land kommen kann: Nach den Erinnerungen des Zeugen eines Prozesses
aus diesem Jahr soll der Vater des Streitenden dem Abt von Santa Maria di
Felonica vorgeworfen haben, dieser habe ihm wertloses Land (bei Bologna) überlassen,
um es dann umgebrochen und bestellt zurückzuerhalten: "Für
den Finger, den du mir gewährst, bekommst du eine ganze Hand zurück."
Die Famile des Bauen bekommt das Eigentumsrecht für das Land zugesprochen
und muß dem Kloster dafür 40 Batzen zahlen. Es stirbt Suger von
St.-Denis (70). Heinrich der Löwe erneuert seine Ansprüche auf Bayern.
Er bleibt diversen Reichstagen fern. Geza II. wird König von Ungarn (bis
1162). Unter seiner Herrschaft beginnt die Ansiedlung von "Sachsen"
- deutscher Bauern von Rhein, Maas und Mosel in Siebenbürgen.
1152
15. Februar: Konrad III. (55) stirbt an den Spätfolger einer Malaria,
ohne die Kaiserwürde erhalten zu haben. Da sein Sohn Friedrich erst sechs
oder sieben Jahre alt ist, hat er die Wahl seines Neffen Herzog Friedrich
von Schwaben (30) zum König empfohlen. Dies geschieht, damit nicht der
stauferfeindliche Erzbischof Heinrich von Mainz die Regentschaft erhält.
Am 4. März wird er zum König gewählt, nachdem er den Fürsten
Zusagen gemacht hat: Welf VI. soll Tuszien, Spoleto und Sardinien erhalten,
sein Neffe Heinrich der Löwe soll Bayern zurückerhalten, der Zähringer
Berthold wird Rektor in Burgund und Provence. Am 9. März wird Friedrich
in Aachen gekrönt. Es wird ein Landfriedensgesetz erlassen: "Friedrich,
von Gottes Gnaden Kaiser [?] der Römer und immer Augustus [wirklich Augustus?]
entbietet den Bischöfen, Herzögen, Grafen, Markgrafen und Richtern,
welche diesen seinen Brief zu Gesicht bekommen, den Gruß seiner Gnade
und seinen Frieden und seine Liebe...:
1. Wenn jemand während des verordneten Friedens einen anderen Menschen
tötet, muß er die Todesstrafe auf sich nehmen. Es sei denn, er
könne durch Zweikampf beweisen, daß er jenen anderen bei Verteidigung
des eigenen Lebens erschlagen habe. Wenn es aber allen deutlich ist, daß
er nicht unter dem Druck der Not, sondern vorsätzlich jenen getötet
hat, dann gebe es für ihn weder den Zweikampf noch eine andere Entschuldigung,
sondern er werde zum Tode verurteilt.
2. Wenn ein Friedensbrecher das Antlitz des Richters flieht, dann soll der
Richter beschlagnahmen, was er an beweglichem Eigentum hat, und in Verwaltung
nehmen. Seine Erben aber sollen die Erbschaft, die der Täter noch in
Besitz hatte, antreten unter der Bedingung, daß sie sich durch Eid verpflichten,
jenen Friedensstörer niemals mit ihrem Willen und Wissen einen Vorteil
zukommen zu lassen. Sollten aber die Erben dieses Gesetz brechen und jenem
die Erbschaft aushändigen, dann soll der Richter die Erbschaft dem König
überweisen, und vom König werden sie dann die Erbschaft zum Lehen
erhalten.
3. Wenn jemand während des verordneten Friedens einen anderen Menschen
verwundet, dann werde ihm, falls er nicht im Zweikampf beweisen kann, daß
er dies bei der Verteidigung des eigenen Lebens getan hat, die rechte Hand
abgeschlagen...
4. Wenn jemand einen anderen Menschen der Freiheit beraubt und ihn, ohne dabei
Blut zu vergießen, mit den Fäusten schlägt oder ihm Haare
oder den Bart ausrauft, dann soll er an den Verletzten eine Buße von
zehn Pfund zahlen und bei dem Richter 20 Pfund hinterlegen. Wenn er den fremden
Menschen aber gelinder angegriffen hat, nur mit der flachen Hand, so, wie
der Volksmund sagt, und wenn er ihn nur mit solchen Schlägen und Schimpfworten
übel traktiert hat, dann soll er für ein solches Vergehen fünf
Pfund zahlen.
5. Wer seinem Richter für irgendein Vergehen 20 Pfund schuldet, soll
dem Richter seinen Besitz als Pfand übergeben und innerhalb von vier
Wochen die verpfändete Summe einlösen, dann sollen die Erbberechtigten,
falls sie es wollen, das Erbe antreten und dem Richter innerhalb sechs Wochen
20 Pfund auszahlen. Wenn aber der Richter den Besitz der Gewalt des Königs
übereignet, dann soll er dem Kläger den Schaden ersetzen und das
Gut vom König als Lehen empfangen.
6. Wenn ein Kleriker wegen Friedensbruches verklagt ist oder deshalb, weil
er einen Friedensbrecher versteckt hält, und wenn er in Gegenwart seines
Bischofs durch hinreichendes Zeugnis dessen überführt wird, dann
soll er dem Grafen, in dessen Grafschaft der Kleriker sein Verbrechen begangen
hat, 20 Pfund zahlen und sich vor seinem Bischof für ein solches Vergehen
den kanonischen Gesetzen
nach verantworten. Wenn sich aber dieser selbe Priester halsstarrig zeigt,
dann soll er nicht nur Amt und kirchliche Lehen verlieren, sondern auch geächtet
werden.
7. Sollte ein Richter einen Friedensbrecher vor der erregten Volksmenge auf
die Burg eines Herrn geführt haben, dann soll der Herr, um dessen Burg
es sich handelt, den Mann zur Gerichtsverhandlung stellen. Wenn er nicht unschuldig
ist und sich fürchtet, vor dem Richter zu erscheinen, dann soll der Herr,
falls der Mann ein Zimmer in der Burg bewohnt hat, alle seine bewegliche Habe
dem Richter mit einem Eide übergeben und ihn, weil er als geächtet
gilt, in seinem Hause nicht mehr aufnehmen. Wenn er aber in der Burg kein
Zimmer bewohnt hat, dann soll der Herr ihn in Sicherheit vor Gericht stellen.
Der Richter aber soll nicht ablassen, ihn mit dem Volke als Friedensbrecher
zu verfolgen.
8. Wenn sich zwei Männer um dasselbe Lehen bewerben und einer von ihnen
den Herrn des Lehens als Zeuge benennen kann, dann soll der Graf, falls der
Lehnsherr anerkennt, die Gebühr für die Investitur erhalten zu haben,
sein Zeugnis an erster Stelle anerkennen; und wenn derselbe Mann durch einwandfreie
Zeugen beweisen kann, daß er das Lehen ohne Gewalt besitzt, dann soll
der Rechtshandel abgewiesen werden und er das Lehen weiterhin behalten. Wird
er aber vor dem Richter der Gewalttat überführt, dann soll er den
doppelten Wert seines Gewinns bezahlen und das Lehen einbüßen,
falls er es nicht nach Recht und Richterspruch späterhin zurückgewinnen
kann.
9. Soll der Fall eintreten, daß drei oder gar noch mehr Männer
im Streit liegen und sich dabei auf verschiedene Lehnsherren berufen, dann
soll der zuständige Richter, vor welchem der Fall verhandelt wird, feststellen,
wer von den Parteien im rechtsgültigen Besitz des Lehens ist, indem er
zwei Männer, die aus der Gegend des Streitenden stammen, und sich eines
guten Rufs erfreuen, einen Zeugeneid schwören läßt. Wenn durch
diesen Zeugeneid die Wahrheit gefunden ist, dann soll der Inhaber des Lehens
in aller Ruhe das Lehen besitzen, es sei denn, daß ein anderer durch
Recht und Spruch des Richters imstande ist, es ihm aus der Hand zu nehmen.
10. Wenn ein Bauer schwört, er habe einen Krieger wegen Friedensbruchs
mit der flachen Hand geschlagen, er habe das aber nicht vorsätzlich,
sondern nur aus Notwehr getan, dann soll sich der Krieger vom Verdachte reinigen
mit drei Eideshelfern. Wenn umgekehrt ein Krieger schwört, er habe einen
Bauer mit der flachen Hand geschlagen, er habe das aber nicht vorsätzlich,
sondern nur aus Notwehr getan, dann soll der Bauer die Wahl zwischen zwei
Möglichkeiten haben: Entweder legt er nach menschlichem und göttlichem
Recht seine Unschuld dar, oder er reinigt sich vom Verdachte mit Hilfe von
sieben Eideshelfern, die der Richter bestimmt. Wenn ein Krieger gegen einen
anderen Krieger wegen Friedensbruchs oder wegen einer anderen Kapitalsache
Entscheidung durch gerichtlichen Zweikampf verlangt, dann darf dem nur unter
der Bedingung stattgegeben werden, daß er und seine Eltern schon von
jeher echte Ritter gewesen sind.
11. Nach dem St. Marientag soll jeder Graf sieben Männer auswählen,
die sich eines guten Leumundes erfreuen, und diese Männer soll er geschickt
in alle Teile seines Amtsbereichs verteilen und vorherbestimmen, zu welchem
Preise das Getreide entsprechend der Zeit verkauft werden soll. Wenn jemand
diesem Beschlusse zuwider im Laufe des Jahres höhere Preise nehmen und
teuerer verkaufen möchte, dann soll er als Friedensbrecher gelten und
dem Graf 20 Pfund für jedes Maß Getreide bezahlen, das er zu teuer
verkauft hat.
12. Wenn ein Bauer Panzer, Lanze oder Schwert trägt, dann soll der zuständige
Richter entweder die Waffen beschlagnahmen oder ihn mit 20 Schillingen büßen.
13. Ein Kaufmann soll auf einer Geschäftsreise sein Schwert am Sattel
oder auf seinem Fahrzeug befestigen, auf daß er nicht einen Unschuldigen
verletze, sich selber aber gegen Räuber verteidigen könne.
...
16. Menschen, die entweder als Räuber überführt oder allgemein
als solche bekannt sind, sollen nach altem Strafrecht verurteilt werden.
17. Wenn ein Mann seine Vogtei oder ein anderes Amt schlecht verwaltet und
auf Mahnungen seines Herrn hin sich nicht zusammennimmt, sondern in seiner
Ungebühr verharrt, dann soll er durch Richterspruch von seiner Vogtei
oder seinem Lehen abberufen werden; sollte er danach den verbrecherischen
Versuch machen, seine Vogtei oder sein Amt gewaltsam wiederzugewinnen, dann
gelte er als Friedensbrecher.
18. Wer einen Gegenstand im Werte von fünf Schillingen oder mehr stiehlt,
soll am Strick aufgehenkt werden; wenn der Wert geringer ist, werde der Dieb
mit Ruten gestrichen, mit Zangen gepeinigt und kahl geschoren.
...
20. Wer auf der Reise über Land sein Pferd füttern will, darf ungestraft
dem Tiere geben, was er, unmittelbar am Wege stehend, mit den Armen erreichen
kann, um ihm Nahrung und Erholung zu verschaffen. Soweit das ohne Verwüstung
und Schaden geschieht, darf er auch Kräuter und Grünzeug im Walde
zu seiner Bequemlichkeit und zu seinem Bedarf verwenden." Neu daran ist
die meist fehlende Unterscheidung zwischen Freien und Unfreien und die (teilweise)
Unterstellung von Klerikern unter die weltliche Gerichtsbarkeit. (Ein Kommentar
hierzu: Man sollte mittelalterliche Gesetze nicht überbewerten, insbesondere
nicht die zeitlich befristeten Landfrieden. Entscheidend ist ihre Anwendung,
die im Einzelfall belegt werden muß.) 15. Juni: Barbarossa kommt erstmals
nach Augsburg, wo man sich über die Gewalttätigkeit der Vögte
und Rechtsunsicherheit beklagt. Er befiehlt dem Klerus und der Bürgerschaft,
gemeinsame Grundsätze zu erarbeiten, nach denen Stadt und Kirche regiert
werden sollen. Wichmann, bisher Bischof von Naumburg wird Erzbischof von Magdeburg.
(Er verdankt seine Erhebung Barbarossa.) Er entwickelt eine gezielte planmäßige
Siedlungspolitik, wofür er besondere Agenten einsetzt, die sog. Lokatoren.
Diese agieren als Mittelsmänner zwischen interessierten Grundherren und
den Siedlern; sie sind für Logistik und Technik zuständig, für
die Anwerbung von Siedlern und die Landverteilung. Sie bekommen dafür
Ländereien und Privilegien in den neuen Siedlungen. (Ein Beispiel: Siehe
1159) Die Kathedrale von Amiens wird geweiht. Heinrich Plantagenêt,
der in Angers sitzt, heiratet Eleonore von Aquitanien, die geschiedene Ehefrau
des französischen Königs Ludwig VII. Dadurch werden die Plantagenêts
zu den größten Territorialherren in Frankreich. In China werden
die ersten Raketen gebaut.
1153
Die Ehe Friedrichs I. mit Adele von Vohburg (Tochter des Markgrafen Diepold
III. von der Oberpfalz) wird geschieden. Die Begründungen reichen von
zu naher Verwandschaft bis (in späteren Chroniken) Ehebruch. Ehebruch
ist aber nach dem Kirchenrecht kein Scheidungsgrund. Adele heiratet anschließend
in zweiter Ehe mit Friedrichs Erlaubnis den Ministerialen Dieto von Ravensburg,
den Ahnherrn der Kämmerer von Ravensburg. Es sterben: Papst Eugen III.
und Bernhard von Clairvaux (63). Letzterer hat einmal behauptet: "Das
Dogma will nicht begriffen, es will gelebt werden." Er hat unter Mönchtum
ein Leben strikten Gehorsams und äußerster Selbstverleugnung (besonders
in puncto persönlicher Bequemlichkeit, Ernährung und Schlaf) verstanden.
