Zeittafel 1000 bis 1099

0-599 600-699 700-799 800-899 900-999

1000-1099 1100-1199 1200-1299 1300-1399 1400-1499 1500-1599

11. Jahrhundert
Bis Anfang des 11. Jahrhunderts gilt in England der 25. Dezember als Jahresanfang.
Genagelte Hufeisen sind nun überall gebräuchlich. Aufkommen der Harfe in Europa. Der gregorianische Choral wird allmählich von mehrstimmigem Gesang verdrängt.
Seit Mitte des 11. Jahrhundert wird in der byzantinischen Kaiserkanzlei orientalisches Papier verwendet (wahrscheinlich arabische Importe). Orientalisches Papier ist bräunlich, glatt, gut geleimt, zuweilen löschpapierähnlich, stark und geschmeidig. Es zeigt keine Wasserzeichen, aber dafür manchmal krumme oder schiefe Formstreifen (je 20 in einer Breite von 22 - 30 mm) und unregelmäßig verteilte Stege.
Seit Mitte des 11. Jhs. gilt in England durch normannischen Einfluß der 25. März als Jahresanfang (bis 1752, in Schottland bis 1600). Um die Wurten in Friesland entstehen erste niedrige Deiche. Zur gleichen Zeit werden die bisherigen kleinen Boote durch größere Schiffe ersetzt. Durch die Deiche können die Boote nicht mehr die flachen Schiffsländen an den Warften ansteuern. Die ersten Deiche sollen weniger das Meerwasser abhalten, als vielmehr die Überflutung mit Süßwasser aus dem Hinterland verhindern, welches sich zuweilen an der Grenze des Tideneinflußbereiches staut. Aus bisher unbesiedelten Sietländern werden Polder.
11/12. Jahrhundert: Entstehung des französischen Epos "Karlsreise" (Le Voyage de Charlemagne à Jerusalem et à Constantinople), wahrscheinlich im Zusammenhang mit dem Reliquienkult von St.-Denis.
Ende 11. Jahrhundert:Bis etwa jetzt hat die päpstliche Kanzlei für amtliche Bücher noch Papyrus benutzt, während päpstliche Urkunden auf Papyrus bereits um die Mitte des 11. Jahrhunderts verschwunden sind.
Ende 11. Jahrhundert/Anfang 12. Jahrhundert: Entstehung des Wilhelmsliedes (Chanson de Guillaume), des ältesten Liedes der Wilhelmsepik um Wilhelm, einen Vetter Karls des Großen.

1000
"1000 fand der Kaiser die Gebeine Karls des Großen, welche den meisten bis dahin unbekannt gewesen waren, zu Aachen." [Lambert von Hersfeld]
Oder 1001: Zu Weihnachten wird Großfürst Stephan (István) I. von Ungarn mit einer von Papst Sylvester II. gesandten Krone zum ersten ungarischen König gekrönt. Er schafft bald einen christlichen Feudalstaat nach westlichem Vorbild. Breslau wird Bischofssitz.
Ca.: Beginn des Abstiegs von Haithabu.
Ca.: Island und Grönland führen das Christentum ein.
Ca.: Einrichtung des Erzbistums Gnesen mit drei Diözesen in Polen und Schlesien.
Ca.: Blütezeit des Einsiedlerwesens, besonders in Italien.
Ca.: Spätestens jetzt bestehen Handelsverbindungen von Köln und Tiel mit London. (Köln führt von dort Wolle ein.)
Ca.: Entstehung des "Völuspa" ("Der Seherin Gesicht") auf Island.
Ca.: Schätzungen für die Bevölkerung Europas:
Gesamt: 23,7 Mio
Iberische Halbinsel: 7 Mio
Frankreich: 6 Mio
Italien: 5 Mio
Britische Inseln: 1,7 Mio
Deutschland Skandinavien: 4 Mio. [J. C. Russel, Bevölkerung. In: Lexikon des Mittelalters 2, 1983, Sp. 14]
Die größte deutsche Stadt ist Köln mit etwa 10000 Einwohnern.
Ca.: Der Rammelsberg bei Goslar wird aufgetan.
Ca.: "Um das Ende des tausendsten Jahres lebte in Gallien in einem Dorf namens Vertus im Gebiet von Chalons ein gewöhnlicher Mensch namens Leutard, den man, wie der Ausgang der Sache erwiesen hat, für einen Abgesandten Satans halten konnte. Sein hartnäckiger Wahnsinn brach folgendermaßen aus. Er hielt sich einmal allein auf dem Acker auf, um Feldarbeit zu tun. Von der Mühe erschöpft, schlief er ein, und es kam ihm so vor, als dringe durch die geheimen Öffnungen seines Leibes ein großer Bienenschwarm in seinen Körper ein. Er brach mit großem Getöse durch seinen Mund wieder aus und beunruhigte ihn mit zahlreichen Stichen. Und als er ihn lange sehr damit gequält hatte, schienen die Bienen zu ihm zu sprechen und viel Menschenunmögliches vorzuschreiben, was er tun solle. Endlich stand er zermürbt auf und kam nach Hause. Dort verließ er seine Frau und vollzog angeblich nach der Vorschrift des Evangeliums die Scheidung. Dann ging er hinaus, wie um zu beten, betrat die Kirche, packte das Kruzifix und zerschlug das Bild des Erlösers. Alle, die das sahen, wurden von Entsetzen gepackt und glaubten - was auch zutraf -, er werde wahnsinnig. Er selbst aber brachte ihnen die Überzeugung bei – Bauern sind ja wankelmütig -, daß er all dies aufgrund einer wunderbaren Offenbarung Gottes vollbringe. Er strömte nun über von allzu vielen Reden, die weder Nutzen noch Wahrheit enthielten; er wollte als Lehrer auftreten und ließ (das Volk) dabei vergessen, was der Meister gelehrt hatte. Denn er sagte, den Zehnten zu geben, sei in jeder Hinsicht überflüssig und unnütz. Und wie sich andere Ketzereien, um möglichst behutsam zu täuschen, mit der Heiligen Schrift bemänteln, selbst wenn sie zu ihr in Widerspruch stehen, so behauptete auch dieser Mann, die Propheten hätten teils Nützliches, teils Unglaubliches erzählt. Er gewann damit das Ansehen eines vernünftigen und frommen Mannes und zog in kurzer Zeit eine beträchtliche Menge Volkes an. Der greise Bischof Gebuin, ein grundgelehrter Mann, in dessen Bistum Leutard lebte, erfuhr von der Sache und ließ ihn herbeischaffen. Er fragte ihn nach allem, was man über seine Reden und sein Verhalten berichtet hatte. Da begann Leutard, sein nichtsnutziges Gift zu verbergen, und wollte nicht merken lassen, daß er Belege aus der Heiligen Schrift heranzog. Der höchst scharfsinnige Bischof hörte heraus, daß das nicht zusammenstimmte, vielmehr schädlich und verdammenswert war. Er legte dar, daß der Mann zu einem wahnsinnigen Ketzer geworden sei, brachte das zum Teil getäuschte Volk von dem Wahnsinn ab und festigte es noch gründlicher im katholischen Glauben. Jener aber sah sich besiegt und von der Volksgunst im Stich gelassen und ertränkte sich in einem Brunnen." [Radulf Glaber] Vgl. 591.
Ca.: Entstehung des "Modus Ottinc", eines Preisliedes auf Otto III.
Ca.: Die Benediktinerabtei St. Emmeran bei Regensburg besitzt eine goldene Wasseruhr (clepsydra). Diese Geräte bleiben nördlich der Alpen selten, nicht zuletzt, weil sie im Winter einfrieren.
Ca.: Konstanze von Aquitanien wird in Begleitung mehrerer südfranzösischer Herren ihrem Bräutigam König Robert von Frankreich zugeführt. In Paris erregen ihre Begleiter Anstoß, weil sie "nach Art der Spielleute" rasiert und kurzgeschoren sind. (Daß Spielleute wie Unfreie kurzgeschoren sind, ist nicht für das gesamte Mittelalter verbindlich).
Ca.: In Frankreich wiegt der Silberdenar nur noch 1,5 Gramm (um 820 noch fast zwei Gramm), obwohl die Münzen immer noch aus Feinsilber bestehen. Gewissenlose Grundherren bringen bereits Fälschungen mit minderem Feingehalt heraus, die nur von professionellen Geldwechslern erkannt werden können. Der Geldumlauf wird durch die Hortung von Silber, meist in Form von Kunstgegenständen gestört.

1001
Otto III. belagert Tivoli. Hier findet sich ein Beispiel für mittelalterliche Konfliktaustragung. "Am anderen Tage kehrten die Bischöfe zum Kaiser zurück, gefolgt von einem denkwürdigen Triumphzug. Denn alle angesehenen Bürger der Stadt folgten ihnen, nur mit einem Lendenschurz bekleidet, in der Rechten ein Schwert und in der Linken eine Rute tragend und bewegten sich so zum Palast. Dem Kaiser seien sie mit Hab und Gut verfallen, nichts ausbedungen, nicht einmal das nackte Leben; wen er für schuldig halte, möge er mit dem Schwert hinrichten, oder wenn er Mitleid üben wolle, am Pranger mit Ruten ausstreichen lassen. ... Der Kaiser war voll des höchsten Lobes für die Friedensstifter, den Papst und Bischof Bernward, und schenkte auf ihre Bitten den Schuldigen Verzeihung." (Thangmar, Leben des Hl. Bernward, Bischof von Hildesheim) Dieses Beispiel zeigt einen verbreiteten mittelalterlichen Mechanismus der Konfliktbewältigung: Durch Vermittler wird eine Partei zum Einlenken bzw. zur Unterwerfung überredet, wobei die jeweils andere Partei zur Milde bzw. zu Gegenleistungen verpflichtet ist. (Vgl. 1133)

1002
Die Araber bringen die Pomeranze nach Sizilien. Otto III. (22) stirbt. König wird Heinrich II. (bis 1024).

1003
"Als das dritte Jahr nach dem Jahr tausend ins Land zog, wurden fast auf der ganzen Erde, vornehmlich aber in Italien und Gallien, die Kirchen umgebaut; nicht etwa wegen Baufälligkeit - die meisten waren sogar recht gut erhalten -, sondern weil jede christliche Gemeinde, von glühendem Wetteifer erfaßt, eine noch prächtigere besitzen wollte als die Nachbargemeinden. Es war geradezu, als schüttele die Welt ihr Alter ab und legte allenthalben einen weißen Mantel von Kirchen an. Damals wurden fast sämtliche Kirchen der Bischofssitze, die den verschiedenen Heiligen geweihten Klosterkirchen, ja selbst die Dorfkirchlein von den Gläubigen schöner wiederaufgebaut." [Radulf Glaber]
Ca.: Entstehung der jüngeren Vita der Königin Mathilde (Gattin Heinrichs I.), welche die bayerische Linie der Ottonen verherrlicht, der Heinrich II. entstammt.
Ca.: In Umbrien will das Volk den Einsiedler St. Romuald totschlagen, um seine Gebeine nicht zu verlieren.

1004
"Im selbigen Jahre kamen Blitze und Donner zusammen mit starkem und furchtbarem Wirbelwinde und erschreckten in allen Landen die Völker." [Quedlinburger Annalen]
"Beklagenswerte Feuersbrunst zu Papia (Pavia)" [Lambert/Hersfelder Annalen]
Ca.: Tod Widukinds von Corvey.

1005/1006
Hungersnot.

1006
"Gewaltige Hungersnot." [Lambert/Hersfelder Annalen]
Seit 1006 gibt es am Niederrhein arge Fehden zwischen zwei Grafengeschlechtern (die einen sind die Billunger).

1007
In Frankreich finden Judenverfolgungen statt.

1008
"Am 8. April, dem Montage der Osterwoche, wurde ein Stern mitten am Tage erblickt." [Quedlinburger Annalen]
König Olaf von Schweden wird getauft. Bis 1025 (oder 1030): Abfassung der Quedlinburger Annalen.

1009
Das Konzil von Anham (England) verordnet: Wenn Hexen, Zauberer oder Wahrsager sich irgendwo finden, so sollen sie aus dem Lande gewiesen werden, wenn sie sich nicht bessern. "Eine plötzliche und in unserer Zeit ungewöhnliche Überschwemmung geschah am 11. Januar, einem Montage, dem zehnten Monde, welche vielen Schaden brachte und in ihrer Wut sieben Tage anhielt. (...) Am Palmsonntage fielen an einigen Orten Blutstropfen auf die Kleider der Leute. Am 29. April, einem Freitage, am Neumonde verwandelte sich die Sonne in schrecklichem Nebel und schauerlicher Färbung, und da sie blutig und kleiner als sonst erschien, jagte sie den staunenden Augen der Zuschauer Schrecken ein; nachdem sie an zwei Tagen also gedroht, war sie am dritten Tage kaum mit ihrem eigentümlichen Lichte ausgestattet. Schwere Pest und Sterben folgten darauf. (...) Zu Mainz wurde die neue Basilika mit allen dazu gehörigen Baulichkeiten elendiglich vom Feuer verzehrt, so daß allein die alte Kirche übrig blieb, am Montage dem 29. August, am sechsten Monde. Donner und Blitzen geschah oft in der Zeit des Winters." [Quedlinburger Annalen]
"1009 geriet die Hauptkirche in Mainz, welche Willigis erbaut hatte, gerade am Tage ihrer Einweihung in Brand." [Lambert von Hersfeld]
Ca.: Es stirbt der arabische Astronom Ibn Junis; auf der für ihn gebauten Sternwarte hat er die "Hakimitischen Tafeln" (nach seinem Herrn Kalif Hakim) geschaffen und den Gnomon als Beobachtungsinstrument verbessert; sein Werk "Über die Figur der Schneidenden" ist die erste selbständige Darstellung der Trigonometrie.

1010
"Die Basilika zu Vongerestorp ging durch einen Blitz schrecklich unter. Auch erschienen Kometen." [Quedlinburger Annalen]
Ca.: Brüssel erhält eine Mauer, über deren Material allerdings keine Informationen vorliegen.

1011
Der englische Bischof Alphege wird von den Dänen erschlagen. Aus seinem Besitz stammt die älteste erhaltene tragbare Sonnenuhr des Mittelalters (1936 in der Kathedrale von Canterbury gefunden). "Pest und Sterben wüten mit unerhörter Heftigkeit unter allen Völkern und verwüsten Klöster, Burgen und Städte. Der Winter war von ungewöhnlicher Strenge der Kälte und unbequem lang, so daß lange Zeit das Eis von der Wärme der Sonne ungeschmolzen blieb und viele Menschen schwachen Körpers wurden. (...) In demselben Jahre fielen am 30. Juli, einem Montage, am 26. Monde große und staunenswerthe Hagelkörner." [Quedlinburger Annalen]

1012
"In einem Dorfe des sächsischen Schwabens, Namens Kokstede (Kochstedt im Kreis Aschersleben) wurden Zwillingsbrüder mit Zähnen geboren und einem Munde wie Vögel, der eine aber hatte nur die Hälfte des rechten Armes gleich dem Flügel eines Vogels. Am dritten Tage nach der Geburt sollen sie unter einander gelacht haben. Auf Beschluß der Bürger ließ man sie sterben, weil ihr längeres Leben für alle ein Schrecken war. In demselben Jahre wird in Franken, aber nicht weit von Köln, einem Manne eine furchtbare Strafe elendiglichen Todes auferlegt, da er von Mäusen auf unglaubliche Art unsichtbar zerfressen trotz der vielfachen Bemühungen der Seinen zum Ende kam. Auch ereignete sich in den nördlichen Ländern eine große Niederlage und Verwüstung in einer Landschaft durch die Seeräuber, so daß viele getötet, andere elend gefangen wurden und kaum wenige, da noch dazu die Häuser der meisten mit dem Eigentum verbrannt waren, fast nackt entkamen. Hier und da geschahen Erdbeben. In diesem Jahre geschah auch am 10. August ein Tosen der Luft mit Donner und Blitz und so großen Regengüssen, daß es großen Schaden tat, da es zwei Tage lang wütete, und viele Häuser mit dem Hausgerät wie auch die aufgehäufte Frucht zerstörte und selbst Menschen in Gefahr gerieten." [Quedlinburger Annalen]
Romuald von Ravenna stiftet den Orden der Camaldulenser. Köln erhält eine Synagoge. Wahrscheinlich in diesem Jahre bekennt sich ein Geistlicher, der zum Gefolge des Herzogs Konrad (von Kärnten?) gehört, offen zum jüdischen Glauben. Daraufhin wird die Judengemeinde von Mainz für kurze Zeit vertrieben. Bis 1023: Entstehung des Bußbuches des Bischofs Burchard von Worms. Angelehnt an römische Traditionen werden hier Fragen speziell an Frauen gestellt, aus welchen sich etliche abergläubische Vorstellungen erkennen lassen: Wenn es lange nicht geregnet hat, so finden sich Frauen zusammen und lassen durch ein nacktes Mädchen eine Melissenpflanze samt Wurzel aus der Erde reißen und zwischen dem kleinen und dem nächsten Zeh einklemmen, daß das Kraut gleichsam aus dem Fuß herauswuchs. Alsdann wird das Mädchen an einen Fluß geführt, mit Wasser besprengt und rückwärts an den Ort zurückgeführt, wo die Melisse ausgegraben wurde. Hat eine Frau Sorge, daß ihr Mann sie nicht mehr liebt, läßt sie sich nackt mit Honig bestreichen und wälzt sich in einer Mulde, die mit Getreidekörnern gefüllt ist. Schließlich werden die Körner abgeschabt und in einer rückwärts laufenden Mühle gemahlen. Das daraus hergestellte Brot bekommt der Mann zu essen. Ähnlich kann die Frau in einem Gewässer baden und danach einen Fisch daraus kochen und dem Manne vorsetzen. Die Frauen sollen auch Bienen aus der Umgebung auf ihr Grundstück holen oder bei Nachbarn reichlich fließende Milch zu sich bringen können. "Hast du getan, was gewisse Frauen zu tun pflegen, jene, die schreiende Kinder haben? Sie graben Erde aus und durchstoßen sie zum Teil. Durch diese Öffnung ziehen sie das Kind und sagen so, daß das Geschrei dem Schreienden von diesen weiche." "Hast du getan, was Gewisse tun, wenn sie einen Kranken besuchen, wenn sie sich dem Haus nähern, wo der Kranke liegt? Wenn sie irgendeinen Stein daneben finden, schieben sie diesen zur Seite und forschen an dem Ort, wo der Stein lag, ob dort irgend etwas darunter ist, das lebt. Wenn sie dort einen Brummer oder einen Käfer oder eine Ameise finden oder irgend etwas, das sich bewegt, versichern sie, daß der Kranke gesund wird. Wenn sie aber nichts finden, das sich bewegt, sagen sie, daß er sterben wird." "Glaubst du, was Gewisse zu glauben pflegen, wenn sie es nötig haben, vor Sonnenaufgang das Haus zu verlassen? Sie wagen es nicht; denn sie sagen, vor dem Schrei des Hahns sei es nicht erlaubt hinauszugehen. Es sei eine Gefahr, weil böse Geister vor dem Hahnenschrei Gewalt zu schaden haben, mehr als später. Und der Hahn mit seinem Ruf vermag diese zurückzutreiben und zu beruhigen, mehr als der göttliche Geist, welcher im Menschen wirkt aufgrund seines Glaubens und aufgrund des Kreuzzeichens."

