Die Rittertugenden
Was ein Knappe können mußte
Was ein Knappe können mußte, wenn er Ritter werden wollte, beschrieb
im Jahre 1410 der Dichter Johannes Rothe in seinem "Ritterspiegel":
"Zu einem vollkommenen Manne gehört, daß er wohl reiten kann,
schnell auf- und absitzen, gut traben, rennen und wenden und daß er
mit Verstand etwas von der Erde aufnehmen kann.
Zum zweiten gehört, daß er schwimmen kann und im Wasser tauchen
und sich vom Bauch auf den Rücken wenden und krümmen kann.
Zum dritten gehört zu einem vollkommenen Mann, daß er mit Armbrust
und Bogen umzugehen weiß. Das mag er bei Fürsten wohl nützen
später.
Zum vierten muß er auf Leitern klettern können, das wird ihm wohl
nützen im Kriege, auch ist es gut, an Seilen und Stangen klettern zu
können.
Zum fünften muß er behende sein und wohl turnieren, streiten und
recht und redlich stechen können.
Zum sechsten muß er bei Gefechten und Scharmützeln ringen können,
auch soll er weiter springen können als andere und mit der Rechten ebenso
gut fechten wie mit der Linken.
Zum siebten muß bei Tisch er sich gut benehmen können, tanzen und
hofieren, auch soll er Bredspiel (Schach) verstehen und alles, was ihn noch
zieren mag."
Gerade der letzte Punkt, das gute Benehmen, war wichtig für den jungen
Ritter. Denn: "Ein unweiser, dummer Edelmann ist der sich vor nichts
schämt. Er ist einem gekrönten Esel gleich, der den Hunden ausgeliefert
ist. Was frommt einem seine edle geburt, wenn er sich an keinem Ort weder
in Worten noch in Taten geziemend benehmen kann?"
Deshalb erhielt ein junger Adeliger neben der kriegerischen Ausbildung auch
Unterweisungen in der Etikette. Beispielsweise mußte er einige Tischregeln
lernen, die uns eine alte Handschrift überliefert hat. Es heißt
dort:
"Kein Ritter soll zusammen mit einem anderen von ein und demselben Löffel
essen.
Beim Essen rülpst man nicht, desgleichen schneuzt man sich nicht ins
Tischtuch.
Wer nicht imstande ist, mit dem Löffel seine Speise aufzunehmen, der
schiebe sie nie mit den Fingern drauf.
Bevor Du trinkst, wische dir den Mund ab, damit das Fett nicht in den Weinbecher
tropfe.
Es ziemt sich nicht, während des Essens auf dem Tisch zu lümmeln.
Beim Essen kratzt man sich nicht bloßer Hand, wenn etwas an der Kehle
zwickt.
Zwickt es so stark, daß man kratzen muß, dann kratzt man besser
mit dem Gewand.
Es ist keine gute Sitte, ein angebissenes Brot wieder in die Schüssel
einzutunken.
Auch einen abgenagten Knochen legt man nicht in die Suppenschussel zurück.
Wer gerade Essen in seinem Munde hat, der trinke nicht wie das Vieh."