Wir

Berica Sigfrid

Caro alias Berica von der Düssel

Wir schreiben das Jahr 1201 des Herrn. (So heißt es doch??)
Seit gut 12 Monden befinde ich mich auf Wanderschaft in dieser mir oft sehr seltsam anmutenden Welt.
Mein Name ist Berica.
Eigentlich Schwester Berica.
Doch wenn ich es bis jetzt richtig verstanden habe, dann hat mein Orden nicht viel mit den Klöstern und Lehren dieser angeblich einzig wahren christlichen Kirche gemein. Wie kann ein Mann nur auf die Idee kommen, daß es nur einen Weg des Glaubens und Heils gibt ?

Ich habe noch nicht viel von dieser Welt gesehen und was ich so sehe und höre bringt mich oft in Verwirrung. Doch scheine auch ich auf die Menschen eine ähnliche Wirkung zu haben. Wie oft habe ich schon erlebt, daß sie mich nach ein paar Worten von mir anschauten, als hätte ich zuviel der Tollkirsche und des Stechapfels eingenommen...

Es muß wohl wenige Tage vor den Kalenden des Dezembers (gegen Ende November) des Jahres 1173 gewesen sein, als ich zur Welt kam. So genau weiß es niemand, doch um diese Zeit wurde ich als kleines, warm eingepacktes Bündel vor den Toren des Ordens der Jungfräulichen abgelegt.
Es soll einer der härtesten Winter seit Jahren gewesen sein und es gab in dem kleinen Fischerdorf an Düssel und Rhein viele Opfer der Kälte und des Hungers zu beklagen.

Das kleine Kloster liegt abseits und gut versteckt in einem Wald an der Düssel.
Dort leben natürlich nur Frauen, und von ihnen wurde ich aufgezogen.
Ich lernte lesen, rechnen und schreiben, aber kein Latein. Sie sagten, es sei eine Sprache der Lügner und Hochstapler. Nur die ältesten und in ihrem Charakter gefestigsten Schwestern beherrschen diese Sprache.
Auch die Kunst der Musik und die Lehre der Natur brachten sie mir bei. Ebenso ein wenig die Heilkunst, jedoch nicht mit diesen rauhen Methoden eines sogenannten Medikus oder Baders. Diese Quacksalber beherrschen eher die Kunst, jemanden seines Lebens zu berauben als ihm dasselbe zu verlängern.
Doch zurück zum Heilen:
Ganz besonders wird mir dabei eine weise, alte Frau in Erinnerung bleiben, die für einige Zeit in unserer Gemeinschaft zu Gast war. Sie kam aus dem chinesischen Kaiserreich.
Ihr Name war und ist mir einfach unaussprechlich, geschweige denn, daß ich ihn in Buchstaben fassen könnte. Ihre dunklen Mandelaugen strahlten eine Wärme und Güte aus, wie ich sie bei noch keinem Menschen außerhalb des Klosters antraf...
Sie weihte mich in eine Kunst des Heilens ein, die durch Handauflegen geschieht.
Es ist eine Lehre von der allumfassenden Kraft des Lichts und der Liebe...

Einmal, auf meiner Wanderschaft, wandte ich sie bei einem kleinen Jungen an. Er hatte nichts schlimmes, einen verstauchten Fuß, und da ich nicht die passenden Heilkräuter zur Hand hatte, gebrauchte ich eben meine Hände und der Fuß schwoll ab.
Als seine Eltern davon hörten, waren sie entsetzt, anstatt erfreut. Sie schrieen, daß ich eine Hexe sei und auf dem Scheiterhaufen verbrannt gehöre.
Das verstehe ich noch immer nicht. Eine Hexe ist eine weise, wissende Frau; einfach das, was ich gerne werden möchte, doch wieso sollten Menschen mich deswegen verbrennen???