1013
"Eine schreckliche Finsternis bei einem heftigen Unwetter erschreckte plötzlich die Leute, ihr folgten Krachen und Feuer, welche an einigen Orten die Kirchen zerstörten und andern großen Schaden taten, Freitags, 15. Mai, am Neumonde. (...) Auch in diesem Jahre geschah eine starke Bewegung in der Luft, so daß an vielen Orten Häuser einstürzten und einige kostbare Dinge vom Blitz getroffen und vernichtet wurden. Auch öffnete sich auf dem Lüneburger Berge eine fürchterliche Erdspalte, welche der Kirche selbst den Einsturz drohte und den von Furcht ergriffenen Einwohnern für den Augenblick alle Hoffnung auf diesen Zufluchtsort nahm." [Quedlinburger Annalen]

1014
"Wiederum kam eine Überschwemmung. (...) Auch flößten in diesem Jahre Sonne, Mond und andere Gestirne durch traurige Zeichen Furcht ein, denen bald gräßliche Pestilenz und plötzliches Sterben folgten. (...) In den westlichen Ländergebieten, in Walachri und Flanderi, ereignete sich am Mittwoch, dem 29. September, eine traurige und sehr staunenswerthe Sache. Es erschienen schreckliche Wolken, welche drei Nächte lang wunderbarer Weise ganz unbeweglich denen, die es sahen, Warnungen gaben; am dritten Tage aber erhob sich ein unerhörtes Tosen des Donners und wirbelte das Wasser auf, daß es schrecklich anschwoll, und indem es unglaublich wuchs, an den Wolken hing. Als nun die seufzenden Einwohner das Elend des plötzlichen Unglücks an der Höhe der gewaltigen Überschwemmungen erkannten, und als, wie nach dem Tode des abtrünnigen Julian, Schiffe auf den Spitzen der Berge schwankten und alles in das alte Chaos zurückfiel, da fingen sie von Todesfurcht ergriffen an den Rücken zu kehren; aber von ihren Sünden behindert kamen viele tausend Menschen plötzlich in den Fluten um, da sie dem zornigen Angesichte des Herrn nicht zu entfliehen vermochten." [Quedlinburger Annalen]
Heinrich II. (41) wird auf seinem zweiten Italienzug in Rom zum Kaiser gekrönt.

1015
Herzog Mieszko II. von Polen nimmt die Unterburg von Meißen ein, aber ein Hochwasser der Elbe nötigt ihn zum Abzug. "Urbs Libzi" (Burg Leipzig) erstmals erwähnt. Bronzetüren des Hildesheimer Doms.

1016
Bischof Adalberon von Laon: "Das Haus Gottes ist dreigeteilt: die einen beten, die andern kämpfen, die dritten endlich arbeiten." Diese Dreiteilung der Gesellschaft wird nach 1000 von Klerikern immer häufiger beschrieben.
"1016 war ein großes Hagelwetter und viele wurden vom Blitze getroffen." [Lambert von Hersfeld]
"Am 11. Februar, dem 30. Monde, einem Sabbat, stießen die Wolken mit schrecklichem Klange zusammen und stürzten mit häufigem Blitzen und einem Übermaß von Regen sehr viele Häuser um." [Quedlinburger Annalen]

1017
Ein Klosterbrand: "Währenddeß ereignete sich auf dem Berge St. Johannis des Täufers, der, bei Magdeburg gelegen, mit allen Zugehörigkeiten zum Stadtgebiete gerechnet wird, ein sehr trauriger Vorfall, am 21. Juli, und zwar in der Sonntagsnacht. Im Schlafsaale der dortigen geistlichen Brüder entzündete sich eine daselbst brennende ungewöhnlich große Leuchte, und indem die Flamme die nächsten Gegenstände ergriff, verzehrte sie mit gefräßiger Glut das ganze Gebäude, indem die dort Schlafenden es zu spät merkten. Alle waren schon der Gefahr entronnen, da verloren sie doch noch einen von ihnen, der plötzlich zurückgekehrt war, um noch eine Priesterkleidung zu retten. Er beichtete mitten im Feuer seine Sünden. Der Name dieses Mannes war Hemico. Dann fing das von dem dortigen Abte Sigifrid acht Jahre lang auf das beste ausgeführte Münster an zu brennen und erfüllte die Gemüter der Anwesenden und später Ankommenden mit Kummer und Schmerz. Außerdem verschlang die weit um sich greifende Feuersbrunst die beiden Kapellen daselbst samt dem Speisesaale und den übrigen damit zusammenhängenden Baulichkeiten. Jedoch entriß die Gnade des Allgütigen und die aufopfernde Frömmigkeit der Herbeieilenden alle Reliquien der Heiligen und den größten Teil des Schatzes dem gierigen Rachen des Feuers. Als es aber Morgen ward, kamen die Bewohner der Stadt und die daselbst vom Kaiser hinterlassene Besatzung herbei und beklagten in tiefstem Schmerze einen solchen Verlust. Die Asche des verbrannten Körpers aber sammelten die Mitbrüder des Verstorbenen auf das sorgfältigste und legten sie zu seinen Vorfahren; auch meldeten sie ihrem gerade abwesenden Abte durch einen Abgeordneten ihr trauriges Geschick. Als der die Botschaft bekam, erkannte er, daß dies insbesondere seiner Sünden willen geschehen sei, und trug es, weil er es ja doch nicht ändern konnte, mit würdigem Ernst." [Thietmar von Merseburg VII, 43]
"Am 7. November geschah eine Sonnenfinsternis." [Quedlinburger Annalen]
Ein Spuk: "In meiner Nachbarschaft, nämlich in einem Orte namens Silivellun [Salben bei Delitzsch oder Sulfeld bei Fallersleben] ereignete sich in der zweiten Woche des Dezember ein Wunder. Es war da eine Frau, die, da ihr Mann nicht zu Hause war, sich und ihre Kinder in ihrem Hause eingeriegelt hatte. Siehe, da hört sie vor dem Hahnenschrei ein ungeheures Getöse. Darüber erschrocken, ruft sie sogleich nach ihren Nachbarn und giebt so Kunde von ihrer Not. Diese, die ihr zu Hülfe eilen wollen, werden durch wiederholtes Werfen zurückgetrieben. Endlich brechen sie die Tür auf, und mit gezückten Schwertern hineindringend, spüren sie sorgfältig nach, was gegen die Frau vom Hause und gegen sie selbst so heftig angegangen sein mag; da es aber ein Gespenst war, so fanden sie nichts, was das Getöse veranlaßt haben könnte, und kehrten traurig heim. Die Frau aber wartete voll Angst bis zu Tagesanbruch und rief dann den nächsten Priester herbei, der das ganze Haus durch Reliquien der Heiligen und Weihwasser reinigte. In der nächsten Nacht aber wurde sie nur noch wenig von dem geschilderten Schrecknisse heimgesucht, und zuletzt, Gott sei Dank! durch häufige Besuche des Priesters ganz davon befreit. Dergleichen zeigt, wo es sich ereignet, immer etwas Neues an. Ein jeglicher Christ hat sich vor solchen Schrecknissen nicht zu fürchten; er erkenne von ganzem Herzen seine Sündhaftigkeit, und segne sich eifrigst mit dem Zeichen des heiligen Kreuzes, so wird er jede feindliche Gewalt völlig zurückweisen. Auf solche Weise verhöhnt der böse Feind nur die Unvorsichtigen, und betrügt die irgend auf ihn bauenden schließlich. Wo gerade Verzweiflung herrscht, oder eine Missetat begangen werden soll, oder eine große Veränderung bevorsteht, da geht der Wirklichkeit eine solche Anzeige voraus. Weil es uns aber Heil bringt, unserem Gotte anzuhangen und auf ihn unsere Hoffnung zu setzen, so lasset uns sein heilig Antlitz mit unablässigem Gebete aufsuchen, damit, sei es, daß uns etwas vorher angezeigt, oder verborgen gehalten werde, dasselbe nach seiner allerbarmenden Liebe an uns Sündern in Erfüllung gehe. Übrigens ist es nicht zu verwundern, daß in jenen Gegenden ein solches Wunderzeichen sich gezeigt hat. Denn die Bewohner derselben gehen selten zur Kirche und kümmern sich gar nicht um den Besuch ihrer Seelsorger. Sie verehren eigene Hausgötter und opfern ihnen, indem sie meinen, daß sie ihnen viel helfen können. Auch habe ich von einem Stabe gehört, an dessen Spitze sich eine Hand befand, welche einen eisernen Ring hielt. Dieser Stab, so hörte ich, wurde von dem Hirten des Dorfes, in dem er sich befand, von Haus zu Haus getragen, und dabei sprach der Träger beim ersten Eintritt in das Haus zum Gruße die Worte: "Wache, Hennil, wache!" denn so wurde er in der Bauernsprache genannt; und dann schmausten sie selbst köstlich und meinten durch den Schutz desselben gesichert zu sein; die Thoren! sie wußten nicht, was David sagt: "Jene Götzen aber von Menschenhänden gemacht" u. s. w. "Die solche machen, sind gleich also und alle, die auf sie hoffen. [Ps. 115, 4. 8.]" [Thietmar von Merseburg VII, 49]
Was sonst noch geschieht: "In dem erwähnten Jahre verunglückten zur See vier große, mit verschiedenen Gewürzen beladene venetianische Schiffe. In den westlichen Gegenden, wo vordem selten Ruhe war, blieb in dem Jahre, wie gesagt, alles, Gott sei Dank! in ungestörtem Frieden. Ekkihard, mein geistlicher Mitbruder, Mönch des Klosters St. Johannis des Täufers zu Magadaburg, verlor, vom Schlage gerührt, die Sprache. An der Grenze von Baiern und Mähren wurde ein fremder Wandersmann, namens Coloman, von den Eingebornen festgehalten, weil man ihn für einen Kundschafter hielt, und durch grausame Mißhandlungen zum Geständnisse einer Schuld getrieben, von der er wirklich frei war. Obwohl er nämlich, so stark er konnte, seine Unschuld beteuerte, und versicherte er wandere als ein armer Bruder Christi durch die Welt, so wurde er, obwohl ganz unschuldig, an einem Baume, der schon lange verdorrt war, aufgehängt. Und er war unschuldig, denn als eine Zeitlang nachher jemand ihm ins Fleisch schnitt, so strömte Blut heraus, und Nägel und Haare wuchsen ihm. Auch der Baum selbst ward wieder grün, und zeigte, daß dies ein Märtyrer Christi war. Als das Markgraf Heinrich erfuhr, ließ er den Leichnam in Mezilecun [Melk] bestatten." [Thietmar von Merseburg VII, 54] Die Melker Annalen legen dieses Ereignis ins Jahr 1012. In Frankreich werden 13 Ketzer verbrannt. Man beruft sich auf die Gesetze Justinians.
Italien: Ismael von Bari, ein Parteigänger Heinrichs II., setzt gegen die Byzantiner erstmals normannische Ritter ein, die man bisher nur als Pilger zum Monte Gargano gekannt hat. Es scheint nicht viel gebracht zu haben, da die byzantinische Position sich in Süditalien wieder verstärkt.

1018
"In demselben Jahre erschien lange ein Komet, welcher den Gebieten Galliens den Jammer großer Verwüstung durch Thiadrich, außerdem der elenden Welt Pestilenz und Sterben verkündigte." [Quedlinburger Annalen]
Es stirbt Thietmar von Merseburg. Er hat zu diesem jahr noch über Polen berichtet: "Im Reiche des Gemahls derselben [in Polen] gibt es viele unterschiedliche Bräuche, und obwohl roh, sind sie doch bisweilen preiswürdig. Denn Bolizlavs Unterthanen müssen gehütet werden, wie eine Herde Rinder, und gezüchtigt, wie störrische Esel, und sind ohne schwere Strafe nicht so zu regieren, daß der Fürst dabei bestehen kann. Wenn unter ihnen einer sich erfrecht, fremde Ehefrauen zu mißbrauchen oder Hurerei zu treiben, so muß er sofort folgende Strafe erdulden. Er wird auf die Marktbrücke geführt und ihm durch den Hodensack ein Nagel geschlagen; dann legt man ein Schermesser neben ihn hin, und läßt ihm die harte Wahl, dort auf dem Platze sich zu verbluten, oder sich durch Ablösung jener Teile zu befreien. - Ferner wird jeder, der nach Septuagesima Fleisch gegessen zu haben befunden wird, mit Ausreißen der Zähne, schwer genug, bestraft. Denn die göttlichen Gebote, die erst neuerdings in diesem Lande bekannt geworden sind, werden durch solchen Zwang besser befestigt, als durch ein von den Bischöfen verordnetes Fasten. Außerdem hat freilich jenes Volk noch andere viel weniger zu lobende Satzungen, die weder Gott wohlgefällig, noch zu irgend etwas anderem dienlich sind, als die Gemüter zu ängstigen, ich habe im vorhergehenden dieselben zum Teil mit besprochen. (...) Zu Zeiten seines Vaters, da derselbe noch ein Heide war, ward einer jeden Ehefrau, die ihren Mann verlor, nachdem derselbe verbrannt war, das Haupt abgeschlagen und so folgte sie ihm. Und wenn eine Buhlerin entdeckt wurde, so ward ihr die widrige und klägliche Strafe zu Teil, daß sie an ihrem Zeugungsgliede ringsum beschnitten wurde, und diese - wenn man sie so nennen darf - Vorhaut ward an ihrer Haustür aufgehängt, damit der Blick des Eintretenden darauf falle und er in Zukunft um so mehr bedacht und vorsichtig wäre. Das göttliche Gesetz befiehlt, eine solche Verbrecherin zu steinigen und die Sitte unser Väter verlangte ihre Enthauptung. In unseren Tagen aber, in denen die Freiheit zu sündigen mehr, als je, ganz schrankenlos herrscht, treiben außer der Menge der verführten Mädchen selbst noch gar manche verheiratete Frauen, denen geile Lust den verderblichen Kitzel anreizt, Ehebruch, und zwar noch zu Lebzeiten ihres Mannes. Und damit nicht zufrieden, überliefert manche noch, indem sie ihren Buhlen heimlich dazu antreibt, ihren Ehemann der Hand des Mörders, den sie darauf - ein böses Beispiel für die Übrigen! - öffentlich zu sich nimmt und mit ihm, wie schändlich! nach vollem Belieben buhlt. Ihr rechtmäßiger Ehegemahl wird verschmäht und zurückgestoßen, und sein Vasall, wie der holde Abo und der sanfte Jason, ihm vorgezogen. Weil dergleichen nicht mit schweren Strafen verfolgt wird, so wird es, befürchte ich, von Tag zu Tag von vielen als eine neue Mode mehr gepflegt werden. O ihr Priester des Herrn, erhebt euch mutig und tilgt - nichts hindert euch daran! - dies neu aufgeschossene Unkraut mit oft geschärfter Pflugschar bis auf die Wurzel aus. Und auch ihr, ihr Laien, bietet zu dergleichen nicht die Hand. Die in christlicher Ehe Verbundenen mögen schuldlos neben einander leben, und mit Ausrottung aller jener Verführer in nie schwindender Schamhaftigkeit beständig ängstlich um ihren guten Ruf besorgt sein. Jene boshaften Menschen aber möge Christus, unser Helfer, mit dem gewaltigen Hauche seines Mundes vertilgen, wenn sie sich nicht bessern, und er wird sie zerstreuen zur Zeit der hohen Herrlichkeit seiner Wiederkunft." [Thietmar von Merseburg VIII, 2] Hier haben wir wieder eine Stelle, die, unkritisch beim Wort genommen, einen weiteren Beitrag zur Vorstellung vom barbarischen Mittelalter liefern kann. "In jenen Tagen aßen in meinem Bisthum sieben Kätner giftige Pilze, und von heftigem Brande entzündet, starben sie schnell. Im Monat August erschien ein neuer Stern neben dem Wagen und setzte durch seine aus der Ferne her geworfenen Strahlen alle, die ihn sahen, in Schrecken. Denn nie war, so lange wir denken können, ein solcher aufgegangen, und darum war ein Jeder darüber bestürzt, und daß es ein schlimmes Wunderzeichen sei, fürchtet die Menge, die gläubige Gemeinde des Herrn aber, so klein wie sie ist, hofft, daß es gnädig hinauslaufen werde.
Von ähnlichen Dingen gilt Jeremias', des wahrheitkündenden, Ausruf: "Der aber alle Dinge weiß, kennt sie und hat sie durch seinen Verstand funden" [Baruch 3, 32]. Dieser Stern also, der sich zeigte, war mehr als vierzehn Tage sichtbar. In der Landschaft Nordthüringen schadeten drei stets zusammen sich zeigende Wölfe, die bisher von den dortigen Einwohnern nie gesehen waren, vielen Menschen und dem Viehe unsäglich. Auch darüber erschrak jeder Eingeborene heftig und besorgte, daß dies auf noch größeres Ungemach hindeute. Denn der heilige Gregorius spricht: "Viel Übels muß hervorgehen, wenn es im Stande sein soll, das künftige Unendliche zu verkünden." In allem eben Geschilderten offenbart sich uns der Zorn des Himmels, aber die menschliche Schwachheit richtet darauf kein wachsames Auge." [Thietmar von Merseburg VIII, 14]