Eventuell stirbt er auch erst August 1154. Neuer Papst: Anastasius IV. (nicht
lange).
Ca.: Aus dieser Zeit stammt (nach der neueren Forschung, nicht, wie früher
angenommen, von 1064/65), das Tafelgüterverzeichnis von einer fragmentarisch
erhaltenen Handschrift aus Aachen. Es ist eine Liste von Gütern, deren
Erträge für die königliche Tafel bestimmt sind: "Dies
sind die Höfe, die zur Tafel des Römischen Königs gehören.
In Sachsen mit all ihrem Zubehör: die Lausitz - sie gibt 5 königliche
Dienste; der Milzengau; der Nisangau; Bautzen; Altenburg; Eisleben; Allstadt;
Wolferstedt; Farnstedt; Wallhausen; Tilleda; Aschersleben; Werla; Goslar;
Homburg; Pöhlde; Grone, dort gehören die Sichelschmiede des Königs
dazu; Eschwege; Mühlhausen; Merseburg 40 Dienste. Diese Höfe in
Sachsen also geben dem König soviel Dienste, wie Tage im Jahr sind, und
40 mehr. Wir machen euch auch bekannt, was ein königlicher Dienst in
Sachsen ist: Es sind 30 große Schweine, 3 Kühe, 5 Ferkel, 50 Hühner,
50 Eier, 90 Käse, 10 Gänse, 5 Fuder Bier, 5 Pfund Pfeffer, 10 Pfund
Wachs, Wein aus ihrem Keller überall in Sachsen. Dies sind die Höfe
in Rheinfranken: Tiel 2 königliche Dienste, Nymwegen 8; Aachen 8; Konzen
2; Düren 2; Remagen 2; Sinzig 2; Hammerstein 2; Andernach 2; Boppard
3; Ingelheim 3; Lautern 8; die Burg Briey 8; Diedenhofen 3; Flörchingen
7; Zolver 7; Sierck 7; Haßloch 1; Nierstein 1; Trebur 4; Frankfurt 3.Dies
sind die Höfe in Franken. Soviel geben sie: 40 Schweine, 7 saugende Ferkel,
50 Hühner, 5 Kühe, 500 Eier, 10 Gänse, 5 Pfund Pfeffer, 90
Käse, 10 Pfund Wachs, 4 große Fuder Wein. Dies sind die Höfe
in Bayern: Nürnberg gibt 2 königliche Dienste; Gründlach 1;
Schübelsberg 1; Pattenhofen 1; Weißenburg 1; die Burg Nürnberg
7; Hafenberg 7; Greding 5; Neuburg an der Donau 2; Creußen 3; Neumarkt
mit 1000 Hufen; Dornberg 2. Dies sind die Höfe in Bayern. Sie geben 26
königliche Dienste, und zwar so groß wie die in Franken. Dies sind
die Höfe in der Lombardei: Settimo gibt 2 königliche Dienste; Turin
gibt sein Allod; Susa 2000 Mark; die Burg Avigliana 1000 Mark; Piossasco 500
Mark; Chieri 500 Mark; Testona 500 Mark; Revello 500 Mark; Saluzzo 200 Mark;
Albenga 200 Mark; die Stadt Sitten 200 Mark; die Städte Tarvil, Cavallermaggiore,
Canelli geben 8 Dienste. Annone gibt 10 königliche Dienste; Revigniano
1; Sangiorgio 5; Castellazzo Gamondo 4; Marengo 8; Sezzé 3; Retorto
2; Pontecurone 2; Basaluzzo 2; der Edelhof Vigevano; der Edelhof Tromello;
Lomello; Montiglio; Coriano mit großem Zubehör. Dies sind die Höfe
der Lombardei. Sie geben so viel, wie keiner erzählen oder erfahren kann,
es sei denn, wir kämen zuvor in die Lombardei."
1154
Bischof Gerung von Meißen siedelt "tüchtige Männer, die
aus dem Land der Flandrer kommen, an einem unangebauten und fast menschenleeren
Orte" an, um dort ein Dorf mit 18 Hufen (mansi) zu gründen. Papstwechsel:
Anastasius IV. stirbt, Papst wird Hadrian IV. (bis 1159), der erste und einzige
Engländer auf dem Papstthron. Oktober: Beginn der Italienzüge Friedrichs
I. mit einem kleinen Heer und in Begleitung Heinrichs des Löwen. Sein
Heer versammelt sich auf dem Lechfeld und zählt nur 1800 Ritter, insgesamt
vielleicht 5000 bis 6000 Krieger. Den größten Anteil, angeblich
die Hälfte stellen die Sachsen Heinrichs des Löwen. Otto von Freising
über die oberitalienischen Städte: "Schließlich lieben
sie die Freiheit so stark, daß sie sich bei jedem Übergriff der
Gewalt entziehen und lieber von Konsuln als von Herrschern regiert werden.
Da es bekanntlich bei ihnen drei Stände gibt, nämlich Kapitäne,
Valvassoren und Bürger, werde, um keinen Hochmut aufkommen zu lassen,
diese Konsuln nicht aus einem, sondern aus allen Ständen gewählt,
und damit sie sich nicht zur Herrschsucht verleiten lassen, werden sie fast
jedes Jahr ausgetauscht. So kommt es, daß das Land fast vollständig
unter Stadtstaaten aufgeteilt ist, und daß jeder derselben die Bewohner
seines Gebietes mit ihnen zusammenzuleben zwingt, daß man ferner kaum
einen Edlen und Großen von noch so großem Ehrgeiz findet, der
sich nicht trotzdem der Herrschaft seines Staates beugte. Damit sie nicht
der Mittel entraten, auch die Nachbarn zu unterdrücken, halten sie es
nicht für unter ihrer Würde, junge Leute der unteren Stände
und auch Handwerker, die irgendein verachtetes mechanisches Gewerbe betreiben,
zum Rittergürtel und zu höheren Würden zuzulassen, während
die übrigen Völker solche wie die Pest von den ehrenvolleren und
freieren Beschäftigungen ausschließen...(?) So kommt es, daß
sie an Reichtum und Macht die übrigen Städte der Welt übertreffen.
Förderlich war ihnen dabei nicht nur, wie gesagt, ihr tatkräftiger
Charakter, sondern auch die Abwesenheit der Herrscher, die sich angewöhnt
hatten, im transalpinen Gebiet zu bleiben. Darin bewahren sie, uneingedenk
der antiken adeligen Haltung, einen Rest barbarischen Bodensatzes, daß
sie den Gesetzen nicht gehorchen, obwohl sie sich rühmen, nach ihren
Gesetzen zu leben. Denn ihrem Fürsten, dem sie freiwillig ehrfürchtigen
Gehorsam schuldeten, begegnen sie kaum jemals mit Ehrfurcht, noch anerkennen
sie Gehorsam, was er nach gültigem Gesetz anordnet, es sei denn, daß
sie, unter dem Zwang eines starken militärischen Aufgebots, die Autorität
zu spüren bekommen." Dezember: Barbarossa hält auf den Ronkalischen
Feldern bei Piacenza einen Reichstag ab. Es wird dabei dekretiert:
1. daß ein Vasall, oder sein Erbe, sein Lehen einbüßen soll,
wenn er nach dem Tode des Lehnsherren Jahr und Tag verstreichen läßt,
ohne demm Herrn oder Erben des Herrn den Treueschwur zu leisten und ohne um
die Investitur zu bitten.
2. daß es dem Herrn erlaubt sein soll, alle vorgefallenen Entfremdungen
von Lehnsgut zu widerrufen, da einem solchen Verfahren keine Bestimmung im
Wege steht.
3. daß Ähnliches für die Feldzugsbeiträge gilt. So nennt
man die Steuer, die von den Vasallen an die mit dem König nach Rom ziehenden
Herren abzuführen sind.
4. daß wenn ein Kleriker, ein Bischof oder ein Abt ein Lehen verliert,
das er nicht nur für seine eigene Person, sondern für die Kirche
vom König erhalten hat, und das durch seine persönliche Schuld,
dann soll dieses Lehen, solange er lebt und im Besitz seiner kirchlichen Ehren
ist, dem König anheimfallen, nach seinem Tode aber an seinen Nachfolger
wieder ausgegeben werden. Heinrich Plantagenêt wird König von England.
Imbreviatur-Buch von Genua, die älteste datierte Papierhandschrift auf
italienischem Boden, geschrieben auf arabischem Importpapier. (Vgl. Sizilien
1102 und 1115)
1155
Eine Geschichte aus Barbarossas Belagerung von Tortona: "Der langen Belagerung
überdrüssig, wollte er (ein deutscher Reitknecht) den anderen zeigen,
wie man die Burg ersteigen könne, und nur mit Schwert und Schild ausgerüstet,
wie es diese Leute am Sattel tragen, ging er den dem Roten Turm vorgelagerten
Wall an, indem er sich mit seinem Beil einen Weg bahnte, auf dem sein Fuß
einen Halt finden konnte, stieg er den Berg empor. Ihn konnten nicht die zahlreichen
Steine einschüchtern, die mit der ganzen Kraft der Geschütze von
den Maschinen des Königs gegen den Turm geschleudert wurden, nicht die
wie ein Regenguß ununterbrochen von der Burg aus heranprasselnden Wurfspieße
und Felsbrocken zurückhalten; er stieg bis zum schon halbzerstörten
Turm empor, streckte dort im mannhaftem Kampf einen ebenfalls bewaffneten
Ritter durch einen Streich zu Boden und konnte trotz der vielen schweren Gefahren
unversehrt ins Lager zurückkehren. Der König ließ ihn zu sich
rufen und wollte ihn wegen seiner ruhmvollen Tat durch die Verleihung des
Rittergürtels ehren. Doch als jener erklärte, er sei ein Mann niedrigen
Standes und wolle in diesem bleiben, er sei mit diesem Los zufrieden, beschenkte
er ihn reich und ließ ihn zu seinen Zeltgenossen zurückkehren."
18. Juni: Friedrich I. Barbarossa (33) wird in Rom zum Kaiser gekrönt.
Am gleichen Tag noch wird dort ein Aufstand blutig niedergeschlagen. Arnold
von Brescia wird als Haupt der antipäpstlichen Bewegung hingerichtet.
Der Papst siedelt nach Benevent über - wegen Unruhen in Rom. Ulm wird
Reichsstadt. Brauordnung in Augsburg. Ludwig VII. von Frankreich bestätigt
die Statuten von Lorris (wie auch Philipp II. August 1187 wieder). Es handelt
sich um ein in Nordfrankreich verbreitetes Gewohnheitsrecht, welches von Ludwig
VI. von Frankreich (1108 bis 1137) dem damals zur Krondomäne gehörenden
Dorf Lorris-en-Gâtinais (Dép. Loiret) verliehen hat. Es ist kein
Freiheitsprivileg, denn die Bewohner von Lorris verbleiben unter der Jurisdiktion
des königlichen Prévôt, aber die seit Jahr und Tag in dem
Ort Ansässigen sind von bestimmten Frindiensten und dem Wachdienst befreit
(Bemessung von Spanndiensten auf einen Tag). Nur die Weinfuhre von der königlichen
Domäne zu Lorris nach Orléans und die Holzlieferung an den Königshof
zu Lorris werden aufrechterhalten. Die direkten Steuern werden aufgehoben
zugunsten eines Grundzinses von sechs Denier pro Haus und Morgen. Der Weinbann
(banvin) gilt nur noch für die königlichen Weinberge und diverse
Abgaben werden aufgehoben. Die Bewohner von Lorris genießen Zollfreiheit,
ihr Markt steht unter dem Schutz des Königs und sie dürfen nur vom
königlichen Prévôt gerichtet werden, was zu einer starken
Reduzierung der Bußen führt. Das Statut von Lorris wird im 12.
Jh. ganz oder teilweise von etwa 50 Dörfern der Krondomäne, Burgund,
Champagne und Berry übernommen. Im 13. Jh. wird sich diese Bewegung abschwächen.
29. Oktober: Eine Urkunde Barbarossas aus Würzburg regelt die Freiheit
der Mainschiffahrt und verbietet ungerechtfertigte hohe Zölle. Weihnachten:
Auf dem Hoftag zu Worms verkündet Barbarossa seinen Spruch im Streit
des Erzbischofs Arnold von Mainz mit dem Pfalzgrafen bei Rhein, Hermann von
Stahleck, die sich in des Kaisers Abwesenheit blutig befehdet hatten. Beide
Seiten werden des Landfriedensbruches für schuldig erklärt und zu
schändlichem Hundetragen verurteilt: Der Pfalzgraf muß in der Winterkälte
barfuß eine deutsche Meile weit, von einer Grafschaft zur anderen, im
Angesicht der gesamten Versammlung einen Hund am Hals tragen. Auch der Erzbischof
wird dazu verurteilt, jedoch wegen seines Alters von der Ausführung der
Strafe befreit. Diese Bestrafung zweier so hoher Reichsfürsten macht
Eindruck.
1155 oder 1156
Es stirbt Petrus Venerabilis, der letzte große Abt von Cluny.
1155 und 1156: Die Weizenaussaat auf den burgundischen Besitzungen von Cluny
ergibt den zwei- bis vierfachen Ertrag des Saatguts. Vor 1200 scheint es im
Mittel das dreifache gewesen zu sein.
Bis 1160: Entstehung des "Roman de Brut" von Robert Wace. In diesem
Werk der Artusepik wird erstmals die Tafelrunde erwähnt.
Bis 1160: Entstehung des "Roman d'Enéas," in welchem der
Magnet erwähnt wird. (Danach seien die Mauern von Didos Karthago mit
Magneten besetzt gewesen, die gepanzerte Feinde, welche ihnen zu nahe kamen,
festgehalten hätten). Da keine weitere Erklärung dazu gegeben wird,
kann daraus geschlossen werden, daß die Wirkung des Magneten allgemein
bekannt ist.
