Bögen
In der einen oder anderen Form werden Bögen seit den Kindertagen der
Menschheit verwendet. Sie stellten einen "großen Schritt"
in der menschliche Fähigkeit dar, Schaden zuzufügen, weil der Angreifer
sich in beträchtlicher Entfernung von seinem Ziel befindet. Er ist nicht
in Reichweite der Klauen eines wilden Tieres oder der Nahkampfwaffen des Feindes.
Außerdem besteht bei den Bogen und Schußwaffen noch ein wichtiger
Unterschied zu den geworfenen Waffen, den man gern übersieht, nämlich
der, daß die eigentliche Waffe, die aufwendig und kostspielig gefertigt
wurde, in der Hand des Schützen verbleibt, und man sie nicht nach dem
Kampf, manchmal unter langem Suchen, zurückholen muß. Im Gegenteil,
ein Bogen läßt sich immer wieder verwenden, solange der Kampf andauert.
Die ersten Bogen waren lange, schlanke Stäbe (auch Stecken genannt) mit
einer Sehne aus Tiersehnen oder Pflanzenfasern. Ein Bogen, der über längere
Zeit nicht benutzt wird, wird normalerweise entspannt, d.h. seine Sehne wird
an einem Ende ausgehakt, damit der Stab sich wieder strecken kann, sonst verliert
er allmählich seine Zugkraft.
Zum Bespannen eines Lang- oder Kompositbogens ist schon einiges an Kraft erforderlich,
da der Stecken, auf der Erde stehend, so gebogen werden muß, daß
die Sehnenschlaufe über seine Spitze gezogen werden kann.
Alle mittelalterlichen Bogen werden als Blankbogen bezeichnet, es sind Bogen
ohne Visiere, Pfeilauflagen und ähnliche Hilfsmittel. Blankbogenschießen
stellt auch heute noch eine Disziplin des Bogenschießens dar. Beim Blankbogenschießen,
kann die Veränderung der Position der Zughand im Gesicht als Zielhilfe
benutzt werden, ebenso die Veränderung der Position der Zughand auf der
Sehne. Schnelles Blankbogenschießen nennt man Instinktiv-Schießen,
weil der Schütze auf technische und sonstige Hilfsmittel verzichtet.
Er zielt nicht, sondern hat sein Ziel lediglich kurz vor Augen, um dann zu
lösen.
Eine weitere Disziplin beim Bogenschießen ist das Feldbogenschießen,
bei dem die Schützen im Gelände aus bekannten oder unbekannten Entfernungen
aus schießen. Diese Art des Schießens wurde ehemals entwickelt,
um die Jagd- und Kriegssituation zu simulieren. Beim Feldbogenschießen
geht es, außer dem Treffen von Zielen auch um Gruppierungen auf Entfernungen.
Eine gute Gruppierung liegt dann vor, wenn die Pfeile eines Schützen
möglichst nah beieinander liegen.
Für traditionelle Bogen werden insbesondere Bogensehnen im flämischen
Spleiß (besondere Herstellungsart von Sehnen) verwendet. Ein Bogenrücken
(Backing) ist beim traditionellen Bogen die Verstärkung auf der dem Schützen
abgewandten Seite des Bogens und kann verschiedene Formen haben.
Von einer deflexen Bogenform spricht man, wenn sich der Bogen zum Schützen
hin biegt. Von einer reflexen Bogenform spricht man, wenn sich der Bogen vom
Schützen wegbiegt. Oberer und unterer Teil des Bogens, in dem die Energie
gespeichert wird, und der sich beim Auszug biegt, werden Wurfarme genannt.
Viele Bogen, außer den Langbogen, sind rekursiv (mehrfach geschwungen)
gebogen.
Rekursive nennt man ein Ende des Wurfarms, wenn es sich im Zeitpunkt des Lösens
vom Schützen wegbiegt. In diesem Teil des Bogens wird die meiste Energie
gespeichert. Kompakte Kriegs- und Reiterbögen sind meist auf diese Art
gefertigt, damit sie trotz ihrer relativ geringen Länge eine beachtliche
Schußkraft entwickeln können.