1020
"In demselben Jahre war der Winter rauher als gewöhnlich und hielt länger an, so hart, daß viele durch die Stärke der Kälte selbst umkamen; ihm folgte dann ein sonst unerhörtes Unglück und Sterben, welches fast die ganze Erde durch plötzlichen Tod verwüstete, und in kürzester Frist und in einem Augenblicke die Gesunden, welche über ihre Gesundheit sich ganz sicher wähnten, mitten in den Freuden der Tafel dahinraffte. (...) Eine wunderbare und niemals erhörte Begebenheit soll den Einwohnern des nördlichen Landstriches zugestoßen sein. Denn die Flüsse Albis und Wisara treten nicht allein in ungewohnter Höhe der Überschwemmung aus ihren Betten, sondern vom untersten Grunde vielleicht durch eine entsetzliche Windsbraut aufgestaut, sollen sie höher gestiegen sein als selbst die Hügel und Berge, welche die Natur vor dem Übrigen durch ihre Höhe gesichert hatte, und Stadt und Land und alle weit umherliegenden Landmarken ertränkt und - was noch wunderbarer als dies und jedem Ohr unglaublicher erscheint - ganze Dörfer, ohne das Gefüge der Häuser zu lösen, mit den darin Lebenden von einem auf das andere Ufer geführt und in derselben Lage wie früher hingestellt haben. Man behauptet, daß dabei eine Kirche, welche einst von der frommen Sorgfalt der Vorfahren erbaut und von den reichlichen Gelübden der daselbst zusammenströmenden Gläubigen bereichert worden, mit dem Übrigen in demselben Anprall von dem früheren Standpunkte losgerissen und an eine andere Stelle getragen worden sei. Auch sah man die genannten Flüsse Wisara und Albis drei Tage und drei Nächte lang gegen die Natur auf ihrer Oberfläche in feuerspeienden Dämpfen brennen. Was soll ich von den Leichen sagen? Ihre Menge, welche sich aller menschlichen Schätzung entzog, fand sich in mehreren dammartigen Anhäufungen zusammengeballt, als beim Abnehmen der Überschwemmung der Eifer einiger Frommen den schuldigen Liebesdienst der Beerdigung zu leisten sich bemühte, und mit einer so starken und so zähen Hülle von Gewürm, Schlangen und allem Untier dieser Art verwachsen, daß die furchtsamen Sterblichen keine Möglichkeit es aufzulösen weder mit Eisen noch mit den Werkzeugen irgend einer Kunst aufzufinden vermochten. Wozu dies aber gewesen, oder ist oder sein soll, überlassen wir Christus zur Entscheidung, welcher vorausgesagt, daß aus dem verwirrten Klange des Meeres und der Fluten diese Bedrängnis der Völker kommen werde." [Quedlinburger Annalen]
König Olaf von Schweden und König Olaf von Norwegen würfeln um die strittige Provinz Hising. Beide würfeln zweimal eine Sechs, beim nächsten Wurf soll allerdings der norwegische Würfel zerbrochen sein: eine Hälfte zeigt eine Sechs, die andere eine Eins, sodaß der Norweger mit Sieben gewinnt und die Provinz an Norwegen fällt. Diese Geschichte scheint eine Sage zu sein, die auch noch in anderenZusammenhängen auftaucht (z.B. in Brandenburg zur Zeit des Großen Kurfürsten). Es stirbt der persische Dichter Firdausi (81, "der Paradiesische"); Epen: "Königsbuch", Geschichte des persischen Reiches bis 651; Epos von der Liebe Josephs zur Gattin des Pharao.

1021
Tanzwut-Epidemie in Europa.

1022
Notker Labeo von St. Gallen stirbt. Im Kreis der königlichen Hofkapelle der französischen Residenz Orleans wird eine Gruppe von Ketzern entdeckt, darunter die berühmten Kleriker Stephan und Lisoius. Die Gruppe wird von einem normannischen Adligen namens Arefast unterwandert und verraten. Ihnen wird der Prozeß gemacht; sogar König Robert II. schaltet sich ein. Allen Versuchen der Bekehrung "widerstanden sie härter als Eisen. (...) Die Königin hatte sich auf den Befehl des Königs vor das Kirchentor gestellt, um das Volk daran zu hindern, die Ketzer in der Kirche zu töten. Sie wurden aus der Kirche getrieben. Als sie herauskamen, stach die Königin mit einem Stab, den sie in der Hand hielt, Stephan, der ihr Beichtvater gewesen war, ein Auge aus. Die Ketzer wurden vor die Stadtmauer gebracht. Ein großes Feuer wurde in einer Kate angezündet, und sie wurden alle mitsamt ihrem teuflischem Pulver verbrannt, von dem ich oben gesprochen habe - außer einem Kleriker und einer Nonne, die reuig zu dem Willen Gottes zurückgekehrt waren." [Paul de St.-Pere-de-Chartres] Diese Gruppe hat die Sakramente und die Jungfrauengeburt abgelehnt. Der Chronist unterstellt ihnen satanische Praktiken (Dämonenanrufung, wahllose Unzucht mit Verbrennung so entstandener Kinder und Verwendung der Asche zu einer Art Letzter Ölung und zur magischen Bekehrung weiterer Ketzer [= obiges "Pulver"]), wobei interessanterweise auf Tertullians "Verteidigung des Christentums" zurückgegriffen wird - wo solche Praktiken gerade den frühen Christen vorgeworfen wurden. Auf einer Synode in Pavia wenden sich Heinrich II. und Papst Benedikt VIII. gegen den Mißbrauch, daß Unfreie kirchlicher Herrschaften "durch die Hand eines Freien" auf dem Wege von Urkunden (skriptiones) Güter erlangen. Es soll aber die grundsätzliche Möglichkeit, daß Knechte Besitz erwerben, gewahrt bleiben. Der Papst beklagt auch, daß Geistliche öffentlich und "mit Aufwand" (pompatice) Umgang mit Frauen hätten, und nicht vorsichtig (caute); sie seien hartköpfiger als weltliche Ehebrecher.

1023/1025
Die "lex familiae" des Bischofs Burchard von Worms kann noch nicht als Stadtrecht angesehen werden, sondern ist noch ganz in die ländliche Ordnung von Grundherrschaft und Vogtei eingebunden.

1024
Kaiser Heinrich II. (51) stirbt; neuer König wird Konrad II. der Salier (34). Nach dem Tode Heinrichs zerstören die Einwohner von Pavia die die Pfalz in der Königsstadt. Konrad bestraft sie und verurteilt sie zur Wiederherstellung des alten Zustands, was freilich nicht geschieht. Nach dem Aussterben der Liudolfinger geht das Herzogtum Sachsen an die Billunger. Beispiel für die Wirkung (bzw. Nichtwirkung) des Interdikts: Der Bischof von Orléans hat die Stadt mit dem Interdikt belegt, aber König Robert, der gerade mit ihm Streit hat, beruft einen Hoftag genau dorthin (und auch noch an Weihnachten). In diesem Jahr brechen die Quedlinburger Annalen ab. Tuchherstellung in Arras bezeugt.

1025
Mit Abt Richard von St. Vanne brechen etwa 700 Pilger nach Jerusalem auf.
Ca.: Guido von Arezzo schafft die Grundlage der heutigen Notenschrift, ein präzises Liniensystem im Terzabstand. Von ihm stammt auch die Benennung der sechs Töne des "Hexachords" c, d, e, f, g und a durch die Silben ut, re, mi, fa, sol und la. Er leitet diese Silben von dem Text eines Hymnus ab, der am Fest Johannes des Täufers gesungen wird. Die erste Zeile dieses Hymnus beginnt mit dem Ton c und der Textsilbe ut, die zweite mit d und der Textsilbe re, die dritte mit e etc. Als Lernhilfe für die Singschüler gedacht, bürgern sich diese Silben bald für die Bezeichnungen der Töne ein. Sie sind noch heute - "ut" allerdings ersetzt durch "do" als Solmisation bekannt und gebräuchlich.

1026
Konrad II. (der Salier) tritt die Mark Schleswig an Knut den Großen ab. Februar: Konrad II. zieht nach Italien. Der Zeitpunkt zeigt, daß dem König die Versorgung des Heeres aus freiwilligen Lieferungen gesichert scheint.

1027
Gerichtsorte: In Bamberg tagt ein Gericht auf einer Brücke. Konrad II. (37) wird zum Kaiser gekrönt (bis 1039).

1028
Es stirbt Udalrich von Ebersberg. Er hat darüber geklagt, daß die "moderni" ihre Kinder nicht mehr das Recht erlernen lassen, während er diese Ausbildung in St. Gallen noch erhalten hat. Ebenso verstirbt Bischof Fulbert von Chartres. Er hat einen neuen Dichtungstyp eingeführt: hagiographische Dichtung mit in vierzeiligen Strophen ais rhythmischen Achtsilbern mit steigendem Schluß, die auch in Deutschland Nachahmung finden.

1028/1029
Durch den Magister Ebo von Worms läßt sich Heinrich III. eine Sammlung von "modi" (Liedern) zusammenstellen.

1030
Erste Erwähnung von Wien (Vienni). Baubeginn des Doms zu Speyer.
Ca.: Bischof Adalberon von Laon verfaßt das Gedicht "Poème au roi Robert", worin die christliche Gesellschaft aus Betenden, Kämpfenden und Arbeitenden besteht.

1031
Auf der zweiten Synode von Limoges wird die Frage gestellt, ob ein ungerechtfertigt oder ohne Schuld Gebannter sich an die Sentenz halten müsse. Die Antwort, gemäß einer Entscheidung Gregors des Großen, lautet: Gerecht oder ungerecht, mit oder ohne Schuld, die Exkommunikation ist gültig. Erste Erwähnung von Braunschweig ("Brunesguik"), obwohl eine Besiedlung bereits für das 8. und 9. Jh. nachweisbar ist. Als Imre (Emmerich), der einzig überlebende Sohn König Stephans I. von Ungarn bei der Eberjagd tödlich verunglückt, läßt der König den einzigen übrigen Arpadenabkömmling, den heidnischen Prinzen Vászoly mit der dort üblichen Methode - Blenden und Ausgießen der Ohren mit Blei - thronunfähig machen. Er bestimmt als Nachfolger Peter Orseolo, Sohn seiner Schwester und des Dogen von Venedig. Daraus wird freilich nichts, aber das gehört nicht hierher. (Stephan und Imre werden 1083 heiliggesprochen werden.)
Frankreich: Heinrich I. wird neuer König (bis 1060); Übermacht des Großadels. Spanien: Mit dem Zerfall des Kalifats von Cordoba beginnt der Niedergang der islamischen Herrschaft in Spanien.

1032
September: Nachdem König Rudolf III. von Burgund erbenlos gestorben ist, besetzt Graf Odo von der Champagne große teile Hochburgends, obwohl der Titel nach einem Vertrag Konrad II (urspr. heinrich II.) zusteht. Konrad unternimmt nun einen Winterfeldzug nach Burgund, auf dem nachts die Hufe der Pferde am Boden festfrieren. Er kommt aber nur bis zum Neuenburger See und kann noch nicht einmal Murten erobern. Bis 1033: Große Hungersnot nach einer Regenperiode in Frankreich. Die Menschen heben, "nachdem sie wilde Tiere und Vögel gegessen hatten, unter der Herrschaft eines verheerenden Hungers alles mögliche Aas und andere, kaum auszusprechende schreckliche Dinge auf, um sie zu essen. Einige nahmen, um dem Tod zu entgehen, ihre Zuflucht zum Wurzelwerk des Waldes und zum Grün der Blumen. Wütender Hunger ließ die Menschen selbst menschliches Fleisch verschlingen. Reisende wurden von Stärkeren verschleppt, ihre Glieder abgeschnitten, gekocht und verzehrt. Manche Leute, die aufgebrochen waren, um dem Hunger zu entfliehen, und unterwegs Gastfreundschaft fanden, wurden des nachts ermordet und dienten jenen als Nahrung, die sie aufgenommen hatten. Viele zeigten Kindern eine Frucht oder ein Ei, lockten sie damit an abgelegene Orte, brachten sie um und verschlangen sie. [Typische Kannibalismusgeschichten aus Hungerzeiten - nicht gar zu ernst zu nehmen, besonders bei Glaber!] Anderswo wurden Tote ausgegraben, um den Hunger zu stillen. In der Gegend von Mâcon entnahmen einige Leute dem Boden eine weiße, dem Ton ähnliche Erde, mischten sie mit dem, was sie noch hatten, Mehl oder Kleie, und machten aus dieser Mischung Brot, wodurch sie hofften, nicht an Hunger zu sterben; dieses Verfahren brachte aber nur trügerische Hoffnung und Erleichterung. Man sah nur bleiche und abgezehrte Gesichter. Viele zeigten eine durch Aufblähungen gedehnte Haut; die menschliche Stimme wurde spitz, den kurzen Schreien sterbender Vögel vergleichbar." [Radulf Glaber] Bei einem Schlachter in Lyon soll man angeblich 50 Menschenschädel gefunden haben, was sich wieder ganz nach einer Glaber-Geschichte anhört.

1033
Es tritt "am dritten Tag vor den Kalenden des Juli, einem Freitag und 28. Mondtag, eine Finsternis oder Verdunklung der Sonne ein, die von der sechsten zur achten Stunde dieses Tages dauerte und wirklich schrecklich war. Die Sonne färbte sich saphirgrün und trug auf ihrem oberen Teil die Sichel des Mondviertels. Die Menschen, die sich betrachteten, sahen sich gegenseitig bleich wie Tote. Alles schien in einen safrangelben Dampf gehüllt zu sein. Da bemächtigte sich der Menschenherzen Schrecken und gewaltiges Entsetzen. Dieses Schauspiel verkündete, so begriffen sie, daß das menschliche Geschlecht vor schlimmen Heimsuchungen stehe..." [Radulf Glaber] Hier werden die Schrecken des Millenniums beschrieben, aber dies ist eine Spezialität Glabers und kein allgemeiner Zustand! (vgl. 999) Der Bischof von Modena verfügt anläßlich der Verpachtung einiger Waldgebiete, daß "die alten Stieleichen zu schützen...und die jungen zu erhalten" seien, als wichtiges Futter für die Schweine. In der Poebene macht man sich bereits im 11. Jh. Gedanken über den Rückgang der Wälder. Zu Lichtmeß wird Kaiser Konrad II. auch noch zum König von Burgund gewählt und gekrönt.

1034
Worms hat noch vor 1034 eine Synagoge erhalten. Harald Hardrada, der berühmteste aller Waräger, besucht Jerusalem.

1035
Die Häretiker von Arras bestreiten, daß der Gottesdienst besonderer Gebäude bedürfe. Es stirbt Knut der Große, König von England, Dänemark und Norwegen. Aus seinen Gesetzen gegen das Heidentum: "We earnestly forbid every heathenism: heathenism is, that men worship idols; that is, that they worship heathen gods, and the sun or the moon, fire or rivers, water-wells or stones, or forest trees of any kind; or love witchcraft, or promote 'morth-work' in any wise."
Ca.: Erzbischof Bezelin Alebrand von Hamburg läßt ebendort einen steinernen Wohnturm bauen ("Steinernes Haus"). Es ist der älteste bekannte steinerne Profanbau nördlich der Elbe.
Ca.: In Westdeutschland entsteht das lateinische höfische Epos "Ruodlieb" - oder aber erst um 1050 am Tegernsee. Wann auch immer, darinnen wird das Schachspiel erwähnt.

1037
Unter den Westslawen bricht ein großer Heidenaufstand aus. Es stirbt Avicenna (Ibn Sina, ca. 57), ein arabischer Arzt und Aristoteliker ("Canon medicinae", 1685 lat. gedruckt); vermittelte griechisches Wissen an Europa; Einteilung der Mineralien in Steine, Salze, Erze und Brenze (brennbare Stoffe). Konrad II. erläßt für Italien ein Lehnsgesetz, nach dem Bischöfe oder Markgrafen oder deren große Vasallen zur Entscheidung von Lehnsstzreitigkeiten auch nach Deutschland vor den König zitiert werden können.

1038
Tod des arabischen Physikers Alhazen (Abu Ali Muhammed ben el Hasan, ca 73); er hat besonders die Optik entwickelt (Reflexion, Brechung, Lichtstrahlen vom Gegenstand zum Auge). Der böhmische Fürst Bretislaw I. fällt in Polen ein und kommt zur Festung Giecz. Die Einwohner können keinen Widerstand leisten, und so kommt man überein, daß sie mit ihrem ganzen Vieh und ihrer beweglichen Habe in Böhmen neu angesiedelt werden sollen. Bretislaw gibt ihnen einen Streifen Waldland (vermutlich zum Roden) und erlaubt ihnen, unter ihrem eigenen Vorsteher und nach eigenen Sitten zu leben. Eine solche Zwangsumsiedlung ist eine von mehreren Möglichkeiten, um die den größten Teil des Mittelalters knappen Arbeitskräfte zu bekommen. Bereits im 11. Jh. ersinnt man zivilisiertere Methoden. Thronfolger Heinrich III. wird in Personalunion König von Burgund. [Ist diese Datierung exakt?]

1039
Es stirbt Kaiser Konrad II. (49); König wird Heinrich III. (22; bis 1056). Für Heinrich III. werden hier in der Folge exemplarisch die Aufenthaltsorte an den hohen Festtagen festgehalten, um die Mobilität des Herrschers zu verdeutlichen (und vielleicht auch, um eventuelle Ereignisse an diesen Orten zu beleuchten). Von diesem Jahr bis ins Jahr 1161 datieren venezianische Leihverträge über eiserne Anker. Schiffe können sich für einen sehr hohen Preis einen Eisenanker in Venedig leihen. Weihnachten: Heinrich III. weilt zu Regensburg.

1040
Der Bischof von Freising verleiht dem Kloster Weihenstephan das Recht, Bier nicht nur zu brauen, sondern über den Haustrunk hinaus auch zu "verleitgeben", d.h. zu verkaufen. In diesem Kloster wird bereits seit zwei Jahrhunderten Bier gebraut. Ostern: Heinrich III. weilt zu Ingelheim. Pfingsten: Heinrich III. weilt zu Lüttich. Weihnachten: Heinrich III. weilt zu Münster.
Ca.: Von Frankreich aus verbreitet sich die Idee des "Gottesfriedens", ein Fehdeverbot an bestimmten Tagen.
Ca.: Es stirbt Ibn al-Haitham, der in Kairo gewirkt hat und eine neue Theorie der Optik entwickelt hat. Sie basiert auf dem Gedanken, daß vom sichtbaren Objekt Licht an das Auge gesendet wird.