1156
Auf dem Berge Karmel in Palästina wird der Orden der Karmeliter gegründet.
Mai: Rainald von Dassel, ein Papstgegner wird Reichskanzler. Er bildet (in
Urkunden) einen das Kaisertum verherrlichenden Reichsstil aus; die Bezeichnung
"sacrum imperium" ("Heiliges Reich") taucht wieder auf.
Reichstag zu Regensburg: Heinrich der Löwe erhält das Herzogtum
Bayern (ein Wahlversprechen Friedrichs). Um die Babenberger, welche dieses
Herzogtum seit 1139 innehaben, zu entschädigen, löst der König
die Mark Österreich von Bayern, erhebt sie zum Herzogtum und stattet
den Babenberger Heinrich Jasomirgott mit besonderen Rechten aus: Er kann (neben
Erblichkeit des Herzogstums) auch im Falle kinderlosen Todes seinen Nachfolger
frei bestimmen dürfen. Dies ist ein erster Schritt zur Zerschlagung des
Herzogtums Bayern. 10. - 16. Juni: Hoftag zu Würzburg. Barbarossa heiratet
hier Beatrix von Burgund. 21. Juni: Barbarossa verkündet in Nürnberg
das Augsburger Stadtrecht. An der Spitze stehen Bestimmungen gegen Friedensbrecher.
Der Bischof setzt unter Berücksichtigung der Wünsche der Ministerialen,
der Bürger und des ganzen Stadtvolkes den Burggrafen und den Münzer
ein. Geldwechsel (ein Recht des Münzers) bis zur Höhe von zehn Mark
ist nur den Kaufleuten erlaubt, die mit Köln Handel treiben. Leipzig
erhält Magdeburger Stadtrecht. Der Bischof wird vom König als Stadtherrn
und obersten Gerichtsherrn, als Bewahrer des Stadt- und Marktfriedens eingesetzt.
Er ist oberster Grundherr, oberster Münzer und Inhaber der öffentlichen
Gewalt. Ihm ist der Burggraf unterstellt. Die Bürger haben bereits Grundbesitz
und die persönliche Freiheit.
Winter auf 1157: König Svend Grate plündert Schleswig inklusive
der in der Schlei ankernden Nowgoroder Handelsflotte. Ernteerträge der
Landgüter der Abtei Cluny in Burgund: 1 : 3 für Weizen, 1 : 5 für
Roggen, 1 : 2,5 für Gerste.
1157
Die erste Kaufmannssiedlung von Lübeck (relativ weit entfernt vom alten
slawischen Kastell) brennt ab. Erste Erwähnung des Kegelspiels (aber
wo?). Das Kloster Walkenried, seit 28 Jahren bestehend, erhält von Barbarossa
ein Viertel der Erzausbeute des Rammelsberges zugesprochen, vermutlich in
Anerkennung der Leistungen des Klosters bei der Urbarmachung des südöstlichen
Harzvorlandes. Gleichzeitig dürfen die Mönche für 12 Mark Silber
im Harzwald ohne Einschränkung Kohle brennen. 22. August: Barbarossa
zieht nach Polen und unterwirft Boleslaw IV., der jahrelang keinen Tribut
gezahlt hat. König Heinrich II. Plantagenet von England schickt mit einer
Gesandtschaft an Barbarossa ein kostbares Zelt: "Ebendort waren damals
auch Gesandte des Königs Heinrich (II.) von England zugegen, welche mancherlei
kostbare Geschenke mit vielen anmutigen Worten darbrachten. Darunter erblickten
wir ein Zelt, sehr groß an Umfang, sehr schön von Beschaffenheit.
Fragst Du nach seiner Größe, so wisse, daß es nur mit Maschinen
und Werkzeugen aller Art und mit Stützen gehoben werden konnte; fragst
Du nach seiner Beschaffenheit, so wisse, daß ich glaube, es werde weder
in Bezug auf das Material noch in Bezug auf die Ausführung jemals von
irgendeinem derartigen Gerät übertroffen werden." [Rahewin,
Taten Friedrichs III, 7] Kaufleute aus Köln erhalten von Barbarossa ein
erstes Handelsprivileg.
Ca.: Der von Kürenberg, erster namentlich bekannter deutscher Minnesänger.
1158
Heinrich der Löwe zerstört die Zollbrücke des Bischofs von
Freising. Stattdessen läßt er Brücke, Markt und Münze
bei der alten Mönchssiedlung Apud Munichen (München) neu errichten
und mit einem Mauerring befestigen (Gründung von München). Der Ort
wird bald Mittelpunkt des Salzhandels. 14. Juni: Barbarossa bestätigt
Markt- und Münzrecht von München. Zunft der Schuhmacher in Magdeburg.
"Während der Kaiser ein Lager bezieht und das aus den verschiedenen
Städten Italiens ankommende Heer erwartet, beschäftigt er sich nach
weiser Überlegung in passender und frommer Weise mit Geschäften
des Friedens eher als mit denen des Krieges. Er berief also eine Fürstenversammlung
und verordnete, daß folgende Friedensgesetze im Heere beachtet werden
sollten:
§. 1. "Wir verordnen und wollen streng beachtet wissen, daß
kein Ritter noch Knecht Streit anzufangen wage. Wenn einer mit dem andern
in Streit gerät, so soll keiner von beiden den Lagerruf schreien, damit
nicht dadurch seine Kameraden zum Kampfe gereizt werden. Wenn aber ein Streit
entstanden ist, soll niemand mit Waffen, nämlich mit Schwert Lanze oder
Pfeilen herbeilaufen, sondern, bekleidet mit Panzer, Schild und Helm, bringe
er in der Hand nichts als einen Knittel mit sich, um damit den Streit zu schlichten.
Niemand soll den Lagerruf erschallen lassen, außer wer sein Quartier
sucht. Hat aber ein Ritter durch Schreien des Lagerrufs Streit verursacht,
so soll ihm seine ganze Rüstung (harnascha) genommen und er aus dem Heere
ausgestoßen werden. Hat es ein Knecht getan, so soll er geschoren, gegeißelt
und an der Kinnlade gebrandmarkt werden, oder sein Herr soll ihn loskaufen
mit seiner ganzen Rüstung.
§. 2. Wer einen andern verwundet hat und leugnet, es getan zu haben,
dem soll dann, wenn der Verwundete durch zwei glaubwürdige, nicht blutsverwandte
Zeugen ihn überführen kann, die Hand abgehauen werden. Fehlen Zeugen
und will der Angeklagte durch einen Eid sich reinigen, so kann der Kläger,
wenn er will, den Eid zurückweisen und jenen zum Zweikampf fordern.
§. 3. Wenn Jemand einen Todschlag begangen hat und von einem Verwandten
oder Freunde oder Genossen des Erschlagenen durch zwei glaubwürdige,
mit dem Erschlagenen nicht blutsverwandte Zeugen überführt worden
ist, so wird er mit dem Tode bestraft. Fehlen aber Zeugen und will der Täter
durch einen Eid sich reinigen, so kann der Freund oder Verwandte des Erschlagenen
ihn zum Zweikampf fordern.
§. 4. Wenn ein fremder Ritter friedlich zum Lager kommt, sitzend auf
seinem Gaule ohne Schild und Waffen, so soll, wer ihn verletzt, für einen
Friedensbrecher gelten. Kommt er aber auf einem Streitroß sitzend, mit
dem Schild am Halse, der Lanze in der Hand zum Lager, so hat, wer ihn verletzt,
den Frieden nicht gebrochen.
§. 5. Ein Ritter, der einen Kaufmann ausgeplündert hat, soll das
Geraubte doppelt erstatten und schwören, er habe nicht gewußt,
daß jener ein Kaufmann sei. Tat es ein Knecht, so soll er geschoren
und an der Kinnlade gebrandmarkt werden, oder sein Herr soll für ihn
den Raub erstatten.
§. 6. Wer einen andern eine Kirche oder einen Markt berauben sieht, soll
es hindern, doch ohne Streit anzufangen; kann ers nicht hindern, so soll er
den Schuldigen bei Hofe verklagen.
§. 7. Niemand soll ein Weib in seinem Quartier haben; wer aber eins zu
haben wagt, dem soll seine ganze Rüstung genommen werden, und er soll
für exkommuniziert gelten, und dem Weibe soll die Nase abgeschnitten
werden.
§ 8. Niemand soll eine Burg angreifen, welche vom Hofe eine Besatzung
hat.
§ 9. Hat ein Knecht einen Diebstahl begangen und wird beim Diebstahl
ertappt, so soll er, wenn er zuvor kein Dieb war, deshalb nicht gehenkt werden,
sondern er soll geschoren, gegeißelt und an der Kinnlade gebrandmarkt
und aus dem Heere gestoßen werden, es sei denn, daß sein Herr
ihn mit seiner ganzen Rüstung loskauft. War er zuvor schon ein Dieb,
so soll er gehenkt werden.
§ 10. Wird ein Knecht nur des Diebstahls beschuldigt, nicht aber dabei
ertappt, so soll er sich am Tage darauf durch die Probe des glühenden
Eisens reinigen, oder sein Herr soll für ihn einen Eid leisten. Der Kläger
aber soll schwören, daß er ihn aus keinem anderen Grunde des Diebstahls
bezichtige, als weil er ihn für schuldig erachte.
§ 11. Hat einer des andern Pferd gefunden, so soll er es nicht scheren
noch unkenntlich machen, sondern er solls dem Marschall sagen; und soll es
nicht geheim halten, sondern ihm sein Gepäck aufbürden. Trifft nun
der, welcher das Pferd verloren hat, es unterwegs beladen, so soll er das
Gepäck nicht herabwerfen, sondern zum Quartier folgen, und dort wird
er sein Pferd zurückerhalten.
§ 12. Wenn aber einer ein Dorf oder Haus angezündet hat, so soll
er geschoren und an den Kinnladen gebrandmarkt und gegeißelt werden.
§ 13. Der Schmied soll im Dorfe keine Kohlen brennen, sondern er soll
das Holz nach seinem Quartiere tragen und dort Kohlen brennen; tut ers im
Dorfe, so soll er geschoren, gegeißelt und an den Kinnladen gebrandmarkt
werden.
§ 14. Hat einer den andern verletzt, indem er ihm vorwirft, er habe den
Frieden nicht beschworen, so soll er nicht des Friedensbruches schuldig sein,
wenn jener nicht durch zwei geeignete Zeugen beweisen kann, daß er den
Frieden beschworen habe.
§ 15. Niemand soll in sein Ouartier einen Knecht aufnehmen, der ohne
Herrn ist; wenn er's tut, so soll er zwiefach wiedererstatten, was jener gestohlen
hat.
§ 16. Wer eine Vorratsgrube findet, mag sich ihrer ungehindert bedienen.
Werden die Vorräte ihm genommen, so soll er nicht Böses mit Bösem
vergelten, soll das ihm angetane Unrecht nicht rächen, sondern soll's
dem Marschall klagen, um Gerechtigkeit zu empfangen.
§ 17. Wenn ein deutscher Kaufmann in eine Stadt geht, Waren kauft, sie
zum Heere bringt und teurer im Heere verkauft, so soll ihm der Kämmerer
seinen ganzen Kram wegnehmen und soll ihn geißeln und scheren und an
der Kinnlade brandmarken.
§ 18. Kein Deutscher soll einen Lateiner zum Genossen haben, er verstehe
denn das Deutsche; hat er ihn zum Genossen, so soll ihm genommen werden, was
er hat.
§ 19. Hat ein Ritter einem Ritter Schmähworte gesagt, so kann er
es durch einen Eid ableugnen; leugnet er es nicht ab, so soll er ihm 10 Pfund
Münze zahlen, wie sie zu der Zeit im Heere gilt.
§ 20. Hat einer gefüllte Weinfässer gefunden, so hebe er den
Wein so vorsichtig heraus, daß er die Fässer nicht zerbricht noch
die Bänder der Fässer zerschneidet, damit nicht zum Nachteil des
Heeres der ganze Wein auslaufe.
§ 21. Ist eine Burg erobert worden, so mag die Habe, die darin ist, geraubt
werden, aber die Burg soll nicht angezündet werden, wenn es der Marschall
nicht etwa selbst tut.
§ 22. Hat einer mit Jagdhunden gejagt, so soll das Wild, welches er gefunden
und mit den Hunden aufgetrieben hat, ohne Widerspruch von irgend jemand ihm
gehören.
§ 23. Hat jemand mit Windhunden ein Wild aufgescheucht, so gehört
es nicht notwendig ihm, sondern dem, der's ergreift.
§ 24. Hat einer mit Lanze oder Schwert ein Wild durchbohrt, und ein anderer
ergreift es, ehe jener es mit der Hand aufgehoben, so soll es nicht dem gehören,
der's ergreift, sondern dem, welcher es tötete, ohne Widerrede.
§ 25. Hat einer auf der Pirsch (birsando) mit Armbrust oder Bogen ein
Wild getödtet, so soll es ihm gehören."
Diesen Frieden bekräftigten die Erzbischöfe, Bischöfe, Äbte, indem sie für sich die Rechte zum Handschlag boten, und sie versprachen, die Friedensstörer mit der Strenge des pontifikalen Amtes (d. h. mit kirchlicher Strafe) zu züchtigen." [Rahewin, Taten Friedrichs III. 28] Ein Generalkapitel der Zisterzienser verbietet diesen das Tragen von Wildfellen und teuren Pelzen. Wladislaw von Böhmen wird zum König erhoben. 22. September: Otto von Freising stirbt (unter 50). Durch ein Privileg Barbarossas entsteht in Bologna eine Universität mit akademischer Freiheit. Es wird nur Recht gelehrt. Der Umbau der Kathedrale von Le Mans ist abgeschlossen. Es ist ein erheblicher Aufwand betrieben worden. Die enormen romanischen Mauermassen dienen hier als Basis für Neuerungen (z.B. neue Zwischenpfeiler, neue Spitzbogen unter alten Rundbogen), bei denen alles noch schwerer und massiver wird. Es soll das dynastische Monument des Hauses Plantagenêt werden.