Die Kerbe im Ende des Pfeils, mit welcher der Pfeil auf der Sehne befestigt
werden kann, wird Nock genannt. Der Nockpunkt ist die Stelle auf der Sehne,
wo der Pfeil aufgesetzt werden muß. Manchmal ist er als Hilfestellung
farbig markiert. Die Mittelwicklung (Umwicklung des mittleren Teils der Sehne,
auf dem der Nockpunkt fixiert wird) soll die Sehne vor einer Abnutzung schützen.
Manchmal wird eine Mundmarke (Sehnenmarkierung in Höhe des Mundes des
Schützen) montiert, die der Kontrolle des korrekten Auszugs dient.
Der Bogenarm, bzw. die Bogenhand ist der Arm bzw. die Hand, in welcher der
Bogen gehalten wird. Beim Rechtshänder ist dies die linke, beim Linkshänder
die rechte Hand. Entscheidend dafür, ob man jemanden als Linkshand- oder
Rechtshandschützen bezeichnet, ist, mit welcher Hand die Sehne gezogen
wird.
Zieht man die Sehne mit der rechten Hand, ist man ein Rechtshandschütze
(in aller Regel wird man dann auch von Natur aus Rechtshänder sein).
Zieht man die Sehne mit der linken Hand, ist man ein Linkshandschütze
(zu 90 % sind Linkshandschützen von Natur aus auch Linkshänder).
Die Hand, welche die Sehne festhält, wird auch als Zughand bezeichnet.
Ein bestimmter Punkt, üblicherweise im Gesicht des Bogenschützen,
der beim Spannen des Bogens von der Zughand berührt wird, wird Ankerpunkt
genannt. Die Distanz, über die der Schütze den Bogen zu spannen
hat, um zu seinem Ankerpunkt zu gelangen, ist die Auszuglänge, gemessen
von der Vorderkante des Bogens.
Beim mediterranen Schießstil befindet sich der Zeigefinger der Zughand
oberhalb, der Mittel- und der Ringfinger unterhalb des Pfeils. Beim Untergriff
wird die Sehne mit drei Fingern unterhalb des Pfeils gegriffen. Zum Spannen
eines Bogens beim Schuß zieht man die Sehne (man faßt nicht den
Pfeil selbst an) zurück bis etwa in den Bereich zwischen Wange und Ohr.
Der Pfeil steckt mit seiner Nock-Kerbe auf der Sehne fest und wird mit der
Sehne zurückgezogen. Man zielt mit dem Auge auf der Pfeilseite über
den Schaft hinweg.
Wer schon einmal mit einem Bogen geschossen hat, weiß, daß die
Fingerkuppen der Schußhand bald zu schmerzen beginnen, weil die gespannte
Sehne beim Lösen daran entlangstreift. Deshalb trägt man den Schießhandschuh,
einen speziellen Handschuh aus Leder mit 3 Fingern, der Zeige-, Mittel- und
Ringfinger der Zughand schützt.
Weil eine gelöste Sehne dazu neigt, schmerzhaft gegen die Innenseite
des Unterarms des Bogenarm zu peitschen, wenn der Bogen nicht richtig in der
angewinkelten Hand gehalten wird, tragen viele Schützen einen Armschutz,
ein Stück festen Materials das die gefährdeten Stellen bedeckt.
In der Regel wird ein Armschutz aus Leder oder einem lederähnlichen Material
gefertigt und an der Innenseite des Unterarms befestigt.
Für Anfänger empfiehlt sich ein Armschutz, der sowohl Unter- als
auch Oberarm bedeckt. Bei professionellen Bogenschützen ist der Armschutz
noch durch ein Stück Horn, Knochen oder dickes Leder verstärkt.
Ohne diesen Armschutz gibt es schmerzhafte wunde Stellen mit Blutergüssen,
die denen durch einen heftigen Peitschenhieb gleichkommen.
Gefährlich und zu vermeiden ist außerdem der sogenannte Trockenschuß,
ein Loslassen der Sehne nach einem Probespannen, ohne daß ein Pfeil
abgeschossen wird. Dies kann nicht nur die Zerstörung des Bogens, sondern
auch Verletzungen des Schützen zur Folge haben.