1041
In Salerno wirkt Alfanus (ca. 26) als Arzt; von ihm stammen "Über die vier Säfte" und "Zusammenfassung der Pulslehre". Ostern: Heinrich III. weilt zu Maastricht. Pfingsten: Heinrich III. weilt zu Worms (?). Weihnachten: Heinrich III. weilt zu Straßburg.

1042
Epidemie des Antoniusfeuers (Mutterkornbrand) im Westen. In Montreuil-sur-Mer soll es bereits zwei hydraulische Biermühlen geben. Ostern: Heinrich III. weilt zu Köln. Pfingsten: Heinrich III. weilt zu Würzburg. Weihnachten: Heinrich III. weilt zu Goslar.

1043
Tuchherstellung in St. Omer bezeugt. Abt Siegfried von Gorze schreibt an Abt Poppo von Stablo angesichts der geplanten Hochzeit Heinrichs III. mit Agnes, der Tochter des Herzogs von Aquitanien über die Gefahr des Eindringens rwerflicher französischer Sitten in der Barttracht, über die Kürzung und Entstellung der Kleider nebst anderen erschröcklichen Neuerungen. "Ein regnerischer Sommer verursachte Mangel an Früchten und Wein. König Heinrich zog erneut nach Ungarn [...] Von dort kam er nach Alamannien und vergab auf der Synode von Konstanz allen, die gegen ihn gefehlt hatten, zuerst selbst alle Schuld. Dann söhnte er durch Bitten und Ermahnungen alle anwesenden Schwaben, nachdem sie einander Schuld und Feindschaften vergeben hatten, gegenseitig aus, in dem eifrigen Bemühen, daß dasselbe nachher in den anderen Ländern seines Reiches geschehe, und schuf so einen seit vielen Jahrhunderten unerhörten Frieden und bekräftigte ihn durch ein edikt. darauf empfing er seine Braut Agnes, die Tochter Wilhelms von Poitou, ließ sie zu Mainz zur Königin salben und feierte das königliche Beilager zu Ingelheim; dabei gab er allen ein nützliches Beispiel, indem er die eitle Gunst der Spielleute nichts achtete und sie mit leeren Händen traurig entließ." [Hermann von Reichenau, Chronik. Ed. Rudolf Buchner (Quellen des 9. und 10. Jhs. zur Geschichte der Hamburgischen Kirche und des Reiches), Darmstadt: WB 1961 (FSGA 11) S. 677.] Ostern: Heinrich III. weilt zu Lüttich. Pfingsten: Heinrich III. weilt zu Paderborn. Weihnachten: Heinrich III. weilt zu Trier. Oder 1044: "Im vorletzten Jahre des Erzbischofs brannte die Kirche des heiligen Petrus zu Bremen nieder, und diese Feuersbrunst verzehrte das Kloster sammt den Werkstätten, die Stadt samt den Gebäuden gänzlich, und es blieb keine Spur des früheren Wohnortes übrig. Da gingen der Schatz der heiligen Kirche, da die Bücher und die Gewänder, da alle Zierraten unter! Und dieser Verlust an Besitztümern hätte noch leicht ersetzt werden können, hätten wir nur nicht noch größeren Schaden an Sitten genommen. "Denn weit unterscheiden sich, wie jemand sagt, die Verluste an Sittlichkeit von den Verlusten an zeitlichen Dingen, weil jene in uns liegt, diese aber außer uns sich befinden." Gewiß nämlich ist, daß von jener Zeit an von den Brüdern, welche bisher ein kanonisches Leben geführt hatten, nunmehr aber außerhalb des Klosters umherschweiften, die Regel der heiligen Väter, die bis dahin gar manches Jahrhundert hindurch eifrig beobachtet war, zuerst vernachlässigt zu werden anfing, dann aber, völlig verworfen, veraltete." Dazu Scholie 58: "Der Erzbischof verlieh dem Edo die Propstei, darüber von eifersüchtigem Grimme erfüllt, zündete der jüngere Edo, sein Neffe, das Münster an. Zur Sühnung für diese Versündigung am Heiligen brachte Edos Vater sein Erbgut der Kirche dar. Der Probst Edo aber ging als Pilger nach Jerusalem, indem er um die Zeit, wo das Fest des heiligen Jacob gefeiert wird, abreiste und in der nächsten Osterzeit wieder heimkehrte." [Adam von Bremen II. 77] Bis 1045: Eine Zeit allgemeiner oder fast allgemeiner Hungersnot.

1044
Ostern: Heinrich III. weilt zu Nimwegen (?). Weihnachten: Heinrich III. weilt zu Speyer.

1045
Auf Schloß Persenbeug ist eine Badestube nachgewiesen, und zwar durch einen Unfall: Bei einer Feier in Gegenwart von König Heinrich III. beginnen die tragenden Ständer im Saal unter der Last der Gäste nachzugeben und die Gesellschaft landet in der Badestube des Untergeschosses. Es soll Tote gegeben haben, aber der König kommt mit dem Schrecken davon. (Ohne ihn wäre die Geschichte wohl kaum überliefert worden.)
Erste Erwähnung der Mark als Gewichtseinheit (233,7 Gramm). Im 11./12. Jh. wird sie Grundgewicht von Münzen. Ostern: Heinrich III. weilt zu Goslar. Pfingsten: Heinrich III. weilt am ungarischen Königshof. Weihnachten: Heinrich III. weilt zu Goslar. Der Hof Kaiserswerth (heute innerhalb von Düsseldorf) wird kaiserliche Burg. In Hamburg läßt der Billunger Bernhard II. eine steinerne Turmburg errichten (später Alsterburg genannt; vgl. 1035).
Ca.: Beginn der Schiffahrt auf dem Hochrhein (Schweiz).

1046
Ostern: Heinrich III. weilt zu Utrecht. Pfingsten: Heinrich III. weilt zu Aachen. Weihnachten: Heinrich III. (29) weilt zu Rom, wo er zum Kaiser gekrönt wird. Bei einem Heidenaufstand in Ungarn kommt Bischof Gellért (Gerhard) um. Man wird ihn 1083 heiligsprechen.

1047
Brüssel erhält weitere Reliquien (vgl. 984): Die Reliquien der Hl. Gundula werden in die Kirche St. Michael überführt. Ostern: Heinrich III. weilt zu Mantua. Pfingsten: Heinrich III. weilt zu Speyer. Weihnachten: Heinrich III. weilt zu Pöhlde.

1048
Das Kloster Benediktbeuren erhält das Recht, Bier zu verkaufen. Ostern: Heinrich III. weilt zu Regensburg. Pfingsten: Heinrich III. weilt zu Solothurn. Weihnachten: Heinrich III. weilt zu Freising.

1049
Aus diesem Jahr stammt der älteste datierbare jüdische Grabstein in Mitteleuropa - aus Mainz. Ostern: Heinrich III. weilt zu Merseburg. Weihnachten: Heinrich III. weilt zu Pöhlde.

1050
Das Kloster Weltenburg bei Kelheim erhält das Recht, Bier zu verkaufen. Bis ins 12. und 13. Jh. wird der Aufschwung der Braukunst währen, bis, bedingt durch klimatische Erwärmung, der Wein dem Biere den Rang ablaufen wird. Gariopontus, Arzt in Salerno, stirbt. (Frühepoche der Schule von Salerno) Haithabu wird geplündert und zerstört. Ostern: Heinrich III. weilt zu Maastricht. Weihnachten: Heinrich III. weilt zu Pöhlde (?).
Ca.: Beginn der romanischen Kunstepoche, wobei die vergangenen 50 Jahre als eine Art Vorlauf betrachtet werden können.
Ca.: Sextus Amantius berichtet von einem Spielmann, der in einer Herberge einem vornehmen Herrn während des Essens mit der Laute und mit Gesang unterhält, während viel Volk zusammenströmt, um zuzuhören. Titel aus dem Repertoire des ioculators: "David und Goliath", "Das Schneekind", "Von der Tonkunst des Pythagoras" und "Von der Nachtigall"
Ca.: Der Erzbischof von Reims lobt Graf Balduin V. überschwenglich für die Erfolge im Landesausbau, durch die in Flandern das frühere Wildland fruchtbarer geworden sei als das alte Kulturland.
Ca.: Hamburg hat etwa 800 bis 900 Einwohner, davon zur Hälfte Kleriker. Hamburg wird unter Erzbischof Adalbert (1043 - 1072) erneut Zentrum der christlichen Mission.
Ca.: Aufkommen des gegliederten Dreschflegels. [Hatten wir das nicht schon einmal? Vorsicht damit!]
Ca.: Europa hat etwa 46 Mio. Einwohner. [Woher kommen solche Zahlen?]

1051
Es stirbt Erzbischof Bardo von Mainz; "...den elenden Spielleuten war er sehr zugetan." Im Dom zu Speyer gibt es eine silberne Wasseruhr (clepsydra). Ostern: Heinrich III. weilt zu Köln. Pfingsten: Heinrich III. weilt zu Paderborn. Weihnachten: Heinrich III. weilt zu Goslar. Hier läßt er mehrere Ketzer aufhängen.

1052
Ostern: Heinrich III. weilt zu Speyer. Pfingsten: Heinrich III. weilt zu Zürich. Weihnachten: Heinrich III. weilt zu Worms.

1053
Herzog Gottfried läßt in Goslar einige Ketzer aufhängen (nach Lambert von Hersfeld). Ostern: Heinrich III. weilt zu Merseburg. Pfingsten: Heinrich III. weilt zu Goslar (?). Weihnachten: Oetting am Inn.

1054
Kaiser Heinrich III. heiratet zu Ingelheim, wozu die Spielleute - als große Ausnahme - vom Hof verbannt oder zumindest unbeschenkt entlassen werden. Aus dem Testament der Äbtissin Theophanu des Frauenstiftes zu Essen: "Da es einem jeden unbekannt und unbewußt ist, was die Zukunft bringt oder wann der künftige Tag naht, solen wir im Herrn wachen und aus den uns anvertrauten Talenten den Ertrag vergrößern, damit, wenn er selbst oder sein Tag nahen wird, wir nicht wegen Ungehorsams oder Muße verdammt werden. Denn es steht geschrieben, der Tag des Herrn komme wie ein Dieb in der Nacht." (Urkundenbuch zur Geschichte des Niederrheins, S. 122) Die Äbtissin verfügt daher: Vom Tag ihres Todes bis zum 30. Tag danach sollen die Priester zwölf Schillinge erhalten, um die Messe zu lesen; an die Armen sollen am ersten und dem dritten Tag (nornalerweise dem Begräbnistag) fünf, an den Tagen der ersten Woche zwei Schillinge, danach alle sieben Tage 30 Denare (ein Schilling hat 12 Denare) und am 30. Tag noch einmal fünf Schillinge verteilt werden. Die gleiche Summe sollen die Pilger erhalten. 30 Priester sollen für ihre Seele beten: Wenn hier allerdings so viele Priester nicht zusammenkommen, dann soll man zu meinen Brüdern vom heiligen Ludger (im Kloster Werden an der Ruhr) schicken, damit die Zahl der Messen erfüllt werde." Für danach stiftet sie jeweils am 30. Tag zwölf Denare für zwölf Messen und 18 Denare für die Fürsorge, an jedem Jahrestag aber fortan 30 Denare für 30 Messen und fünf Schillinge für die Armen. Außerdem sollen drei Frauen drei Schillinge erhalten, um alle 30 Tage den Psalter über ihrem Grab zu singen. Das nötige Geld liegt in einer Truhe bereit. "Wacht, ich bitte euch, ihr Brüder und Schwestern; euer Gebet soll mich nicht als Tote, sonden als Schlafende trösten." Ostern: Heinrich III. weilt zu Mainz. Pfingsten: Heinrich III. weilt zu Quedlinburg. Weihnachten: Heinrich III. weilt zu Goslar.
Ca.: Mitte des 11. Jhs., unter Heinrich III., prallen verschiedene Rechtsauffassungen aufeinander: Der sächsische Graf Thietmar, ein Bruder des billungischen Herzogs wird von seinem eigenen Vasallen beschuldigt, er habe geplant, Heinrich III. zu ermorden. Heinrich verfügt einen gerichtlichen Zweikampf als Gottesurteil, in welchem der Graf von dem Vasallen getötet wird. Daraufhin nimmt der Sohn des Erschlagenen den siegreichen Vasallen gefangen und läßt ihn an den Beinen aufhängen und von Hunden zerfleischen, eine Methode, mit der man normalerweise Verräter umbringt. Der Kaiser exiliert daraufhin den Sohn (nach Adam von Bremen). In dieser Auseinandersetzung werden weder die üblichen Vermittler noch eine Möglichkeit des Beschuldigten erwähnt, sich durch einen Reinigungseid und Eideshelfer zu behelfen. Heinrich praktiziert hier also neue Formen des Umgangs mit adligen Gegnern, was ihm wohl wenig Freunde macht.

1055
Ostern: Heinrich III. weilt zu Mantua. Pfingsten: Heinrich III. weilt zu Florenz. Weihnachten: Heinrich III. weilt zu Zürich.

1056
Ostern: Heinrich III. weilt zu Paderborn. Pfingsten: Heinrich III. weilt zu Goslar (?). Heinrich III. (39) lebt ab. Sein Nachfolger Heinrich IV. ist minderjährig (6); Regentin ist Agnes von Poitou.

1057
Bis 1064: Aus dieser Zeit stammt (aus Bamberg) das älteste Dienstrecht, in welchem vom Stand der Ministerialen oder Dienstmannen die Rede ist. Ihr Stand muß bereits verfestigt sein, weil ihnen darin ein Erbrecht - auch für Seitenlienien - zugestanden wird. Die meisten Ministerialen kommen aus der Unfreiheit - sie wurden als Bestandteil der Besitzungen betrachtet und mit diesen verkauft oder verschenkt. Von den bäuerlichen Hintersassen einer Grundherrschaft unterscheiden sie sich durch ihre Aufgabe als Verwalter oder berittene Krieger. Von den übrigen Unfreien heben sie sich durch durch den Besitz eines Dienstgutes zu Lehen ab, wodurch die Unterhaltspflicht ihres Herren ihnen gegenüber abgegolten ist. In den Ministerialenstand strömen Freie (Kleinbauern und kleine Grundherren), wodurch sich ihr Rang und Ansehen weiter verbessert.

1058
Der Arzt Alfanus (in Salerno) wird Erzbischof.

1059
Papst Nikolaus II. belehnt den Normannen Robert Guiscard (44), alias "Robert das Wiesel", einen der zwölf Söhne des Grafen Tankred von Hauteville, mit Apulien, Kalabrien und Sizilien; Richard von Aversa wird mit dem Fürstentum Capua belehnt. Die Normannen sind seit 1020 in Süditalien aktiv. Sizilien freilich müssen sie erst noch erobern. 23. Mai: In Frankreich wird Philipp I. Mitregent.

1060
Bei einem Brand in Halberstadt brennt der Dom ab. Beginn der cluniazensischen Dichtung. Weimar kommt in den Besitz der Grafen von Orlamünde. Frankreich: Philipp I. regiert nun allein (ab 29. August; bis 1108). Seit seiner Regierung wird in Frankreich der Jahresanfang nicht mehr wie bisher am 25. März (normannischer Einfluß), sondern zu Ostern festgelegt (bis 1564). Einige Gebiete behalten jedoch abweichende Termine (Dauphiné: 25. Dezember; Aquitanien, Auvergne, Angoumois, Limousin: 25. März).
Ca.: Das Wort "riter" kommt auf als Übersetzung von "miles" und bedeutet zunächst nichts weiter als "Berittener Krieger".
Ca.: Der Respekt vor den alten karolingischen Institutionen schwindet.

1061
Der Bamberger Schulmeister Meinhard wirft seinem Bischof Gunther, einem der glänzendsten Kirchenfürsten seiner Zeit vor, daß er sich lieber Heldensagen von Attila und Dietrich von Bern anhöre, statt Augustinus oder Gregor den Großen zu lesen. [ZfdA 73, 1936, S. 87 - 98]

1061/1062
In eine Urkunde des Bischofs von Bamberg wird eine Rechtsordnung für die Ministerialen des Bischofs eingeschaltet: "Wenn einen von ihnen sein Herr anschuldigt wegen irgend einer Sache, soll ihm gestattet sein, durch einen Eid sich mit seinesgleichen zu reinigen; ausgenommen in drei Fällen, d. i. wenn er beschuldigt wird, gegen das Leben seines Herrn oder seine Kammer oder seine Festungen Pläne geschmiedet zu haben. Gegen die übrigen Menschen aber soll er sich von jeglichem Vorwurfe ohne Vogt mit seinesgleichen durch einen Eid reinigen können; bei den übrigen Menschen brauchen sie nicht mehr als 7 Mann, bei ihren Genossen aber 12. [Damit werden die ursprünglich unfreien Ministerialen rechtlich den Freien gleichgestellt.] Ist einer getötet worden, so beträgt die Loskaufsumme 10 Pfund, die keinem andern gehört als den Verwandten des Getöteten. Wer vom Bischofe kein Lehen hat und sich ihm zu seinem Dienst stellte, aber ein Lehen nicht erlangen konnte, mag Kriegsdienste nehmen, bei wem er will, nicht als Lehensmann, sondern frei. Stirbt einer ohne Kinder und hinterläßt eine schwangere Frau, so warte man, bis sie gebiert. Ist es ein Knabe, so soll er das Lehen des Vaters haben; wenn nicht, dann soll der nächste Anverwandte des Verstorbenen sowohl den Panzer als das beste Pferd, das er hatte, seinem Herrn bringen und das Lehen seines Verwandten erhalten. Wer einen Kriegszug antritt, soll auf eigene Kosten zum Herrn kommen; von da an wird er auf dessen Kosten erhalten. Geht der Zug nach Italien, soll der Herr für jeden Panzer ein Pferd und drei Pfund geben. Geht er aber anders wohin, sollen zwei von ihnen, die Lehen haben, einem dritten die Auslagen bestreiten. Von ihrem Herrn sollen sie nur zu fünf Diensten angehalten werden, d. i. daß sie entweder Truchsesse oder Mundschenke oder Kämmerer oder Marschalke oder Jägermeister seien." [Die Geschichte des Bisthums Bamberg. Bd. l: Die Gründung und das erste Jahrhundert des Bistums Bamberg 1007-1102. Nach den Quellen bearb. von Johann Looshorn. Bamberg: Historischer Verein, 1886. S. 380f.]