1158 oder 1159
Lübeck wird von Heinrich dem Löwen neu gegründet. Er weist
den Kaufleuten zunächst einen wenig günstigen Siedlungsplatz an
der Wakenitz zu, während der bevorzugte Platz am Südende (der Landzunge
zwischen Wakenitz und Trave) an den ersten Bischof von Oldenburg fällt.
In der Grafenburg residieren die Vertreter der Fürsten. Bei dieser Neugründung
werden zur Entlastung des Marktes schmale Parallelstraßen angelegt.
Durch die Anlage von Längs- und Querstraßen "Rückgrat-
und Rippenstraßen") um den Markt herum wird dieser zunehmend zum
eigentlichen Mittelpunkt der Stadt erhoben. (Dieses neue System der Stadtplanung
wird im 13. Jh. viele Stadtgründungen, besonders im Osten beherrschen).
1159
"...und der Winter war in jenem Jahre [in Italien] mehr als gewöhnlich
regnerisch und durch Kälte streng." [Rahewin, Taten Friedrichs IV.
67] "Wenige Monate, nachdem Bischof Otto am 10. Tag vor den Kalenden
des Oktober um die Zeit der Wintersonnenwende [22. September 1158] gestorben
war, brannte ungefähr um die Sommersonnenwende, an den Nonen des April
[5. April], auf welche damals der Palmsonntag fiel, während der Frühmette
die Stadt Freising vollständig nieder, also daß, um von den größeren
Kirchen, welche mit ihren Schmuckstücken zu Grunde gingen, sowie von
der bischöflichen Kirche selbst und der Pfalz zu schweigen, auch keine
einzige von den kleineren Kapellen und kein Bethaus übrig blieb. Auch
die Häuser und Wirthschaftsgebäude der Kanoniker und die Häuser
der Ritter verbrannten, bis auf sehr wenige. Diese Kirche war zu dieser Zeit
in solchem Wohlstand, daß sie an Vermögen, Gebäuden und Reichtum
beinahe alle angrenzenden und benachbarten Bistümer übertraf oder
ihnen gleichkam; durch die Trefflichkeit ihres Klerus war sie so ausgezeichnet,
daß in Ehrbarkeit und Zucht, in Freigebigkeit, in Kenntnis der Wissenschaften
wenige ihren Klerikern gleich waren und keine Geistlichkeit im römischen
Reiche für besser oder überlegen gehalten werden konnte. 16. Vorzeichen
des Unglücks. Welche Vorzeichen diesem Unglück vorangingen und daß
Albert dem Otto nachfolgte. Diesem vielfachen Unglück der Stadt Freising
und dem Unfall trübseligen Ausgangs waren mancherlei Vor- und Wunderzeichen
vorausgegangen. Einmal nämlich, am Tage der Beschneidung des Herrn [1.
Januar] stürzte, während der Priester zur feierlichen Messe am Hochaltar
stand und schon das zuletzt bei dem heiligen Sakrament beobachtete Stillschweigen
aufgehoben hatte, der Kelch mit dem Blute so gänzlich um und ergoß
seinen Inhalt vor aller Augen über den Altar, daß auch nicht ein
Tropfen übrig blieb. Aber der hochweise Bischof, der erkannte, daß
durch ein solches Vorzeichen nichts Glückliches verheißen worden
sei, riet durch Fasten und Litaneien der göttlichen Strafe vorzubeugen
und Gottes Zorn zu besänftigen. Um dieselbe Zeit sahen auch glaubwürdige
Geistliche und Laien vierfüßige Ungeheuer und andere Gespenster
der Nacht hierhin und dorthin fliegen. Tiere der Wildnis, wie Füchse
und Hasen, wagten sich wie Haustiere in die Vorhallen der Kirche und in die
Wirthschaftsgebäude der Kanoniker und ließen sich geduldig den
Fangstrick anlegen. Knaben und Mädchen zogen öfters in Prozession
mitten durch die Stadt, und wahre Bittgesänge nachahmend, prophezeiten
sie durch ihre Scherze bitteren Ernst. Denn im folgenden Jahre brannte gerade
die Stelle, wo die Domkirche und die bischöfliche Residenz erbaut werden
sollten, vom Blitz getroffen, durch himmlisches Feuer nieder. Käuzlein,
Wiedehopfe, Uhus schrieen das ganze Jahr hindurch auf den Dächern den
Sterberuf und erfüllten die Ohren aller Menschen mit ihrer trauerverheißenden
Stimme. Kobolde (pilosi), welche man Satyrn nennt, hörte man sehr häufig
in den Häusern. Aus dieser, durch solche Anzeichen vorherverkündeten
Verwüstung und trostlosen Verödung erwartet die genannte Freisinger
Kirche mit göttlicher Hilfe durch die Nachfolge des frömmsten Hirten
Adalbert, welcher sie gegenwärtig leitet und regiert, den Wiederaufbau
und hofft durch seine Fürsorge sich erholen und wiederaufleben zu können.
17. Der Brand der Kirche von Speyer. Von dem Brande der Kirche von Speyer
und dem Tode anderer (Bischöfe und) Fürsten. In demselben Jahre
wurde auch die herrliche Kirche in der Stadt Speyer - ein königlicher
Bau - auf ähnliche Weise durch Feuer verzehrt, und noch dazu begrub,
da der Zusammenhang der Mauer sich löste, der schwere Schutt sehr viele
Menschen, wie damals das Gerücht ging." [Rahewin, Taten Friedrichs
IV, 15 - 17] Abt Arnold von Ballenstedt verkauft flämischen Kolonisten
einige Weiler nahe der Elbe, wo zuvor Slawen gewohnt haben. Diese Siedler
fassen die vorhandenen Weiler zu einem großen Dorf von 24 Hufen zusammen,
in dem das flämische Recht (iura Flamiggorum) gilt. Die Beteiligung von
Flamen an der Besiedlung Ostelbiens ist so verbreitet, daß eine der
beiden Standardformen der Hufen "flämische Hufe" genannt wird.
Beispiel für die Tätigkeit der Lokatoren (Siedlungsagenten im Erzbistum
Magdeburg; siehe 1152): Erzbischof Wichmann überträgt dem Lokator
Herbert das Dorf Pechau südöstlich von Magedeburg "zur Besiedlung
und Nutzbarmachung", wobei vertraglich festgelegt wird, daß der
Lokator selbst als Lohn sechs Hufen Land erhalten soll sowie das Recht, als
Schulze zu amtieren und ein Drittel der Gerichtsgefälle (meist Bußgelder
und eingezogenes Eigentum) zu behalten. Diese Privilegien sind erblich. Den
Siedlern gewährt man als Anreiz das vorteilhafte Recht von Burg (bei
Magdeburg) sowie eine zehnjährige Befreiung von der Pflicht, beim Burgenbau
mitzuarbeiten ("Burgwerk"). Auch die flämischen Siedler in
Großwusteritz an der Havel werden in diesem Jahr durch den Erzbischof
vom Burgwerk-Dienst befreit, aber: "die Verpflichtung ausgenommen, sich
zu Schutz und Trutz gegen die benachbarten Heiden (die Westslawen) mit einem
Wall zu umgeben". Johannes von Salisbury erwähnt eine kirchliche
Schwertsegnung, wobei das Schwert beim Eintritt in die Kirche auf den Altar
gelegt wird und der Ritter den Dienst für Gott gelobt. Von jenem stammt
übrigens auch die Bemerkung, in der Falknerei überträfen die
Frauen die Männer.
1160
Der Mainzer Erzbischof Arnold von Selenhofen wird im Konflikt mit der städtischen
Oberschicht ermordet.
Ca.: In Salzburg wird das Wasser des Rosittenbachs (am Untersberg) in hölzerne
Gerinne gefaßt, um die Wasserzufuhr der Stadt zu erhöhen.
Ca.: Aktivität der Katharer in Norditalien, das neben Südfrankreich
eines ihrer Hauptgebiete wird.
Ca.: Ein anonymer Normanne verfaßt nach Vorlagen Ovids und Vergils den
"Roman d'Eneas". Das Werk gehört zusammen mit dem "Roman
de Thebes" und dem "Roman de Troie" zum Umkreis Heinrichs II.
von England und dessen Frau Eleonore. Der "Roman de Troie" (1160/70)
wird von Benoit de Sainte Maure verfaßt und ist die erste ausführliche
französische Troja-Darstellung.
Ca.: Erste Erwähnung von Stuttgart. Genannt wird ein Hugo de Stukarten.
1160/1165: Der Kanonist Rufin verfaßt die "Summa decretorum",
worin die Dispens als "Aufhebung einer kanonischen Vorschrift im Einzelfall"
gilt.
1161
Bildung einer deutschen Hanse ("Schar") in Wisby, geheißen
"Gemeinschaft der Kaufleute des Römischen Reiches, die Gotland besuchen".
Die eigentliche Hanse geht aus diesem Bund hervor. Hier erscheinen auch die
ersten Lübecker in Wisby. Trier erhält Stadtrecht. Das früheste
Handels- und Seerecht entsteht in Pisa: Constitutum Usus.
1162
Barbarossa zerstört Mailand. Thomas Becket wird Erzbischof von Canterbury.
Ca.: Die Katharer versuchen, in England zu missionieren. Die etwa 30 "deutschen"
Männer und Frauen unter einem "etwas gebildeten" Gerhard haben
wenig Erfolg und werden bald ergriffen, als Ketzer verurteilt und hingerichtet.
Sie stammen wahrscheinlich aus der Rheingegend.
1163
Die Kölner Königschronik (von ca. 1200) berichtet, daß in
diesem Jahre einige Katharer aus Flandern nach Köln gekommen seien. Sie
werden entdeckt und verhört, und da sie nicht abschwören wollen,
am 5. August außerhalb der Stadt verbrannt. In diesem Jahr taucht der
Name Katharer ("Catharos") erstmals auf - bei dem Benediktiner Ekbert
(später Abt von Schönau bei Trier). Das Wort wird als "Ketzer"
zur Bezeichnung für dogmatische Abweichler. Die Katharer selbst, die
sich für die wahren Christen halten, nennen sich (veri oder boni) christiani
oder boni homines. Papst Alexander III. verbietet die Zinssatzung. Bei diesem
Geschäft stellt der Gläubiger dem Schuldner einen Geldbetrag zur
Verfügung und erhält dafür fruchttragende Güter (z.B.
einen Acker, Weinberg oder eine Mühle) als Pfand. Solange die Schulden
nicht zurückgezahlt werden, streicht der Gläubiger die Erträge
als Zinsen ein. (Vgl. 829) Der Papst verlangt nun, daß diese Erträge
von der Schuld abzuziehen seien und das Gut dem Schuldner zurückzugeben
sei, sobald die angesammelten Pfanderträge die Höhe der ursprünglichen
Schuld erreicht hätten. Die Zulässigkeit der Zinssatzung ist bereits
in den 30er Jahren in den Klöstern diskutiert worden, wo dieses Geschäft
eine beliebte und verbreitete Geldanlage ist. Insbesondere Kreuzfahrer haben
solcherart ihre Güter an Klöster verpfändet, um sich für
ihren Kreuzzug flüssig zu machen. Die Zisterzienser haben die Zinssatzung
für ihren Orden bereits 1157 verboten. Trotz des päpstlichen Verbotes
wird die Zinssatzung bis in die frühe Neuzeit weiterhin praktiziert,
aber auch bekämpft. Papst Alexander III. legt den Grundstein für
die Kathredrale Notre-Dame in Paris. Mit 130 Meter Länge und 35 (oder
32,8) Meter Gewölbehöhe geht man damit weit über das übliche
Maß hinaus. Diese Emporenbasilika wird fünfschiffig, wie bisher
nur St. Peter in Rom und die Abteikirche in Cluny. Mainz verfällt der
Reichsacht (siehe 1160). Seine Mauern werden zerstört. Erste Erwähnung
der Herren von Dinslaken.
1164
Slawenaufstand im südlichen Mecklenburg. Fernkaufleute aus Ulm sind bezeugt.
1. Februar: In der Julianenflut entsteht durch schwere Sturmfluten und Deichbrüche
der Anfang des Jadebusens. Es sollen an der Nordseeküste 20000 umgekommen
sein. Rainald von Dassel bringt die angeblichen Gebeine der Hl. Drei Könige
nach Köln. Diese ziehen während des ganzen Mittelalters zahlreiche
Pilger in die Stadt.
England: In den Konstitutionen von Clarendon wird festgelegt, daß kriminelle
Geistliche durch ein geistliches Gericht verurteilt und durch ein weltliches
Gericht bestraft werden sollen. Die geistlichen Appellationen an Rom werden
eingeschränkt.
1165
Im sogenannten Konzil von Lombers (bei Albi) findet eine öffentliche
Auseinandersetzung zwischen Katharern und Katholiken statt. Das hier gesprochene
kirchliche Verdammungsurteil bleibt folgenlos. Friedrich I. läßt
durch Gegenpapst Paschalis III. Karl den Großen in die Schar der Heiligen
aufnehmen. In Leipzig findet die erste Messe statt; in der Nähe der Burg
wird eine Marktsiedlung errichtet. Lübecker Händler erscheinen an
der Dünamündung.
Ca.: Johann von Würzburg verfaßt eine Art Pilgerhandbuch für
Palästina, worin er nicht nur die Waffentaten der deutschen Ritter besonders
hervorhebt, sondern auch empört feststellt, daß im Heiligen Land
der Anteil der deutschen an der Eroberung Jerusalems unterschlagen werde,
daß sogar "Verunglimpfer unseres Volkes" durch die Entfernung
von Grabsteinen die Erinnerung daran bewußt auszulöschen suchten.