Um ein Verdrehen der Wurfarme zu vermeiden, muß jeder Bogen stets mit
einer Spannhilfe bespannt werden. Falls man einen rekursiven Bogen aufspannen
möchte, kann man einen Spanngurt benutzen. Man steckt das linke Bein
durch die kleine Gurtschlinge, steckt das untere Bogenende ebenfalls hindurch
und bringt die Gurtschlinge auf Spannung. Dann steigt man mit dem rechten
Bein über die Bogeninnenseite (zwischen Bogen und Sehne), spreizt die
Beine und dreht die Hüfte in den Bogen. Über die Hüfte als
Hebelpunkt hat man genug Kraft, den Bogen soweit zusammenzubiegen, bis man
die Sehnenschlinge ein- oder aushaken kann.
Eine weitere Methode, vor allem für Langbögen, ist das Spannen mit
einer Spannleine, die verhindert, daß ein Wurfarm zu stark belastet
würde und zerbrechen kann. Die Spannleine ist im Prinzip eine überlange
Bogensehne, die wie eine solche aufgezogen wird. Die Mitte der Spannleine
wird dann mit dem Fuß auf dem Boden fixiert und der Bogen in der Mitte
emporgehoben, bis er sich (gleichmäßig) so weit durchbiegt, daß
die eigentliche Sehne aus- oder eingehakt werden kann.
Reine Bogenschützen tragen unterschiedliche Panzer oder einfach ein wattiertes
Wams. Arme und Finger sind normalerweise mit Leder geschützt. Ein Bogenschütze
hat gewöhnlich 24 Pfeile bei sich, bzw. trägt sie unmittelbar am
Körper. Auf Nachschubwagen werden neue gebracht.
Viele Bogenschützen tragen ihre Pfeile lieber im Gürtel als in einem
Köcher; vor allem für Reiter gibt es Hüft- oder Sattelköcher,
im Gegensatz zu den üblichen Rückenköchern. Um schnell nachladen
zu können, stecken Fußschützen die Pfeile auch oft vor sich
in den Boden.
Ein geübter Schütze kann, wenn ihm die Pfeile angereicht werden
oder sie vor ihm in der Erde stecken, alle fünf Sekunden einen Schuß
abgeben, allerdings läßt ihm die schnelle Schußfolge weniger
Zeit zum Zielen. Muß er sich aus einem Köcher bedienen oder will
er genauer zielen, so beansprucht jeder Schuß etwa zehn Sekunden.
Pfeil und Bogen waren die Waffen des einfachen Mannes in Europa, da geschmiedete
Waffen unbezahlbar waren (ein geschmiedetes Schwert kostete genausoviel wie
zwei Pferde). Im Spätmittelalter hatte der Bogen als Kriegswaffe seine
Blütezeit in England. Die Fürsten versorgten ihre Bogenschützen
besser als die Infanterie und im Troß der Heere waren immer Bogenbauer,
Fletcher (Pfeilschäfter) und Schmiede, welche die Ausrüstung der
Schützen instandhalten mußten.
An strategischen Punkten wurden Lager unterhalten, in denen Pfeile, Bögen
und alles weitere Zubehör deponiert wurde. Alte Lagerlisten aus dem Tower
zu London belegen, daß im Jahre 1359 20.000 Langbögen, 85.000 Pfeile
und 50.000 Sehnen eingelagert waren.
Mit der Verbreitung von Handfeuerwaffen geriet der Gebrauch von Bögen
außer Übung. Die Überlegung war, daß ein verwundeter
oder geschwächter Soldat zwar nicht mehr die Kraft besäße,
einen Bogen zu spannen, aber er konnte immer noch einen Abzug bedienen.
Bogenschützen wurden noch bis ins 17. Jahrhundert hinein im Krieg eingesetzt.
Auch heute noch ist der Bogen eine zwar etwas anachronistische, aber immer
noch sehr effiziente Waffe. Vor allem für Attentate eignet er sich hervorragend,
weil er leicht zu bekommen ist und nicht registriert wird, sehr leise ist
und Pfeile für Ballistiker kaum Untersuchungswert haben, zumal sie leicht
wieder aus dem Opfer entfernt werden können (im Gegensatz zu Kugeln).