1063
Pfingsten: Schlägereien und Kämpfe in der Kirche zu Goslar. Ursache ist ein Streit zwischen dem Bischof von Hildesheim und dem Abt von Fulda vom letzten Weihnachtsfest her: "Als sich der König und die Bischöfe zum Abendgottesdienst versammelten, kam es wegen der Aufstellung der bischöflichen Stühle wieder zu einem Tumult, nicht wie das vorige Mal durch einen zufälligen Zusammenstoß, sondern durch einen seit langem vorbereiteten Anschlag. Denn der Bischof von Hildesheim, der die damals erlittene Zurücksetzung nicht vergessen hatte, hatte den Grafen Ekbert mit kampfbereiten Kriegern hinter dem Altar verborgen. Als diese nun den Lärm der sich streitenden Männer hörten, stürzten sie rasch hervor, schlugen auf die Fuldaer teils mit Fäusten, teils mit Knüppeln ein, warfen sie zu Boden und verjagten die über den unvermuteten Angriff wie vom Donner gerührten mühelos aus der Kapelle der Kirche. Sogleich riefen diese zu den Waffen; die Fuldaer, die Waffen zur Hand hatten, scharten sich zu einem Haufen zusammen, brachen in die Kirche ein, und inmitten des Chores und der Psalmen singenden Mönche kam es zum Handgemenge: Man kämpfte jetzt nicht mehr nur mit Knüppeln, sondern mit Schwertern. Eine hitzige Schlacht entbrannte und durch die ganze Kirche hallte statt der Hymnen und geistlichen Gesänge Anfeuerungsgeschrei und das Wehklagen Sterbender...Der König erhob zwar währenddessen laut seine Stimme und beschwor die Leute unter Berufung auf die königliche Majestät, aber er schien tauben Ohren zu predigen." (Lampert von Hersfeld, Annalen. Hg. von Adolf Schmidt & Wolfgang D. Fritz, S. 77ff.) An diesem Ort sei stellvertretend vermerkt, daß es im Mittelalter so etwas wie ein Gewaltmonopol nicht gibt. Diese Geschichte hat noch weitere Folgen: "Als nun die Nachricht von seiner Niederlage in Goslar nach Fulda kam, da äußerten sie (die Mönche) alle laut ihren Unwillen, gereizt durch den Schmerz über diesen neuen Schlag wie die Erinnerung an die früheren, und sie stachelten sich gegenseitig an, eine so günstige, ihnen vom Himmel gebotene Gelegenheit nicht zu versäumen; zur Ausführung ihres Vorhabens fehlte nichts als ihr eigenes tatkräftiges Handeln, der Mann werde durch seine eigenen rechtswidrigkeiten in den Untergang getrieben." (Lampert, S. 80f.) 16 Mönche verlassen unter geistlichen Gesängen das Kloster und bitten den König um die Absetzung ihres Abtes. Am Hof jedoch gibt man sich entsetzt: Die Rädelsführer werden in Klosterhaft geschickt und die anderen werden nach Fulda zurückgebracht. Da sie sich durch Verlassen des Klosters selbst von der Regel losgesprochen haben, werden vor ein Laiengericht gestellt. Einige werden ausgepeitscht, geschoren (Mönche sollten eigentlich schon geschoren sein!) und aus dem Kloster ausgestoßen. Die anderen werden auf verschiedene Klöster verteilt. "Über die einzelnen wurden jedoch nicht nach dem Maße ihrer Schuld, sondern je nach ihrer hohen oder niedrigen Herkunft mildere oder strengere Strafen verhängt. (...?) Möge der Abt zusehen, ob er nicht etwa in seinem Grimm härter, als es sich geziemte, gestraft und das Maß überschritten habe. (...?) Fest steht jedenfalls, daß dem Kloster Fulda damals ein Schandmal eingebrannt worden ist, das wohl in einer langen Reihe kommender Jahre nicht abgewaschen und getilgt werden kann." (Lampert, S. 86f.)

1064/1065
Unter Führung von Bischof Gunther von Bamberg ziehen über 7000 (oder bis zu 12000) Pilger ins Heilige Land. Sie nehmen den Landweg.

1065
Gründung der Hohen Schule von Bagdad. Ein Bericht eines Pilgerzuges zeigt die Genuesen bereits in voller Handelstätigkeit an der syrischen Küste.

1066
Slawenaufstand an der unteren Elbe.Erste Erwähnung von Alt-Lübeck. Damit ist möglicherweise das slawische Kastell im Norden der späteren Stadt gemeint. Die Freiheitsurkunde für die Stadt Huy ersetzt den gerichtlichen Zweikampf durch Eidesleistung: Der Einheimische kann sich mit drei Eideshelfern vom Zweikampf freischwören, der Fremde durch Eineid und die rechtssymblische Geste der exfestucatio. Der irische Missionar Johannes wird in Mecklenburg umgebracht. Erzbischof Eberhard von Trier stirbt mitten in der Osterfeier. Man schreibt seinen Tod den Juden zu, welche ein von einem abtrünnigen Priester namens Paulin geweihtes Wachsbild des Bischofs verbrannt haben sollen. Dies ist die erste Erwähnung von "Rachepuppen" zum Schadenszauber für Deutschland. Die Obotriten überfallen Hamburg. Die Normannen erobern England. Haithabu wird erneut geplündert und zerstört. Bei einem Turnier kommt Geoffroy de Preully (Preville) um, auf den wahrscheinlich die Regeln für das Turnier mit stumpfen Waffen zurückgehen. Bis 1072: Hungersnot in Bremen, "und man fand viele Arme tot auf den Plätzen der Stadt." [Adam von Bremen]

1067
Es stirbt Graf Balduin V. von Flandern. Es heißt von ihm, er habe durch "Sorgfalt und Fleiß unkultiviertes Land fruchtbar gemacht".

1069
Adam von Bremen wird urkundlich daselbst als Domscholaster erwähnt. Es ist über sein weiteres Leben nichts bekannt, außer daß er dem Erzbischof nahegestanden hat.

1070
In Jerusalem wird durch fromme Bürger aus Amalfi wird ein Hospiz für arme Pilger gegründet. Die Anstalt ist dem heiligen Johannes von Jerusalem (gest. 417) geweiht. Sie wird von den Amalfitanern geleitet, welche ein klösterliches Gelübde leisten und einem Meister unterstehen, welcher seinerseits den Benediktinern untersteht. Otto von Northeim, aus sächsischem Hause, ist derzeit Herzog von Bayern. Als sich der König auf einem von dessen Gütern aufhält, kommt es zu einem Zwischenfall: Kuno, der königliche Erzieher, wird Opfer eines nächtlichen Überfalls (was sich wohl schon vor geraumer Zeit abgespielt hat). Nun taucht am Hof ein gewisser Egino auf, welcher behauptet, dieser Überfall habe Heinrich gegolten, von dem man gehofft hatte, er werde dem Kuno zu Hilfe eilen. Egino behauptet, er habe von Otto von Northeim den Auftrag erhalten, diesen Anschlag selbst auszuführen und präsentiert ein angeblich von Otto erhaltenes Schwert dafür. Otto wird informiert un soll binnen sechs Wochen nach Goslar kommen. Drei Wochen nach Pfingsten stehen sich Heinrich und Otto auf einem Fürstentag zu Mainz gegenüber und der Bayernherzog wird des Hochverrats beschuldigt. Otto streitet alles ab, und so wird ein Zweikampf zwischen Otto und Egino angesetzt. Dies steht nicht im Einklang mit den bisher praktizierten Gewohnheiten: "'Es sei nicht recht und billig', argumentierten sie (die Fürsten), 'daß ein Mann von höchstem Adel und völlig unbescholtenem Ruf, der noch niemals durch den Makel eines ungünstigen Gerüchts befleckt worden sei, mit einem solchen durch und durch verruchten Menschen kämpfen solle, der alles, was er etwa an adliger Gesinnung von seinen Vorfahren ererbt hätte, durch Diebstahl und Straßenraub, kurz durch alle lasterhaften Schandtaten ausgelöscht hatte.'" (Lampert von Hersfeld, S. 124ff; Brunos Buch vom Sachsenkrieg, S. 216f.) Es wäre üblich gewesen, Otto zum Reinigungseid zu fordern und dann die Sache als erledigt zu betrachten. 1. August: Zum Termin für den gerichtlichen Zweikampf mit Egino erscheint Otto von Northeim nicht, obwohl er sicherlich leicht hätte gewinnen können. Er gilt daher als schuldig und wird von sächsischen Fürsten wegen Majestätsverbrechen zum Tode verurteilt. Dies ist ein Versuch, ursprünglich politische Konflikte mit rechtlichen Mitteln auszutragen. Otto verliert natürlich auch seine Herzogswürde und all seine Güter. Bevor nun noch Heinrich ein Heer gegen ihn aufstellt, brechen einige Hofbeamte, nämlich jene, denen Otto im Wege gestanden hat, schon gegen ihn auf. "Ottos Burg Hanstein, aus der gleich zu Anfang des schrecklichen Krieges die Besatzung abgezogen worden war, ließ er (Heinrich) von Grund auf zerstören. Vor eine andere Burg, Desenberg mit Namen, hatte er schon Truppen gelegt. Obgleich sie ihrer Lage wegen uneinnehmbar und mit allen zur Kriegsführung notwendigen Mitteln hinlänglich versorgt war, zogen es ihre Insassen doch vor, sich freiwillig zu ergeben, als das zweifelhafte Kriegsglück zu versuchen. Der König ließ dort eine Besatzung zurück und führte sein Heer weiter, um auch die Besitzungen von Ottos Gemahlin (Richenza) zu verwüsten. Er äscherte viele mit Kostbarkeiten und Gebäuden herrlich ausgestattete Bauernhöfe ein und plünderte sie aus, an Frauen und Kindern - denn die Männer hatten sich in den Bergen und unzugänglichen Wäldern versteckt - beging er viele abscheuliche Feindseligkeiten, und so harte und grausame Behandlung erlitten auf diesem Zuge unschuldige und nicht mit dem geringsten Verdacht irgendeines Vergehens behaftete Menschen von ihrem eigenen König, daß sie nichts Härteres, nichts Grausameres von Barbaren hätten erleiden können." (Lampert von Hersfeld, S. 128 f. - s.o.) Ottos Reaktion bleibt nicht aus: "Er machte daher mit 3000 auserlesenen und in allen Künsten der Kriegsführung geübten Männern einen Angriff auf Thüringen, steckte die mit allen Vorräten reich ausgestatteten Königshöfe in Brand, machte reiche Beute und köderte gleich zu Anfang seine Krieger, die in der Mehrzahl nur die Hoffnung auf Beute zu dem Kampf gelockt hatte, durch diesen Lohn und sicherte sich dadurch ihre unbedingte Treue. So zog er, alles verheerend, bis über Eschwege hinaus. Hier verteilte er unter die sich um ihn scharenden Bauern seiner Güter, denen die Krieger des Königs nichts gelassen hatten als das elende Leben, einen Teil der Beute, ermahnte sie, die Schläge der göttlichen Strafe tapferen Mutes zu ertragen, und forderte sie auf, da sie ja keine Waffen führen könnten, für ihn inbrünstig zu Gott zu beten." (Lampert von Hersfeld, S. 128 f. - s.o.) September: Otto von Northeim besiegt den Grafen Ruotger bei Eschwege. Mit seinem Verbündeten Magnus, dem Sohn des Sachsenherzogs Ordulf igelt sich Otto auf einem Bergrücken zwischen Diemel und Fulda ein. Der König zieht von Nordwesten mit Truppen aus Hessen, Thüringen und Sachsen heran, aber es kommt nicht zur Schlacht. Wie üblich erreicht ein Vermittler das Ende des Konfliktes (siehe 1071).
Ca.: Adam von Bremen beschreibt am Beispiel des Erzbischofs Anno von Köln, welche Qualitäten und Verhaltensweisen die Führungsschicht zeigen soll: "Er förderte seine Verwandten, Freunde und Kapelläne und überhäufte sie alle mit den höchsten Würden und Rängen, damit sie wieder anderen, Schwächeren helfen konnten. Die Vornehmsten unter ihnen waren des Erzbischofs Bruder Werner von Magdeburg, beider Vetter Burkhard, der Bischof von Halberstadt, auch der erwählte Erzbischof Konrad von Trier...ferner Eilbert von Minden und Wilhelm von Utrecht. Außerdem waren in Italien der Patriarch von Aquileia, der Bischof von Parma und andere, deren Aufzählung zu weit führen würde, Auf Betreiben und durch die Gunst Annos erhoben worden. Und sie wetteiferten, ihrem Gönner bei seinen Unternehmungen Hilfe und Ansehen zu geben." (Adam von Bremen, S. 370f.) Was heutzutage mit "Filz" und "mafiöse Strukturen" bezeichnet wird, ist im Mittelalter gängige Praxis.

1071
Pfingsten: Otto von Northeim unterwirft sich dem König zu Halberstadt. Er verliert seine Reichslehen, behält jedoch seine eigenen Güter. Es scheint, als hätten gewisse königliche Räte seinen Sturz betrieben. Von dem im letzten Jahr verhängten Todesurteil jedenfalls ist keine Rede mehr. Von Ottos Sturz profitiert sein Schwiegersohn Welf. Er schickt diesem seine Tochter zurück und und bietet Heinrich IV. viel Geld, damit er ihm als Nachfolger Ottos das Herzogtum Bayern gebe, "denn er hielt es für besser, den Vorwurf des Meineids und die Schande des Treubruchs auf sich zu nehmen, als sich in seiner glänzenden Lage an dessen hoffnungslose, verlorene Sache zu binden...So geriet ihm der Betrug, und er wurde groß und mächtig, aber alle verabscheuten ihn, weil er die glänzendste und angesehenste Würde im Reich durch so schmutzigen Ehrgeiz besudelt hatte." (Lampert von Hersfeld, S. 132f.) Welf kann ungeachtet der Vorwürfe Lamperts seine Stellung ohne Probleme behaupten und versöhnt sich später öffentlich mit Otto. Vorübergehender Sieg der kirchlichen Reformbewegung der Patarener gegen Adel und hohen Klerus in Mailand (bis 1075). Mailand wird zunehmend unabhängiger von seinen Erzbischöfen.