Dies sei deswegen, weil die meisten Deutschen nach der Eroberung in ihre Heimat
zurückgekehrt seien und Franzosen, Lothringer, Normannen, Provenzalen,
Italiener, Spanier und Burgunder diese besetzt hätten. Wären die
Deutschen geblieben, so wären die Grenzen der Kreuzfahrerstaaten schon
längst weit über den Nil und Damaskus hinaus vorgeschoben.
Ca.: In den 1160er Jahren findet die Tübinger Fehde statt. Zwar ist es
nur eine von vielen mittelalterlichen Fehden, deren Zahl zu groß ist,
um sie im Rahmen dieser Darstellung auch nur annähernd zu erfassen, jedoch
findet sich darüber eine interessante Darstellung der mittelalterlichen
Kriegsführung: "Jetzt eilt auch unsere Hauptmacht in geschlossener
Front...herbei, aber wegen der Schwierigkeit des Zugangs erreichen nur wenige
den Kampfplatz. Gleichwohl haben alle, die zum Schlagen kamen, zwei Stunden
lang aufs tapferste gekämpft, obgleich mit Ausnahme eines einzigen auf
keiner Seite jemand fiel. So gut waren sie nämlich alle durch ihre Rüstungen
geschützt, daß sie viel leichter gefangengenommen als getötet
werden konnten. (...?) Als die Feinde dieser Flucht gewahr werden, nehmen
sie zunächst ihre noch kämpfenden Gegner, von denen nur wenige entkommen,
gefangen und schicken sie in die Burg; dann setzen sie den anderen nach. Wie
Schafe von der Weide in den Stall treiben sie sie vor sich her und nehmen
ihnen alles in allem 900 Gefangene und ungeheure Beute ab." (Historia
Welforum) Zu dieser Zeit ist die Körperpanzerung noch nicht so weit entwickelt,
daß realistischerweise solche Resultate zu erwarten sind. Es zeigt sich
vielmehr daran, daß die Motivation in solchen Fehden begrenzt ist: Es
wird nicht bis zum letzten Blutstropfen gefochten, sondern der Einsatz wird
dosiert; energischer Widerstand gegen eine Gefangennahme findet nicht statt.
Mittelalterliche Fehdeführung besteht mehr aus demonstrativ-rituellen
Drohgebärden als aus wirklichen Gewaltakten - ausgenommen natürlich
gegen die Resourcen und die Bauern des Gegners! (Vgl. 1001 und 1133)
1166
Dieses Jahr soll der Wein so schlecht sein, daß man angeblich damit
den Kalk zum Mauern zubereitet. [Nach Dillich, Hessische Chronik; vgl. 1450]
Barbarossa zieht nach Italien, wozu rasch ein Heer aufgestellt worden ist.
Da ihn die deutschen Fürsten nur zum Teil mit Lehnsaufgeboten unterstützen,
werden hier Söldnerkontingente aus Flandern, Brabant und Lothringen,
die (gefürchteten) Brabanzonen, herangezogen. Hier wird erstmals das
freie Söldnertum legitimiert. Ludwig VII. von Frankreich und Heinrich
II. von England erheben eine Steuer, um Geld für einen Kreuzzug aufzutreiben.
Sie hängt vom individuellen Einkommen und Besitz ab. Hier liegen die
Ursprünge einer allgemeinen Kreuzzugsbesteuerung.
1167
Wismar wird erstmals erwähnt. Die Katharer gründen Bistümer
in Toulouse und Carcassonne. In Albi besteht bereits ein katharisches Bistum.
In St.-Felix-de-Caraman halten sie ein Konzil ab; als Gast erscheint u.a.
der bogumilische "Papst" (Pope?) Niketas aus Konstantinopel. Hier
wird der Grundstein des Wirkens der Katharer als Kirche gelegt. Der radikale
Dualismus wird als Grundlage übernommen. Über Salzburg wird die
Reichsacht verhängt. Beim Angriff kaiserlicher Truppen gerät die
Stadt in Brand. Waldemar I. (der Große) von Dänemark) macht dem
Erzbischof Absalom ein Fischerdorf namens Havn zum Geschenk (später Kopenhagen).
Gründung der Lombardischen Liga, eines Vorläufers der späteren
Städtebünde.
1168
Im Gebiet des heutigen Freiberg wird Silber gefunden. Barbarossa erzwingt,
daß die Söhne des vertriebenen und inzwischen verstorbenen Wladislaw
als Herzöge in die beiden schlesischen Herzogtümer Breslau und Ratibor
einzusetzen sind. Diese, am deutschen Hof aufgewachsen, wenden sich dem Reich
zu und lösen Schlesien aus Polen heraus. In Pisa wird auf dem zugefrorenen
Arno ein Kampfspiel veranstaltet. 23. Dezember: In Rennes stirbt Stephan von
Fougères (Étienne de Fougères), der in seine letzten
Lebensjahren das der Gräfin von Hereford gewidmete "Livre des manières"
verfaßt hat. Dieses aus 1344 Achtsilbern bestehende Gedicht ist eins
der frühesten Beispiele einer Ständedidaxe in französischer
Sprache und behandelt im ersten Teil die höheren Stände (König,
Klerus, Ritter) und im zweiten, gleich langen Teil die niederen Stände
(Bauern, Bürger, Frauen). Es ist nur in einer einzigen Handschrift Anf.
13. Jh.) erhalten.
1169 bis 1173
Wilhelm von Tyrus verfaßt die "Historia rerum in partibus transmarinis
gestarum", eine Geschichte des "lateinischen" Ostens seit 614.
1170
Der Pfaffe Chunrat (Konrad), vermutlich im Dienste Heinrichs des Löwen,
beginnt mit der Übersetzung des Rolandsliedes aus dem Französischen.
In 9094 Versen wird die Vorlage religiös modifiziert. Lübeck erhält
Soester Stadtrecht, welches sich bald als Lübisches Recht verbreitet.
Eine Sturmflut in der Nordsee erweitert die Zuidersee und bildet die Inseln
Texel und Wieringen. Goslarer Bergleute beginnen mit der Erschließung
der Silbervorkommen bei Freiberg im Erzgebirge. Thomas Becket kehrt nach England
zurück und bringt eine neumodische zweizinkige (italienische) Gabel mit.
Der Legende nach sollen Adlige am Hof mit solchem Eßbesteck Zweikämpfe
machen. (Die Gabel wird sich erst im 18. Jh. verbreiten.) Becket wird in diesem
Jahr ermordet, als er König Heinrich II. von England Widerstand leistet.
25. Juli: Gründung von Gelnhausen als Stadt, gleich mit Zollfreiheit.
In einem Brief kritisiert Peter von Blois den Verfall der Kriegszucht: Früher
hätten sich die Ritter durch einen Eid gebunden, in der Schlacht nicht
zu fliehen und den Nutzen des Gemeinwohls dem eigenen Leben voranzustellen;
auch heute erhielten sie ihre Schwerter vom Altar zur Ehrung der Priester,
zum Schutz der Armen und zur Strafe der Übeltäter, ihre Handlungen
jedoch kehrten das ins Gegenteil: Sie wenden sich gegen Priester, wüten
im kirchlichen Grundbesitz, plündern die Mönche aus, bedrängen
die Elenden und befriedigen ihre Gelüste im Schmerz der anderen. Statt
im Krieg gegen die Feinde des Kreuzes ihre Kräfte zu messen, streiten
sie beim Trinken um die Wette; die Ritter ziehen nicht mit dem Schwert, sondern
mit Wein in den Krieg, nicht mit Lanzen, sondern mit Käse, nicht mit
Wurfspießen, sondern mit Bratspießen. Sie leben in Muße
und entehren so die Ritterpflicht (das officium militiae); goldene Schilde
sprächen der Kampfpflicht Hohn, an die Stelle der Kampfbegierde sei der
Wunsch nach Beute und nach unberührten Jungfrauen getreten; Kriege ließen
sie nur noch auf Bildern darstellen.
Ca.: Etienne de Fougères, Bischof von Lisieux, verfaßt mit dem
"Livre des manières" die erste systematische Abhandlung über
das Rittertum, ausgehend von der Dreiteilung der Gesellschaft. Als Kirchenmann
sieht er es als Aufgabe des Ritters an, der starke rechte Arm der Kirche zu
sein, ohne allzu viele Fragen zu stellen. Das Rittertum wird als "Orden"
definiert.
Ca.: In England übernimmt man die "französische", d.h.
gotische Bauweise.
Ca.: Steyr wird als "urbs" genannt.
Ca.: Entstehung des "Straßburger Alexanders", einer Bearbeitung
des Alexanderliedes des Pfaffen Lamprecht, wo Alexander bereits als höfischer
Ritter erscheint.
Ca.: Eilhart von Oberg verfaßt, vermutlich am Hofe Heinrichs des Löwen
in Braunschweig, "Tristrant und Isalde".
Ca.: Entstehung der "Historia Welforum", der Hausgeschichte der
Welfen.
Ca.: Abfassung der Pöhlder Annalen.
1171
Seit diesem Jahr taucht in Urkunden aus dem Rhein-Main-Gebiet Friedrich von
Hausen auf, der Sohn des Freiherrn Walther von Hausen. Dieser einflußreiche
Ministeriale sitzt wahrscheinlich auf der Burg Rheinhausen nördlich von
Mannheim. Es ist der erste als historische Gestalt faßbare Dichter des
Minnesangs, zugleich der erste, bei dem provencalische Einflüsse deutlich
nachweisbar sind und schließlich der erste, bei dem sich nicht nur einzelne
Motive des Hohen Minnesangs finden, sondern bei dem das gesamte System minnesängerischer
Selbstdarstellung ausgebildet vorliegt: das unerwiderte, ungelohnte Dienen,
die Erziehung des Ritters zu Beständigkeit und zu Maßhalten, die
Spiritualisierung der Herrin als einer in der Distanz angebeteten, bewunderten
und geliebten Frau, die ihm das Herz raubt und sich ihm entzieht, das bejahte
und beklagte Minneleid. Florenz erhält durch ein Bündnis mit Pisa
freien Zugang zum Meer.
Ca.: Helmolds "Chronica Slavorum". Bis 1175: Auf Betreiben des Kaisers
erhält Aachen eine Stadtmauer.
1172
Ludwig III. der Milde wird Landgraf von Thüringen (bis 1190). Rothenburg
ob der Tauber erhält Stadtrecht. In Florenz beginnt man mit dem Bau der
Stadtbefestigung; sie umfaßt etwa 80 Hektar Land. (vgl. 1284) Nach 14
Jahren Bauzeit wird in Prag eine steinerne Brücke fertiggestellt, die
nach Königin Judith benannt wird. Heinrich der Löwe weilt als Pilger
in Jerusalem. Bis 1175: Der Anglonormanne Thomas d'Angleterre verfaßt
am Londoner Hof seinen "Tristan", der in zehn Fragmenten erhalten
ist.
1173
Erste historisch nachweisbare Grippeepidemie. (Unklar; vgl. 1323 und 1367)
Der spanische Rabbiner Benjamin von Tudela, von einer Reise durch die Mittelmeerländer
zurück, verfaßt den "Itinerarius".
1174
Landgraf Ludwig III. von Thüringen heiratet Gräfin Margarete von
Cleve. Zu diesem Anlaß leiht der Dichter Heinrich von Veldeke (wahrsch.
aus einem Maastrichter Ministerialengeschlecht) das Manuskript seines unfertigen
Romans "Eneide" der Gräfin. Graf Heinrich Raspe, ein jüngerer
Bruder Ludwigs entwendet das Manuskript und schickt es nach Thüringen.
Der Autor erhält es erst in neun Jahren zurück. In diesem Werk findet
sich eine frühe Erwähnung der Zugbrücke (valbrucken). Für
die Messen in der Champagne taucht erstmals ein Messeaufseher auf. Dieser
ist beauftragt, Ordnung zu schaffen und und einen ungestörten Ablauf
der Geschäfte zu gewährleisten. Er übernimmt die juristische
Garantie für die Ausführung der vor ihm eingegangenen Verträge.
In Brixen brennt der Dom ab. Barbarossa verwendet für seinen Italienzug
erneut Brabanzonen (Söldner, siehe 1166).
1175
Nachdem bei Turnieren in Sachsen 16 Ritter zu Tode gekommen sind, belegt der
Erzbischof von Magdeburg alle Turnierteilnehmer mit dem Bann und läßt
alle weltlichen Fürsten bei den heiligen Reliquien schwören, den
Rittern ihres Herrschaftsgebietes die Teilnahme an Turnieren zu verbieten.
(Wer wird sich über die Wirkung solcher Vorschriften irgendwelche Illusionen
machen?) Herzog Boleslaus von Schlesien gewährt den Zisterziensern von
Leubus für "alle Deutschen, die künftig die Güter des
Klosters bebauen oder, durch den Abt auf ihnen angesiedelt, dort Wohnung nehmen
werden", Freiheit vom "polnischen Recht". In den 1170er Jahren:
Wahrscheinlich in dieser Zeit verfaßt Chretien de Troyes den "Yvain."
Hierin wird eine Rattenfalle erwähnt: "This gate was very high and
wide, but had such a narrow entry-way that two men or two horses could not
pass through together or meet one another in the gate without crowding or
great difficulty; for it was built just like a trap that awaits the rat on
its furtive scavenging: it had a blade poised above, ready to fall, strike,
and pin, and triggered to be released and to fall at the slightest touch."
Es scheint sich dabei um die einzige mittelalterlicheErwähnung einer
Rattenfalle zu handeln.