Außerdem kann man Bogen und auch Pfeile mit besonderen Spitzen auch
sehr leicht selbst herstellen oder nicht nachvollziehbare Standardware "von
der Stange" verwenden. (Dies soll keine Anleitung oder Aufforderung zu
Attentaten sein. Diese sind nämlich verboten. :-) )
Kompositbögen sind Bögen, deren Stäbe aus mehr als nur einem
Material bestehen. Dadurch erreichen die Bögen eine enorme Zugkraft,
selbst in der Hand eines schwachen Bogenschützen.
Das zweite Material, aus dem der Kompositbogen besteht, kann alles von einer
anderen Holzsorte über Knochen, Sehnen bis hin zu Metall sein. So gibt
es eine Variationen aus Geweihen oder eine mit an einem Holzgriff angebrachten
Metallfedern.
Sehr verbreitet war auch der Hornbogen, der aus verleimten und verzahnten
Hornstäben sowie Sehnen besteht. Der Vorteil des Hornbogens sind hervorragende
Schießergebnisse bei trockenem Wetter. Der Nachteil ist der hohe Preis
(man braucht für einen Hornbogen die Achillissehnen von ca. 55 Rindern),
und bei feuchtem Wetter sind die Schießergebnisse nicht erwähnenswert.
Beim Compoundbogen wird die Sehne nach dem Flaschenzugprinzip mehrfach umgelenkt,
und damit die Wirkung des Bogens verlängert. Der Compoundbogen zählt
zu den modernen Bögen und ist nur der Vollständigkeit halber mit
aufgeführt. Im Mittelalter gab es ihn noch nicht.
Das Material des Compoundbogens kann stärker ausfallen, weil die Zugkraft
durch das Flaschenzugprinzip in einen längeren Weg gewandelt wird. Meistens
verfügt dieser Typ von Bogen über je eine Rolle am oberen und unteren
Wurfarm, über die zwei Kabel geleitet werden.
Als Summe hat ein Compoundbogen die gleichen Eigenschaften wie ein Langbogen,
aber die Abmessungen eines Kurzbogens. Hat man den Bogen über einen bestimmten
Punkt hinweg ausgezogen, wird das Zuggewicht deutlich reduziert. Diese Zuggewichtsreduktion
beträgt 50 %, 65% oder sogar 80%. Das maximale Zuggewicht bei Compoundbögen
bezeichnet man als Gipfelzuggewicht.
Die Kurzbögen
Zuerst entwickelten sich die Kurzbögen, auch wenn sie damals noch nicht
so hießen. Das Wort ist heute vielmehr ein Auffangbegriff, der alle
Bögen umfaßt, die keine mittleren oder Langbögen sind. Kurzbogenstecken
sind bis zu einen Meter lang.
Im Laufe der Jahre bemühte man sich, die Reichweite der Bögen zu
vergrößern. Man baute die Bögen entweder mit längeren
Stäben, was zur Entwicklung der mittleren und Langbogen führte,
oder man verbesserte die Flexibilität, ohne daß man den Stab verlängerte.
Kurzbögen können nur Kurzbogen-Pfeile verschießen, die etwa
60 cm lang sind. Es sind hauptsächlich Jagdpfeile (Flugpfeile) ohne schwere
Kriegsspitzen.
Der Flitzebogen (engl.: Self Bow, franz.: Arc) ist ein provisorischer Bogen,
der "mal eben auf die Schnelle" selbst aus einem Ast o.ä. hergestellt
wurde. Er ist nicht besonders zielgenau und verfügt nur über eine
geringe Reichweite. Der Flitzebogen wird oft nur als Kinderspielzeug benutzt
oder zur Kleintierjagd eingesetzt. Wenn man gerade keine Fernwaffe zur Hand
hat, kann man ihn in wenigen Minuten selbst bauen, sofern man eine taugliche
Bogensehne zur Verfügung hat.
Der Kurzbogen (engl.: Short Bow, franz.: Court Arc) besitzt einen Stecken
von etwa einem Meter Länge, ist gespannt durch seine Krümmung natürlich
etwas kürzer. Er ist leicht zu tragen, wenn auch nicht ganz einfach zu
verbergen, ist aber eine beliebte Fernwaffe und eignet sich auch hervorragend
zur Jagd auf kleineres und mittelgroßes Wild und zur Benutzung vom Pferd
aus. Die Zugkraft beträgt etwa bis zu 25 Kilogramm.