1072
Die Obotriten überfallen Hamburg.

1073
Der Mönch Hildebrand wird nach dem Tode seines Vorgängers Alexander II. als Gregor VII. neuer Papst.

1074
In der "Fastensynode" werden Priesterehe und Simonie verboten. Stephan von Muret, einst Eremit in Kalabrien, gründet im Limousin den Orden von Grandmont. Hier gibt es bald Laienbrüder, welche nur die niederen Weihen empfangen und wirtschaftliche und finanzielle Angelegenheiten des Ordens besorgen. Als der Erzbischof von Köln das Schiff eines Kaufmanns entladen lassen will, um es seinem Freund, dem Bischof von Münster zur Verfügung zu stellen, kommt es zu einem Volksaufstand: "Zu derselben Zeit begab sich in Köln ein Ereignis, welches der Trauer und der Tränen aller Rechtschaffenen wert ist; man weiß nicht, ob durch den Leichtsinn des gemeinen Volks, oder durch das Anstiften derer, welche das Schicksal des Königs an dem Erzbischofe zu rächen wünschten. Wahrscheinlicher ist die Vermutung, daß die Kölner dem Vorgange der Bürger von Worms folgten, deren Name bei allen gefeiert war, deswegen, weil sie dem Könige im Unglücke die Treue bewahrt und den Bischof, welcher sich aufzulehnen versuchte, aus der Stadt vertrieben hatten, und daß sie diesem so bösen Beispiel nacheifernd, dem Könige auch von ihrer Ergebenheit durch irgend eine ausgezeichnete Tat einen erfreulichen Beweis darbringen wollten. Zur Ausführung dieses ruchlosen Vorhabens gab der Zufall eine passende Gelegenheit. Der Erzbischof beging das Osterfest zu Köln, und bei ihm war der Bischof von Mimigardefurd [Münster], den er zur Teilnahme an den Freuden einer so großen Feierlichkeit aus Rücksicht auf ihre vertraute Freundschaft geladen hatte. Als dieser, nachdem die ersten Festtage vorüber waren, sich zur Heimkehr anschickte, erhielten diejenigen, welche das Hauswesen des Erzbischofs besorgten, den Auftrag, für ein Schiff zu sorgen, welches zu seiner Abfahrt geeignet wäre. Nachdem sie alle gemustert und genau besichtigt hatten, nahmen sie ein Schiff eines gewissen sehr reichen Kaufmanns in Beschlag, weil es ihnen zu diesem Gebrauche passend erschien; sie befehlen, die darauf befindlichen Waren auszuladen, und das Schiff unverzüglich zum Dienste des Bischofs in Bereitschaft zu setzen. Da die Diener, welchen die Bewachung des Schiffes anvertraut war, sich weigern, drohen sie ihnen mit Gewalt, wenn sie nicht ohne Zaudern ihre Befehle ausrichten. Jene eilen darauf in schnellem Laufe, so rasch sie nur können, zu dem Herrn des Schiffes, melden ihm die Sache und fragen an, was zu tun sei. Dieser hatte einen erwachsenen Sohn, nicht weniger durch Kühnheit, als durch körperliche Stärke ausgezeichnet, der sowohl durch Verschwägerung seiner Familie als durch seine Verdienste den Vornehmsten der Stadt vor allen lieb und befreundet war. Dieser nahm sein Gesinde und andere junge Leute aus der Stadt, soviel er bei solcher plötzlichen Gefahr zu seiner Hilfe sich verschaffen konnte, zu sich; er begibt sich mit ihnen in fliegender Eile zu dem Schiffe und jagt die Diener des Erzbischofs, welche heftig darauf dringen, das Schiff auszuräumen, schmählich von dannen. Als hierauf der Stadtvogt die Sache auf sich nimmt, und bei seiner Ankunft den Lärmen erneuert, so treibt er auch diesen mit gleicher Festigkeit zurück, und schlägt ihn in die Flucht. Schon eilen beiden Teilen ihre Freunde bewaffnet zu Hilfe, und es schien, als wenn die Sache auf große Gefahr und einen bedenklichen Kampf hinauslaufen wollte. Als man dem Erzbischofe die Nachricht brachte, daß die Stadt durch einen sehr heftigen Auflauf beunruhigt werde, so schickte er schnell seine Boten aus, um die Volksbewegung zu stillen, und drohte voller Zorn, in der nächsten Gerichtssitzung die aufrührerischen jungen Leute durch gebührende Strafe zu züchtigen. Denn er war zwar ein Mann, den jegliche Gattung der Tugenden schmückte, und von oft erprobter Rechtschaffenheit in allen Angelegenheiten des Staates sowohl wie der Kirche Gottes; aber bei so vielen Tugenden erschien an ihm ein einziger Fehler, wie ein kleines Mal auf dem schönsten Körper, daß er nämlich, wenn sein Zorn entbrannte, die Zunge nicht genug beherrschen konnte, sondern gegen Alle ohne Ansehen der Person zänkische Reden und die beißendsten Scheltworte ausstieß. Dieses tadelte er auch an sich selbst heftig, sobald er den Zorn ein wenig gebändigt hatte. Kaum gelang es, dem Streite auf kurze Zeit Einhalt zu tun. Aber jener Jüngling, der trotzigen Sinnes und durch den ersten Erfolg aufgeblasen war, hörte nicht auf, alles zu verwirren, und die Stadt durchlaufend, streute er unter das Volk mancherlei Reden aus über das hochmütige und harte Benehmen des Erzbischofs, welcher so oft Ungebührliches gebiete, so oft Unschuldigen das Ihrige nehme, so oft die achtbarsten Bürger mit den anzüglichsten Worten angreife. Und es war nicht schwer, diese Gattung von Menschen zu allem, was man wollte, wie ein Blatt, welches vom Winde fortgeweht wrd, umzustimmen, da sie, von Jugend auf in städtischer Üppigkeit erzogen, keine Erfahrung von Kriegshändeln hatten, und gewohnt, nach Verkauf ihrer Waren bei Weingelagen und Gastereien von Kriegstaten zu reden, alles, was ihnen in den Sinn kam, ebenso leicht ausführen, als davon reden zu können glaubten, weil sie es nicht verstanden, die Folgen der Dinge zu ermessen. Überdies erinnerten sie sich der gefeierten und herrlichen Tat der Einwohner von Worms, daß sie ihren Bischof, welcher anfing, allzu anmaßend zu handeln, aus der Stadt vertrieben hatten, und da sie ja stärker an Volkszahl, und mit Geld und Waffen noch besser versehen waren, so hielten sie es für unwürdig, daß man glaubte, sie ständen an Kühnheit unter jenen, für unwürdig, den Erzbischof, der über sie mit tyrannischem Stolze gebiete, so lange weibisch zu dulden. Die Angeseheneren in der Stadt beraten gemeinschaftlich törichte Pläne, der unbesonnene Pöbel rast aus Sucht nach Neuerungen und ruft die ganze Stadt, von teuflischem Geiste hingerissen, zu den Waffen; schon verschwören sie sich, den Erzbischof nicht aus der Stadt zu vertreiben, wie die Einwohner von Worms, sondern ihn durch alle Martern zu töten, wenn sie seiner habhaft würden. Es war der Gedächtnistag des heiligen Georg des Märtyrers, der in diesem Jahre auf den Mittwoch in der Osterwoche fiel, und der Erzbischof hatte, nachdem er bei dem heiligen Georg die Messe gefeiert, während er zum Volke redete, mit einer gewissen Ahnung der Zukunft, ohne das bevorstehende Unheil selbst zu kennen, vor seinen Zuhörern beteuert, daß die Stadt in die Gewalt des Teufels gegeben sei und ehestens untergehen werde, wenn sie sich nicht beeilten, den schon über sie hereinbrechenden Zorn Gottes durch Buße abzuwenden. Als nun Nachmittags, da sich der Tag schon zum Abend neigte, so wie Öl zum Feuer, zum Zorne Trunkenheit sich gesellte, da stürzen sie aus allen Teilen der Stadt zum erzbischöflichen Hofe, und an einem öffentlichen Orte, wo er mit dem Bischof von Mimigardefurd [Münster] speiste, greifen sie ihn an, schleudern Geschosse, werfen Steine, töten einige von der Umgebung, und treiben die übrigen, von Schlägen und Wunden erschöpft, in die Flucht. Bei diesem Auflauf sahen sehr viele den Anstifter solcher Wut, den Teufel selber, vor dem unsinnigen Volke vorauslaufen, behelmt und gepanzert, mit einem feurigen Schwerte furchtbar blitzend, und niemandem als sich selbst zu vergleichen. Und während er mit einer Kriegstrompete die Zaudernden anfeuerte, ihm in den Kampf zu folgen, verschwand er mitten im Getümmel, als er mit lautem Geschrei auf die Pforten zustürzte, um die Riegel derselben zu sprengen, plötzlich aus den Augen der ihm folgenden. Den Erzbischof retten die Seinigen unter den dicht gedrängten Haufen der Feinde und der Wolke von Wurfgeschossen mit genauer Not, ziehen ihn fort in den Tempel des heiligen Petrus und verrammeln die Eingänge nicht bloß durch Schlösser und Riegel, sondern auch mit großen Blöcken, die sie davor wälzen. Außerhalb rasen und brüllen, wie ausgetretene Fluten, jene Gefäße des Teufels, voll vom Weine des Zornes Gottes, durchlaufen alle Gemächer des bischöflichen Palastes, erbrechen die Türen, plündern die Schätze, zerhauen die Weinfässer, und indem sie die für langen Gebrauch mit größtem Fleiße zusammengebrachten Weine allzu hastig ausgießen, hätte der damit plötzlich angefüllte Keller, was auch bei der Erzählung zum Lachen reizt, die durch die unvermutete Flut gefährdeten beinahe ertränkt. Andere dringen in die Kapelle des Erzbischofs ein, berauben den Altar, betasten die heiligen Gefäße mit befleckten Händen, zerreißen die priesterlichen Gewänder, und da sie alle zum Gottesdienst bestimmten Gerätschaften mit sorgsamem oder vielmehr rasendem Eifer herumreißen, finden sie hier jemanden, der sich aus Furcht in einem Winkel versteckt hatte, und, in der Meinung, daß es der Erzbischof sei, tödten sie ihn, nicht ohne frohlockende Schmährede, daß sie endlich einmal der so zügellosen Zunge ein Ziel gesetzt hätten. Doch als sie erfuhren, daß sie durch die Ähnlichkeit getäuscht wären, und der Erzbischof innerhalb des Tempels des heiligen Petrus sowohl durch die Heiligkeit des Ortes als die Festigkeit der Mauern sich schützte, so scharen sie sich von allen Orten her zusammen, umlagern die Kirche, strengen sich an, mit Fleiß die Mauern zu durchbrechen, und drohen zuletzt, wenn ihnen der Erzbischof nicht sofort ausgeliefert würde, auch Feuer anlegen zu wollen. Als nun die, welche innerhalb waren, erkannten, daß der Sinn des Volks fest auf seinen Tod gerichtet war, und daß diese Menschen nicht bloß durch die Trunkenheit, welche mit der Zeit zu verschwinden pflegt, sondern auch durch hartnäckigen Haß und eine gewisse tolle Wut getrieben würden, so raten sie ihm zu dem Versuch, mit veränderter Kleidung aus der Kirche zu entfliehen und die ihn belagernden zu täuschen, um durch diese Tat das heilige Gebäude von der Feuersgefahr, und sich von dem drohenden Tode zu befreien. Die günstige Zeit verhieß Schutz für die Flucht. Da der Aufstand sich bis um Mitternacht hingezogen hatte, so herrschte überall schauerliche Finsternis und Dunkelheit, daß es für niemanden leicht war, das Gesicht der ihm begegnenden zu unterscheiden. Ein enger Eingang führte aus der Kirche in das Schlafhaus, und wieder aus dem Schlafhause in den Hof und das Haus eines Domherrn, welches an die Ringmauer der Stadt angebaut war. Dieser hatte nach Gottes gnädiger Fürsehung zur Rettung des Erzbischofs wenige Tage vor Entstehung des Aufruhrs von dem Erzbischofe die Erlaubnis erlangt, die Stadtmauer durchbrechen, und sich eine kleine Hintertür anlegen zu dürfen. Dort hinaus führte man den Erzbischof, und nachdem zu seiner und seiner Begleiter Fortbringung schleunig vier Pferde herbeigeschafft waren, entfernte er sich, durch die Finsternis der dunkeln Nacht auf das trefflichste geschützt, daß ihn die begegnenden nicht erkannten. Kurz nachher traf er auch den Bischof von Mimigardefurd wieder, und gelangte, nun schon in Betracht des damaligen Mißgeschicks mit stattlichem Geleit, an einen Ort, welcher Noussen genannt wird. Unterdessen erschütterten die, welche die Kirche umzingelten, die Mauern durch heftige Stöße der Sturmböcke, und es erscholl ein verwirrtes Geschrei der tobenden, welche bei dem allmächtigen Gotte beteuerten, daß er ihren Händen nicht entrinnen, daß er die Wachsamkeit der Belagerer nicht täuschen sollte, selbst wenn er sich in das kleinste Gewürm der Erde verwandelte. Dagegen vereitelten diejenigen, welche eingeschlossen waren, bald mit Bitten, bald mit Versprechungen, daß sie ihm auf das sorgfältigste nachspüren, und ihn, wenn sie ihn fänden, selbst ausliefern wollten, in schlauer Weise die Bemühungen derer, die sie bedrängten, so lange bis sie glaubten, daß der Erzbischof schon weit genug entwichen und an sichere Orte gelangt sei. Dann erst öffnen sie die Türen, lassen jene selbst eindringen, um nach ihrem Belieben zu suchen, und setzen hinzu, man suche ihn vergebens innerhalb des Umfangs der Kirche, da sie mit Gewißheit erfahren hätten, daß er bei dem ersten Anstürmen der aufgeregten Menge noch am hellen Tage die Stadt verlassen habe, und schon in entfernte Gegenden habe gelangen können; es sei eher zu vermuten, daß er von allen Orten bei nächtlicher Weile Truppen zusammenziehen und am frühen Morgen anrücken werde, um sich der Stadt mit den Waffen zu bemächtigen. Jene drangen also hinein, und nachdem sie alle innersten Räume des Tempels sorgfältig durchforscht und durchwühlt hatten, überzeugten sie sich endlich nur mit Mühe, daß sie hätten getäuscht werden können; darauf aber richten sie nun von dem Eifer im Nachsuchen ihr Augenmerk auf die Verwahrung der Stadt, und verteilen die bewaffnete Menge rings umher auf die Schutzwehren. Unterdessen ergreifen sie einen aus dem Haufen und knüpfen ihn zur Schmach des Erzbischofs über dem Stadttore auf, mehr um ihre Wut, von welcher sie unaufhaltsam hingerissen wurden, zu befriedigen, als weil sie dem Unglücklichen irgend ein todeswürdiges Verbrechen hätten vorwerfen können. Auch ein Weib stürzen sie von der Höhe der Mauer herab, daß es den Hals brach und tot blieb, ihm schuld gebend, daß es verrufen gewesen, Menschen oftmals durch Zauberkünste um den Verstand zu bringen. Aber dieses Verbrechen hätten sie zu angemessener Zeit und mit ruhigerem Gemüthe ahnden sollen. Sie hatten auch den Vorsatz gefaßt, wenn Gott nicht, für seine Knechte sorgend, die Tage ihres Wahnsinns verkürzt hätte, die Mönche im Kloster des heiligen Pantaleon insgesammt zu ermorden, deswegen weil sie, nachdem der Erzbischof die alten Mönche vertrieben, dort eine neue und ungewöhnliche Art des Gottesdienstes eingerichtet hätten. Außerdem befahlen sie rüstigen jungen Männern, in möglichst beschleunigter Reise sich zu dem König zu begeben, ihm das, was vorgegangen war, zu melden, und ihn aufzufordern je eher je lieber zu kommen, um die durch Verjagung des Erzbischofs ledige Stadt zu besetzen; darauf beruhe das Heil der Stadt und sein eigener größter Vorteil, daß er dem Erzbischof, der mit großen Dingen umgehe um seine Schmach zu rächen, zuvorzukommen suche. Von solcher Raserei wurden sie drei ganze Tage lang umhergetrieben. Als man nun im Lande hörte, und es sich durch das allgemeine Gerücht verbreitete, daß die Kölner ihrem Erzbischofe Schimpf und Schande angetan und ihn aus der Stadt getrieben hätten, entsetzte sich alles Volk über die Neuheit der That, über das Ungeheuere des Verbrechens, das Schauspiel der menschlichen Dinge, daß ein Mann von so großen Tugenden in Christo, vor Gottes Augen so unwürdiges habe erdulden können. Seine große Freigebigkeit gegen Dürftige, seine hingebende Andacht in göttlichen Dingen, seine große Mäßigung in menschlichen Geschäften, sein unermüdeter Eifer zu Verbesserung der Gesetze, seine rücksichtslose Strenge in Züchtigung der Übeltäter, wurden von aller Mund gepriesen, und die Erinnerung daran erwarb ihm nicht wenig Gunst bei den Einwohnern des Landes. Alle rufen laut, mehr ihnen selbst zur Schmach gereiche die Verletzung der Majestät des priesterlichen Namens, und es wäre besser für sie zu sterben, als zu dulden daß ein so großes Verbrechen zu ihren Zeiten ungeahndet bleibe. Sie rufen daher vier oder fünf Meilen in der Runde umher zu den Waffen, viele tausend Menschen strömen geschwinder als man es nur sagen kann, herzu, und keiner, der seines Alters wegen die Waffen tragen kann, weigert sich eines so frommen Kriegsdienstes; zusammengeschaart bitten sie den Erzbischof, und treiben den zaudernden mit Gewalt an, zur Wiedereroberung der Stadt auf das schleunigste herbeizuziehen; sie wollten für ihn streiten, und wenn die Not es erheische, wie Schafe für ihren Hirten und Kinder für ihren Vater gern den Tod erleiden; beeilten sich die Kölner nicht, ihn aufzunehmen, wenn er komme, und nach seinem eigenen Gutdünken dem beleidigten Genüge zu tun, so würden sie entweder Feuer hinein werfen und das Volk mitsamt der Stadt vernichten, oder die Mauer zertrümmern und ihn über die Leichen der Erschlagenen auf den erzbischöflichen Stuhl zurückführen. So zog denn der Erzbischof am vierten Tage nach seiner Flucht, umringt von einer großen Schar, gegen die Stadt. Als die Kölner dieses erfuhren, und inne wurden daß sie den Andrang einer so großen und so erbitterten Menge weder durch ihre Mauer noch durch eine Feldschlacht aufhalten könnten, da zuerst begann ihre Wut sich abzukühlen und die Trunkenheit zu schwinden; und von gewaltigem Schrecken ergriffen, schickten sie ihm Boten wegen des Friedens entgegen, indem sie sich als schuldig bekannten, und bereit erklärten jede Strafe zu leiden, die ihnen auferlegt würde, wenn ihnen nur das Leben bliebe. Der Erzbischof antwortete, er werde den wahrhaft reuigen Vergebung nicht versagen. Hierauf feierte er das Hochamt bei dem heiligen Georg, und lud diejenigen, welche den Bischof aus seinem eigenen Sitze vertrieben, welche die Kirche mit Mord befleckt, welche den Tempel des heiligen Petrus feindlich angegriffen, welche alles Recht der Kirche mit roher Frechheit entweiht hätten, durch den bischöflichen Bann zur Genugtuung. Alsbald zogen alle barfüßig, mit wollenen Gewändern auf dem bloßen Leibe heran, nachdem sie nur mit Mühe von der Menge, die um den Erzbischof war, die Zusage erlangt hatten, daß sie dieses ungefährdet tun könnten. Denn jene zürnten ihm heftig, daß er, um der Leute Gunst zu gewinnen, ohne Maß seine Milde zur Schau trage und dadurch die nichtswürdigen Menschen, wenn dieser Frevel unbestraft bleibe, ermutige, noch Schlimmeres zu wagen. Der Erzbischof befahl ihnen des folgenden Tages beim heiligen Petrus sich einzustellen, um die Buße für eine so ungeheuere Schandtat nach den kanonischen Vorschriften auf sich zu nehmen. Er selbst zog weiter bis zur Kirche des heiligen Gereon, und beschloß hier außerhalb der Stadt zu übernachten; und aus Besorgnis, daß nach Übergabe der Stadt die Gewaltsamkeit der aufgeregten Menge nicht im Zaum gehalten werden könne, sondern daß sie teils aus Erbitterung über das an ihm begangene Unrecht, teils von Begierde nach Beute entflammt, allzu grausam gegen das Volk wüten möchten, bittet er das bei ihm befindliche Landvolk, daß ein jeder in Frieden heimziehen möge; er habe sich ihrer Hilfe genug bedient, und einen augenscheinlichen Beweis davon erhalten, welche Gesinnung die Schafe gegen den Hirten, die Söhne gegen den Vater hegten; der schwierigste Teil des Geschäfts sei mit Hilfe ihrer großen Tapferkeit vollbracht; das andere, was noch übrig sei, werde nun leicht durch seine eigenen Haustruppen beendigt werden können; daher möchten sie jetzt mit gutem Glück wieder nach Hause ziehen und die Hoffnung mit zurücknehmen, daß die Dankbarkeit für diese Wohltat bei ihm, ob er nun lebe oder sterbe, beständig fortdauern werde. Nachdem er dieses mit Mühe erlangt hatte, befahl er seinen Leuten, so vielen als er zur Dämpfung der städtischen Unruhen, wenn sie etwa durch den Leichtsinn des Volkes sich wieder erneuerten, genügend glaubte, in die Stadt einzuziehen; er selbst würde ihnen am nächsten Tage folgen, sobald durch die Wachsamkeit derer, die er vorausgesandt, Sorge getragen wäre zu verhüten, daß nicht etwa heimliche Nachstellungen in der Stadt verborgen wären. In dieser Nacht entwichen aus der Stadt 600 oder noch mehr der reichsten Kaufleute, und begaben sich zu dem König, um die Hilfe seiner Vermittelung gegen das Wüten des Erzbischofs anzuflehen. Die übrigen stellten sich, nachdem der Erzbischof in die Stadt gezogen war, und ganze drei Tage lang, der Übereinkunft gemäß, sie erwartete, auf keine Weise ihm vor, um irgend eine Art der Genugtuung anzubieten. Dieses unwürdige Benehmen erschien den Mannen des Bischofs unerträglich, und, wie die Meisten behaupten, ohne Vorwissen des Erzbischofs und ohne ihn zu fragen, greifen sie zu den Waffen, dringen in die Häuser, plündern die Habe, strecken von denen, die ihnen begegnen, einige zu Boden, andere nehmen sie gefangen und werfen sie in Fesseln; kurz sie üben, um es, wenn auch wider Willen, zur Steuer der Wahrheit zu bekennen, das Werk der gerechten Rache weit grausamer, als es dem Rufe eines so hohen Kirchenfürsten anstand. Aber die schwerere Krankheit bedurfte eines schärferen Gegenmittels. Der Sohn des oben erwähnten Kaufmanns, welcher zuerst das Volk zum Aufruhr entflammt hatte, und wenige andere wurden des Augenlichts beraubt, einige mit Ruten geschlagen und ihr Haar geschoren; alle büßten mit dem empfindlichsten Verluste an ihrem Vermögen, und wurden gezwungen einen Eid abzulegen, daß sie hinfort für den Erzbischof die Stadt wider die Gewalttätigkeit aller und jeder behaupten wollten, so viel sie durch Rat und Tat vermöchten, und diejenigen, welche aus der Stadt geflüchtet waren, stets als ihre ärgsten Feinde betrachten, bis sie dem Erzbischofe gebührende Genugtuung geleistet haben würden. So wurde die Stadt, welche kurz vorher so volkreich und nächst Mainz das Haupt und die Krone der gallischen Städte gewesen war, plötzlich beinahe zur Einöde gemacht; und sie, deren Straßen kaum die dichten Schwärme der Fußgänger faßten, läßt jetzt nur selten einen Menschen blicken, während alle vormaligen Orte des sehnlichen Verlangens und der Lustbarkeiten von Schweigen und Schauer beherrscht werden. Unbezweifelte Vorzeichen hatten dieses voraus verkündet. Ein Pilger war zur Feier des Palmsonntages in demselben Jahre dahin gekommen. Dieser sah im Traume einen Raben von furchtbarer Größe durch ganz Köln flattern, und mit schrecklichem Gekrächze das Volk, welches über solchen Anblick entsetzt war, hierhin und dorthin scheuchen; darauf sah er einen Mann erscheinen, herrlich an Kleidung und Gestalt, welcher den Raben, der alles mit entsetzlichen Tönen erfüllte, aus der Stadt vertrieb und das Volk, welches voll Bestürzung schon das Schlimmste befürchtete, von der nichtigen Furcht erlöste. Als nun dieser voll Schreckens die Umstehenden um die Erklärung des Traumes befragte, da vernahm er, daß die Stadt wegen der Sünden des Volkes in die Gewalt des Teufels gegeben gewesen, aber durch die Fürbitte des Märtyrers Georg befreit, dem Verhängnis ihres nahen und schon von Gott vorherbestimmten Unterganges entronnen sei." [Lampert von Hersfeld, Annalen]
Eine Urkunde Heinrichs IV. gewährt der Stadt Worms Zollfreiheit: "Im Namen der heiligen und ungeteilten Dreifaltigkeit. Heinrich, durch das Walten von Gottes Gnaden König. Es ist Aufgabe königlicher Gewalt und Güte, den Dienst aller Leute mit angemessenen guten Gaben zu entgelten, in der Weise also, daß diejenigen, die sich in der Ergebenheit des Dienstes besonders bereitwillig zeigen, auch beim Entgelten des Dienstes sich freuen können, als besonders verdienstlich und besonders erhaben beurteilt zu werden. Und unter diesen haben Wir die Einwohner der Stadt Worms nicht eines ganz kleinen, sondern eines ganz großen und besonderen Entgelts für würdig, nein: für würdiger als alle Bürger jeglicher Städte angesehen - sie, von denen Wir wissen, daß sie in der ganz großen Erschütterung des Reiches mit ganz großer und besonderer Treue zu Uns gehalten haben, obgleich Wir sie weder durch ein mündliches, noch durch ein in einem Brief von Uns selbst oder einem Boten vermerktes, noch überhaupt irgend ein Wort zu dieser so hervorragenden Treue gewonnen hatten. Und diese Treue haben Wir deswegen so hervorragend genannt: Während alle Fürsten des Reiches unter Mißachtung des heiligen Bandes der Treue gegen Uns wüteten, gaben sie allein sich gleichsam dem Untergang preis und hingen Uns an gegen den Willen aller. Denn während alle Städte sonst sozusagen - nein: tatsächlich bei Unserem Herannahen die Tore schlossen, während man Wachposten zur Nacht abwechselnd verteilte, während sie, mit Kost und Eisenwaffen geschützt, bei Nacht und bei Tag umschritten wurden, hat sich allein Worms mit der allgemeinen Zustimmung der Bürger, mit der Rüstung der Waffen aller An Unserem Einzug bewahrt. Daher sollen sie also bei dem Entgelten des Dienstes die ersten sein, die in der Ergebenheit des Dienstes wahrhaftig nicht die allerletzten waren. Daher sollen sie bei der gebührenden Belohnung ihres Dienstes allen als Beispiel dienen, die alle in der Bewahrung des heiligen Bandes der Treue übertroffen haben. Daher sollen Einwohner aller Städte froh sein in der Hoffnung auf die königliche Vergütung, welche die Wormser tatsächlich erreicht haben. Lernen sollen alle, in deren Nachahmung dem König die Treue zu bewahren, - alle, die in deren Förderung die Güte des Königs gutheißen. Diese Förderung läßt sich zwar in wenigen Worten zusammenfassen, doch in deren Einschätzung selbst wird sie nicht als geringfügig, sondern als willkommen und ehrenvoll angesehen. Denn die Abgaben, die man in deutscher Sprache als »Zoll« bezeichnet, welche die Juden und die anderen Wormser in allen Zollstätten, die der königlichen Gewalt zugehören - also Frankfurt, Boppard, Hammerstein, Dortmund, Goslar, Enger -, bei der Durchreise zu zahlen verpflichtet waren, haben Wir den Wormsern erlassen, so daß sie künftig keinen »Zoll« mehr zahlen, und dies haben Wir in Gegenwart Unserer Fürsten - also Liemars des Erzbischofs von Hamburg, der Bischöfe Ebbo von Naumburg, Dietrich von Verdun, Hermann von Bamberg und Burkhard von Basel - sowie der übrigen Getreuen von Christus und von Uns rechtskräftig gemacht. Daß diese Rechtsbestätigung, die über die Aufhebung des genannten »Zolls« stattfand, keiner Unserer Nachfolger, also keiner der Könige oder Kaiser, aufhebt, bitten Wir inständig, und Wir verbürgen Uns für die wünschenswerte Dauerhaftigkeit der Handlungen eines jeden. Wer - und das sei ferne! - Uns dabei irgendwie schwächt, möge gewiß sein, daß er sich selbst und was er tut schwächt. Diese Bestätigung, die, wie man unten sieht, mit eigener Hand auf dieser Urkunde, die Wir haben schreiben lassen, eingeschrieben und mit dem Aufdruck Unseres Siegels versehen ist, haben Wir der Kenntnis allen künftigen und gegenwärtigen Volkes hinterlassen. Handzeichen des Herrn Heinrich IV., des allerdemütigsten und unüberwindlichsten Königs. Ich, Kanzler Adalbero, habe in Vertretung des Erzkanzlers Siegfried die Ausfertigung beglaubigt. Gegeben am 18. Januar, im Jahre der Geburt des Herrn 1074, in der 12. Indiktion, aber im 19. Jahr des Herrn Heinrich, des 4. Königs seines Namens, dem 17. Jahr seines Königtums; geschehen zu Worms; Heil und Segen im Namen Gottes. Amen." [Weinrich. S. 133/135. 0: Die Urkunden Heinrichs IV. Tl. l. Hrsg. von Dietrich von Gladiß. Berlin 1941. (MGH DD H IV.) S. 342 f., Nr. 267.]