1176
Lokale Hungersnot in Mittelfrankreich. Das Straßbuger Münster brennt
ab (nach den Marnacher Annalen zum vierten Mal, nach den Jahrbüchern
von Straßburg zum fünften Mal). Dietrich, der Sohn des Markgrafen
von Meißen kommt bei einem Turnier ums Leben. Barbarossa verlangt für
seinen Italienzug fußfällig die Unterstützung Heinrichs des
Löwen, doch dieser fordert als Gegenleistung für Hilfstruppen die
Übertragung der Reichsvogtei Goslar mit ihren Silbergruben und so wird
nichts daraus.
1177
Im Sommer gibt es (zumindest in den Kreuzfahrerstaaten) neue Kreuzzugsgerüchte.
Der Papst schickt seinen Arzt Philipp aus, um den Priesterkönig Johannes
zu suchen und um Unterstützung zu bitten. Seine Reise endet, wie es den
Anschein hat, ergebnislos in Abessinien. Etwa zu dieser Zeit - 1179? - schickt
der Papst einen Brief an den Priester Johannes, der freilich nie beantwortet
wird.
1178
Ca.: Das Wort "Weihnachten" (wihe naht) wird erstmals gebraucht.
Bis 1182: Entstehung der "Alexandreis" des Walter von Chatillon,
der beliebtesten lateinischen Alexanderdichtung. In Köln sind 48 Häuser
und Hofstätten im Besitz von Juden.
1179
Es stirbt Hildegard von Bingen. Heinrich der Löwe verfällt der Acht.
Das dritte Laterankonzil: Die Katharer und deren Helfer werden mit dem Bann
belegt; wer gegen sie kämpft, erhält Ablaß. Das Strandrecht
wird verurteilt. Erneut - und wieder vergeblich - werden Turnierteilnehmer
mit dem Bann bedroht. Ebenso mit dem Bann bedroht wird die Verwendung von
Söldnern zur Kriegsführung. In diesen Jahrzehnten hat sich ein Söldnerwesen
in folgenden Gebieten entwickelt: Flandern, Brabant, Lothringen, Aragon, Navarra,
Baskenland. Portugal wird von Papst Alexander III. als Königreich anerkannt.
Lissabon erhält Stadtrechte (Hauptstadt ist aber noch Coimbra).
1179/1180
Entstehung der Version I (Branche I) von Berols "Tristan", der Sprache
nach normannischer Herkunft und für ein englisches Publikum konzipiert
- in einem Fragment überliefert. Obwohl unverkennbar zwei Autoren am
Werk waren, wird das Werk in dieser uneinheitlichen Form vom Publikum rezipiert.
1180
13. April: Heinrich der Löwe wird abgesetzt und geächtet, weil er
dem Kaiser die Gefolgschaft verweigert hat. An seine Stelle tritt Pfalzgraf
Otto von Wittelsbach. Das Herzogtum Sachsen geht auf die Askanier über.
Sie herrschen nur um Lauenburg und Wittenberg. Westfalen wird selbständiges
Herzogtum unter dem Erzbischof von Köln. Die Markgrafschaft Steiermark
wird (unter Otakar I.) Herzogtum. Die Kölner bauen gegen den Willen des
Bischofs eine neue Mauer. Sie wird 6,9 km lang werden. Johannes von Salisbury
(ca. 65) stirbt.
Ca.: Gründung von Dinkelsbühl.
Ca.: Barbarossa verleiht Reutlingen das Marktrecht.
Ca.: An europäischen Schiffen taucht das Heckruder auf.
Ca.: Bei Alexander Neckham wird (offenbar erstmals) ein Spiegel aus Glas erwähnt:
"Take away the lead which is behind the glass and there will be no image
of the one looking in." [Holmes 1952, p 144]
Ca.: Pierre de Chantre, ein Domherr der Kathedrale von Paris kritisiert den
Kathedralenbau: "Es ist eine Sünde, Kirchen zu bauen, wie es momentan
geschieht...Dahinter steht die ständige Leidenschaft zu bauen...Die Klosterbauten
und die Kathedralen werden zur Zeit mit dem Wucher des Geizes, der List und
der Lüge und mit den Betrügereien der Prediger gebaut."
Ca.: Gautier von Arras verfaßt den "Éraclé",
einen Roman um den byzantinischen Kaiser Heraclius (gest. 641).
Bis 1190: In Urkunden von Basel werden erstmals Rat (consilium) und Ratsleute
(consiliarii) erwähnt.
Bis 1208: Die "Historia Danica" (Dänengeschichte) von Saxo
Grammaticus wird zusammengestellt, enthaltend neben einer Geschichte der Dänen
auch einen Abschnitt über die Sagen und Bräuche Nordeuropas. Im
dritten und vierten Buch findet sich unter jenen Sagen die Geschichte von
Amlethus, ein Stoff, welcher später durch Shakespeares Hamlet bekannt
wird.
Bis 1240: Köln erhält eine neue Befestigung. Es wird die größte
und stärkste Befestigung ihrer Zeit in Europa. Die alte römische
Stadtmauer ist bereits im 10. Jh. teilweise niedergelegt worden. Köln
erreicht damit eine Fläche von 400 Hektar, was bis zum 19. Jh. nicht
mehr überschritten wird.
Bis 1247: In England wird der Short-cross Sterling herausgegeben. Sterling
ist die Bezeichnung für englischen Pfennige (Pennies).
Bis 1250: Das mittlerweile mit zwei t geschriebene Wort "Ritter"
gewinnt eine auffallende Beliebtheit, die auf einen Wandel seiner Bedeutung
hinweist. Es wird zur Benennung von Adligen und Königen verwendet.
1181
"Herzog Heinrich von Sachsen wird vom Kaiser unterworfen. Das Getreide
war teuer, der Wein gut und wohlfeil. Im selben Jahre starb Papst Alexander
und Lucius folgte ihm." [Marbacher Annalen]
Philipp II. August nimmt den Titel "König von Frankreich" an,
statt wie bisher "König der Franzosen" (bzw. Franken). Frühjahr:
Heinrich, Kardinallegat und Abt von Clairvaux leitet einen ersten Kreuzzug
gegen die Katharer in Okzitanien, speziell gegen den Vizegrafen Roger II.
von Albi, Beziers und Carcassonne. Die Beteiligung ist gering und die Sache
verläuft im Sand. Der Adel unterstützt vielfach die Katharer oder
läßt sie gewähren, da sie jegliche Autorität der Kirche
(und damit auch die Angaben an sie) ablehnen. So haben sich sie Vizegrafen
von Albi, Beziers und Carcassonne sowie die Grafen und Toulouse und die von
Foix gewaltsam Kirchengüter angeeignet. Die Stimmung in Okzitanien ist
antiklerikal. Die Abtei Saint-Mary of Swineshead in Lincolnshire richtet die
erste bekannte Windmühle ein. (Möglicherweise hat es gleichzeitig
oder etwas früher auch in der Normandie und auf der iberischen Halbinsel
Windmühlen gegeben.) Andererseits soll die erste Erwähnung einer
Windmühle erst 1185 erfolgt sein und sich auf Yorkshire beziehen. Andererseits
sind Windmühlen mit horizontalen Flügeln (also nicht mit vertikalen
wie in Europa) bereits seit dem 7. Jh. im Gebiet von Iran und Afghanistan
bekannt. Diese benötigen zwar kein Zahnradgetriebe, sind aber gerade
wegen dieser fehlenden Übersetzung zu langsam und kaum effektiv zum Mahlen.
Die Heiligsprechung wird ein Vorrecht des Papstes. Das Abhalten von peinlichen
Gerichten innerhalb von Kirchen wird verboten. (vgl. 1273) Reichstag zu Erfurt.
Barbarossa erhebt Zollplatz und Kaiserpfalz Kaiserswerth zur Stadt. Es stirbt
Serlo von Wilton, von welchem der Satz stammt: "Natur befiehlt, ihr nicht
zu folgen wäre ein Verbrechen." (Poèmes latins, ed. Öberg
29.19) Konrad III., der erste Kardinal in Salzburg beginnt mit dem Neubau
des romanischen Domes, eines der größten nördlich der Alpen.
In Frankreich wird bereits gotisch gebaut.
1182
"Am Feste des heiligen Jakob wurde Bischof Heinrich von Straßburg
in Italien unter großen Schwierigkeiten von Christian, dem Bischof von
Mainz geweiht. Viel und guter Wein; der Eimer wurde um sechs Straßburger
Pfenninge verkauft." [Marbacher Annalen]
1183
Ludwig I. der Kelheimer (9) wird Herzog von Bayern. Urkunde des Grafen Wilhelm
von Valentinois: "Es ist ein besonderes Merkmal des Adels, und es erfordert
die Gewalt unseres Schwertes, daß wir Witwen und Waisen verteidigen
und beschützen, Recht sprechen und Gerechtigkeit üben an den Armen
in ihrer Not." Die allgemeine Zisterzienser-Versammlung verhängt
schwere Strafen gegen jedes Mitglied, welches Wahrsagerei getrieben hat. Heinrich
von Veldeke erhält sein unfertiges Manuskript der "Eneide"
zurück und kann den Roman fertigstellen - im Auftrag seines neuen Mäzens,
des zukünftigen Landgrafen Hermann von Thüringen. Gladbach erhält
Marktrecht. Der Friede von Konstanz legitimiert das städtische Bündnisrecht.
1184
20. Mai (Pfingsten): Hoffest zu Mainz. Barbarossa schmückt sich mit den
angeblichen Insignien Karls des Großen. Zwischen Rhein und Main wird
eigens eine Feststadt aus Hütten und Zelten errichtet. Es nimmt eine
ungewöhnlich große Zahl an Rittern aus dem Reich (inkl. Italien
und Burgund) teil. Der einzige ausländische Teilnehmer ist der französische
Dichter Guiot de Provins. Es wird als das glänzendste Reichsfest des
Mittelalters bezeichnet. "Am Pfingstmontage wurden der Herr Heinrich,
König der Römer, und der Schwabenherzog Friedrich, Söhne des
Herrn Kaisers Friedrich, zu Rittern geschlagen. Diese Ehrung veranlaßte
diese sowie alle Fürsten und viele Edelleute, den Rittern, Gefangenen,
solchen, die das Kreuz genommen hatten, Spielleuten, Gauklern und Gauklerinnen
reiche Geschenke zu übergeben: Pferde, kostbare Kleider, Gold und Silber.
Die Fürsten taten dies nicht bloß zur Ehre des Kaisers und seiner
Söhne, sondern sie spendeten auch, um ihren eigenen Ruhm weithin bekannt
zu machen, mit freigiebiger Hand. Am Pfingstmontag und Pfingstdienstag begannen
die Söhne des Kaisers nach dem Morgenmahl das Turnier, an dem sich schätzungsweise
zwanzigtausend oder mehr Ritter beteiligten. Die Turniere wurden ohne eigentlichen
Kampf abgehalten; die Ritter ergötzten sich bloß am Schild- Lanzen-
und Fahnenschwingen sowie ihrer Reitkunst. Auch der Herr Kaiser tat mit, und
wenn er auch an Größe und Schönheit nicht alle übertraf,
so führte er doch seinen Schild am besten. Der Graf von Hennegau diente
ihm beim Turnier und trug seine Lanze. Am Dienstag erhob sich gegen Abend
ein Sturm und warf die Kapelle des Herrn Kaisers sowie einige Häuser,
die man wegen der Menge des Volkes am Rheinufer erbaut hatte, um. Die Trümmer
erschlugen einige Leute, viele Zelte wurden zerrissen, und alle Menschen befiel
Furcht. Zu diesem Hoftage waren, wie schon erwähnt, 70000 Ritter erschienen,
zumal schon die bedeutensten Fürsten eine große Zahl herbeigeführt
hatten: der Herzog von Böhmen 2000, der Herzog von Österreich 500,
der Herzog von Sachsen 700, der Pfalzgraf bei Rhein 1000 oder mehr, der Landgraf
von Thüringen 1000 oder mehr, der Herr Erzbischof Konrad von Mainz, ein
Vetter des Kaisers, 1000, der Herr Erzbischof von Philipp von Köln, ein
Vetter des Grafen von Hennegau, 1700, der Herr Erzbischof von Magdeburg 600,
der Herr Abt von Fulda 500, dazu kamen dann noch die übrigen Fürsten...Das
für Ingelheim am Rhein angesagte Turnier unterblieb nach dem Rate der
Fürsten." (La chronique de Gislebert de Mons, ed. Léon Vanderkindere,
S. 154 - 161) Es nimmt auch Heinrich von Veldeke, der Dichter des "Eneit"
an diesem Fest teil, wie man aus Angaben aus ebendiesem Werk weiß. Barbarossa
unternimmt seinen sechsten Italienzug (bis 1186). Nach einem Bündnis
mit Mailand wird Heinrich (VI.) dort zum König von Italien gekrönt
und mit Konstanze von Sizilien vermählt. An dessen Brautfahrt nach Apulien
soll auch Markgraf Dedo II. von Rochlitz und Goiz als Begleiter teilnehmen.
Dieser, ein kleiner, dicker und kurzatmiger Mensch fürchtet die Hitze
und die Anstrengungen, weswegen er einen Arzt konsultiert. Der Arzt schneidet
dem Markgrafen kurzerhand den Bauch auf und das Fett heraus - eine Prozedur,
welche er freilich nicht überlebt. "Mittlerweile hielt König
Heinrich zu Augsburg, einer Stadt Rätiens, Hof; daselbst verlobte er
sich mit Constantia, der Tochter des Königs Roger von Apulien. In diesem
Jahre war der Sommer warm und trocken, aber im Monat November war eine sehr
bedeutende Überschwemmung, denn die Gewässer stiegen nicht allein
in Folge des Regens, sondern auch aus verborgenen Quellen hervorbrechend so
hoch, daß sie fast die ganze herumliegende Ebene [um Augsburg oder um
Marbach?] bedeckten und den Menschen sehr großen Schaden brachten. Im
selben Jahre hatte Heinrich zu Erfurt, einer vornehmen Stadt in Thüringen,
eine Besprechung mit einigen Fürsten und Baronen. Während dieser
Unterredung stürzte der untere Teil des Gebäudes, in welchem die
Fürsten, Grafen und andere Leute verschiedenen Standes versammelt waren,
zusammen und viele fanden den Tod, indem sie in die Abtrittsgrube fielen und
versanken. Unter ihnen wurden Graf Friderich von Habenberc und vier andere
mächtige und reiche Grafen und viele andere an verschiedenen Körperstellen
verletzt, tot oder halbtot herausgezogen. Nur König Heinrich klammerte
sich an einem Fenster des Hauses an und wurde auf der einen Seite von Cunrad,
dem Erzbischof von Mainz, und auf der andern Seite von seinem Kanzler Godefrid
gestützt." [Marbacher Annalen]
Auf dem Konzil von Verona ruft Papst Lucius III. die Bischöfe zur Verfolgung
und Exkommunikation von Ketzern auf.