Der Kompositkurzbogen (engl.: Composit Short Bow, franz.: Court Arc composit)
ist besonders bei Reitern beliebt, da er sich auch vom Pferderücken aus
gut einsetzen läßt und wesentlich effizienter als ein normaler
Kurzbogen ist. Schon in den Grabbeigaben von Tutenchamun sind Kompositbögen
zu finden.
Mit dem Reiterbogen (engl.: Horseman's Bow) kann man selbstverständlich
auch dann schießen, wenn man kein Pferd hat. Man wird sich wundern,
welche Energie in diesem relativ kleinen Spezialbogen steckt. Aufgrund der
doppelt rekursiv geschwungenen Wurfarme läßt er sich butterweich
spannen. Er ist kräftig und trotzdem kurz genug, um einen Reiter nicht
sonderlich zu behindern, und er eignet sich ebenfalls für Schüsse
aus kniender Position heraus.
Der Bogen besteht oft aus Bergahorn, Ahorn- oder Eschenholz. Dort, wo die
Sehne eingehängt wird, sind die Bogenenden zusätzlich mit Hartholz
versehen. Die Wurfarme sind mit Leder ummantelt. Edle Ausführungen haben
eine Umwicklung aus Fischleder sowie Hornauflagen im Bereich der Bogenenden
und des Griffes.
Er ist ideal für Schützen, die großen Wert auf Geschwindigkeit
legen. Das Zuggewicht liegt zwischen 15 und 60 Kilogramm, er schießt
etwa 80 bis 120 Meter weit. Wenn der Reiterbogen traditionell geformt und
sein Griff symmetrisch ist, ist er von Rechts- und Linkshandschützen
verwendbar.
Zum Auf- und Abspannen des stabilen Bogens ist etwas Kraft und ein Spannriemen
als Spannhilfe nötig. Der Reiterbogen ist mit leicht geöffneter
Hand zu schießen, so verdreht er sich nicht beim Schuß. Berühmt
sind die koreanischen und baltischen Reiterbögen.
Die Langbögen
Der lange Bogen ähnelt dem Kurzbogen, mit dem Unterschied, daß
der Stab etwa so lang ist wie der Schütze groß ist oder sogar noch
länger, normalerweise bis etwa 195 cm. Er besitzt eine höhere Reichweite
und eine stärkere Durchschlagskraft als der kurze oder mittlere Bogen
und kann Langbogen-Pfeile von ca. 80 cm bis 1 Meter Länge verschießen.
Langbogenschützen müssen ständig trainieren, um genügend
Kraft zum Spannen des Bogens zu haben. Oft zielt man auf aufgemalte Scheiben
an Ton- oder Lehmwänden, damit die Pfeile bei Fehlschüssen nicht
davonfliegen. Zum Üben werden normalerweise einfache Holzpfeile verwendet.
Der Langbogen (engl.: Long Bow, franz.: Long Arc) selbst besteht meist aus
Ulmen-, Eschen- (englischer Langbogen) oder Eibenholz (Wikingerbogen), aber
keineswegs aus einem beliebigen Stück Holz. Der Bogen wird sorgfältig
aus Herz und Korpus eines Astes geschnitzt und stellt schon fast einen natürlichen
Kompositbogen dar.
Die Länge des Langbogens schwankte regional. Sie richtete sich nach der
Größe des Mannes, dem der Bogen genau angepaßt werden mußte.
In England war er meistens so lang wie der Abstand zwischen den ausgebreiteten
Armen des Schützen von der Spitze des linken bis zur Spitze des rechten
Mittelfingers, was auch ungefähr der Körpergröße entsprach.
Der traditionelle Langbogen, der stets ohne Visier und sonstige Hilfsmittel
geschossen wird, ist von der Form seiner Wurfarme stets gerade, nicht rekursiv.
Die mannslange Bogensehne wird meistens aus Hanf oder Flachs gefertigt. Damit
die Sehne festen Halt hat, ist der Bogen an den Spitzen mit Hornkerben versehen.