1075
In der "Fastensynode" wird die Laieninvestitur verboten. Damit beginnt der Investiturstreit der Päpste mit den deutschen Königen. Nach einer Augsburger Chronik sollen Höllengeister gleichzeitig mehrere Weiber aus dem Gefolge von Herzog Wolf von Bayern überfallen haben. In Fulda ist ein neuer Abt zu bestimmen und etliche Bewerber machen dem König Angebote: "Wie in einem feierlich angesagten Wettkampf lief da jeder einzelne mit aller Kraft um die Wette: Der eine versprach goldene Berge, der andere ungeheure Lehen aus den Fuldaer Besitzungen, ein dritter außergewöhnliche Dienstleistungen für das Reich, und alle wahrten nicht Maß noch Ziel in ihren Angeboten." (Lampert von Hersfeld, S. 324ff.)
Ca.: Der Reif der ungarischen Stephanskrone wird etwa auf dieses Jahr datiert. Die heutige Form der Krone, von der übrigens kein Teil auf den hl. Stephan zurückgeht, entsteht Ende des 12. oder Anfang des 13. Jhs. 076 Bischof Gandolfo von Reggio Emilia erlaubt den Bewohnern des Ortes Fossoli (nördlich von Carpi im Modeneser Flachland), ein sumpfiges Waldgebiet weiter im Norden, wo weite Gebiete ungebutzt liegen, zu bearbeiten. Die Bauern benutzen es als Viehweide und zur Holzgewinnung. Um den Holzabbau zu beschränken, darf das Holz nur auf dem Rücken herausgeschafft werden darf. Januar: Heinrich IV. und die deutschen Bischöfe erklären in der Synode von Worms den Papst für abgesetzt. In der "Fastensynode" setzt Papst Gregor VII. den deutschen König ab und exkommuniziert ihn. Die Untertanen sollen vom Treueeid entbunden sein. Oktober: Die deutschen Fürsten beschließen in Anwesenheit päpstlicher Legaten auf dem Fürstentag zu Tribur (Trebur) den König abzusetzen, falls der Bann nicht binnen Jahresfrist gelöst werde. Epidemie des Antoniusfeuers (Mutterkornbrand) im Westen.

1076/1077
Strenger Winter in Deutschland, Frankreich und Italien.

1077
25. - 28. Januar: Heinrich IV. pilgert nach Canossa und wird vom Bannzauber befreit. Die Fürsten wählen unterdessen Rudolf von Schwaben (bzw. von Rheinfelden) zum Gegenkönig. Es gibt Bürgerkrieg (bis 1080). In Mainz revoltieren die Bürger gegen den päpstlich gesinnten Erzbischof Siegfried I., welcher den Gegenkönig gekrönt hat. Auf dem Weg nach Canossa haben die eigenen Verwandten Heinrichs ihm die Durchreise durch Savoyen erst gestattet, nachdem er ihnen wertvolle Besitzungen in dieser Gegend geschenkt hatte. Erzbischof Gebhard von Salzburg hat sich auf die Seite des Papstes gestellt. Während des Investiturstreites werden die Befestigungen Hohensalzburg und Werfen errichtet.

1078
Tübingen ("Tvvingia") wird erstmals erwähnt. Es belagert nämlich König Heinrich IV. die Burg Hohentübingen.

1079
"Ein Graf namens Friedrich, der von den vornehmsten Grafen Schwabens abstammte, hatte auf der Burg Staufen eine Siedlung angelegt. Da er im Rat vorausschauend und im Waffenhandwerk tüchtig war, war er an den kaiserlichen Hof (Heinrichs IV.) aufgenommen worden, hatte dort lange Zeit Dienst getan und dem Kaiser in allen Gefahren mannhaft beigestanden. Als nun der Kaiser die gefährliche Lage des Reiches erkannte, berief er den Grafen insgeheim zu sich und und sprach zu ihm: 'Bester der Männer, den ich im Frieden als den treuesten und im Kriege als den tapfersten erkannt habe, sieh wie das römische Reich...sich zu niederträchtigen Anschlägen und verabscheuungswürdigen Taten verleiten läßt...Erhebe du dich wider diese schreckliche Seuche und gürte mannhaft dein Schwert zur Niederwerfung der Feinde des Reiches. Denn ich bin diener bisherigen Verdienste nicht uneingedenk und werde deiner künftigen nicht uneingedenk sein. Ich werde dir vielmehr meine einzige Tochter zur Ehefrau geben und dir das Herzogtum Schwaben, das Berthold an sich gerissen hat, übertragen.'" (Otto von Freising, S. 144ff.) Die Herzogswürde von Schwaben fällt damit für die nächsten 200 Jahre an die Staufer.
Ca.: Verwendung von Hopfen zum Bierbrauen.

1080
In der Schlacht von Hohenmölsen fällt Gegenkönig Rudolf von Schwaben. Er verliert hier nämlich seine rechten Arm, mit dem er einst Heinrich ewige Treue geschworen hat und stirbt an der Verletzung. Man sieht darin den Beweis für sein Unrecht. Sein grabmal im Dom von Merseburg zeigt ein zeitgenössisches Reliefbild des Toten auf einer Bronzeplatte - das erste Bild eines deutschen Königs auf einem Grabmal und das älteste erhaltene figürliche hochmittelalterliche Laiengrabmal überhaupt. Heinrich IV. wird erneut gebannt. Erzbischof Wibert von Ravenna wird zum Gegenpapst erhoben.
Ca.: Lampert von Hersfeld (ein Mönch) verfaßt seine Annalen.
Ca.: König Philipp I. von Frankreich plündert italienische Händler aus, die zu den Messen in seiner kleinen königlichen Domäne zwischen Paris und Orléans kommen. Darüber ereifert sich Papst Gregor VII. Nach 1080: In Bologna wirkt der Rechtsgelehrte Irnerius; er verfaßt Glossen zum Rechtskodex des Justinian (aus dem 6. Jh.) und begründet die "Glossatorenschule".

1081
Es stirbt der Chronist Lampert von Hersfeld (ca. 53).

1083
In Sachsen ist "der Sommer sengend; viele Kinder und Greise starben an der Ruhr."

1084
Heinrich IV. (34) belagert Papst Gregor VII. in der Engelsburg in Rom. Im Februar stößt er nach Apulien vor und läßt sich von Gegenpapst Klemens III. am 21. März zum Kaiser krönen. Bruno von Köln stiftet den Orden der Karthäuser. Juden aus Mainz emigrieren nach Speyer. Bischof Rüdiger siedelt sie geschlossen an und erteilt ihnen Privilegien.

1085
Papst Gregor VII. stirbt. Heinrich IV. verkündet in Mainz für das Reich den "Gottesfrieden", ein Fehdeverbot an bestimmten Tagen.

1086
In England entsteht das Domesday Book, eine Art Grundbuch. Hierin sind insgesamt 268984 Personen verzeichnet. Dies sind allerdings nur die Haushaltsvorstände (oder nur jene, die eine volle Hofstelle besitzen); außerdem gibt es Lücken in den Städten sowie Rechenfehler, und die nördlichen Provinzen sind nicht erfaßt. Darby hat daraus eine Gesamtbevölkerung Englands zwischen 1,2 und 1,6 Millionen errechnet. Mit hypothetischen 50% zusätzlichen Landlosen und Unterpächtern kommt M. M. Postan auf eine Maximalzahl von bis zu 2,4 Millionen. Daraus ist u.a. zu ersehen, daß in England beim Ackerbau noch keine Pferde eingesetzt werden. Es gibt in England 5624 Wassermühlen.

1086/1087
Aus der Wassermühle wird die Walkmühle entwickelt, die das Walken des Stoffes mit den Füßen oder mit Knüppeln ersetzt. (Nach einer Urkunde der Abtei Saint-Wandrille) Eine solche Mühle kann bis zu 40 Arbeitskräfte ersetzen.

1087
Bis 1087 ist in der päpstlichen Kanzlei die Griechische Indiktion gebräuchlich (Wechsel des Jahres im Indiktionszyklus zum 1. September; siehe bei 832).

1088
In Evreux existiert eine Biermühle.
Ca.: Bologna wird zum Mittelpunkt für die Lehre des Römischen Rechts. Bildung einer Rechtsschule. Bis 1143: Die päpstliche Kanzlei benutzte bisher als Jahresanfang neben dem 25. Dezember auch den 25. März nach Florentiner Rechnung (25. März nach unserem heutigen Jahresanfang). Nun wird zusätzlich auch noch die Pisaner Rechnung (25. März vor unserem Jahresanfang) verwendet.

1089
Epidemie des Antoniusfeuers (Mutterkornbrand) im Westen. "Viele verfaulten zu Fetzen, wie von einem heiligen Feuer verzehrt, das ihnen die Eingeweide auffraß; ihre Glieder, nach und nach zernagt, wurden schwarz wie Kohle. Sie starben schnell unter grauenvollen Qualen, oder sie setzten ohne Füße und Hände ein noch schrecklicheres Leben fort. Viele andere wanden sich in nervösen Krämpfen." [Sigbert von Gembloux]

1089/1090
Im sog. Bempflinger Vertrag wird Reutlingen (Rutelingin) erstmals erwähnt.