1185
In Paris werden die Straßen gepflastert. Erste Walkmühle in England.
Der Bamberger Dom brennt. Alfons II. von Aragon unterstützt die Besiedlung
von Valmadrid im Ebro-Tal durch das Kloster San Salvador in Saragossa und
dessen Prokurator Domingo de Luna unter folgenden Bedingungen: "Ich befehle,
daß alle, die als Siedler dorthin kommen oder die dort ein Landstück
besitzen, bis Weihnachten Häuser bauen, und wenn sie dort bis zu diesem
Termin keine Häuser gebaut haben, soll der obengenannte Domingo de Luna
bevollmächtigt sein, das Landstück einzuziehen und es anderen zu
geben, die dort siedeln und Häuser bauen wollen." Der arabische
Autor Ibn Jubair beschreibt Akkon: "Akkon ist...der Anlaufhafen für
alle Schiffe. Die Stadt ist das Ziel der Schiffe und Karawanen und der Treffpunkt
der muslimischen und christlichen Kaufleute aus aller Herren Länder.
Ihre Wege und Straßen sind von dem Andrang von Menschen verstopft, so
daß man kaum seinen Fuß auf den Boden setzen kann. Es stinkt und
ist schmutzig, überall liegen Müll und Exkremente herum." "Im
selben Jahre schickte ein Astronom von Toledo namens Johannes in alle Gegenden
der Welt Briefe mit der Versicherung, daß im nächsten Jahre, ungefähr
im Monat September alle Planeten in einem Hause zusammenkommen würden,
verkündete einen beinahe jedes Gebäude zerstörenden Wind, Sterblichkeit,
Hungersnot und viele andere Übel, das Ende der Welt und die Ankunft des
Antichristes, worüber alle Astronomen und andere Philosophen und Magier,
sowohl christliche als heidnische und jüdische einverstanden wären.
Daher bemächtigte sich vieler die größte Angst, so daß
sich einige unterirdische Wohnungen herstellten und in vielen Kirchen Fasten,
Prozessionen und Bittgänge veranstaltet wurden. Aber damit sich zeigte,
daß die Weisheit dieser Welt Torheit vor Gott ist, war zur vorherbestimmten
Zeit große Heiterkeit und Ruhe in der Luft und nichts von allem, was
verkündet war, traf ein. (Im gleichen Jahre wird die Burg Breisach von
König Heinrich gegründet.)" [Marbacher Annalen]
Die Normannen erobern Thessaloniki, die zweitgrößte Stadt des byzantinischen
Reiches.
1186
"In diesem Jahre war ein warmer Winter, so daß im Dezember und
Januar viele
Bäume blühten, an welchen man um die Zeit des Februar Birnen von
der Größe einer Haselnuß erblickte. Auch hatten Raben, Elstern
und andere derartige Vögel im Januar Junge." [Marbacher Annalen]
Friedrich I. erläßt das Landfriedensgesetz "Constitutio contra
incendiarios", wonach Söhne von Priestern, Diakonen und Bauern vom
Rittertum ausgeschlossen werden. Gegebenenfalls muß sie der Landrichter
ihrer Würde entkleiden. Dieses strenge Gesetz wird natürlich nicht
immer beachtet. Ein Artikel im Bremer Stadtrecht besagt, daß derjenige,
der binnen Jahr und Tag in der Stadt unter Weichbildrecht sitze, frei sei,
wobei ausdrücklich Männer und Frauen genannt werden (ebenso 1209
in Stade). König Sverrir von Norwegen gerät über die deutschen
Kaufleute in Zorn, die auf sehr großen Schiffen Wein und Luxusprodukte
nach Bergen bringen, um "sein Volk zu verderben". Geoffrey Plantagenet,
der Sohn König Heinrichs II. von England kommt bei einem Turnier ums
Leben.
1187
"Aber im folgenden Jahre, nämlich 1187 kam um die Zeit des März
eine sehr ungünstige Witterung und heftige Kälte, welche bis zum
ersten Juni anhielt, so daß an Pfingsten, nämlich Mitte Mai, viel
Schnee fiel und fast alles Obst zu Grunde ging. In eben diesem Jahre und in
genanntem Monat wurde Straßburg zum großen Teil durch Feuer verwüstet.
In diesem Jahre wurde zwischen dem Papst und dem Kaiser über den Frieden
unterhandelt, aber es nützte nichts, weil er damit umging, den Kaiser
und den König zu excommuniziren. Gott vereitelte aber seine böse
Absicht, denn in eben diesem Jahre starb er und folgte ihm Gregor der achte,
ein guter und frommer Mann. Im selben Jahre drang Saladin, der König
von Babylon, welcher dem Kaiser früher befreundet gewesen - denn sie
hatten sich wechselseitig Gesandte und Geschenke zugeschickt - mit einem Heere
in das Land der Christen ein und errang, nachdem er den Kampf mit ihnen begonnen,
einen blutigen Krieg. Denn mehr als dreißigtausend Menschen wurden
niedergemacht, Jerusalem zur Übergabe gezwungen und nicht lange darauf,
nachdem alle seine Bürger entweder gefangen oder gegen eine Loskaufsumme
entlassen und vertrieben waren, von Heiden bewohnt; auch das rehrungswürdige
Holz des heiligen Kreuzes wurde geraubt, Acharon und fast alle benachbarte
Städte bis auf das einzige Tyrus erobert und andere unzählige und
unerhörte Greuel verübt." [Marbacher Annalen]
2. Oktober: Saladin erobert Jerusalem. In Stettin (früher rein heidnisch)
wird die durch den Bamberger Kaufmann Beringer gestiftete St. Jakobikirche
geweiht.
1188
Januar: Erzbischof Josias von Tyros trifft sich in Gisors an der Grenze zwischen
Normandie und Frankreich mit Heinrich II. von England und Philipp August von
Frankreich, wohin diese gekommen sind, um nach Jahren planlosen Krieges einen
Waffenstillstand zu verhandeln. Er kann sie zum Frieden bewegen und nötigt
ihnen das Versprechen ab, sich so bald wie möglich auf den Kreuzzug zu
begeben. Graf Philipp von Flandern, der sich möglicherweise seines fruchtlosen
Kreuzzuges vor zehn Jahren schämt, folgt nebst anderen Angehörigen
des Hochadels beider Königreiche ihrem Beispiel. Ende des Monats tritt
Heinrichs Kronrat in Le Mans zusammen und ordnet die Einrichtung des Saladin-Zehnten
für England und Frankreich an. Der Saladin-Zehnte wird einigermaßen
erfolgreich eingetrieben, trotz der Versuche eines Tempelritters namens Gilbert
von Hoxton, seinen Anteil in die eigene Tasche zu stecken und der Unfähigkeit
des schottischen Königs Williams des Löwen, seinen Baronen auch
nur einen einzigen Penny zu entlocken. (Ein frühes Beispiel für
schottische Sparsamkeit.) Allein in England sollen 70000 Pfund Einnahmen erzielt
worden sein, was wahrscheinlich übertrieben ist. In Frankreich gibt es
Widerstand. Kreuzfahrer sind von dieser Steuer ausgenommen. Es wird bestimmt,
daß die Untergebenen Philipps II. von Frankreich rote, die Heinrichs
II. von England weiße und die des Grafen von Flandern grüne Kreuze
tragen sollen. Lange, ehe das Kreuzheer versammelt werden kann, bricht in
Frankreich wieder Krieg aus. Philipp II. August von Frankreich und Heinrich
II. von England erlassen gemeinsam eine Heeresordnung, welche das Tragen von
Buntwerk, Grauwerk, Zobel oder Scharlach, sowie von ausgeschnittenen und geschnürten
Kleidern verbietet. Es stirbt der Emir Ussama ibn Munkidh (93), der Neffe
des Herrschers von Scheisar, welcher (irgendwann vorher) einmal ein Erlebnis
aus seiner Jugend berichtet hat, betreffend die abendländische Medizin:
"Schon nach zehn Tagen stand Thabit wieder vor meinem Onkel. Und wir
hatten geglaubt, er kuriere im Libanon fränkische Wunden! Die Herren
Kreuzfahrer nämlich hatten verdammt wenig Zutrauen zu der Heilkunst ihrer
eigenen Leute und zogen es vor, hier im "Heiligen Lande" ihre Hautausschläge,
Koliken und Durchfälle von unseren Ärzten behandeln zu lassen. Und
wie recht sie taten (Allah verfluche sie)! Mein Onkel, der Emir von Schaisar,
hatte unserem fränkischen Nachbarn auf der Burg Munaitira den Gefallen
getan und ihm auf sein Drängen für einige Zeit unseren tüchtigen
Thabit überlassen, auß daß er an seinen kranken Freunden
verschiedene Kuren durchführe. Aber Thabit war aus der fränkischen
Garnison schon wieder zurückgekehrt. "Wie hast du nur so schnell
die Kranken geheilt?" fragten wir ihn erstaunt. "Man brachte mir
einen Reiter, an dessen Bein sich ein Geschwür gebildet hatte",
erwiderte der Arzt, "und eine Frau, die von einem zehrenden Fieber befallen
war. Dem Reiter habe ich ein Zugpflaster aufgelegt. Das Geschwür brach
auf und nahm einen gutartigen Verlauf. Der Frau verordnete ich Diät und
besserte ihr körperliches Befinden durch Darreichung von pflanzlicher
Nahrung. Da kam ein fränkischer Arzt hinzu und sagte: "Der versteht
nicht, sie zu heilen." Darauf wandte er sich an den Reiter mit der Frage:
"Was ist dir lieber: zu leben mit einem Bein oder zu sterben mit zwei
Beinen?" Der antwortete: "Leben mit einem Bein." Dann sagte
der fränkische Arzt: "Holt mir einen starken Reiter mit einem scharfen
Beil!" Der Reiter mit dem Beil erschien. Ich war noch zugegen. Nun legte
der Arzt das Bein des Patienten auf einen hölzernen Hauklotz und befahl
dem Reiter: "Schlag ihm das Bein mit einem einzigen Axthieb ab!"
Der Reiter versetzte ihm einen Hieb, während ich zusah. Aber das Bein
war damit noch nicht abgetrennt. Er schlug zum zweitenmal zu. Da floß
das Mark des Beines aus, und der Unglückliche starb zur Stunde. Darauf
untersuchte der Arzt die Frau und sagte: "Dieses Weib hat hat einen Teufel
im Kopf, der in sie verliebt ist. Schneidet ihr die Haare ab!" Man schnitt
sie ihr ab, und sie aß wieder die Speisen ihrer Landsleute, Knoblauch
und Senf. Das Fieber stieg bei ihr. Der Arzt sprach: "Der Teufel ist
ihr in den Kopf gestiegen." Mit diesen Worten ergriff er das Rasiermesser,
machte ihr kreuzweis einen Schnitt in den Kopf und zog ihr die mittlere Kopfhaut
ab, bis der Schädelknochen bloßgelegt war, den er nun mit Salz
rieb. Die Frau starb zur selbigen Stunde. Ich fragte die Leute: "Habt
ihr noch eine nötige Verrichtung für mich?" Sie antworteten:
"Nein", und so ging ich, nachdem ich von ihrer Heilkunst gelernt
hatte, was mir bis dahin unbekannt geblieben war." Spätestes Datum
für die Entstehung des russischen Igorliedes.
Ca.: In Wales lebt Sylvester Geraldus, der Verfasser des "Itinerarium
Cambriae".
Ca.: Engelhard von Langheim verfaßt für die Nonnen von Wechterswinkel
das Exempelbuch "Liber diversarum miraculorum".
1189
7. Mai: Barbarossa gewährt für die gräfliche Hamburger Neustadt
(gegründet von Adolf III. von Schauenburg für Schiffer und Kaufleute)
u.a. Zollfreiheit für Handel und Schiffahrt auf der Niederelbe und auf
See. Es scheint dafür keine Urkunde zu geben (siehe 1265). Der Bischof
von Mantua und der Abt von San Benedetto di Polirone machen sich gegenseitig
für abgeholzte Wälder, zerstörte Wiesen und die auf einst unbebautem
Land errichteten Bauernhäuser verantwortlich. Letztere sollen gar wieder
abgerissen werden, um wieder Bäume und Gras wachsen zu lassen. Ein Dokument
aus dem gleichen Jahr (oder die gleiche Quelle?) beklagt, daß Zäune
und Hecken verhindern, daß das Vieh sich frei in den Wäldern und
an den Wassergräben bewegen kann, um an deren Rändern zu weiden,
und daß es nicht mehr über öffentliche Straßen zur Weide
getrieben werden kann. Die freie Weide ist in Italien am Verschwinden. 3.
September: Richard I. Löwenherz wird in Westminster gekrönt. Sogleich
kommt es in London und York zu einer lebhaften Verfolgung der Juden, denen
sein Vorgänger Heinrich II. Vergünstigungen gewährt hatte.
Richard bestraft die Aufrührer und gestattet einem Juden, der, um sein
Leben zu retten, konvertiert war, zu seinem Glauben zurückzukehren. Beginn
des dritten Kreuzzuges (bis 1192). Unter den Zeugen einer Kaiserurkunde taucht
ein "Rubertus ioculator" auf (ein Spielmann).