Zum Spannen eines Langbogens muß man etwa die gleiche Kraft aufwenden
wie zum Heben eines 36-Kilogramm-Gewichts. Dieser große Bogen kann aber
nur im Stehen gebraucht werden und eignet sich nicht zur Verwendung auf einem
Reittier.
Mit Langbögen können sowohl Jagdpfeile als auch die schwereren Kriegspfeile
verschossen werden. Ein guter Schütze soll zwölf Pfeile in der Minute
treffsicher abgeschossen haben. Die Zugkraft liegt bei etwa 50 Kilogramm.
Von einem Langbogen abgeschossene Pfeile fliegen bis zu 300 Meter weit, wobei
sie aber schon nach kurzer Zeit ihre größte Wucht verlieren.
Bis zu einer Reichweite von 90 Metern sind die eisernen Spitzen der Langbogenpfeile
allerdings ziemlich tödlich. Die Schützen können einen wahren
Pfeilhagel auf den Feind niederprasseln lassen, indem sie die Pfeile hoch
in die Luft schießen. Streitrosse sind besonders leicht verwundbar,
weil bestimmte Körperteile immer ungeschützt bleiben. Pfeile mit
nadelförmiger Spitze können noch auf große Entfernung Kettenglieder
von Rüstungen durchbohren, wenn sie genau zwischen den Ringen auftreffen.
In Schlachten um Burgen ist der Langbogen eine der beliebtesten Waffen, sowohl
für Belagerer als auch für die Belagerten. Der Bogen erweist sich
in der Hand eines geübten Schützen aber auch in offenen Feldschlachten,
vor allem im Kampf gegen die Reiterei, als sehr wirksame Waffe.
Langbögen waren in vielen europäischen Ländern, besonders aber
in England, beliebt. Auf dem Festland bevorzugte man dagegen die Armbrust.
Die Engländer hatten im 12. Jahrhundert Zusammenstöße mit
walisischen Langbogenschützen, die später häufig in der englischen
Armee eingesetzt wurden. Viele walisische Schützen trugen, wahrscheinlich
wegen des besseren Halts, keine Schuhe. Mit der Armbrust ließen sich
nur zwei oder drei Schüsse in der Minute abfeuern. Bei Regen und Feuchtigkeit
wurde die Armbrustsehne leicht schlaff.
Vor allem im Hundertjährigen Krieg (1337 - 1453) setzten die Engländer
viele Bogenschützen gegen die Franzosen ein. In der Schlacht von Crécy
(1346) stand dem Heer des englischen Königs Edward III., das aus 13.000
Mann, davon 6.000 Bogenschützen bestand, ein französisches Heer
mit mehr als 40.000 Soldaten gegenüber. Trotz ihrer Übermacht waren
die französischen Armbrustschützen nicht imstande, die Pfeilregen
der berühmten englischen Langbogenschützen wirkungsvoll zu erwidern,
und die französischen Ritter wurden vernichtend geschlagen.
Edward III., der "Schwarze Prinz", wegen seiner Rüstung so
genannt, schlug das französische Ritterheer erneut mit seinen englischen
Bogenschützen 1356 bei Maupertuis in der Nähe von Poitiers. 1415
siegte der englische König Heinrich V. bei Agincourt und vernichtete
mit Hilfe der beweglichen Bogenschützen das zahlenmäßig vielfach
überlegene französische Heer. Noch 200 Jahre später, 1627,
befanden sich englische Bogenschützen im Solde Kardinal Richelieus bei
der Belagerung von Larochelle und dem Angriff auf die Insel Re.
Der Reflexbogen, den die türkischen Janitscharen im 15. Jahrhundert verwendeten,
war ein Kompositbogen von hoher Qualität. Allein seine Herstellung aus
Holz, Horn, Sehne und Fischleim dauert ein volles Jahr, dafür erreicht
diese Waffe aber eine Lebensdauer von 100 Jahren. Der Bogen ist sehr stark
gekrümmt, sogar über seine Scheitelpunkte hinweg, so daß er
wie ein großes "C" aussieht, d.h. die Sehne ist ein Stück
kürzer als der Bogen.