1090
Heinrich IV. gewährt den Juden von Worms und Speyer Privilegien. Markgraf Wiprecht von Groitzsch beginnt die Gründung des Klosters Pegau an der Elster. Der normannische Graf Roger, der Bruder von Robert Guiscard von Sizilien erreicht die Freilassung von christlichen Gefangenen aus der Eroberung von Malta: "Er rief alle Gefangenen zusammen, die er der Gefangenschaft entrissen und mit sich genommen hatte, und gab ihnen die Freiheit. Er bot ihnen an, falls sie bei ihm in Sizilien bleiben wollten, auf seine eigenen Kosten an einem Ort ihrer Wahl für sie ein Dorf zu bauen und sie mit allem zu versehen, was sie für die Gewinnung des Lebensunterhalts nötig war. Dieses Dorf sollte "freies Dorf" (villa franca) genannt werden, weil es auf Dauer von jeglichen Abgaben und knechtischen Diensten frei sein sollte. Jenen aber, die zu ihren eigenen Feldern und Angehörigen zurückzukehren wünschten, gewährte er die Freiheit, zu gehen, wohin sie wollten." (Malaterra, "De rebus gestis Rogerii 4, 16"; ed. Pontieri S. 95f.) Neu daran ist, daß Roger die Gefangenen nicht zwangsweise neu ansiedelt, wie es sein Bruder noch vor wenigen Jahrzehnten getan hat. Es wird versucht, Arbeitskräfte durch Schaffung attraktiver Rahmenbedingungen anzulocken. Diese Methode wird die Basis für die Siedlungs-, Wanderungs und Kolonisierungsbewegungen des Hochmittelalters - im Gegensatz zu Knechtschaft und Gefangennahme in früheren Zeiten. Hassan Sabâh aus Ghom (Qom), der Anführer der persischen Ismailiten bringt durch einen Handstreich die fast uneinnehmbare Bergfestung Alamut (Adlernest) südlich des Kaspischen Meeres in seinen Besitz. Dort regiert er die nächsten 34 Jahre über die Nezâris, wobei er sein Zimmer in dieser Zeit nur zweimal verlassen haben soll (und auch nur, um aufs Dach zu gehen). Er gilt auch als Mathematiker und Alchimist. Er läßt zwei seiner eigenen Söhne töten, einen davon wegen verbotenem Alkoholgenuß. Sein Werk sind die Assassinen (Sekte oder Orden als "Staat im Staat"). Diese Geheimbewegung verbreitet sich bis zu den Küsten des Mittelmeeres, mit einem Netz befestigter Stützpunkte. Ihre fedâ'is ("Opfergänger") werden für ihre Mordanschläge bekannt. (Nach der Legende vom "Alten vom Berge" sollen sie Haschisch benutzt haben).
Ca.: "Liber de vita christiana" des Bonizo von Sutri, worin der "Ritter" (miles christianus) aufgefordert wird zu Ergebenheit gegenüber dem Herrn, Verzicht auf Beute, Hingabe des Lebens für den Herrn, Kampf für das Wohl der "res publica", Krieg gegen die "Ketzer", Schutz der Armen, Witwen und Waisen sowie Einhaltung der dem Herrn gelobten Treue. "Wenn Könige, Magnaten und Ritter nicht aufgerufen wären, Schismatiker und Häretiker und Exkommunizierte zu verfolgen..., dann wäre der gesamte Kriegerstand in der christlichen Gemeinschaft überflüssig." [56]
Bis 1095: Eine Zeit allgemeiner oder fast allgemeiner Hungersnot.

1091
Beispiel für Reliquienverehrung - im Kloster Rastede (bei Oldenburg): "(13) Auf ihn folgte Bischof Liemar im Bischofsamt. Mit seiner Erlaubnis weihte Bischof Hartwig von Verden auf Bitten des ruhmreichen Grafen Friedrich dieses Kloster im Jahre der göttlichen Fleischwerdung 1091, in der 9. Indiktion, am 16. August, im Namen der heiligen und unteilbaren Dreifaltigkeit und zu Ehren der heiligen Gottesgebärerin, der Jungfrau Maria, sowie der Heiligen, deren Reliquien im Hauptaltar ruhen. Es sind darin folgende Reliquien eingelassen: Ein Stück vom Grabe des Herrn, von der Krippe des Herrn und vom Tisch des Herrn. Vom Bart des hl. Petrus. Von der Milch der hl. Jungfrau Maria. Von ihrem Gewand, von den Daunen ihres Kopfkissens, und andere Reliquien von ihr. Ein Stück vom Stabe des hl. Petrus. Vom Blut des hl. Johannes des Täufers. Reliquien der heiligen Apostel Andreas, Jacobus, Barnabas, Thomas, Philippus und Jacobus, Bartholomäus. Reliquien des hl. Märtyrers Mauricius, des Johannes und Paulus. Stücke von den Gebeinen und dem Gewand des hl. Georg. Reliquien der heiligen Unschuldigen Kinder und des Hippolytus, Laurentius, Augustinus, Vitus, Modestus. Reliquien der heiligen Bekenner Martin, Felix, und des Metzer Bischofs Remigius. Reliquien der heiligen Kölner Jungfrauen Cäcilia, Martha, Agatha, Barbara. Der Südaltar wurde am 16. August von demselben ehrwürdigen Hartwig, Bischof von Verden, im Namen der heiligen und unteilbaren Dreifaltigkeit und zu Ehren Johannes des Täufers geweiht. In diesem Altar befinden sich noch Reliquien des hl. Stephanus, des hl. Nicasius und seiner Gefährten, zu deren Ehren der Altar gleichfalls geweiht ist. Der Altar im Norden wurde am 17. August von demselben Bischof geweiht im Namen der heiligen und unteilbaren Dreifaltigkeit und zu Ehren der heiligen Bekenner Benedikt, Nikolaus und Martin, deren Reliquien im Altar ruhen. Außerdem befinden sich dort Stücke vom Grab und vom Leichentuch des Herrn, vom Stab des hl. Petrus und vom Gewand der hl. Maria. Ein Splitter vom Stab des Moses und Aaron. Reliquien der heiligen Märtyrer Laurentius, Clemens und Hilarius. Ferner der heiligen Kölner Jungfrauen Walpurgis und Petronilla, ferner von Margareta und Maria Magdalena. Im Jahre der Menschwerdung des Herrn 1091, in der 14. Indiktion, am 17. August, weihte derselbe Bischof Hartwig den Mittelaltar im Namen der heiligen und unteilbaren Dreifaltigkeit und zu Ehren des siegreichen Kreuzes und des hl. Märtyrers Dionysius, dessen Reliquien mit anderen nachfolgend aufgezählten darin ruhen: Reliquien der heiligen Märtyrer Cosmas und Damianus und des hl. Albanus. Teile vom Banner des hl. Mauricius und von den Gebeinen desselben sowie seiner Gefährten. Reliquien der Apostel Timotheus und Petrus. Ein Stück vom hl. Kreuz. Reliquien des hl. Johannes des Täufers sowie des Bekenners Augustinus. Reliquien der heiligen Kölner Jungfrauen Walpurgis und Gertrud, der Maria Magdalena, Agnes, Felicitas und Margareta." [Rasteder Chronik]

1093
Mißbrauch des Heeresaufgebots: Wilhelm II. (der Rote) von England beruft die Aufgebote der Grafschaften nach Hastings, angeblich für einen Feldzug in der Normandie. Es sollen 20000 gekommen sein, von denen jeder die zehn Schillinge dabei hat, die seine Grafschaft zur Versorgung stellen muß. William nimmt das Geld und schickt sie wieder nach Hause.

1094
Der Markusdom in Venedig wird geweiht; dort werden erstmals Gondeln erwähnt. "Im selben Jahre war eine große Sterblichkeit der Menschen, vorzüglich aber in Deutschland. Als nämlich die genannten Bischöfe auf ihrem Rückwege von Mainz durch ein Dorf namens Amberk [Amberg], kamen, konnten sie die außerhalb des Dorfes gelegene sehr geräumige Pfarrkirche nicht betreten, um eine Messe zu hören, weil der ganze Boden voller Leichen lag. Auch in der Stadt Kaker war nicht ein Haus, in welchem sich nicht drei oder vier Leichen befanden; wir gingen also daran vorüber und übernachteten unweit der Stadt auf freiem Felde." [Cosmas, Chronik von Prag]
Epidemie des Antoniusfeuers (Mutterkornbrand) im Westen.

1095
"Im Jahre der göttlichen Menschwerdung 1095 erschien der nördliche Himmel viele Nächte hindurch gerötet." [Cosmas, Chronik von Böhmen]
27. November: Auf dem Konzil von Clermont ruft Papst Urban II. zum Kreuzzug auf. Den Teilnehmern an Turnieren wird mit dem Bann gedroht. Noch in diesem Jahr beginnt der Wandermönch Peter (der "Kleine Peter", später als "Peter der Einsiedler") aus der Gegend von Amiens, den Kreuzzug zu predigen, beginnend in der Grafschaft Berry.

1096
Februar und März: Peter der Einsiedler zieht - kreuzzugspredigend - durch das Orléannais und die Champagne nach Lothringen, von dort an der Maas entlang über Aachen nach Köln, wo er bereits 15000 Leute gesammelt hat und wo ihm weitere zuströmen. (12. - 20. April) In Deutschland schließen sich keine hohen Fürsten an. Ein fanatisierter Volkshaufen unter Graf Emicho vom Nahegau zieht nach Mainz und bringt dort 1014 Juden um. Es sollen 12000 Mann gewesen sein. Insgesamt werden in Mainz, Worms, Trier, Metz, Köln, Neuß, Xanten, Regensburg und Prag nach vorsichtigen Schätzungen 4000 bis 5000 Juden umgebracht. Frühjahr: Erste "zucht- und mittellose Horden" von Kreuzfahrern erreichen Ungarn. Während des ganzen Sommers fließt ein führerloser und ununterbrochener Pilgerstrom nach Osten. 1. August: Vor Konstantinopel erscheinen die ersten undisziplinierten Haufen von Kreuzfahrern unter Peter von Amiens ("Peter der Einsiedler"); die bereits in Ungarn angefangen haben zu plündern. Guibert von Nogent: "Der Kaiser erließ ein Edikt, um allen die Möglichkeit zu geben, nach Belieben zu kaufen, was in der Stadt verkäuflich war, riet ihnen aber gleichzeitig, nicht den Meeresarm zu überschreiten, der nach dem heiligen Georg hieß (der Bosporus) und der sie von dem durch die Türken besetzten Land trennte. Er warnte sie, sich wegen ihrer Unterlegenheit nicht ohne Gefahr dem Zusammentreffen mit den unzähligen Streitkräften der Türken auszusetzen. Doch weder die Gastfreundschaft der Einwohner der griechischen Provinzen noch selbst die Leutseligkeit des Kaisers konnten die Pilger besänftigen; sie benahmen sich mit äußerster Unverschämtheit, verwüsteten die Paläste der Stadt, setzten öffentliche Gebäude in Brand, rissen die Bleiplatten von den Dächern der Kirchen und verkauften dieses Blei dann wieder an die Griechen. Erschreckt von dieser kühnen Ausschreitung, befahl ihnen der Kaiser, den Sankt-Georgs-Arm unverzüglich zu überschreiten." 15. August: Offizieller Aufbruch zum Kreuzzug. Anonymus: "Als die Türken erfuhren, daß die Christen die Burg (Xerigordon, kleine Grenzbefestigung) besetzt hielten, belagerten sie diese. Vor dem Burgtor befand sich ein Brunnen und am Fuß der Burg eine sprudelnde Quelle, bei der sich Rainald (der Führer der Gruppe) aufstellte, um den Türken einen Hinterhalt zu legen. Diese langten an am Tage des Michaelisfestes, entdeckten Rainald und seine Gefährten und machten eine große Anzahl nieder, während die anderen in die Burg flohen. Die Türken belagerten diese alsbald und schnitten die Wasserzufuhr ab. Die unsrigen litten dermaßen unter Durst, daß sie ihren Pferden und Eseln die Adern öffneten, um das Blut zu trinken; andere warfen Schärpen und Lappen in die Latrinen und drückten die Flüssigkeit aus in ihren Mund; einige urinierten in die Hand eines Gefährten und tranken dann; andere gruben feuchten Boden auf, legten sich dann nieder und häuften die Erde auf ihre Brust, so groß war das Brennen ihres Durstes. Die Bischöfe und Priester aber bestärkten die Unsrigen in ihrem Mut und ermahnten sie, durchzuhalten." Bei Civitot werden sie von den Türken nach einem Ausbruch am 21. Oktober niedergemacht. Ein kleiner Teil entkommt nach Konstantinopel. Später beschreibt Anna Komnena den Ort: "Diese Gebeine bildeten einen ungeheuren Haufen oder vielmehr eine Erhebung, einen Hügel, einen hohen Berg von beträchtlicher Oberfläche. Menschen von demselben Stamm wie die niedergemetzelten Barbaren bauten daraus Mauern wie die einer Stadt, und anstelle des Mörtels füllten sie die Zwischenräume mit den Gebeinen der Toten und machten aus dieser Stadt gewissermaßen ihr Grab. Dieser befestigte Platz besteht noch heutzutage, umgeben von einer Mauer aus Steinen und Knochen." Ende des Jahres erreicht der offizielle Kreuzzug Konstantinopel.

1097
In London wird der Weiße Tower vollendet (die erste Version des Londoner Towers), ein Kubus von drei bis vier Stockwerken (33 x 36 x 27,5 Meter). Diese königliche Zwingburg liegt gerade noch innerhalb der alten römischen Stadtmauer "wie das Schloß an einer Kette" und über einem römischen Lager und ist erbaut mit Steinen aus Caen. Er heißt der "weiße" Tower, weil weiß gekalkt.

1098
Ein exemplarischer Sterbefall: Graf Liutold von Achalm verstirbt. Er hat zusammen mit seinem Bruder Kuno das Kloster Zwiefalten gegründet. Solche Gründungen durch einzelne Geschlechter dienen quasi als Vorsorge für das Seelenheil und sind allgemein üblich. Liutold hat dem Kloster fast seinen gesamten Besitz vermacht, aber das scheint noch nicht genug zu sein: "Das zehnte Jahr seit der Gründung dieses Klosters war noch nicht abgelaufen, da fühlte Graf Liutold, dessen Leiden sich verschlimmert hatte, daß er dem Ende seines diesseitigen Lebens nahe sei. Wohl konnte er mit dem Apostel sprechen: 'Einen guten Kampf habe ich gekämpft, meinen Lauf vollendet, den Glauben bewahrt; nunmehr liegt für mich bereit die Krone der Gerechtigkeit' und so weiter (2 Tim 4,7f.). Gleichwohl bat er, um 'als Gerechter gerechtfertigt zu werden', ihm noch in der Stunde vor seinem Hinscheiden die Mönchsweihe zu erteilen. (...?) Dermaßen beraubte sich jener einst so reiche, so großmächtige Graf, dem alle Genüsse des Lebens zu Gebote standen, um Gottes und um euretwillen, ihr Brüder, ihr gottgeliebten Söhne, dermaßen entblößte er sich, um nackt Christus nachfolgen zu können, 'um mit seinem Überflusse eurem Mangel abzuhelfen', um sein Angedenken bei Gott und bei euch für ewige Zeiten zu sichern." (Ortlieb von Zwiefalten, S. 72 - 74) Robert, Abt des Klosters Molesme gründet inmitten des morastigen Waldes von Cîteaux (in der Diözese von Langres) ein Kloster, um die Benediktinerregel zu reformieren. Die Mitglieder dieses neuen Ordens werden als Zisterzienser bezeichnet. Nacht vom 2. auf 3. Juni: Die Kreuzfahrer erobern Antiochia (weil ihnen ein armenischer Waffenschmied namens Firuz nachts ein Tor geöffnet hat, um sich am Kommandanten der Stadt zu rächen). Das Gemetzel, welches sie dort anrichten, soll zwischen 10000 und 60000 Tote gekostet haben. Bald sehen sie sich selbst in der Rolle der Belagerten. 14. Juni: Die Kreuzfahrer finden in einer Kirche die "Heilige Lanze" (ungeachtet der Tatsache, daß sich bereits in Konstantinopel eine solche befindet!), angestiftet von einem provencalischen Visionär namens Peter Bartolomäus ("der Ärmsten und Niedrigsten einer", eine umstrittene Gestalt, die später an den Folgen einer Feuerprobe stirbt). Drei Tage sollen mit Beten und Fasten verbracht worden sein (beim allgemeinen Hunger kein Kunststück). Dann werden am 28. Juni die belagernden Türken vertrieben. Erster Kreuzfahrerstaat: Balduin von Boulogne setzt sich in Edessa fest.

1099
Die Kreuzfahrer erobern Jerusalemd m unetzeln dort alles nieder. Die Zahlen der Opfer schwanken zwischen 20000 und 70000. Angeblich soll noch im nächsten Jahr der Verwesungsgeruch spürbar gewesen sein. In Valencia stirbt der Cid alias Rodrigo Diaz aus Vivar. In Mainz werden die Weber urkundlich erwähnt (erste Zunft?). Es stirbt Graf Adalbert von Calw, der Stifter des Klosters Hirsau. Unter seiner Herrschaft sind etliche Waldhufendörfer im Nordschwarzwald angelegt worden. In Venedig wird der Rialtomarkt eingerichtet 11. Jh. Bis Anfang des 11. Jhs. gilt in England der 25. Dezember als Jahresanfang. Genagelte Hufeisen sind nun überall gebräuchlich. Aufkommen der Harfe in Europa. Der gregorianische Choral wird allmählich von mehrstimmigem Gesang verdrängt. Seit Mitte des 11. Jh. wird in der byzantinischen Kaiserkanzlei orientalisches Papier verwendet (wahrscheinlich arabische Importe). Orientalisches Papier ist bräunlich, glatt, gut geleimt, zuweilen löschpapierähnlich, stark und geschmeidig. Es zeigt keine Wasserzeichen, aber dafür manchmal krumme oder schiefe Formstreifen (je 20 in einer Breite von 22 - 30 mm) und unregelmäßig verteilte Stege. Seit Mitte des 11. Jhs. gilt in England durch normannischen Einfluß der 25. März als Jahresanfang (bis 1752, in Schottland bis 1600). Um die Wurten in Friesland entstehen erste niedrige Deiche. Zur gleichen Zeit werden die bisherigen kleinen Boote durch größere Schiffe ersetzt. Durch die Deiche können die Boote nicht mehr die flachen Schiffsländen an den Warften ansteuern. Die ersten Deiche sollen weniger das Meerwasser abhalten, als vielmehr die Überflutung mit Süßwasser aus dem Hinterland verhindern, welches sich zuweilen an der Grenze des Tideneinflußbereiches staut. Aus bisher unbesiedelten Sietländern werden Polder.
1099 bis 12. Jh.: Entstehung des französischen Epos "Karlsreise" (Le Voyage de Charlemagne à Jerusalem et à Constantinople), wahrscheinlich im Zusammenhang mit dem Reliquienkult von St.-Denis. Ende 11. Jh.: Bis etwa jetzt hat die päpstliche Kanzlei für amtliche Bücher noch Papyrus benutzt, während päpstliche Urkunden auf Papyrus bereits um die Mitte des 11. Jhs. verschwunden sind.
Ende 11. Jh./Anfang 12. Jh.: Entstehung des Wilhelmsliedes (Chanson de Guillaume), des ältesten Liedes der Wilhelmsepik um Wilhelm, einen Vetter Karls des Großen.