1190
10. Juni: Friedrich I. Barbarossa (68) ertrinkt auf dem Kreuzzug im anatolischen
Flusse Saleph. Heinrich VI. (25) wird König. Seit der Regierung Heinrichs
VI. erscheint in der Königskanzlei die Tagesbezeichnung nach Monatstagen
(wie heute noch üblich). Die häufigste Tagesbezeichnung des Mittelalters
ist nach Fest- oder Heiligentagen; in der Frühzeit kommen auich die römischen
Bezeichnungen (Kalenden, Nonen und Iden) vor. 4. Juli: Die englischen und
französischen Kreuzfahrer brechen nach zahlreichen Verschiebungen jetzt
erst auf. Gründung des Deutschen Ordens vor Akkon als Bruderschaft zur
Krankenpflege. Weil Graf Adolf III. von Schauenburg sich auf dem Kreuzzug
befindet, nutzen die Hamburger diese Gelegenheit, um sich von der gräflichen
Bevormundung zu befreien. Die bischöfliche Altstadt und die gräfliche
Neustadt wählen einen adligen Rat. Beide Ortsteile zusammen haben etwa
1000 - 1500 Einwohner. Auf dem Kreuzzug stirbt der Minnesänger Friedrich
von Hausen (siehe 1171). Sein Tod wird von mehreren Chronisten als wichtiges
Ereignis notiert und beklagt. Nach dem Tode von Ludwig III. wird Hermann I.
Landgraf von Thüringen (bis 1217). Ein Massaker an Juden in York hat
vor allem die Beschlagnahme von deren Eigentum zum Ziel.
Ca.: Beginn der Erweiterung der Mainzer Stadtmauer.
Ca.: Es verstirbt William Fitzstephen, der Autor einer Biographie Thomas Beckets
(enthaltend einen wertvollen Bericht über das frühe London). Aus
ihm schöpft noch 1598 John Stow: "The Citie of London (saith Fitzstephen)
hath in the East a verie great and most strong Palatine Tower, whose turrets
and walles doe rise from a deepe foundation, the morter therof being tempered
with the bloud of beasts...it hath beene the common opinion: ...that Iulius
Caesar, the first conquerour of the Brytains, was the originall Authour and
founder...therof..." [Survey of London, Ed. Charles Lethbridge Kingsford,
2 Bde., Oxford 1908, Repr. 1971, I. S. 44]
Bis 1202: In Urkunden von Straßburg werden erstmals Rat (consilium)
und Ratsleute (consiliarii, rectores) erwähnt.
Bis 1217: Herbort von Fritzlar verfaßt im Auftrag von Landgraf Hermann
von Thüringen die Versdichtung "Liet von Troye" nach dem Vorbild
des "Roman de Troie".
1191
Neuer Papst wird Coelestin III. (bis 1198). Es werden Tübinger Kaufleute
erwähnt, woraus gefolgert wird, daß Tübingen einen Markt hat.
Der Graf von Flandern erlaubt Gent die Eröffnung weltlicher Schulen.
In der Abtei von Glastonbury in Südwestengland werden mit großem
propagandistischem Aufwand die angeblichen Gebeine von König Arthur und
Gwenyver entdeckt, weil der König von England die walisische Legende
von der Wiederkehr Arthurs buchstäblich begraben möchte. Heinrich
VI. (26) wird zum Kaiser gekrönt. 12. Juli: Die Kreuzfahrer erobern Akkon.
Die Engländer beleidigen Herzog Leopold von Österreich, indem sie
dessen Banner in den Schmutz werfen. Dies wird noch Folgen haben.
1192
In Venedig führt der Doge Enrico Dandolo eine neue Münze ein, den
Groschen oder Matapan. Er wiegt etwas über zwei Gramm und kommt zwölf
alten Denaren im Wert gleich. Die Steiermark fällt an Österreich
(Babenberger). 9. Oktober: Richard Löwenherz verläßt Palästina,
erleidet bei Aquileia Schiffbruch und reist über Land weiter durch Kärnten
und Österreich, um unbemerkt ins Land seines Schwagers Heinrich von Sachsen
zu gelangen. 11. Dezember: Richard wird in einem Gasthaus bei Wien erkannt
und zu Herzog Leopold geführt. Dieser beschuldigt ihn des Mordes an Konrad
von Montferrat und wirft ihn in den Kerker. 14. Dezember: Richard wird an
Kaiser Heinrich IV. übergeben, der ihn haßt und ihn ein Jahr lang
auf dem Trifels gefangen hält.
1193
Ein weiteres Laterankonzil droht wieder einmal den Turnierteilnehmern mit
dem Bann.
Bis 1194: Eine Empörung Prinz Johns von England gegen seinen abwesenden
Bruder Richard Löwenherz gelingt nicht. Der tatsächliche Herr von
England ist in dieser Zeit Erzbischof Hubert Walter von Canterbury. [Zu dieser
Zeit spielen üblicherweise die Filme um Robin Hood.]
1194
Leopold VI. der Glorreiche (27) wird Herzog von Österreich. März:
Gegen ein gewaltiges Lösegeld und nach Ableistung eines Lehnseides kommt
Richard Löwenherz aus der Gefangenschaft Kaiser Heinrichs VI. frei. Zurück
in England, muß er zunächst seinen aufrührerischen Bruder
John unterwerfen. Die Kathedrale von Chartres, dem bedeutendsten Marienheiligtum
von Frankreich brennt ab. Die Rettung der Marienreliquie wird bald als Wunsch
der Jungfrau nach einer neueren und schöneren Kirche interpretiert, welche
sogleich begonnen wird.
1195
Aufkommen der Schleifmühle. Der Seekompaß wird in Europa bekannt.
Der deutsche Reichsadler (mit einem Kopf) ist nachweisbar. Papst Coelestin
III. bestimmt, daß der Wind der Kirche gehört und daß deshalb
der Müller der Kirche gegenüber steuerpflichtig sei. Daraus läßt
sich schließen, daß Windmühlen bereits eine gewisse Verbreitung
erfahren haben. Es stirbt Heinrich der Löwe.
Ca.: Papst Innozenz III. korrigiert die Angabe des 89. Psalms, der Mensch
werde 70, wenn es hochkomme 80 Jahre: "Wenige erreichen jetzt 60, ganz
wenige 70 Jahre."
1196
Papst Coelestin III. bannt Philipp von Schwaben. Heidelberg wird urkundlich
erwähnt. In Utrecht werden Ratsherren (consules) erwähnt. In Hildesheim
wird ein Bürgermeister (magister civilis) erwähnt. [Im 12. Jh. ist
auch für Köln ein magister civium bezeugt.] "Im selben Jahre
brach eine sehr bedeutende Fehde aus zwischen dem Bischof Cunrad von Straßburg
und dem [Pfalz]Grafen Otto, durch welche das ganze Elsaß vier Jahre
lang ohne Unterbrechung verwüstet wurde." [Marbacher Annalen] Heinrich
V. versucht, das Strandrecht abzuschaffen. Gislebert von Mons' "Chronik
des Hennegaus".
1197
28. September: Kaiser Heinrich VI. (32) stirbt. "Nachdem man also den
Tod des Kaisers erfahren, versöhnten sich der Bischof von Straßburg
und der Graf Albert von Dachsburg, welche früher Feinde waren, und sowohl
sie, wie auch Herzog Berthold von Zäringen und Luotold, der Bischof von
Basel, und viele Grafen machten eine Verschwörung gegen ihn und fingen
an, nicht nur ihn selbst und die Seinigen, sondern auch die Leute des Kaisers
anzugreifen und alles durch Brand und Plünderung zu verheeren. Unter
dem vielen Übel, das sie dem Grafen Otto zufügten, wurde auch seine
Vogtei im Gregorienthale, welche für uneinnehmbar galt und niemals von
jemandem erobert worden, von ihnen mit leichtester Mühe eingenommen.
Und nachdem sie dort alles geplündert und zerstört hatten, verübten
sie in Colmar, Schlettstadt, Ehnheim, Rosheim und vielen anderen Städten
und Dörfern ihre Greueltaten. Auch die Leute und Besitzungen des Kaisers
wurden allenthalben und von allen geplündert, weil sie keinen Beschützer
hatten. Denn als sein Bruder Philipp, der Herzog von Schwaben, noch von ihm
herbeigerufen, auf seiner Reise nach Rom gekommen war und den Tod des Kaisers
erfahren hatte, begab er sich auf den Rückweg; aber nach einem falschen
Gerücht gaben ihn einige für gefangen und geschunden, andere für
krank aus. In diesem Jahre erschien ein Komet. Im selben Jahre war auch eine
so gewaltige Hungersnot im Elsaß, daß an verschiedenen Orten,
aus Feldern und in Dörfern haufenweise Verhungerte gefunden wurden. Denn
das Gemäß, welches man gewöhnlich "Burevirteil"
nennt, wurde um eine Mark Silber verkauft. In eben diesem Jahre starb Papst
Celestin, welchem Innocenz folgte." [Marbacher Annalen] Dietrich der
Bedrängte wird Markgraf von Meißen. Die schwedische Abtei Soroë
richtet eine Eisenmühle ein. Beispiel für Dienstmannenhuldigung:
Auf einem dem Johanniterorden gehörenden Herrenhof bei Toulouse schwört
ein Leibeigener auf die Bibel, aufrecht und treu zu sein und nicht zu fliehen.
1198
Walther von der Vogelweide beginnt seine Wanderschaft als fahrender Sänger.
Dem Herzog Berthold V. von Zähringen wird die Königswürde angeboten,
aber er lehnt ab, weil er vor den Kosten zurückschreckt und unterstützt
stattdessen die Bewerbung Philipps von Schwaben, was ihm dieser wiederum reichlich
lohnt. Er läßt sogar seine Neffen im Stich, die er als Geiseln
dafür gestellt hat, daß er sich zum König würde wählen
lassen. Juni: Der Graf von Poitou (bzw. Braunschweig) wird in Köln als
Otto IV. zum König gewählt und im Juli in Aachen gekrönt. Er
ist Welfe und wird von England unterstützt (wo er auch erzogen worden
ist). Erzbischof Adalbert III. von Salzburg vollendet den dortigen romanischen
Dom. 8. September: Herzog Philipp von Schwaben (Staufer) wird in Thüringen
zum Gegenkönig gewählt und später in Mainz gekrönt. Er
hat Rückhalt in Frankreich. Etwa um diese Zeit kommt Walther von der
Vogelweide an seinen Hof (bis 1201). Unter Philipp von Schwaben tritt in Deutschland
öfter der 25. März als Jahresanfang auf. In der kaiserlichen Kanzlei
ist der Jahresanfang seit der Karolingerzeit normalerweise der 25. Dezember.
Es stirbt Ibn Roschd (Averroes). Der Deutsche Orden wird zum Ritterorden.
Otto IV. (23) wird zum König gewählt. Nach einer Belagerung wird
Aachen an Otto IV. übergeben.
1199
Es stirbt der Troubadour Giraut de Bornelh (ca. 37). Aus einem seiner Lieder:
"Schande über den Ritter, der sich anschickt, um die Damen zu werben,
wenn er blökende Schafe mit den Händen greift und Kirchen und Reisende
ausplündert." [Ed. Ad. Kolsen, Nr. 65, V. 27 - 30] Papst Innozenz
III. führt den Brauch ein, in den Kirchen Sammelkästen für
Geldspenden zum Wohle des Heiligen Landes aufzustellen. Solche Kästen
ähneln einer großen Schatztruhe (eher einem Sarkophag als, wie
man vielleicht heute fälschlich meinen könnte, einer Spendenbüchse);
ein Exemplar aus Climping in Sussex ist erhalten. "Zu eben dieser Zeit
ereignete sich auch etwas Wunderbares und in unseren Tagen ganz Unerhörtes
zu Augsburg. Ein Weib behielt nämlich, anstatt zu kommunizieren, den
Leib des Herrn im Munde, überzog ihn hierauf mit Wachs und bewahrte ihn
bei sich im Hause, ich weiß nicht, was sie mit solchem Verfahren bezwecken
wollte. Später bereute sie es, ging zu einem Ordensgeistlichen von gutem
Rufe und bekannte ihm ihre Sünde. Dieser wollte ihr keine Buße
auferlegen, ehevor sie den Leib des Herrn zurückgebracht hätte,
welchen sie unerlaubter Weise zu Hause behalten. Sie ging also und brachte
den Leib des Herrn, mit Wachs überzogen wie er war, dem Priester. Derselbe
empfing ihn ehrfurchtsvoll, nachdem er noch viele andere Gläubige versammelt
hatte, öffnete das Wachs und fand den göttlichen Leib, das geheimnisvolle
Brot, in wirkliches Fleisch und Blut verwandelt. Auf diesen außerordentlichen
Vorfall hin strömt nicht nur aus den benachbarten Orten, sondern auch
aus entfernteren Gegenden eine sehr große Menge herbei und der Herr
wirkt daselbst sehr viele Wunder zur Ehre seines Namens. In diesem Jahre nahm
Cunrad, der Erzbischof von Mainz, nach großen jenseits des Meeres ausgestandenen
Mühsalen mit vielen anderen Pilgern zurückgekehrt, obgleich er wegen
des Todes des Kaisers nichts dort ausgerichtet, doch aus Verlangen nach der
Wiederherstellung des heiligen Grabes des Herrn aufs neue das Kreuz. In demselben
Jahre verbrannte vor Geburt des Herrn das Kloster Hohenburg." [Marbacher
Annalen]
26. März: Richard Löwenherz fällt durch einen verirrten Pfeil
aus der Aufrührerburg Chalus im Limousin. Sein Bruder Johann (der böse
Prinz John etlicher Filme) wird sein Nachfolger (bis 1216).