Der türkische Reflexbogen ist den europäischen Bögen aus der
gleichen Zeit weit überlegen, sowohl an Stabilität als auch an Schußkraft.
Ein kräftiger Bogenschütze kann bis zu 800 Meter weit damit schießen,
und gezielte Schüsse sind bis auf 300 bis 350 Meter möglich, also
so weit wie ein englischer Langbogen überhaupt trägt.
Die türkischen Bogenschützen waren darauf trainiert, den Reflexbogen
in jeder Lebenslage zu benutzen. Ob sie auf galoppierendem Pferd oder beim
Rückzug sogar über die Schulter hinweg ihre Pfeile versandten, minderte
ihre Trefferquote nicht wesentlich. Dazu schossen sie im Salventakt.
Bauanleitung für einen Bogen
Im folgenden wird eine Bauanleitung für einen Kurzbogen der nordamerikanischen
Steppenindianer wiedergegeben. Dies ist eine gute Quelle, wie man selbst einen
Bogen herstellen kann und wie er in ähnlicher Form möglicherweise
auch früher in Europa angefertigt worden sein könnte.
Man benötigt einen oder besser mehrere (es ist besser, mehrere Rohlinge
zu haben), in der Mitte ca. 5 bis 6 cm dicke, junge Bäume. Empfohlen
wird besonders Eschenholz. Die Rohlinge werden dann auf die Länge von
den Fingerspitzen des seitlich ausgestreckten, rechten Armes, bis zum Ende
der linken Schulter des zukünftigen Verwenders gekürzt. Wer einen
Langbogen herstellen will, sollte die Distanz zwischen den Fingerspitzen beider
ausgestreckter Arme zugrunde legen.
Nun werden die Rohlinge entrindet und über Nacht an einem kühlen
Ort gelagert. Nach einer Lagerung von mindestens 6 Stunden wird der natürliche
Bogen des Rohlings ermittelt, indem man ein Ende auf den Boden stellt und
mit einem Fuß fixiert und das andere Ende senkrecht mit der linken Hand
festhält. Mit der rechten Hand greift man in die Mitte des Rohlings und
prüft, in welche Richtung sich der Rohling am besten biegen läßt,
ohne sich zu verdrehen. Dies wird die Richtung des Bogens.
Der Bogen wird getrimmt, indem in langen Strichen die beiden Enden mit einem
Hobel dünner geschabt werden. Danach wird der Rohling wieder einige Tage
abgelagert und dann feuergehärtet, indem das Holz über starker Glut
(z.B. Holzkohle) bewegt wird, ohne daß die Oberfläche anbrennt.
Nach dem Feuerhärten wird das Holz wiederholt mit Fett oder Öl eingerieben,
bis das Holz nichts mehr absorbieren kann. Jetzt können die Enden noch
weiter ausgeformt werden, um noch elastischer zu werden und die Sehne zu halten
(einkerben). Ist diese Arbeit fertig, werden die Enden mit nasser Sehne umwickelt
und mit Kiefernharz verklebt.
Wenn die Sehne ausgehärtet ist, kann der Bogen mit Sehne gespannt werden.
In diesem Fall ist die "Bogensehne" wörtlich zu nehmen. Die
Bogensehne wird aus getrockneter, zerfaserter und wieder angefeuchteter Sehne
hergestellt. Zunächst wird mit Zeigefinger und Daumen aus einigen feuchten
Fasern ein Faden gedrillt, bzw. gesponnen. Um diesen Faden wird ein anderer
Faden schraubenförmig gewickelt. Darum wird dann in anderer Richtung
ein weiter Faden gewickelt, so daß die Wicklungen über Kreuz liegen.
Diese Prozedur wird so lange wiederholt, bis die gewünschte Dicke erreicht
ist. Danach werden die Enden verspleißt und die Oberfläche mit
Speichel glatt gerieben. Die Sehne muß jetzt in leicht gespannter Position
austrocknen. Beim Trocknungsprozeß kleben dann die feuchten Sehnenfasern
zusammen.
Die Sehnenmitte sollte man zum Schutz vor Abnutzung mit dünnem Garn umwickeln.
Wer keine echte Sehne verwenden möchte, kann natürlich auch eine
starke Schnur (gewachst oder aus Kunststoff) benutzen.