Mythologie
Direktverbindungen mit den Etruskern und den Skythen erweiterten den keltischen
Horizont, und damit die Mythologie und das Weltbild. Das muß Veränderungen
in der Ideologie bewirkt haben, die den Zündstoff für die sozialen
und politischen Umwälzungen ab ca. 500 v.Chr. gebildet haben dürften
und die Religion und Kunst so stark tangierten, daß man nun von der
Latène-Kultur spricht.
Die keltische Kultur bewegte sich zwar in einem grundsätzlich indoeuropäischen
Rahmen, bewahrte aber zyklische, nicht lineare Gedankenmuster und brachte
die Trennung in eine reale, materielle, diesseitige und eine spirituelle,
jenseitige Welt nicht zustande. Wohl wußten die Kelten mit der Materie
umzugehen, jedoch liessen sich nicht von ihr beherrschen.
Mit einer weder den klassischen noch den christlichen Völkern bekannten
Inbrunst verherrlichten die Kelten die Schöpfer- und Lebenskräfte,
an denen das weibliche und das männliche Prinzip in vorbildlichem Gleichgewicht
beteiligt waren. Das Leben an sich war für sie die treibende Kraft im
Kosmos, dasjenige, worin sich die höchste Weisheit, das Göttliche
in seiner unendlichen Vielfalt offenbarte. Der Tod spielte eine untergeordnete
Rolle – eine kurze Unterbrechung in einem ewigen, sich fortwährend
wandelnden Kreislauf. Es kommt wohl nicht von ungefähr, daß viele
Menschen sich heute instinktiv von diesem Weltbild angesprochen fühlen
– es kann als Gegengewicht zu unserer Zeit empfunden werden.
Die Forschung, insbesondere die Archäologie, hat in den letzten Jahren
neben einer Menge neuer Gegenstände – man denke nur an das Grab
des Fürsten von Hochdorf in Deutschland und den "Lindow Man"
in England – viele neue An- und Einsichten gewonnen. Außerdem
gehen Mythologien dieser Art kaum je über die Definition von Gegenständen
und Gestalten hinaus – Diskussionen bleiben ausgespart, verschiedene
Interpretationsmöglichkeiten unberücksichtigt, und alles spielt
sich in einem luftleeren Raum ab, der keinen Bezug zu einem realen Land hat.
Damit wird eine Wissenschaftlichkeit mit gesicherten Ergebnissen vorgetäuscht,
die es bei diesem Thema, das niemals von keltischen Zeitgenossen schriftlich
formuliert, sondern nur mündlich überliefert worden ist und aus
allen möglichen Quellen erschlossen werden muß– z.B. antiken
Schriftstellern, Bodenfunden der keltischen Länder, Volksüberlieferungen
etc., - gar nicht geben kann.
"Herrin", sprach er, "um des Mannes Willen, den du am meisten
liebst, warte auf mich!" "Ich will gerne warten", sprach sie,
"und es wäre dem Pferd besser bekommen, wenn du gleich darum gebeten
hättest." So blieb die junge Frau stehen und wartete, schlug von
ihrer Kopfbedeckung den Teil, der das Gesicht bedecken sollte zurück,
richtete den Blick auf ihn und begann, sich mit ihm zu unterhalten. "Herrin“,
sprach er, "woher kommst du und wohin bist du unterwegs?" "Ich
bin in meinen Angelegenheiten unterwegs", sprach sie, "und es freut
mich, dich zu sehen." "Sei mir willkommen", sprach er. Und
dann dachte er, daß die Gestalt eines jeden Mädchens und einer
jeden Frau, die er jemals gesehen hatte, ihm unansehlich schien im Vergleich
zu ihrer Gestalt. ..... (aus: Pwyll, Fürst von Dyfed, Das Sagenbuch der
walisischen Kelten, Die vier Zweige des Mabinogi).