Wie gesagt, ich befinde mich erst seit dem Jahrtausendwechsel außerhalb der Klostermauern in Eurer Welt und ich habe bemerkt, daß ich noch viel zu lernen habe.
So habe ich auch nie diese Angst vor dem Weltuntergang verstanden, die wohl durch diese beiden Nullen hinter der Zwölf wie eine Seuche um sich griff. Unsere Zeitrechnung ist doch nur eine von vielen, warum sollte ausgerechnet sie ein Maßstab für das Ende aller Welten sein?
Aber weiter mit meiner Geschichte.
Von mir aus hätte ich das Kloster wohl nie verlassen, doch unsere weise Priesterin schickte mich hinaus, um unsere Kräutermischungen zu verkaufen. So sagte sie es mir.
Doch nun habe ich manchmal das Gefühl, ob sie dies nicht nur als Vorwand benutzte, um mich die Welt kennenlernen zu lassen, statt daß ich mich weiterhin vor dieser verkroch.
Recht bald traf ich auf Hedda, eine Fellhändlerin aus dem Norden, die mich für die erste Zeit unter ihre Fittiche nahm.
Mit ihr ging ich auch das erste Mal in diese Taverne.
Noch nie zuvor hatte ich so etwas gesehen! So viele Männer, geschweige denn, dass ich je einen aus der Nähe gesehen oder gar neben einem gesessen hätte!
Ich weiß sehr wohl, daß Frauen durch den Samen eines Mannes ihre Kinder empfangen,
und ich habe schon oft mit Samen von Pflanzen zu tun gehabt. Also hütete ich mich davor, irgend etwas dieser Art von einem Manne anzunehmen!
Und diese >unbefleckte Empfängnis<, also das ist alles ein Mißverständnis, da konnte wohl jeMANNd nicht zwischen >junge Frau< und >Jungfrau< unterscheiden! (Hat mir eine der älteren Schwestern mal zugeraunt)
Ach, ich schweife schon wieder ab...
Jedenfalls wurde mir durch das Gespräch mit einigen Gästen klar, wie wenig ich eigentlich von der Welt kannte, und ich muß sagen, mich überkam die große Neugier und die große Lust, noch mehr Wissen zu sammeln und die Welt selbst mit all meinen Sinnen kennen zu lernen.
Ein schottischer Clanführer, den ich dort in der Taverne traf, bot mir sogar an, seine Bibliothek benutzen zu dürfen und mich seinem Einhornschamanen vorzustellen. Ihr müßt wissen, ich trage ein kleines Einhorn-Horn an einem Lederbändchen um den Hals. Ich denke, daß es von meiner Mutter ist. Wer sie wohl war...?
Das Geld von den verkauften Kräutern wurde durch abgerichtete Botenwölfe des Schotten meinem Kloster überbracht, so versprach er es mir...
Dies war also der Beginn meiner Wanderschaft. Bis jetzt haben sich die Wege des Schotten und meine leider nicht mehr gekreuzt. Doch wenn es für mich gut ist, so wird es sicher noch geschehen. Schließlich weiß ich, in welche Richtung ich zu gehen hätte. Doch ich halte die Zeit noch nicht für gekommen, um das Meer, von welchem ich bis jetzt nur gelesen und gehört habe, zu überqueren.

Eines Tages, ich hatte mich wieder allein auf den Weg gemacht, wurde ich in einem Wald plötzlich von Räubern überfallen. Sie merkten schnell, daß ich nichts bei mir trug, das für sie von Wert gewesen wäre. Eine solche Angst hatte ich bis dato nicht gekannt,
mein Herz raste und kalter Schweiß stand mir auf der Stirn, es war furchtbar!
Sie fesselten mich an einen Baum und benutzten mich als Zielscheibe für ihre Messer,
die sie auf mich warfen. Sie machten sich einen großen Spaß daraus, die Messer so dicht wie möglich an meinem Körper vorbei in den Baum treffen zu lassen...
So laut ich konnte, schrie ich um Hilfe, bekam aber schnell einen Knebel in den Mund gestopft, einen ekligen alten, sicher nie gewaschenen Lappen, ...
Doch meine Schreie hatten schon ihren Weg in fremde Ohren gefunden.
Denn bald erschien eine junge, sehnige Frau in mongolischer Kriegskleidung (ich hatte schon mal Bilder davon gesehen...) und mit gezogenem Schwert.
Es war ein heftiger Kampf und sie wurde an der Schulter verletzt, aber sie schaffte es, zwei der Räuber zu töten, der Rest floh verängstigt ins Unterholz.
Als sie mich endlich von Knebel und Fesselnbefreien konnte, hatte sie schon viel Blut verloren und wurde fast ohnmächtig.
Im Laufe von ein paar Tagen gelang es mir, sie wieder voll und ganz zu heilen.
Ich setzte alles daran, schließlich hatte sie mein Leben gerettet.
Seit dem ziehen Amaris Liliana, so heißt diese tapfere Kriegerin, und ich gemeinsam des Weges...

Doch auch sie konnte, (oder wollte?), mir zum Beispiel nicht erklären, warum Männer so erbost und wütend werden, wenn andere behaupten, daß ihre Ehefrauen ihnen die Hörner aufsetzen.
Das verstehe ich nicht. Ich las von Wikingerhelmen mit Hörnern, und wenn eine Frau ihrem Manne solch einen Helm aufsetzt, so zeugt das doch von ihrer Fürsorge und Zuneigung ihrem Manne gegenüber...
Wie ich schon sagte, gar manches in dieser Welt verwirret mich noch sehr...
Zum Beispiel,... aber nein, das frage ich Euch ein andermal...